Bukowski / Piekar / Reichelsdorfer | Superpreis für Literatur | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 120 Seiten

Bukowski / Piekar / Reichelsdorfer Superpreis für Literatur

Die Anthologie

E-Book, Deutsch, 120 Seiten

ISBN: 978-3-95732-208-1
Verlag: metamorphosen im Verbrecher Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Die These: Literatur ist gut. Der schlagende Beleg: diese Auswahl aus unzähligen Einsendungen für den Superpreis für Literatur. Die hier versammelten zwanzig Texte sind nicht nur gute Literatur im handwerklichen Sinn. Sie bestätigen auch ein Argument, das immer wieder für die Literatur ins Feld geführt wird: Dass sie ein feiner Seismograph für gesellschaftliche Debatten und Entwicklungen sei. Demzufolge dominierten Bewegungen der Migration, Spielarten des Populismus und daraus folgende Visionen gesellschaftlicher Mikro- und Makrozusammenhänge die thematische Bandbreite der Einsendungen. Auch die Texte in dieser Anthologie kreisen teilweise um diese Themen. Sie tun das subtil und überraschend, roh und unversöhnlich.
Bukowski / Piekar / Reichelsdorfer Superpreis für Literatur jetzt bestellen!

Weitere Infos & Material


Andreas Reichelsdorfer Relikt Karl-Roßmann-Superpreis für subversive Fabelführung Gefunden wurde das Relikt bereits vor acht Jahren und es hatte sich sofort herausgestellt, dass ihm eine immense Strahlkraft innewohnte, wie sie noch niemals zuvor an einem von Menschenhand oder Menschengeist geschaffenen oder entdeckten Objekt festgestellt oder dokumentiert worden war. Die Wissenschaftler, die mit der Sicherung und ersten Ausforschung des Reliktes beauftragt worden waren, sowie die Regierungsführenden, die diesen Auftrag erteilt hatten, waren sich sogleich uneins über das weitere Vorgehen gewesen und ein langjähriger Streit war die Folge, dessen Konsequenzen Stillstand und einige Zivilprozesse bedeuteten, die meist von Archäologen angestrengt und verloren worden waren. Nach acht Jahren schließlich war das Relikt mittels Beschluss des Kabinetts sowie gestützt durch die Entscheidung eines Gerichts in den Besitz der Allgemeinheit übergegangen und sollte, so der Plan, in die Hauptstadt überführt werden. Dort würde man es dann, unter Aufsicht der angesehensten Wissenschaftler der ganzen Welt, im Detail prüfen, sprich: Proben sollten entnommen, Fotografien sollten angefertigt, experimentelle Tests sollten durchgeführt werden. Schlussendlich würde das Relikt gereinigt und strahlensicher verpackt (eine Formulierung, die einem Regierungsbeamten eingefallen war, was ihm gesondertes Lob seitens der Regierungsführenden beschert hatte), um dann, im repräsentativsten und prachtvollsten Gebäude der Hauptstadt, der Allgemeinheit zur Betrachtung zugänglich gemacht zu werden. Naturgemäß waren die Gegner dieses Vorhabens äußerst zahlreich: Annähernd die Hälfte der Wissenschaftler und sogar Teile der Regierung hatten sich vehement für einen Verbleib des Reliktes unter Ausschluss der Öffentlichkeit ausgesprochen. Es solle lieber in Ruhe und über einen ausgedehnten Zeitraum hin erforscht und anschließend an einem von diesem Land möglichst weit entfernten Ort, zum Beispiel am Nordpol, vergraben werden. Dadurch bestünde immerhin die Möglichkeit, einen Schaden an den Menschen zu vermeiden, oder, so er in noch nicht sichtbarer Weise bereits entstanden war, diesen wenigstens gering zu halten. Natürlich entgegneten die Befürwortenden, die von den Regierungsführenden und nach kurzem Zögern auch von der Kirche unterstützt wurden, ein derart außergewöhnlicher Fund dürfe der Menschheit auf keinen Fall vorenthalten werden, denn gerade dessen Strahlkraft mache es unerlässlich, der