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E-Book, Deutsch, Band 65, 237 Seiten

Reihe: Beiträge zur nordischen Philologie

Brandenburg Karl der Große im Norden

Rezeption französischer Heldenepik in den altostnordischen Handschriften

E-Book, Deutsch, Band 65, 237 Seiten

Reihe: Beiträge zur nordischen Philologie

ISBN: 978-3-7720-0468-1
Verlag: Narr Francke Attempto Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Karl der Große gehört zu den dynamischsten literarischen Gestalten des europäischen Mittelalters. Die altfranzösische Karlsdichtung wurde dabei in kompilierter Form auch im Norden rezipiert: Als Karlamagnús saga liegt sie im Altwestnordischen vor, als Karl Magnus im Altschwedischen und Karl Magnus Krønike im Altdänischen. Durch Kontextualisierung der Karlsdichtung in den fünf überlieferten ostnordischen Handschriften aus dem 15. Jahrhundert werden intertextuelle Bezüge sichtbar, die zur Klärung der Frage beitragen, warum Karl der Große im Norden einerseits als aristokratischer Held, andererseits als Heiliger rezipiert wurde. Neben der philologischen Lektüre der altschwedischen, altdänischen und altfranzösischen Texte tragen vor allem kulturwissenschaftliche Ansätze aus den Feldern Memory Studies, Gender Studies sowie aus der Alteritätsforschung dazu bei, den Transfer scheinbar stabiler Konzepte wie Identität, Geschlecht und Alterität in der mittelalterlichen Literatur des Nordens nachzuvollziehen.
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1. Einleitung
1.1. Textkorpus
1.2. Begriffe: chansons de geste, riddarasögur
1.3. Forschungshistorische Kontextualisierung

2. Theoretische Prämissen
2.1. New Philology
2.2. Translation Studies Übersetzen im Mittelalter
2.3. Polysystemtheorie
2.4. Kulturtransfer
2.5. Zusammenfassung der Vorgehensweise

3. Historischer Kontext
3.1. Norwegen und norwegischer Hof
3.2. Karl Magnus und Schweden im 15. Jahrhundert
3.3. Universitas nobilium, regimen regale und regimen politicum während der Kalmarer Union
3.4. Die schwedische Elite und ihre Codices
3.5. Karl Magnus Krønike und das Børglum-Kloster
3.6. Historia de profectione Danorum in Hierosolymam

4. Kontextstudien Kontextualisierungen im Codex
4.1. Cod. Holm. D4
4.2. Cod. Holm. D4a (Fru Märtas bok, Codex Verelianus)
4.3. Cod. Holm. D3 (Fru Elins bok)
4.4. AM 191 fol. (Codex Askabyensis)
4.5. Fazit: Schwedische Sammelhandschriften
4.6. Altdänische Karlsdichtung: Cod. Holm. Vu
4.7. Zusammenfassung

5. Text- und Funktionsanalysen
5.1. Struktur der Karlsdichtung: Kompilation und Zyklisierung
5.2. Struktur der Karl Magnus Krønike
5.3. Auf der Suche nach Aude und Bramimonde Gendering Genre

6. Narrative Konstruktionen der Alterität
6.1. Alterität in der Chanson de Roland
6.2. Der Orient-Diskurs in Voyage de Charlemagne à Jerusalem et à Constantinople
6.3. Alterität in der altschwedischen Roncesvalles-Episode
6.4. Alterität in Karl Magnus Krønike
6.5. Raum- und Orient-Diskurse in der altschwedischen Übertragung des Voyage
6.6. Exkurs: Weitere Aspekte der Alteritätsdarstellungen in den altschwedischen Handschriften

7. Narrative Heldenkonstruktionen
7.1. Der (un-)dänische Held Holger Danske: literarische Quellen
7.2. Karl der Große rex iustus oder heiliger Sündiger?
7.3. Zusammenfassung: epische Helden, heroische Epen

8. Karlsdichtung in den altostnordischen Handschriften
8.1. Genre- und Diskurstransfer
8.2. Karlsdichtung im altostnordischen Polysystem
8.3. Ausblick


