Bürgel | Der Stern von Afrika | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 276 Seiten

Bürgel Der Stern von Afrika

Eine Reise ins Weltall

E-Book, Deutsch, 276 Seiten

ISBN: 978-3-7565-3008-3
Verlag: epubli
Format: EPUB
Kopierschutz: Kein



Vanderstraßen nickte, und ein tiefer Ernst lag plötzlich auf seinem Gesicht, aber er liebte es, für optimistisch zu gelten, und dementsprechend war seine Antwort: »Nun darf man ja freilich nicht vergessen, dass das Eis, dass die Gletscher des Nordens ganz langsam nur, im Lauf von Jahrhunderten weiter vorrücken und der Süden Europas sich noch lange wird halten können, wenn auch die Gestade des Mittelländischen Meeres langsam das Klima Skandinaviens annehmen. Nordasien ist Gott sei Dank nur dünn bevölkert gewesen, und die Republik Kanadien, im Norden des amerikanischen Festlandes, wird ihre Bewohner in den Küstenstrichen am Stillen Ozean und an der Hudson-Bai versammeln müssen.«
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1.
Die weite Schneefläche, da und dort von durchstoßenden, bläulich schimmernden Eisschollen unterbrochen, glitzerte und gleißte blendend in der Frühsonne. Ein mattes Rosa zog drüber hin, und eigenartige gelb-braune Dunstschleier lagen um das Tagesgestirn. Wo Licht und Schatten hart nebeneinanderstanden, gab es merkwürdige Farbenkontraste. Auf einem kleinen Hügel, von Eisschollen gebildet, standen zwei Männer und blickten mit scharfen Gläsern ringsum in die ihnen so fremde, so märchenhaft ungewöhnlich erscheinende Landschaft und weit hinaus auf das gefrorene Meer. In ziemlicher Entfernung hielt eine kleine Abteilung der berittenen Landespolizei. Sie blieb bescheiden und taktvoll im Hintergrunde, denn sie hatte von der Regierung der Vereinigten Staaten von Europa den ausdrücklichen Befehl, nur über die persönliche Sicherheit der Fremden zu wachen, nur einzugreifen, wenn sich die Herren in Unkenntnis der sich hier senkenden und berstenden Eisfelder auf gefährliche Gebiete begaben. Der Offizier des kleinen Trupps beruhigte das scharrende Pferd, dem es offenbar wenig Vergnügen bereitete, wie angewurzelt auf der eisigen Fläche zu stehen. Er klopfte dem kleinen, aber kräftigen Tier den braunen Hals und suchte in seiner Manteltasche nach einem Stück Zucker. Auch er wäre gern näher geritten, um das wundervolle Flugschiff eingehender zu betrachten, das da hinten, jenseits des Hügels, in der Sonne glänzte, doch bezwang er die Neugier. Er war darüber informiert, dass diese Herren Abgesandte des mächtigen Reiches der warmen Zone waren, hohe Staatsbeamte der Vereinigten Staaten von Afrika. Viel hing von ihrem Urteil, von ihrem Bericht in der Heimat ab. Ja, was war aus dem alten, früher die Welt beherrschenden Europa geworden, seit die große Katastrophe es in des Wortes verwegenster Bedeutung in den Schatten gesetzt, seit die alte Sonne da droben ihre Kraft, ihre Wärme eingebüßt, der Norden der Erdkugel vereiste! Der eine der Herren da droben auf dem Hügel, der Generalrat Ismail Tschack, von Natur schon klein, in seinen dicken Pelzen aber fast einem Ball aus Haaren gleichend, wandte sich langsam um und musterte mit dem Glase das unermessliche Eisfeld, das im Sonnenlicht wie ein Silberspiegel leuchtete. Er schüttelte den Kopf. »Welch ein Anblick! Man kann so etwas hundertmal in den Zeitungen und Büchern lesen, man kann es so und so oft im Bild vor sich sehen, im Fernseher betrachten, die Wirklichkeit überrascht doch immer!