Brather | Die Dukate des Merowingerreiches | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, Band 139, 569 Seiten

Reihe: Ergänzungsbände zum Reallexikon der Germanischen Altertumskunde

Brather Die Dukate des Merowingerreiches

Archäologie und Geschichte in vergleichender Perspektive

E-Book, Deutsch, Band 139, 569 Seiten

Reihe: Ergänzungsbände zum Reallexikon der Germanischen Altertumskunde

ISBN: 978-3-11-112962-4
Verlag: De Gruyter
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)



Der Band analysiert in enger interdisziplinärer Debatte von Archäologen und Historikern die Dukate des Merowingerreiches einschließlich ihrer möglichen spätantiken Vorläufer. Ziel ist ein systematischer Vergleich von duces und Dukaten innerhalb des Frankenreiches des 6. bis 8. Jahrhunderts sowie weiterer ausgewählter Beispiele. Dabei wird jeweils nach Zeitpunkt, Voraussetzungen und Umständen ihrer Entstehung sowie nach der politischen Struktur und ihrer Entwicklung während der jüngeren Merowingerzeit gefragt. Besonderes Interesse beanspruchen einerseits Aufgaben der duces in Militär und Administration, Gesetzgebung und Rechtsprechung sowie andererseits Folgewirkungen in den Bereichen Kultur und Religion. Mit dem althistorischen bzw. mediävistischen Ausgangspunkt eröffnen sich vielfältige archäologische Perspektiven. Denn die zu rekonstruierenden politik- und verwaltungsgeschichtlichen Kontexte bieten Ansatzpunkte für neue Interpretationen jenseits des ‚ethnischen Paradigmas‘ bei der Interpretation archäologischer Befunde, und sie wirken mit ihren Raumanalysen zurück auf das geschichtswissenschaftliche Verständnis von duces und Dukaten.
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Einführung
Die Dukate des Merowingerreiches Sebastian Brather I Ausgangslage
Dux und ducatus – ins Deutsche mit Herzog und Herzogtum übersetzt – scheinen als politische Ämter und Amtsbereiche selbstverständlich, wenn man die sogenannten ‚jüngeren Stammesherzogtümer‘ der Ottonenzeit sowie hoch- und spätmittelalterliche Verhältnisse im Blick hat.1 Duces sind jedoch bereits zuvor häufiger überliefert. Seit dem späten 3. Jahrhundert erscheinen sie an fast allen Peripherien des Imperium Romanum. Die Notitia Dignitatum, eine schwierig einzuordnende Prachthandschrift zu spätantiken Verwaltungsstrukturen, nennt insgesamt ein Dutzend von ihnen in dieser Reihenfolge: in Nordafrika, Pannonien, Raetien, bei den Sequanern, in Nordgallien, im Elsass, in Britannien und bei Mainz.2 Es handelte sich offenbar um eine übliche politisch-militärische Organisationsform an den Rändern des spätantiken Imperiums; ihre besonderen Kompetenzen sind mit den Herausforderungen an den Grenzen zu erklären. Im Frühmittelalter fanden sie keine unmittelbare oder bruchlose Fortsetzung. Doch fällt auf, dass auch im Merowingerreich in den Grenzbereichen duces amtierten: in Alemannien, Bayern, in Thüringen und Burgund sowie im langobardischen Italien.3 Es ist bemerkenswert, dass es an vergleichenden Untersuchungen dieser Dukate mangelt: „Eine systematische Betrachtung der frühmittelalterlichen Herzogtümer unter genauerer Berücksichtigung ihrer spätantiken Vorläufer gibt es bisher nicht, was umso mehr überrascht, als die spätrömischen Dukate doch das nächstliegende Organisationsmodell verkörperten, an dem sich die Nachfolger des weströmischen Reiches bei der administrativen Ausgestaltung ihrer Grenzgebiete orientieren konnten“.4 Damit sind zwei Debatten