1.3. Forschungshistorische Kontextualisierung
Die literaturhistorische Nähe der ostnordischen Textzeugnisse der Karlsdichtung zu den übersetzten riddarasögur ist sowohl auf der stoffgeschichtlichen Ebene als auch in Bezug auf die handschriftliche Transmission greifbar, so dass ein kurzer forschungsgeschichtlicher Überblick die Problematik einer Marginalisierung seitens der traditionellen altnordischen Literaturgeschichtsschreibung beleuchten wird. 1.3.1. Ältere Forschung: Übersetzte riddarasögur
In das heterogene Korpus der übersetzten riddarasögur, d.h. zunächst altnorwegischer Adaptionen kontinentaler höfischer Stoffe, wurde bereits im vorangegangenen Kapitel eingeführt. Die kanonisierende Ausgrenzung, von der Glauser in Bezug auf übersetzte Texte spricht, ist in der Dichotomie übersetzt vs. originär verankert: Übersetzungen werden als „voraussagbar triviale Verfallsprodukte“1 betrachtet. Diese rezeptionsästhetische Wertung ist implizit auf den originalzentrierten Text- und Gattungsbegriff zurückzuführen. Gerade hinsichtlich der Bedeutung der Hauptgattungen der westnordischen Literatur, der Skaldik, der Edda und der Saga als Medien zur Konstruktion des norwegisch-isländischen kulturellen Gedächtnisses lässt sich die Präferenz der älteren Forschung erklären, die Adaptionen epigonaler Gattungen, fremder narrativer Modi und unbekannter Protagonisten als „ästhetisch anspruchslose Texte“2 aufzufassen. Das Interesse der älteren Forschung richtete sich demnach zunächst auf die texteditorischen sowie quellenhistorischen Aspekte der übersetzten riddarasögur. Zu nennen sind hier die immer noch grundlegenden Arbeiten der Forscher Carl Richard Unger und Gustaf Cederschiöld,3 auf deren Texteditionen der riddarasögur auch heute noch zurückgegriffen wird. Einen wichtigen Beitrag zu den quellenhistorischen Fragen der einzelnen Sagas stellen die zahlreichen Publikationen Eugen Kölbings dar.4 Im Folgenden wird zunächst die Entwicklung der riddarasögur-Forschung kurz skizziert, um anschließend auf die neuesten Tendenzen einzugehen. Mit dem Ausgangspunkt in den intertextuellen Verschränkungen der übersetzten riddarasögur mit dem kulturellen Rahmen der mittelalterlichen europäischen Literatur befassen sich Forscherinnen wie Marianne E. Kalinke und Geraldine Barnes, deren Arbeiten sich schon frühzeitig als wegweisend in der riddarasögur-Forschung erwiesen. So stellt Barnes die Gattung riddarasögur nicht nur in die Nähe der íslendingasögur und des französischen höfischen Romans, sondern sieht in ihnen Parallelen zum Fürstenspiegel, dem englischen und französischen Prosaroman des 15. Jahrhunderts und dem mittelenglischen Versroman.5 Auch Marianne E. Kalinke untersucht in zahlreichen Abhandlungen detailliert die Rezeption arturischer Versromane in Skandinavien.6 In seiner 1982 erschienen Dissertation kritisiert Bernd Kretschmer den Mangel an konkreten Untersuchungen der einzelnen Texte mittels moderner literaturwissenschaftlicher Methoden.7 Auch Jürg Glauser postuliert noch im Jahre 1998 in seiner Publikation zu Textüberlieferung und Textbegriff im spätmittelalterlichen Norden, es sei für den Stand der Altnordistik symptomatisch, dass die zwei bisher deutlichsten Reaktionen auf die Herausforderung des mediävistischen Textverständnisses, die spätestens durch die internationale Diskussion über Bernard Cerquiglinis Buch Éloge de la variante hervorgerufen wurde, hauptsächlich auf die editionstechnischen Aspekte des Komplexes eingingen […], während die mehr texttheoretischen Implikationen der New Philology bisher ausgeklammert wurden.8 1.3.2. Jüngere Forschung: „Kontexte statt nur Texte“
Erfreulicherweise zeigt eine Reihe von Publikationen jüngeren Datums, dass die Auseinandersetzung mit den übersetzten riddarasögur durch den Theorienpluralismus und einen erweiterten Textbegriff einen Zugewinn an Erkenntnissen ermöglichen kann. Die Verlagerung des Interesses vom Prozess der Entstehung auf den der Rezeption sowie auf die Transmission stellen Neuerungen innerhalb der altwestnordistischen Forschungscommunity dar. Den Ansatz, diese Texte in ihren vielschichtigen Transmissionsprozessen zu erfassen, sie als Intertexte in einem literarischen Feld samt ihren Überlieferungszusammenhängen, ihrem intertextuellen und häufig auch interkulturellen Bezugsrahmen unter Einbeziehung rezeptionsästhetischer sowie literatursoziologischer