Brandstädter | Krankenhaus und Public Affairs | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 160 Seiten

Brandstädter Krankenhaus und Public Affairs

Entscheidungsprozesse an der Schnittstelle zwischen Politik und Wirtschaft managen - ein Praxishandbuch

E-Book, Deutsch, 160 Seiten

ISBN: 978-3-17-038546-7
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Der Begriff "Public Affairs" ist im Alltag des deutschen Klinikwesens gelebte Praxis, z. B. bei der Krankenhausplanung, Krankenhausstrukturgesetzgebungen, Bauvorhaben, Drittmitteleinwerbung und vielem mehr. Hier gilt es, enge Kontakte zu Bund, Land und Kommune sowie zu den einschlägigen Verbänden und Fachgesellschaften in der Gesundheitswirtschaft und Krankenhauslandschaft zu pflegen. Das Praxisbuch erklärt anschaulich, wie Kommunikationsverantwortliche Public Affairs von Grund auf schrittweise konzeptionieren, implementieren und evaluieren können. Dies geschieht sowohl in theoretischer Hinsicht als auch anhand realer Best Practices. Checklisten runden das Buch ab und führen über individuelle Konzepte zu konkreten Handlungsvorschlägen.
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2          Gesundheitspolitik – Landkarte und Funktionsweise
      Gesundheitspolitik ist aufgrund ihrer vielfältigen Interessengruppen, der hohen Sach- und Personalkosten sowie aufgrund des direkten Bezugs zur Lebenswirklichkeit des Bürgers ein komplexes Feld (zum Folgenden vgl. Macherey 2017, Müller 2017, Nüslen 2017). Staatliches Handeln und marktwirtschaftliche Prinzipien kommen gleichermaßen zu Tragen. Um zu verstehen, wie unser Gesundheitssystem funktioniert und wie Unternehmensinteressen sinnvoll artikuliert, kommuniziert und in den politischen Prozess implementiert werden können, gilt es, primär den Aufbau des Systems und ein wichtiges, damit verbundenes Grundprinzip zu erklären. Die Gesundheitswirtschaft entscheidet sich nämlich zumindest in einem zentralen Punkt von anderen Industrie- oder Dienstleitungsbereichen: Die Akteure im Gesundheitswesen organisieren sich untereinander im sogenannten Selbstverwaltungsprinzip. Im Gesundheitswesen kann man von einer gemeinsamen, einer sozialen und einer berufsständischen Selbstverwaltung reden. Natürlich gibt es das Prinzip der Selbstverwaltung auch in anderen Branchen, im Gesundheitswesen aber ist kategorisch, es betrifft Budgets, Beiträge, medizinische Leistungen und Berufsanerkennungen. Wichtigstes Gremium der Selbstverwaltung ist der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) mit Sitz in Berlin. Hier beraten Vertreter der Krankenkassen sowie der Leitungserbringer gemeinsam mit der Patientenvertretung und unparteiischen Mitgliedern die medizinischen Leistungen, die von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen werden. Dabei orientieren sich die Entscheidungen des G-BA am allgemein anerkannten Stand der Erkenntnisse und beleuchten den jeweiligen diagnostischen und therapeutischen Nutzen, die Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit neuer Leistungen. Hinzu kommt: Die medizinische Versorgung der Bevölkerung ist einem stetigen Wandel unterworfen, dessen Evolutionsrhythmen sich seit einigen Jahren deutlich beschleunigen. Für die Jahre ab 2020 geht man davon aus, dass sich medizinisches Wissen in etwa alle 73 Tage verdoppelt (Densen 2011: 48ff.). Jedes Jahr kommen eine Vielzahl von neuen Diagnostik- und Behandlungsmethoden sowie von neuen Medikamenten und Medizinprodukten auf den Markt. In den