verknüpft, die die geschichtswissenschaftliche Forschung in den letzten Jahrzehnten beschäftigt haben. Zum einen geht es um das Verhältnis von Kontinuitäten zu Diskontinuitäten. Vorstellungen der älteren Verfassungsgeschichte, dass sich in den frühmittelalterlichen Herzogtümern die ‚Stämme‘ unter einem der Ihren als Anführer organisierten, hat die neuere Forschung widerlegt.5 Es handelte sich weniger um ein ‚gentiles Amt‘ als mehr um administrative Einrichtungen der politischen ‚Zentrale‘: duces bekleideten eine amtliche Stellung, sie wurden vom König eingesetzt – und waren keine ‚Stammesherzöge‘.6 Blickt man nun vergleichend vom Frühmittelalter auf die Spätantike, so ist zum einen nach Kontinuitäten zu suchen, womit Fragen nach Transformationen und spezifischen Bedingungen besondere Aufmerksamkeit erlangen. Zum anderen spielen Konzepte eine Rolle, was die Forschung sich unter einem mittelalterlichen ‚Staat‘ vorstellt. In Deutschland wirkte Theodor Mayers Modell des ‚Personenverbandsstaates‘ lange nach – danach habe es im Frühmittelalter gar keinen ‚Staat‘ gegeben. Neuere geschichtswissenschaftliche Arbeiten aus Frankreich betonen aber inzwischen, dass es sich beim merowingischen Frankenreich selbstverständlich um einen Staat gehandelt habe.7 Die Debatte um frühmittelalterliche Staatlichkeit hat inzwischen eine neue Dynamik entwickelt.8 Für die Archäologie haben sich ebenfalls grundsätzliche Annahmen der Forschung verändert, weshalb ein Blick auf die Dukate neue Perspektiven eröffnet. Lange Zeit dominierte nämlich eine ‚ethnische‘ Sicht, die Gräber und ihre Ausstattungen bestimmten ‚Völkern‘ oder ‚Stämmen‘ zuwies. Danach sollte es einerseits möglich sein, christliche Römer (‚Romanen‘) ohne und heidnische ‚Germanen‘ mit Grabausstattungen zu unterscheiden9, womit man dem antiken Barbarendiskurs zu folgen schien. Andererseits existieren viele Versuche, innerhalb des ‚Germanischen‘ zwischen Alemannen, Franken, Bajuwaren, Langobarden und Goten usw. zu unterscheiden, d.?h. ‚Stämme‘ bzw. ‚Stammesverbände‘ einander gegenüberzustellen, wofür entweder anhand von Fibeltypen oder von Grabbeigabenhäufigkeiten plädiert wurde.10 Diesen Konzepten gegenüber ist die neuere Forschung skeptisch geworden. Sie betrachtet Grabausstattungen nicht mehr als ein Mittel, primär ethnische oder politische Zugehörigkeiten auszudrücken, sondern eher als komplexe ‚öffentliche‘ Repräsentation sozialer Positionen innerhalb lokaler und kleinregionaler Gesellschaften.11 Auf diese Weise werden Zusammenhänge zwischen politischen Ereignissen und kulturellen Trends weniger direkt als zuvor interpretiert, wenngleich zwischen beiden vielfältige Wechselwirkungen bestehen.12 In beiden Disziplinen – der Geschichtswissenschaft ebenso wie der Archäologie – überzeugen also bisherige Interpretationen in verschiedener Hinsicht nicht mehr – und es besteht deshalb Anlass zu grundlegenden Neubewertungen. Duces und Dukate bilden dafür einen besonders geeigneten Gegenstand, bündeln sich in ihnen doch zentrale Aspekte von Transformationsprozessen am Beginn des Mittelalters. Eine differenzierte Betrachtung erlaubt es, spätantike Ausgangspunkte und ihre Fortwirkungen einerseits und spezifische Kontexte des Frühmittelalters andererseits zu berücksichtigen. II Aspekte
