Bhalla / Wolf | Böse Heiler | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 224 Seiten

Bhalla / Wolf Böse Heiler

Wie Sie die Scharlatane in der Alternativmedizin erkennen

E-Book, Deutsch, 224 Seiten

ISBN: 978-3-99001-301-4
Verlag: edition a
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)



Die Schulmedizin ist in Verruf geraten, die Alternativmedizin boomt, doch das ist nicht immer gut. Selbsternannte Heiler ohne medizinisches Grundwissen und ausgebildete Ärzte auf Abwegen schaden mehr als sie nutzen, und das für viel Geld. Der Arzt Ashish Bhalla und der Gesundheitswissenschaftler Christian F. Wolf zeigen die Abgründe der Alternativmedizin und wie wir uns als Patienten vor gefährlichen Scharlatanen schützen können.
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Der Fall Veronika Allsitter
Wegen ihrer Erkrankung lebt sie zurückgezogen. Jemanden kennenzulernen und sich gar zu verlieben würde alles nur noch schlimmer machen. Als Veronika Allsitter mir das erklärt, wird ihre Stimme brüchig. »Ich habe wirklich andere Sorgen«, sagt sie, verschränkt die Arme vor der Brust und sieht an mir vorbei in den Garten meiner Praxis hinaus. Veronika Allsitter wirkt auf den ersten Blick ruhig und doch erscheint sie mir sehr angespannt. Kein Wunder bei dem, was sie schon alles durchgemacht hat. Ihr Vater ist Psychiatriepatient und will seit ihrer Geburt nichts von ihr wissen. Als sie 15 war, starb ihre Mutter. Jetzt ist sie 25, Bibliothekarin, hat ihr Leben nach einem schlimmen Tief in der Pubertät im Griff und wäre gerne mit einem Mann glücklich geworden. Da gab es einen, den sie bei einem Konzert kennengelernt hat. Mit ihm war alles so leicht und einfach. Aber auf Dauer ohne Sex, wie sollte das gehen? Nachdem sie mir ausführlich von ihren gesundheitlichen und den damit zusammenhängenden Problemen erzählt hat, gönne ich ihr etwas Ruhe. Ich fülle in ihr Glas lauwarmes Wasser nach und sehe noch einmal ihre Befunde durch. Am meisten zu schaffen macht ihr eine schlimme Form von HPV-Infektion. Seit dem letzten gynäkologischen Befund, der sechs Monate alt ist, hat sich laut ihrer Einschätzung nichts daran verbessert. Sie ringt seit zwei Jahren damit. Dazu ist ihre Periode seit jeher unregelmäßig und mit heftigen Beschwerden verbunden. Außerdem hat sie Zysten an den Eierstöcken. Daher wäre Sex für sie womöglich unangenehm. Für eine mögliche Beziehung ist das Ganze klarer Weise eine Katastrophe. Sie hat überlegt, dem interessanten Mann, den sie beim Konzert kennengelernt hat, zu sagen, dass sie ihn beim Sex, selbst beim geschützten, infizieren könnte. Dann hat sie es bleiben lassen, sich zurückgezogen, mit einem bitteren Gefühl. Er hat wohl nicht verstehen können, warum. Veronika Allsitter hat sich nichts vorzuwerfen. Sie hat für ihre Gesundheit gekämpft. Sie ernährt sich sehr gesund, macht viel Bewegung, war bis vor sechs Monaten regelmäßig beim Gynäkologen und ist in alternativmedizinischer Behandlung. Aber weder die Medikamente noch die Kräuter ihrer Heilerin, einer eingetragenen Energetikerin, haben bisher irgendwas bewirkt. Zum Gynäkologen geht sie mittlerweile nicht mehr. Er hat ihr nur Angst gemacht, dass sich die HPV-Infektion zu Gebärmutter- oder Vaginalkrebs entwickeln könnte. Bei der Heilerin hingegen fühlt sie sich gut aufgehoben. Weshalb ihr nicht gefallen wird, was ich ihr sagen will, sobald sie sich erholt hat. »Ihre Praxis hier ist irgendwie eigenartig«, sagt sie, während ich nach den richtigen Worten suche. »Finden Sie?