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E-Book

E-Book, Deutsch, 188 Seiten

Bönkost / Apraku / Bendler Unteilbar

Bündnisse gegen Rassismus

E-Book, Deutsch, 188 Seiten

ISBN: 978-3-95405-081-9
Verlag: Unrast Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: Kein



Unter den komplexen Herrschaftsverhältnissen einer global vernetzten, postkolonialen Gesellschaft (wie der deutschen) bedarf es im Kampf gegen Rassismus tragfähiger politischer Bündnisse. Doch welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, welche Aufgaben übernommen und welche Herausforderungen gemeistert werden, damit diese dauerhaft wirken können?

Ausgehend vom aktuellen Forschungs- und Diskussionsstand der Rassismusforschung beleuchten die Autor*innen dieses Sammelbandes intersektionale Sichtweisen und transnationale Perspektiven, die allesamt das Ziel haben, Rassismus als strukturelles Herrschafts- und Unterdrückungssystem abzubauen.

Ihre Beiträge, die neben unterschiedlichen Konzepten, Ansätzen und Dimensionen des Verbündet-Seins auch gelungene Beispiele praktischer Umsetzung vorstellen, öffnen den Blick für die vielfältigen Möglichkeiten des Widerstands in rassistischen Verhältnissen durch eine engagierte Bündnisarbeit.