Thematisch ist das Feld breitgefächert. Es erstreckt sich von strukturellen Kontinuitäten, die von der Spätantike ins Frühmittelalter reichten, über die jeweiligen politischen Kontexte bis hin zu unterschiedlichen Aufgabenbereichen der duces, von vorhandenen bzw. geschaffenen Raumstrukturen über die sich aus Dukaten ergebenden raumstrukturierenden Prozesse bis hin zur Frage, welche Verlässlichkeit späteren Quellenberichten zuzumessen ist. 1. Kontinuitäten: Am Beispiel Bayerns hat Stefan Esders jüngst zweierlei deutlich gemacht. Zum einen lehnte sich der Dukat dort an provinzialrömische Vorgängerstrukturen (Kastelle, Burgi, Straßen und Straßenstationen, Horrea, Fiskalgüter und pagi13) an, die die notwendigen Ressourcen zur Verfügung stellen konnten.14 Zum anderen spielte das spätrömische Militärrecht (neben dem ‚Gewohnheitsrecht‘) eine wichtige Rolle dabei, wie die Stellung eines dux ausgestaltet war.15 Die Frage nach Art und Umfang spätantik-frühmittelalterlicher Kontinuitäten lässt sich selbstverständlich nicht grundsätzlich beantworten, sondern bedarf der vergleichenden Untersuchung.16 2. Kontexte: Im Falle Bayerns kehrte sich die Ausrichtung des Dukats um – aus der nördlichen Peripherie des Imperiums wurde die südöstliche des Frankenreiches. „Der bairische Dukat in seiner besonderen Ausprägung ist ein historisches Produkt der politischen Lage in der Mitte des 6. Jahrhunderts“.17 Solche regionalen Eigenentwicklungen zeigen, dass spezifische Situationen die Entwicklung von Dukaten beeinflussten, wenn nicht bestimmten. Um ihre Bedeutung einschätzen zu können, braucht es die vergleichende Analyse (zumeist recht schlecht dokumentierter) Funktionskontexte auf lokaler und regionaler Ebene.18 3. Aufgabenbereiche: Welche politisch-militärischen Funktionen erfüllten die jeweiligen duces? Primär ging es um den Schutz der Peripherien des Reiches – dort, wo sie besonders gefährdet waren durch mögliche Angriffe von außen. Dazu zählten im Falle Nordafrikas außerdem gerichtliche Aufgaben, die Umsetzung „wichtiger wirtschafts- und handelspolitischer Direktiven der Zentrale“. Dabei konnte ein dux erhebliche und über das Geregelte bzw. Übliche hinausgehende Macht entfalten und bestehende, ihn bindende Regelungen außer Kraft setzen.19 Andere duces wie die beiden Alemannen Leuthari und Butilin 533/534 agierten dagegen als Heerführer. 4. Raumstrukturen: Dukate entstanden meist durch die Zusammenfassung kleinerer Einheiten.20 Dass jedem dux ein entsprechender ‚Amtsbezirk‘ zuzuordnen ist, hat man lange vorausgesetzt. Alemannien bietet aber einen in seiner Abweichung aufschlussreichen Fall: im 6. und 7. Jahrhundert agierten alle bekannten duces Alamannorum links des Rheins und damit gerade an der Peripherie jenes Raumes, der landläufig als Alamannia angesehen wird.21 Wie verhielten sich also duces zu politischen Räumen und gibt es zwischen beidem eine direkte Verbindung? Möglicherweise ist die historische Entwicklung vom Kopf auf die Füße zu stellen – nicht ‚Stämme‘ schufen sich ‚ihren‘ Dukat, sondern umgekehrt bot die Einrichtung eines ‚Herzogtums‘ die Chance zur ‚ethnischen‘ Identitätsbildung.22 5. Raumwirkungen: Damit lässt sich zugleich prüfen, inwieweit die bisherige Perspektive der Frühmittelalterarchäologie23 umzukehren ist. Kommunikationsräume, wie sie sich durch ähnliche Kleidungsbestandteile erkennen und beschreiben lassen24, können weniger ‚ethnisch‘ vorbestimmt gewesen sein als sich vielmehr erst aus politischen bzw. administrativen Zusammenhängen...


Sebastian Brather, Universität Freiburg.

Sebastian Brather, University of Freiburg.


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