« Ihr Blick wandert über mein Interieur. Ein Messstab für die Körpergröße. Eine alte Waage. Ein dunkler Biedermeier-Schreibtisch. Gold gerahmte Landschaftsbilder. Ein Paravent. Eine Liege. »Wie bei einem Hausarzt des 19. Jahrhunderts«, sagt sie, schaut wieder durch die Glasfront in den Garten hinaus und schüttelt den Kopf. »Das Alte passt mit dem Modernen nicht zusammen.« »In der Medizin schon«, entgegne ich. Sie lächelt und klopft auf die ledergepolsterten Armlehnen ihres antiken Sessels. »In einer Praxis bin ich noch nie auf einem Thron gesessen.« »Das habe ich bei einem alten Ayurveda-Arzt in Indien gesehen. Dem durfte ich als Kind bei der Arbeit zusehen. Er hatte auch so einen massiven Stuhl für seine Patienten. Er meinte, der gibt ihnen Sicherheit.« »Stimmt.« Sie bringt ein Lächeln zustande. Der Moment für ein ernstes Wort ist gekommen. »Frau Allsitter, ich denke, Sie sollten die Behandlung bei Ihrer Heilerin abbrechen.« Mit großen Augen sieht sie mich an. »Wie kommen Sie denn darauf?« Ruhig erkläre ich ihr, warum diese Heilerin sie nicht heilt, sondern bloß ihr Leiden verlängert. Mit zusammengekniffenen Augen, verschränkten Armen und überkreuzten Beinen hört Veronika Allsitter mir zu. Mir ist klar, warum sie die Behandlung bei dieser Heilerin als so wertvoll empfindet. Diese Frau kann offenbar gut trösten und ist genau in dem Alter, in dem Veronika Allsitters verstorbene Mutter heute wäre. Ich wäre wirklich der Letzte, der versucht, sie von einer Mutterfigur zu trennen. Aber diese Frau ist offensichtlich keine gute Mutter. Mir ist auch klar, warum Veronika Allsitter zu mir gekommen ist. Ich bin nicht nur Arzt, sondern auch medizinischer Ayurveda-Spezialist und verstehe daher etwas von Kräutern. Offenbar hat sie erwartet, dass ich dem, was diese Heilerin mit ihr macht, zustimmen kann. Das kann ich allerdings nicht. Was die Heilerin macht, ist weder in moralischer noch in gesundheitlicher Hinsicht in Ordnung. Als ich mit meinen Ausführungen fertig bin, fragt Veronika Allsitter nach dem WC und entschuldigt sich. Ich kann nur hoffen, dass meine Worte ihr zu denken geben. Sie muss erkennen, was diese Heilerin tut. Sie gibt ihr Globuli und kleine Säckchen mit Kräutern, zusammengestellt nach einem Geheimrezept. Von wegen Geheimrezept. Wenn ich das schon höre. Mangelhafte Patienteninformation heißt das bei mir. Das Geheimrezept lässt sich die Heilerin teuer bezahlen. Achtzig Euro für sieben kleine Säckchen mit zerriebenen Kräutern. Sieben kleine Tagesrationen, die Veronika Allsitter in ein wenig Wasser auflöst und schluckt. Jede Woche muss sie zu der Heilerin gehen, um sich untersuchen zu lassen und eine weitere Ration zu holen. Diese Termine kosten extra. Nach Meinung der Heilerin zeigt diese Behandlung auch Wirkung. Veronika Allsitters Beschwerden seien nicht so schlimm, wie sie sein könnten. Denn wegen der Lieblosigkeit ihres Vaters habe sie starke negative Energien in ihrem Körper. Dass die Patientin keine Medikamente mehr nimmt, weil sie das Vertrauen zu ihrem Gynäkologen verloren hat, findet die Heilerin gut. Denn Medikamente würden die Wirkung von Globuli und Kräutern behindern. Veronika Allsitter wollte den Namen der Heilerin nicht nennen. Hätte sie es getan, hätte ich mich veranlasst gefühlt, die Frau anzuzeigen. Denn ihre Argumentation ist eine Frechheit und ihre Logik perfid. Sie nützt die körperliche und seelische Not dieser jungen Patientin aus, um Macht über sie zu erlangen und abzukassieren. Entweder ist es ihr egal, dass sie ihr damit den Zugang zu echter Heilung verbaut, oder sie ist so von sich eingenommen, dass sie sich tatsächlich für eine Heilerin hält. Dabei unterliegt sie als Energetikerin den Standesregeln der Wirtschaftskammer. Darin steht unmissverständlich, dass sie kranke Menschen nicht behandeln darf. Langsam mache ich mir Gedanken. Veronika Allsitter lässt sich lange Zeit. Kann ich sie überzeugen? Oder ist ihr die Beziehung zu dieser Heilerin wichtiger? Endlich kommt sie zurück und nimmt wieder auf dem Thron Platz. »Ich bin nicht überzeugt«, sagt sie. »Warum können Sie mich nicht parallel zu meiner Heilerin behandeln wie mein alter Gynäkologe?