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E-Book, Deutsch, 432 Seiten

Buc Heiliger Krieg

Gewalt im Namen des Christentums

E-Book, Deutsch, 432 Seiten

ISBN: 978-3-8053-4929-1
Verlag: wbg Philipp von Zabern in Wissenschaftliche Buchgesellschaft (wbg)
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)



»Wer nicht mit uns ist, ist gegen uns«: Mit dieser biblischen Paraphrase suchte George W. Bush Verbündete hinter sich zu versammeln und seinen Angriff auf den Irak zu legitimieren. Ist er damit ein heiliger Krieger? Der Historiker Philippe Buc, ausgewiesener Experte auf dem Gebiet mittelalterlicher religiös motivierter Gewalt, nimmt in seinem großen historischen Essay eine ungewohnte und provozierende Perspektive ein. Er untersucht, wann und unter welchen Bedingungen Konflikte christlich geprägter Gesellschaften zu manichäischen Kriegen wurden, zur Konfrontation von Gut und Böse. Die theologisch motivierte Legitimation von Terror und Krieg lädt Konflikte nicht nur auf, sie erschwert oder verhindert auch die Möglichkeiten von Friedensschluss und Versöhnung. Philippe Buc deckt mit großer Quellenkompetenz und ausgeprägtem Aktualitätsbezug die historischen Wurzeln des Geflechts der gegenwärtigen weltpolitischen Verwerfungen auf - ein gänzlich neuer Ansatz.