meisten Industrieländern wächst nicht nur die Gesamtbevölkerung, sondern auch der Anteil der Bevölkerungsgruppe über 65 Jahren. Darüber hinaus steigen manche Krankheiten wie psychische Erkrankungen stark an. Man mag sich nur vorstellen, wir müssten damit rechnen, dass der individuelle Nahverkehr ähnliche Steigerungsraten zu verzeichnen hätte und kann dann ermessen, welche Herausforderungen und Verwerfungen für eine Verkehrsplanung und -politik damit einhergehen würden. Zudem ist ein immer stärkerer Trend zu Prävention von Erkrankungen und Rehabilitation nach Erkrankungen zu verzeichnen. Bei all diesen Vorgängen tritt eine Vielzahl an Fragestellungen auf. Wie jedes System ist auch das Gesundheitssystem durch sein Spannungsverhältnis an Aufgaben sowie den dafür zur Verfügung stehenden Mitteln definiert. Gesundheitssysteme haben in der Regel nur begrenzte Budgets und sollen Gelder für Therapien mit dem höchstmöglichen Nutzen einsetzen, das ist angesichts der skizzierten Variablen nicht ohne Kompromisse möglich. Bei neuen Medikamenten ist zunächst der Mehrwert gegenüber bestehenden Medikamenten zu ermitteln, aber auch der Nutzen im Vergleich zum eingesetzten Geld und zur Budgetplanung der landesweiten Gesamtkosten. Darüber hinaus ist eine langfristige Prognose des Bedarfs medizinischer Leistungen notwendig, um beispielsweise Krankenhauskapazitäten frühzeitig zu berücksichtigen. Die Gesundheitsausgaben in Deutschland beliefen sich im Jahr 2018 auf 390,6 Milliarden Euro, das entspricht 4.712 Euro je Einwohnerin bzw. Einwohner. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis 2021) weiter mitteilt, entspricht dies einem Anstieg um 4,0 % gegenüber 2017. Der Anteil der Gesundheitsausgaben am Bruttoinlandsprodukt lag damit 2018 bei 11,7 % und damit 0,1 Prozentpunkte höher als 2017. Die Gesundheitswirtschaft ist zugleich ein Beschäftigungsmotor. Im Gesundheitswesen arbeiten derzeit 5,7 Millionen Menschen. Damit ist heute etwa jeder achte Erwerbstätige in dieser Branche tätig. Die Dynamik dieses Jobmotors zeigt sich in bemerkenswerten Beschäftigungszuwächsen: Seit dem Jahr 2000 hat die Zahl der Beschäftigten im Gesundheitswesen um 1,6 Millionen zugenommen. In der Gesundheitspolitik gibt es folglich eine große Anzahl von Gruppen und Netzwerken, die sich um ihre wirtschaftlichen und ständeorientierten Interessen herum organisiert haben. Eine Besonderheit dieses Politikfeldes ist es, dass diese Interessengruppen einen unterschiedlichen Status haben. Während es im Pharmabereich vor allem Interessengruppen sind, die »außerhalb« der Politik stehen, sind es im Bereich der ambulanten und stationären Versorgung Gruppen, die zur mittelbaren Staatsverwaltung zählen, wie zum Beispiel Krankenkassen und Kassenärztliche Vereinigungen, oder, wie im Falle der Ärzteschaft, die medizinischen Leistungserbringer selbst. Gesundheitspolitische Entscheidungen haben nicht nur auf Versicherte und Patienten Auswirkungen, sondern auch auf die wirtschaftliche Situation einer Vielzahl von Unternehmen und Einrichtungen der medizinischen und pflegerischen Versorgung. 2.1       Ebenen gesundheitspolitischen Handelns