Fragestellungen zu begreifen, verfolgt unter anderem Jürg Glauser in seinen Publikationen.1 Susanne Kramarz-Bein befasst sich in ihren Arbeiten mit den kontextuellen Bezügen der Karls- und Dietrichepik im Rahmen der hansischen und höfischen Kultur- und Literaturbeziehungen in Norwegen des 13. Jahrhunderts. Die Applikation der literarischen Netzwerktheorie am Beispiel der vernetzten literarischen Milieus in der höfischen Literatur stellt einen zentralen Aspekt der jüngsten Forschung Kramarz-Beins dar.2 Die hochmittelalterliche Transmission von Texten an den norwegischen Hof war der Schwerpunkt des von 2007–2010 an der Universität Oslo angesiedelten Projektes Translation, Transmission and Transformation. Old Norse Romantic Fiction and Scandinavian Vernacular Literacy 1200–1500 unter der Leitung von Karl G. Johansson, welches neben den Themen um fornaldarsögur norðlanda und fornsögur suðrlanda vor allem die Einführung der europäischen Kultur durch Übersetzungen altfranzösischer Dichtung ins Altwestnordische zum Thema hatte.3 Erwähnenswert sind in diesem Zusammenhang Stefka Georgieva Eriksens Abhandlung Writing and Reading in Medieval Manuscript Culture: the Translation and Transmission of the Story of Elye in Old French and Old Norse Literary Context4 sowie Sif Rikhardsdottirs Medieval Translations and Cultural Discourse. The Movement of Texts in England, France and Scandinavia.5 Beide Publikationen widmen sich der Transmission und Übersetzung kontinentaler Texte ins Altwestnordische und beleuchten dabei deren Rezeption und Akkulturation in verschiedenen Stadien der handschriftlichen Überlieferung. Dieser einführende Überblick verdeutlicht, dass theoriegestützte kontextanalytische und transmissionszentriete Studien zu den einzelnen Texten aus dem Korpus der übersetzten riddarasögur sich zu einem der Schwerpunkte jüngerer Forschungen entwickelt haben. 1.3.3. Altostnordistik: Tendenzen älterer und jüngerer Forschung
Zu einer Marginalisierung der mittelalterlichen Literaturen Dänemarks und Schwedens innerhalb der älteren skandinavischen Literaturgeschichten trugen weniger sprachliche als vielmehr gattungsspezifische und überlieferungshistorische Aspekte bei: Die bereits oben erwähnten genuinen Hauptgattungen der westnordischen Literatur sind zwar – was ihre materielle Überlieferung betrifft – Zeugnisse einer hochmittelalterlichen, vom Christentum geprägten Kultur, ihr Ursprung liegt jedoch in der vorchristlichen, heidnischen Kultur des Nordens.1 Im Gegensatz dazu sind die altostnordischen Literaturen im Wesentlichen kontinental geprägt und beinhalten neben den religiösen Gattungen wie Legenden, Mirakel, Viten, Bibelübersetzungen und Psalmen auch weltliche, wie etwa Gesetze, Hagiographie, Chroniken, höfische Versromane und Balladen, die sich ebenfalls an christlich-ästhetischen Werten orientieren. In der Dichotomie originär – epigonal erhielten die vermeintlich ursprünglichen, da heidnischen Literaturen Norwegens und Islands einen höheren Stellenwert innerhalb der altnordistischen Forschung. Diese Ansicht wird von Vertretern der Ostnordistik kritisiert: Det kan godt være, at de gamle østnordiske sprogområder ikke kan prale af en overleveret litteratur på niveau med digtningen og sagaerne fra Island og Norge, men den østnordiske litteratur omfatter ikke desto mindre en bred vifte af teksttyper – fra krøniker til lovtekster, fra videnskabelige skrifter til religiøs poesi. […]. På trods af denne rigdom er østnordisk filologi længe blevet anset som den norrøne filologis «fattige slægtning».2 Oder, um es mit Per-Axel Wiktorssons Worten auf den Punkt zu bringen: „Den östnordiska filologins ställning är svag“.3 Kernpunkte der altostnordistischen Forschungen waren bisher Einzelstudien mit philologischen, textkritischen und quellenhistorischen Aspekten.4 Auch stand in erster Linie die altschwedische religiöse Literatur um die Offenbarungen der Heiligen Birgitta sowie die Überlieferungstätigkeit im schwedischen Kloster...


Elena Brandenburg ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Skandinavistik/Fennistik (ISF) der Universität zu Köln. Zu ihren Forschungsgebieten gehört die Literatur des nordischen Mittelalters, insbesondere höfische Literatur Schwedens und Dänemarks. Neben der Altnordistik unterrichtet sie Literatur- und Kulturwissenschaft.


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