Philippe Buc, geb. 1961, war Professor an der Stanford University, Gastprofessor in Heidelberg und lehrt heute in Wien. Er ist ein international hochgeachteter Mediävist und ausgewiesener Expete auf dem Gebiet mittelalterlicher religiös motivierter Gewalt.
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I. DER AMERIKANISCHE WAY OF WAR IM SPIEGEL DER VORMODERNE
Schon hören wir den Trommelwirbel, das Trompetengeschmetter, und die Rufe der Hauptleute, die ihre Heerscharen aufstellen und ordnen.
 (American Theological Review, 1859) Endlich liegt sie vor uns. Die große Schlacht unserer Zeit. (Gandalf, der ostwärts in Richtung Mordor blickt)
 (Der Herr der Ringe: Die Rückkehr des Königs) Denn wir befinden uns in einem „Desert Storm“ und kämpfen gegen den Feind.
 (Liedbeitrag im evangelikalen Radiosender WIHS, Middletown, Connecticut, 2005) Eine bestimmte Art, Krieg zu führen, ist für den Westen typisch. „Westen“ bezeichnet hier jene kulturellen Regionen, die vor der Reformation die religiöse Vorherrschaft des päpstlichen Rom anerkannten und nach den Religionskriegen der Frühneuzeit entweder protestantisch wurden oder katholisch blieben. Ebenso gehören ihre Ableger in den Vereinigten Staaten und anderswo zum „Westen“. Mit Way of War sind nicht Methoden der Kriegführung gemeint, sondern die damit verbundenen Ideale, Ideologien und Konzeptionen.1 Der Schwerpunkt liegt also auf kulturellen Kräften, insofern sie den historischen Akteuren und ihren Zeitgenossen die Kriegführung als sinnhaft vermitteln und insofern sie handlungsleitend wirken. Dieses Kapitel verfolgt zwei Ziele. Zunächst stellt es dar, inwiefern die Kriege Amerikas, die scheinbar von einer idiosynkratischen Ideologie beseelt waren und offenkundig auf einem besonderen Terrain geführt wurden,2 tatsächlich typisch westlicher Provenienz sind. Genauer gesagt soll gezeigt werden, wie viel sie dem Einfluss tiefsitzender christlicher Ideen von Freiheit, Reinheit, Universalismus, Märtyrertum und Geschichte verdanken, die noch bis vor kurzem in Westeuropa vorherrschend waren. Insbesondere Lesern, die sich mit der protestantischen Vielfalt in der Neuen Welt auskennen und von daher eher zur gesonderten Betrachtung ihrer Spielarten neigen, mag es ungerechtfertigt erscheinen, die vielen Konfessionen und Denominationen, die sich seit der Reformation vervielfältigt haben, unter dem Etikett „westliches Christentum“ zusammenzufassen.3 Dennoch: Sind die Unterschiede zwischen ihnen analytisch so bedeutsam wie das Trennende zwischen all diesen religiösen Glaubensrichtungen auf der einen und dem Hinduismus, Buddhismus oder der Religion der Azteken auf der anderen Seite? Außerdem will dieses Kapitel in die erwähnten typisch westlichen Ideen einführen. Spätere Kapitel gehen stärker in die Tiefe, was die Querverbindungen zwischen ihnen angeht, und beziehen weitere Konzeptionen wie zum Beispiel die Rache mit ein. Aber die Leser haben dann bereits gesehen, wie diese Ideen zusammenwirken und so ihren spezifischen Ausdruck finden. Die Kombinationen können variieren, aber die Variationen bleiben innerhalb eines begrenzten Themenspektrums. Was also könnte einem unvoreingenommenen Beobachter, der von außen auf die amerikanische Kriegführung blickt, als idealtypisch erscheinen? Erstens dies: Amerikanische Kriege haben mit der moralischen Identität Amerikas zu tun. Um nur ein Beispiel zu nennen: Für Theodore Roosevelt (1858–1919) war die Eroberung Kubas und der Philippinen 1898 eine Expansion, welche die Länder und ihre Bevölkerung reinigen, das heißt auf eine höhere Entwicklungsstufe heben würde, zugleich aber auch für die Amerikaner eine Selbstreinigung und –überwindung bedeutete. Diese Vorstellung war nicht die Obsession eines Einzelnen, sondern charakteristisch für die amerikanische politische Kultur nach dem Bürgerkrieg von 1861 bis 1865 bis hin zum Ersten Weltkrieg.4 Der Konflikt zwischen dem Norden und dem Süden war selbst als reinigend begriffen worden. Horace Bushnell (1802–1876) und der aus der Schweiz stammende Philipp Schaff (1819–1893), ein Theologe und Kirchenhistoriker, stimmten darin überein, im Bürgerkrieg eine (wie Schaff formulierte) „Bluttaufe“ zu sehen, die „auch zu der Hoffnung einer herrlichen Regeneration“ berechtige.5 Diese Vorstellung von einer Regeneration war im Norden so verbreitet wie im Süden. In einem dicht mit Quellen belegten Buch hat Harry Stout gezeigt, wie die Konföderierten selbst in der Niederlage noch den Krieg als Möglichkeit der Reinigung sahen.6 Natürlich war die spirituelle Kriegführung der materiellen klar überlegen. Wie eine Zeitung 1863 erklärte, rangierte letztere für Gott „weit unterhalb der stillen Siege, die der Christ über seine inneren Feinde erringt“.7 Aber es herrschte auch