« Sein Begleiter, der Geologe Vanderstraßen, den die Regierung der Vereinigten Staaten von Afrika als wissenschaftlichen Berater mitgesandt hatte, ließ sein Glas sinken: »Ja, darin sind wir unseren Vorfahren gleich geblieben, trotz aller Veränderungen, die die Menschheit im Lauf der Jahrtausende erlitten, trotz aller Fortschritte der Technik und aller Umwandlungen unseres Denkens und Fühlens. Kannten Sie übrigens den Norden überhaupt noch nicht, Herr Generalrat?« »Ich war in diplomatischer Sendung als junger Mann einmal in Paris und machte von da einen Ausflug bis zur Kanalküste. Das war der nördlichste Punkt der Weltkugel, den ich zu Gesicht bekommen. Es war im Sommer, und so hatte ich keine Gelegenheit, Eis und Schnee zu betrachten. Um so mehr erstaunt mich diese verzauberte Welt, die uns Menschen des Äquators ewig fremd ist!« Der kleine rundliche Herr wandte sich jetzt nach der anderen Seite, noch immer aufmerksam mit dem Glas die Weite durchmusternd. Vanderstraßen, Kompass und Karte in der Hand, trat hinter ihn. »Sie blicken jetzt genau nach Norden, Herr Generalrat. Dort in der Ferne liegt Spitzbergen und nach Westen zu das mächtige Grönland. Hier, wo wir stehen, lag früher die schöne Stadt Hammerfest. Das Eis hat sie begraben. Ringsum war in früheren Jahrhunderten und Jahrtausenden offenes Meer; die Katastrophe hat es in ein Eisfeld verwandelt, auf dem sich die glitzernden Schollen türmen. Dort in weiter Ferne liegt der Nordpol, der riesige Kältespeicher, der den Untergang Europas verschuldet.« »Wenn es nur Europa wäre, Herr Vanderstraßen, das ginge noch an, man könnte die Bewohner des alten Kulturlandes der Erde durch großzügige Umsiedlung retten, aber ganz Nordasien, Nordamerika ist bedroht; eine Katastrophe wie sie die Welt noch nicht gesehen!« Vanderstraßen nickte, und ein tiefer Ernst lag plötzlich auf seinem Gesicht, aber er liebte es, für optimistisch zu gelten, und dementsprechend war seine Antwort: »Nun darf man ja freilich nicht vergessen, dass das Eis, dass die Gletscher des Nordens ganz langsam nur, im Lauf von Jahrhunderten weiter vorrücken und der Süden Europas sich noch lange wird halten können, wenn auch die Gestade des Mittelländischen Meeres langsam das Klima Skandinaviens annehmen. Nordasien ist Gott sei Dank nur dünn bevölkert gewesen, und die Republik Kanadien, im Norden des amerikanischen Festlandes, wird ihre Bewohner in den Küstenstrichen am Stillen Ozean und an der Hudson-Bai versammeln müssen.« Generalrat Ismail Tschack wiegte das Haupt hin und her … »Halten können, sich noch so kümmerlich festklammern da und dort! Mag sein, ich will es nicht bezweifeln. Aber nicht da liegt die schwere Sorge, die den ganzen Planeten bedroht, auch uns Menschen der warmen Zone. Die Ernährungsschwierigkeiten sind in den letzten Jahrzehnten in einer Weise gewachsen, dass uns allen angst und bange wird. Der Norden der Erdkugel mit seinen großen Menschenmassen verkommt langsam. Es reifen keine Ernten mehr, die Notschreie nehmen zu, wir tun, was wir können, aber ein paar Missernten in China, in Indien, Südamerika und bei uns, und eine grauenvolle Katastrophe bricht herein, die auch unser Land in Mitleidenschaft zieht. Ich will hier keine Staatsgeheimnisse ausplaudern, aber seien Sie versichert, dass die Herren der internationalen Ernährungskommission, die im vorigen Jahre in Madras tagte, mit sehr ernsten Gesichtern auseinandergingen, um so mehr, als die so viel versprechenden Versuche des Südamerikaners Corella mit dem neuen künstlichen Nahrungsmittel abermals Fehlschläge brachten. Nein, nein! Glauben Sie mir, die Dinge sehen böser aus, als man es der Öffentlichkeit gegenüber hinstellt, und ich sehe nicht sehr rosig in die vermaledeite Zukunft. Dennoch habe ich immer noch einen Hoffnungsschimmer! Halten Sie mich ruhig für einen Toren, aber ich denke immer, dass dieser Zustand