Wollte man die zahlreichen Akteure im deutschen Gesundheitswesen beschreiben, so ist es hilfreich, sie zunächst drei grundsätzlichen Ebenen zuordnen (Gerlinger/Burkhardt 2014): Auf der ersten Ebene sind die staatlichen Stellen der Steuerung von Gesundheitspolitik verortet, die sich entsprechend unserer föderalen Struktur ihrerseits nochmals nach Bund, Ländern und Kommunen unterscheiden lassen. Hierin gehören auch die gesundheitspolitischen Willensbildungsprozesse der Parteien. Auf der zweiten Ebene sind die zentralen korporatistischen Akteure der mittelbaren Staatsverwaltung angesiedelt, also Körperschaften und Verbände. Ihre Aufgabe ist es, die gesundheitliche Versorgung im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung zu organisieren und sicherzustellen. Auf der dritten Ebene finden wir schließlich die übrigen Akteure einer marktwirtschaftlichen Steuerung, also primär Unternehmen und einzelne Organisationen, welche die Gesundheitsdienstleistungen erbringen. Hinzukommen kommen auch deren Vereinigungen. Zur Beschreibung dieser Hierarchie mit drei Ebenen haben sich auch die Begriffe Makroebene (staatliche Akteure, welche das Verhalten der übrigen Akteure mit Gesetzen und Verordnungen regulieren), Mikroebene (Individualakteure, die Gesundheitsgüter anbieten oder nachfragen und welche dabei die gesetzlichen Bestimmungen beachten müssen) und Mesoebene (Verbände und Körperschaften, die vom Staat unmittelbar in die Regulierung des Politikfeldes eingebunden sind) als dienlich erwiesen (zum Folgenden auch Gerlinger und Noweski 2012; Haubrock 2020, S. 235). 2.1.1     Bundestag
Zentrum der gesundheitspolitischen Gesetzgebung ist der Deutsche Bundestag, er entscheidet über alle Fragen des deutschen Gesundheitswesens, die durch Bundesgesetze geregelt werden sollen beziehungsweise müssen, um die verfassungsrechtlich präferierten einheitlichen Lebensverhältnisse in Deutschland zu gewährleisten. Die Entscheidungen des Parlaments werden in der Regel im »Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung« vorbereitet. Die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages bezeichnet die Ausschüsse seit Dezember 1951 als »vorbereitende Beschlussorgane des Bundestages«. Sie sind nicht befugt, abschließend über eine Angelegenheit zu entscheiden, sondern geben lediglich Beschlussempfehlungen ab. Diese dürfen sich nur auf die ihnen überwiesenen Vorlagen oder mit diesen in unmittelbarem Sachzusammenhang stehenden Fragen beziehen. Die Ausschüsse haben kein Initiativrecht im Plenum. Zu den Aufgaben des Ausschusses gehören die Weiterentwicklung der Reformen der gesetzlichen Krankenversicherung, die Patientenrechte, die ärztlichen Belange sowie ethische Fragen der Medizin und die Arzneimittelsicherheit. Die Gestaltungsmöglichkeiten des Bundestags für unser Gesundheitswesens sind überaus weitreichend (Schulz 2017: 51): Der Bundestag entscheidet mit einfacher Mehrheit über sämtliche Grundsatzfragen der gesetzlichen Krankenversicherung, sie werden im Fünftes Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB V), einem Bundesgesetz, geregelt. Die im SGB V geregelte Krankenversicherung ist laut § 1 eine Solidargemeinschaft mit der Aufgabe, die Gesundheit der Versicherten zu erhalten, wiederherzustellen oder zu verbessern. Derzeit sind etwa 90 % der deutschen Bevölkerung in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert. Mehrere Reformen der gesetzlichen Krankenversicherung sind in den...


Dr. Mathias Brandstädter leitet seit 2012 die Unternehmenskommunikation der Uniklinik RWTH Aachen und ist dessen Pressesprecher; zuvor Leiter Unternehmenskommunikation/Marketing mehrerer Einrichtungen im Klinikkonzern Agaplesion sowie als PR-Berater in einer Full-Service-Agentur in Düsseldorf und als Redakteur einer Tageszeitung tätig.


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