breite Übereinstimmung darin, dass der materielle Krieg für eine gerechte Sache den inneren Kampf gegen die Laster zu stärken vermöge. Das Thema der Regeneration kann bis in die Kolonialzeit mit ihrer eingefleischten protestantischen Tradition zurückverfolgt werden. Der missionarische Geist der Christenheit besagte, dass die versprochene Regeneration mehr Länder umfassen könne als nur Amerika. Senator Albert Beveridge, der mit Nachdruck für die Annektierung der Philippinen eintrat, verkündete, seine Nation sei Gottes „auserwähltes Volk, weshalb ihm bei der Regeneration der Welt die Führungsrolle zufällt“.8 Zweitens sind die Kriege Amerikas tatsächlich „Weltkriege“.9 Schon über ein halbes Jahrhundert vor dem älteren Roosevelt hatte Kriegsmarineminister George Bancroft (1800–1891) konstatiert, die amerikanische Revolution habe „die Regeneration der Welt versprochen“.10 Und in der Jahrhundertmitte predigte in New York Henry Ward Beecher (1813–1887) für die nördliche Seite des Bürgerkriegs, dass „eine Schlacht am Potomac für unsere Verfassung als Dokument der Freiheit die Schlacht der gesamten Welt ist. Wir kämpfen nicht nur für unsere Freiheit, sondern für jene Ideale, die überall auf der Erde das Samenkorn und die Stärke der Freiheit bilden.“11 Das war auch zu Beginn des Bürgerkriegs ein verbreitetes Thema. Eine im Norden erscheinende Zeitschrift, das presbyterianische Banner of the Covenant, schlug für einen nationalen Fastentag (den Abraham Lincoln im August 1861 auf den letzten Donnerstag im September legte) eine Hymne vor. Harry Stout weist darauf hin, dass diese Hymne „mit einer Andeutung von globalem Imperialismus endet“: „Entblöße das gleißende Schwert und führe/unsere treuen Heere voran,/Und schlage die Rebellenbanden, bis/es keinen Verräter mehr gibt./Und dann voran zu größeren Eroberungen, geführt/durch deinen Himmelssohn./Marschieren wir über die unblutigen Felder der Erde,/bis die ganze Welt für uns gewonnen ist.“12 Schon die Generation der Gründungsväter vertraute darauf, dass die neuen Staaten von der Vorsehung eingerichtet worden waren und von ihr die Möglichkeit erhalten hatten, als erste Nation überhaupt den im Naturrecht kodifizierten Freiheiten Ausdruck zu verleihen. So wurde Amerika zu einem Vorkämpfer für Menschenwürde, der implizit, bisweilen auch explizit, mit einer weltumspannenden Mission betraut war.13 Das fromme Amerika verschränkte das Nationale ebenfalls mit dem Universellen in der Vorstellung, dass gerechtfertigtes Blutvergießen daheim zu globalem Einfluss ermächtigen werde. Von einigen Geistlichen wurde prophezeit, dass eine wiedergeborene Union den Erdball missionierend umspannen und die Nationen in des Vaters Haus führen werde. Diese Reaktion kehrte auch später wieder, nach 1898 und 1918.14 Solange der Kampf für die Befreiung der schwarzen Sklaven zum Beispiel mit dem nationalen Freiheitskampf der Italiener gegen die Vorherrschaft des katholischen Österreich und den Kirchenstaat gleichgesetzt werden konnte, war es durchaus sinnvoll, vom zukünftigen globalen Einfluss einer abstrakten Freiheit zu träumen.15 Eine aus dem Jahr 1953 datierende moderne Legende schreibt dem Konzernchef Charles Wilson die Äußerung zu: „Was gut für das Land [Amerika] ist, ist auch gut für General Motors, und umgekehrt.“ Noch gewisser ist, dass seit dem Bürgerkrieg, vielleicht schon seit der Revolution galt: Was gut ist für Amerika, ist gut für die Menschheit überhaupt. Die Äußerungen George W. Bushs zu den amerikanischen Kriegen im Nahen Osten liegen auf einer Linie mit diesen Konzeptionen. Im für das amerikanische Präsidentenamt typischen Predigerton ließ Bush jr. (2001–2008) in seiner Rede zur Lage der Nation von 2004 verlauten, dass „die Sache, der wir dienen, gerecht ist, weil sie die Sache der ganzen Menschheit ist“. (Die kausale Konjunktion „weil“ ist bemerkenswert, sie besagt, dass Universalismus Rechtmäßigkeit impliziert.) Zwei Jahre zuvor hatte der Präsident anlässlich der gleichen Gelegenheit verkündet, dass „wir in dieser Kriegszeit die große Möglichkeit haben, die Welt jenen Werten näherzubringen, die dauerhaften Frieden bringen werden“. Drittens sind, wie Fred...


Buc, Philippe
Philippe Buc, geb. 1961, war Professor an der Stanford University, Gastprofessor in Heidelberg und lehrt heute in Wien. Er ist ein international hochgeachteter Mediävist und ausgewiesener Expete auf dem Gebiet mittelalterlicher religiös motivierter Gewalt.

Philippe Buc, geb. 1961, war Professor an der Stanford University, Gastprofessor in Heidelberg und lehrt heute in Wien. Er ist ein international hochgeachteter Mediävist und ausgewiesener Expete auf dem Gebiet mittelalterlicher religiös motivierter Gewalt.


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