schnell, wie er gekommen auch ein Ende nehmen kann und die alte liebe Sonne wieder ihre Schuldigkeit tut wie früher. Sehen Sie, ich verstehe ja nichts von Ihrer Wissenschaft, bin Staatsmann und habe damit gerade genug zu tun, aber mal muss doch die verdammte Wolke oder was es nun ist, ein Ende nehmen. Dieser gelehrte Rawlinson auf der Kap-Sternwarte rechnet zwar schon seit Jahr und Tag immer längere Zahlen für das Staubungetüm aus, in das unser armes Planetensystem hineingerudert ist, jedoch traue einer den Astronomen. Es könnte doch auch anders sein! Oder meinen Sie nicht? … Vanderstraßen, der Geologe, lächelte. Eben wollte er dem hohen Staatsbeamten seines Vaterlandes eine nicht sehr ermutigende Antwort geben, als von der anderen Seite des Eisfelds her eine Stimme tönte. Die beiden Männer wandten sich um. Einige hundert Meter hinter ihnen glänzte in der Sonne auf dem Schneefeld eine riesige stählerne Granate. Zwei Männer standen als scharf geschnittene Silhouetten daneben. Jetzt kam der eine schnellen Schrittes auf den Generalrat zu. Er schwenkte ein Blatt Papier in der Hand. »Aha, eine Depesche!« Der Sekretär trat näher. »Zwei Ferngespräche, Herr Generalrat. Eins aus der Heimat, aus Sansibar, eins vom Präsidenten der Vereinigten Staaten von Europa.« »Sehr schön. Wollen Sie vorlesen, Herr Hamaidan, oder sind es große und schreckliche Staatsgeheimnisse, die unser gelehrter Freund nicht in seine profanen Ohren aufnehmen darf?« »Es ist nichts von besonderer Wichtigkeit. Mit Erlaubnis!: ›Sansibar, Zentralrat der Vereinigten Staaten von Afrika, 10. Juni. Sitzung des großen Rates am 15. Juni. Erwarten Ihre Rückkehr bis dahin.‹ Und hier der zweite Spruch: ›Seiner Ehren dem Generalrat Ismail Tschack, Vertreter der Vereinigten Staaten von Afrika, zurzeit in Europa. Erbitte den Besuch Euer Ehren zu beliebiger Zeit. Der Präsident der Vereinigten Staaten von Europa, Basinzani. Rom‹.« »Seht schön! Sonst nichts, Herr Hamaidan? Nun gut, so wollen wir überlegen, wie wir alles am besten einrichten. Lassen Sie uns zum Schiff zurückkehren, meine Herren, wenn es beliebt. Wir wollen mit dem Ingenieur wegen der Reiseroute sprechen und die erforderlichen Zeiten feststellen.« Der rundliche kleine Herr mit den lebhaften Bewegungen ging hastig voran, wie eine Pelzkugel rollte er über die verschneite Eisfläche. Seine Begleiter folgten langsam. Die Sonne spiegelte sich in der seltsamen Granate, die da inmitten dieser unendlich ruhigen, eintönigen Gletscherlandschaft an der äußersten Kante des nördlichen Norwegen einen merkwürdig fremdartigen Eindruck machte. Dieses Projektil, das aus einem unbekannten Riesengeschütz geschleudert schien, war in Wahrheit ein friedlicher Reisewagen, die Postkutsche des Jahres 3000. Projektile und Kanonen gab es gottlob nicht mehr, es sei denn, man wandelte durch die Museen, wo neben sechstausend Jahre alten ägyptischen Mumien, Modellen von Schiffen und Lokomotiven aus dem neunzehnten Jahrhundert auch Geschütze und andere Mordwaffen, Flugzeuge und veraltete Fernrohre, Mikroskope und Apparate für Telegrafie und Telefonie aus dem zwanzigsten und zweiundzwanzigsten Jahrhundert an verklungene Zeiten erinnerten. Dennoch! Es war so etwas Ähnliches wie eine Granate und ein Sprengstoff von einer Kraft, die den kriegerischen Söhnen früherer Zeiten, die halb Europa zugrunde gerichtet hatten, ein...


Bruno Hans Bürgel (* 14. November 1875 in Berlin; † 8. Juli 1948 in Potsdam-Babelsberg) war ein bekannter deutscher Schriftsteller und Wissenschaftspublizist, dessen Verdienste vor allem in der Verbreitung astronomischer Kenntnisse liegen.


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