»Ein gelungener Sammelband, der nicht nur aufzeigt, wie wichtig die intersektionale Arbeit gegen rassistische Herrschaftsverhältnisse ist, sondern auch konkrete Beispiele liefert, wie das gelingen kann.« – ts, bedrohte Völker – pogrom
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Wechselnde Allianzen – rassismuskritische Bildungsarbeit in einem Schwarzen Bündnis
Ilinda Bendler, Laura Digoh-Ersoy, Nadine Golly       »waffenbrüder und schwertschwestern herrschaftskriege werden meistens von weißen männern begonnen wahre befreiungskämpfe werden vor allem von schwarzen frauen gewonnen« (May Ayim 2016: 179)   Ein Workshop an einer Bildungseinrichtung, irgendwo im Westen Deutschlands. Es geht um rassismuskritische Perspektiven für die Bildungsarbeit und pädagogische Praxis – so steht es auf der Agenda für die kommenden Stunden. Die Referentin hat sich gerade vorgestellt. Ein Teilnehmer meldet sich: »Der Name Ihres Bildungskollektivs … ist das eine Abkürzung oder sowas?« Tatsächlich legt die Großschreibung unseres Namens diesen Schluss nahe: KARFI. Doch KARFI steht nicht für eine klangvolle Aneinanderreihung von Anfangsbuchstaben. KARFI heißt ›Stärke‹ auf Hausa, einer Sprache, die in mehreren Ländern Westafrikas gesprochen wird. KARFI ist der Name, den wir unserem Arbeitsbündnis gegeben haben. Wir sind drei Frauen, die rassismuskritische Sensibilisierungs- und Empowermentarbeit machen. Unsere Berührungspunkte sind vielfältig: als sozialwissenschaftlich (und pädagogisch) ausgebildete, überwiegend in der Bundesrepublik Deutschland sozialisierte, in transnationalen Familien lebende Bildungsarbeitende und von rassistischen Missständen immer wieder angetriebene Menschen teilen wir vieles. Zentral für unseren Zusammenschluss war jedoch, dass wir als Schwarze[3] Frauen in Deutschland leben und arbeiten. KARFI als ausschließlich Schwarzen Zusammenschluss zu gründen, war eine bewusste Entscheidung. Im Vordergrund stand die Idee, sich einen Arbeitszusammenhang zu schaffen, der professionellen Austausch und konzeptionelles Arbeiten in einem geschützteren Raum, einem safer space, möglich macht. Ein Ort, an dem wir unsere Erfahrungen in einer rassistisch geordneten Gesellschaft unwidersprochen teilen können (vgl. Golly/Digoh/Bendler 2016). ›Stärke‹ ist somit etwas, was wir in der gemeinsamen Arbeit entwickeln. ›Stärke‹ erwächst für uns auch aus der schwesterlichen Unterstützung und Begleitung. KARFI ist nicht nur unser Arbeitsbündnis – es ist ein Empowerment-Raum. Selbstverständlich haben auch wir organisatorische Fragen zu erörtern, Termine zu finden, Grundlegendes zu diskutieren. Nicht immer ist es uns vergönnt, mit Muße an Konzepten zu feilen und gemeinsam inspirierende theoretische Ansätze zu durchdenken. Aber gerade im Widerstreit unserer vielschichtigen Aufgaben ist es uns wichtig, den expliziten Anspruch unseres Kollektivs immer wieder zu betonen: Wir wollen unsere gemeinsame Arbeit so gestalten, dass sie uns auf der Langstrecke bestärkt. Dafür brauchen wir Sensibilität für unsere persönlichen und kollektiven Grenzen. Wenn wir unseren Blick nach außen richten, so ist ›Stärke‹ auch etwas, was wir uns für die Teilnehmenden unserer Workshops und Fortbildungen wünschen. Durch die intensive Auseinandersetzung mit Erscheinungsformen und ›Logiken‹ von Diskriminierungsverhältnissen entwickeln die Teilnehmenden im Rahmen der Veranstaltungen oft selbst ganz unterschiedliche Ideen für Strategien des Widerstandes. Mit diesen Anregungen im Gepäck, sollen die Teilnehmenden den Seminarraum gestärkt verlassen – auch wenn meist noch viele Fragen offenbleiben. Politische (Bildungs-)Arbeit in rassistischen Gesellschaftsverhältnissen
Unser Arbeitsbündnis bewegt sich im Spannungsfeld von praktischer Bildungsarbeit, politischem Aktivismus und (akademischer) Wissensproduktion. Dabei ist für uns keiner dieser Arbeitsbereiche ohne die beiden anderen denkbar. So speisen sich die inhaltlichen Schwerpunkte unserer Workshops aus den Denkansätzen und Theorien von Schwarzen Aktivist*innen und Wissenschaftler*innen of Color. Wir möchten den Teilnehmenden unserer Veranstaltungen Zugänge zu theoretischen Auseinandersetzungen ermöglichen, die in den Diskussionen um Rassismus in Deutschland selten zur Kenntnis genommen und aufgegriffen werden. So wird in der Debatte um die Gleichzeitigkeit von unterschiedlichen Diskriminierungserfahrungen (Intersektionalität) in Deutschland nur selten auf die Analysen und Berichte Schwarzer Aktivist*innen wie bspw. Sojourner Truth[4] (in ihren zahlreichen bekannten Reden zwischen 1850 und 1867) oder dem Combahee River Collective[5] (vgl. das Statement des Schwarzen feministischen Kollektivs aus dem Jahr 1977) verwiesen. Dabei zeigt sich gerade dort, dass die Lebensrealität ›Mehrfachdiskriminierung‹ von Schwarzen Frauen* in politischen Kämpfen um Gleichstellung diverse, punktuelle Bündnisse notwendig macht. Mit Blick auf Rassismus- und postkoloniale Kritik ist es uns wichtig, politischen Aktivismus und Wissenschaft nicht als zwei voneinander getrennte Arbeitsfelder zu begreifen. Denn widerständiges Wissen wird nicht allein in als akademisch markierten Räumen und Köpfen produziert. Es bildet sich vielmehr dort heraus, wo Menschen dominante Ordnungen unterlaufen und ihre Analysen und Strategien mit anderen teilen. Dies möchten wir in unseren Workshops deutlich machen. Als Mitglieder der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (ISD Bund e. V.)