« »Weil ich anders arbeite.« Ich erkläre ihr, dass manche Kräuter im Körper an denselben Rezeptoren andocken wie die Medikamente und daher deren Wirkung abschwächen. Das wäre eine mögliche Erklärung, warum die Medikamente des Gynäkologen nicht gewirkt haben. Außerdem erkläre ich ihr, dass ihr Immunsystem durch ihre ständige Anspannung sehr geschwächt wird. »Daher empfehle ich Ihnen Meditationen und Yoga, damit Sie Ihrem Gleichgewicht wieder näherkommen.« Sie hebt die Hand, um mich zu unterbrechen. »Ich weiß, worauf diese Empfehlung hinausläuft. Ich habe mich über Ihre Praxis gut erkundigt. Auch über den akademischen Yogalehrer, mit dem Sie diese Praxis hier aufgezogen haben. Also nichts gegen Christian Wolf. Aber ich bin nur eine kleine Bibliothekarin. Verstehen Sie?!« »Nicht ganz«, gebe ich zu. Daraufhin erklärt sie mir, dass sie seit fünf Jahren Yoga macht. Daher habe sie wirklich den allergrößten Respekt vor einem Meditations- und Yoga-Experten mit jahrzehntelanger Erfahrung. Sie hat sich wirklich gut erkundigt. Sie weiß sogar, dass Christian als Gesundheitswissenschaftler mit Yoga-Techniken aus weniger bekannten Traditionen arbeitet und sie individuell auf die Symptome der einzelnen Patienten abstimmen kann. Damit sie lernt, ihre Anspannung zu lösen, empfehle ich ihr genau das. Da verschränkt sie wieder die Arme vor der Brust. »Sie haben natürlich recht«, sagt sie mit spitzer Stimme. »Als Bibliothekarin muss ich mir standesgemäß meinen privaten Yogalehrer leisten.« Ihr Scherz ist zwar bitter, aber ich muss trotzdem schmunzeln. »Sie sind bei uns bestimmt günstiger dran als bei Ihrer Heilerin. Da Sie schon etwas von Yoga verstehen, brauchen Sie nur zwei bis drei Schulungseinheiten bei Christian Wolf, um sich die für Sie passenden Instruktionen zu holen. Ich verschreibe Ihnen ein paar hochdosierte Kräuter. In drei Monaten kommen Sie zur Kontrolle. Dann sehen wir, wie es wirkt. Dann noch eine Abschlusskonsultation in sechs Monaten. Ich denke, das sollte reichen.« Noch immer sitzt sie mit verschränkten Armen und Beinen da. Mir ist klar: Wenn ich es nicht schaffe, ihre Defensivhaltung aufzulösen, wird sie gleich aufstehen, gehen, ihre Heilerin weiterhin mit Geld füttern und nie gesund werden. Daher sage ich ihr: »Bevor Sie entscheiden, bitte ich Sie um fünf tiefe Atemzüge.« Sie verharrt in ihrer angespannten Sitzposition. Meiner Meinung nach steht sie an einer steilen Klippe und braucht sehr viel Kraft, um das Gleichgewicht zu halten. Aber wenn sie auch nur einen kleinen Schritt von der Klippe weggeht, wird alles viel leichter. Daher wiederhole ich: »Bitte. Nur fünf tiefe Atemzüge.« »Na schön.«...


Wolf, Christian
Dr.Dr. Christian F. Wolf, MBA studierte Gesundheits-, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften und ist seit 1974 in den Bereichen Fitness- und Gesundheitsförderung, Yoga, Meditation und Selbsterfahrung aktiv.

Bhalla, Ashish
Dr. Ashish Bhalla promovierte 2002 zum Doktor der Humanmedizin und eröffnete eine eigene Ayurvedapraxis. Seit 2010 ist er wissenschaftlicher Leiter der Europäischen Akademie für Ayurveda.

Dr. Ashish Bhalla promovierte 2002 zum Doktor der Humanmedizin und eröffnete eine eigene Ayurvedapraxis. Seit 2010 ist er wissenschaftlicher Leiter der Europäischen Akademie fu¨r Ayurveda.


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