Allgemeinheit nicht nur Fotografien oder rohe Daten vorzulegen, sondern einen direkten Kontakt zu ermöglichen. Sie waren der Ansicht, dass es sich bei der von dem Relikt ausgehenden Strahlung, deren Intensität und Form noch nicht kategorisiert werden konnten, nicht um eine schädliche, sondern, im Gegenteil, eine dem Körper (und möglicherweise auch dem Geist) zuträgliche handelte. Selbstverständlich würde in eben jener Zeit der detaillierten Prüfung jeder Zweifel beseitigt werden, denn nichts lag der Regierung und den Befürwortenden ferner, als die Verantwortung für etwas zu tragen, das auch nur den kleinsten Schaden an der Allgemeinheit verursachte. Die Gegner warfen ein, man sei außer Stande, mit absoluter Sicherheit zu behaupten, ein solches Objekt wirke, wenn auch nur im Verborgenen, nicht negativ, selbst nach der intensivsten Prüfung blieben unausweichlich immer, wenn auch minimale, Restzweifel. Allerdings entgegneten hier die Befürwortenden, eine solche These wäre nun auf jedes Forschungsvorhaben in allen wissenschaftlichen Arbeiten anwendbar und lasse sich auf sämtliche Theorien, Tests und Experimente im akademischen Bereich und im Endeffekt auf jegliches Handeln und jede noch so kleine Entscheidungsfällung in allen Lebensbereichen der Menschen ausdehnen, was, das sehe man ja wohl ein, unweigerlich zu nichts als zu definitivem Stillstand führe. Das war, so mussten die Gegner kopfschüttelnd zur Kenntnis nehmen, ein sogenanntes totschlagendes Argument. Sie verstummten. So wurde das Relikt, nachdem die an der Fundstelle durchgeführte oberflächliche Untersuchung abgeschlossen war, unter der Leitung einiger Regierungsbeamter und im Beisein eines internationalen Teams von Experten aus allen erdenklichen anerkannten Naturwissenschaften sowie unter den Augen einer Handvoll von der Regierung auserwählter Journalisten (die sich dazu verpflichtet hatten, ihre Aufzeichnungen erst zum Zeitpunkt der Enthüllung des Reliktes zu veröffentlichen) in die Hauptstadt überführt. Dieser Transport, der als gewaltiges logistisches Projekt bezeichnet werden konnte, dauerte sieben volle Tage. In der Hauptstadt erwarteten bereits weitere Regierungsbeamte und Experten ungeduldig die Ankunft des Reliktes. Unter Abschottung der Öffentlichkeit – an einem bestimmten Punkt mussten die Journalisten, so war es vereinbart, den Transport wieder verlassen – gelangte die Gruppe schließlich an einem geheimen Ort an. Dort hielt ein Regierungsbeamter eine kurze Ansprache, in der er Erläuterungen vorbrachte, die allen Anwesenden längst bekannt und somit überflüssig waren, dann entließ er die Wissenschaftler in ihre Arbeit und die Untersuchungen konnten beginnen. Es würden Untersuchungen werden, die die Beteiligten an den Rand ihrer körperlichen und geistigen Fähigkeiten bewegten, denn alle waren angehalten worden, nicht unnötig Zeit zu verschwenden, wie es der Regierungsbeamte auf Anweisung der Regierungsführenden in seiner Ansprache mehrmals wiederholt hatte. So wurde von den Wissenschaftlern beispielsweise erwartet, ihre Ruhepausen, welche ohnehin Seltenheitswert hatten, auf ein gerade noch zu verkraftendes Minimum zu reduzieren, was dazu führte, dass einige von ihnen über Zeiträume von bis zu drei Tagen (und Nächten) kein Auge zu machten (eine Strapaze, die nur durch die großzügige Bereitstellung aufputschender Medikamente zu bewerkstelligen war). Da es als zu zeitaufwendig erachtet wurde, gewöhnliche Mahlzeiten einzunehmen, waren die Wissenschaftler angehalten, sich von sogenanntem space food oder in Stangen gepressten Prote- und Vitaminen zu ernähren, die sie lutschen konnten, ohne ihre geistigen (und, seltener: körperlichen) Arbeitsprozesse zu