[6] sehen wir uns selbst als Teil der jüngeren Schwarzen Bewegung hierzulande (vgl. Wiedenroth-Coulibaly 2017; Oguntoye 2015; Digoh-Ersoy/Thompson 2016). Wenn wir mit KARFI bilateral oder öffentlich gegen Rassismus intervenieren, positionieren wir uns mit unseren professionellen und aktivistischen Bezügen. Diese Erfahrungen fließen wiederum in unsere Bildungsarbeit ein, in der es häufig auch um konkrete Möglichkeiten des Widerstandes gegen Rassismus in den Arbeitszusammenhängen der Teilnehmenden geht. Zentral ist dabei die Frage nach potentiellen Verbündeten. Denn gerade in robusten Strukturen, z.B. von Institutionen, sind strategische Allianzen unabdingbar[7]. Auch wir bei KARFI befinden uns also in der stetigen Auseinandersetzung über Bündnisse in einer rassistisch geordneten Gesellschaft. Die Anlässe sind vielgestaltig: einzelne Interventionen, professioneller Austausch bezüglich rassismuskritischer Bildungsarbeit, Teilnahme an und Mitgestaltung konkreter Veranstaltungen usw. Dabei holt uns immer wieder die Frage ein, wie wir das Wissen um unterschiedliche Positionen in unsere Entscheidungen einfließen lassen. Über die Herausforderung, rassismuskritisch in Bündnissen zu arbeiten
»Ich definiere mein Wesen andauernd, denn wie wir alle bin ich aus vielen verschiedenen Bestandteilen zusammengesetzt. […] Ich weiß auch, dass es Schwarze Frauen gibt, die meine Arbeit nicht in ihren Kursen verwenden, weil ich Lesbe bin. Es gibt Lesben, die weder mir noch meinem Wirken Beachtung schenken können, weil ich zwei Kinder habe […]. Es gibt Frauen, […] die sich weder mit mir noch mit meinem Traum von der Zukunft beschäftigen können, weil ich Schwarz bin, ihr Rassismus wird zum Nebel, der uns trennt. Und mit uns meine ich all jene, die wirklich glauben, dass wir an einer Welt arbeiten können, in der wir alle selbstbestimmt leben können.« (Lorde 2015: 50) Als Schwarze Frauen finden wir uns mitten auf der Kreuzung mehrerer Dominanzverhältnisse (vgl. Crenshaw 1991) wieder. Dieses Bewusstsein durchdringt nicht nur unsere (Lohn-)Arbeitsverhältnisse, sondern ist auch maßgeblich für unsere politischen Arbeitsbündnisse. Gegen Rassismus zu sein reicht nicht aus, um arbeitsfähige Bündnisse zu etablieren. Die zentrale Frage muss sein, wie die einzelnen beteiligten Akteur*innen intersektional positioniert sind. Von welchem Standpunkt aus sprechen sie? Sind wirklich ›alle‹ für die gleiche ›Sache‹ oder gehen sie nur deshalb davon aus, weil nie in aller Deutlichkeit darüber gesprochen wurde? (vgl. Gardi 2017) »Ich finde es wichtig, daß sich Schwarze und Weiße je nach Bedürfnis in eigenen Zusammenhängen treffen, um dann wieder in Kommunikation miteinander zu treten. Ich bin allerdings nicht bereit, mich auf jedes Gespräch einzulassen.« (Ayim 1997: 109) May Ayim formuliert hier auf den ersten Blick schonungslos: Zwar stellt sie fest, dass es wichtig ist, miteinander in Kontakt zu bleiben – auch wenn die Erfahrungen in einer rassistischen Gesellschaft trennend wirken. Gleichzeitig zieht sie aber auch eine rigorose Grenze, um sich selbst zu schützen. Vor immer wiederkehrenden Diskussionen, Erklärungen, davor, mit der eigenen Position in Frage gestellt zu werden. Es bedarf konkreter Bewusstseinsarbeit, um in Bündnissen arbeiten zu können: Menschen mit Rassismuserfahrungen sollten wissen, was für sie eine stärkende Zusammenarbeit ausmacht und an welchem Punkt der Bildungsprozess weißer Alliierter auf ihre Kosten geht und sie (zu viel) Kraft kostet. Menschen, die in rassistischen Ordnungen privilegiert werden, sollten sich fragen, ob und wie sie sich mit der Frage von ungleichen Verhältnissen in rassistischen Strukturen auseinandersetzen. Was braucht es, um den eigenen...


Bönkost, Jule
Jule Bönkost, Dr. phil., Amerikanistin und Kulturwissenschaftlerin. Gemeinsam mit Josephine Apraku gründete sie das IDB | Institut für diskriminierungsfreie Bildung in Berlin. Mitinitiatorin und seit 2016 Leitung des Bildungsprojektes "Hier und jetzt! Kolonialismus und Kolonialrassismus im Schulunterricht" beim Antirassistisch-Interkulturellen Informationszentrum ARiC Berlin e. V. Von 2013 bis 2017 Lehrbeauftragte zum Thema Bildung und Rassismus(kritik) am Zentrum für transdisziplinäre Geschlechterstudien (ZtG) der Humboldt-Universität zu Berlin und an der Alice Salomon Hochschule Berlin.


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