unterbrechen. Obwohl, gemeinhin, der Volksmund dem Menschenschlag des Naturwissenschaftlers, oder, allgemeiner gesagt, dem von Personen, die sich in einem bestimmten Bereich in einer manischen Art und Weise vertiefte, umfassende Fachkenntnisse angeeignet haben, Eigenschaften wie Verschrobenheit, Einzelgängertum oder gar soziale Inkompetenz nachsagt, hielten die Regierungsführenden es in diesem Fall dennoch für unerlässlich, die an diesem Projekt Arbeitenden explizit darauf hinzuweisen, dass die Herstellung eines Kontaktes zu Außenstehenden unweigerlich massive Strafen nach sich zöge. Als Vorsichtsmaßnahme wurden Mobiltelefone, Tablets und Rechner konfisziert und in einem gesicherten Raum aufbewahrt. Allerdings, und dies ebenfalls vom Volksmund geäußert, nun allerdings etwas respektvolleren Tonfalls, gelten Wissenschaftler gleichfalls als überdurchschnittlich vernunftbegabt beziehungsweise befähigt dazu, konsequent, vorbildhaft und ungeachtet der Schwere einer Problematik etwas, das als gesunder Menschenverstand zu bezeichnen ist, anzuwenden, sodass auch ohne derartige Beschlagnahmungen oder Drohungen keiner von ihnen auf den Gedanken verfallen wäre, sein Mitwirken an einem derart herausfordernden und möglicherweise bahnbrechendem Projekt zu gefährden, nur um beispielsweise die Stimme eines Partners zu hören oder einem achtjährigen Sohn Geburtstagswünsche zu übersenden oder das Foto einer gerade geborenen Tochter zu betrachten. Nichtsdestotrotz betrieben die Wissenschaftler (teilweise sogar rege) Konversation untereinander und stellten hierbei unter anderem fest, dass sich die Träume aller (so sie denn überhaupt schliefen) ausschließlich mit dem Relikt oder einer mit dem Relikt in Verbindung stehenden Materie beschäftigten, ein Symptom, das, so sagten es sich auch die Wissenschaftler, als absolut natürlich angesehen werden kann während der intensiven psychischen (und körperlichen) Auseinandersetzung mit einer Thematik, so auch mit der hiesigen. Zu Gunsten einer reibungslosen und maximal produktiven Zusammenarbeit wurde jedoch von allen Seiten unwillkürlich verschwiegen, dass sämtliche Träume, in denen das Relikt den unübersehbaren Mittelpunkt bildete, als Alpträume in Erscheinung traten. Und in der Tat war die Zusammenarbeit produktiv und das Projekt kam äußerst schnell voran. Die Regierungsbeamten bezeichneten die Arbeit der Wissenschaftler als in höchstem Maße effizient und konnten, von einigen Wissenschaftlern, denen es gelang, unter höchster Vorsicht über die Schulter einen unauffälligen Blick auf die Regierungsbeamten zu werfen, mitunter anerkennend kopfnickend entdeckt werden. Sie mussten den Regierungsführenden, die alle drei Tage einen Bericht über das Fortschritt zu erhalten hatten, somit nicht beschämt gegenübertreten (die Regierungsbeamten durften, im Gegensatz zu den Wissenschaftlern, alle drei Tage und jeweils nur für drei Stunden und ausschließlich zum Zwecke der Berichtserstattung, das Gebäude verlassen). Alle Wissenschaftler, so notierten es die Regierungsbeamten, wüchsen über sich hinaus und seien produktiv in höchstem Maße. Der Fortschritt der Erkenntnisgewinnung an dem Relikt sei rapide. Es werde konzentriert und absolut zielorientiert gearbeitet, die Disziplin und die Effizienz sei beispiellos und vorbildlich. So sahen sie sich im Stande, nach einem Zeitraum von fast auf den Tag genau zwei Monaten, den die Untersuchungen bis dato angedauert hatten, den...


Elias Kreuzmair ist Wissenschaftler und Autor, Moritz Müller-Schwefe ist Autor und Kritiker, gemeinsam geben sie die Anthologie "Superpreis für Literatur" in diesem Jahr heraus.


Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.