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E-Book

E-Book, Deutsch, 220 Seiten

Reihe: Neue Orientalische Bibliothek

Burckhardt Fes

Stadt des Islam

E-Book, Deutsch, 220 Seiten

Reihe: Neue Orientalische Bibliothek

ISBN: 978-3-406-68289-6
Verlag: C.H.Beck
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Die marokkanische Stadt Fes war für den Orientalisten und Kunsthistoriker Titus Burckhardt Inbegriff der idealen islamischen Stadt, in der Religion, Gesellschaft und Wirtschaft eine stimmige Einheit bilden. Indem er Fes mit seinen Moscheen und Häusern, Handwerkern und Händlern, Gelehrten und Heiligen beschreibt, bietet er dem Leser zugleich ein eindrucksvolles Panorama der islamischen Zivilisation insgesamt. Ein Meisterwerk der literarischen Kulturgeschichtsschreibung.
Eine Stadt, die sich ihre jahrhundertealte Ordnung bewahrt hat, von modernen europäischen Einflüssen unberührt, trotz des französischen Protektorats selbstbewusst in sich und der Religion ruhend – so sah Titus Burckhardt Fes, als er die Stadt in den 1930er Jahren besuchte und lange blieb. In den fünfziger Jahren kehrte er zurück, entdeckte kaum merkliche Zeichen einer Veränderung und hielt das Leben der Stadt in seinem grandiosen Buch fest. Mit seinen Einblicken in Moscheen und Privathäuser, die dem Fremden sonst verschlossen sind, mit ausführlichen Zitaten klassischer arabischer Autoren sowie mit zahlreichen historischen Fotografien ist das Buch ein einzigartiges Dokument einer islamischen Kultur, die im 20. Jahrhundert versunken ist.
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Weitere Infos & Material


1;Cover;1
2;Frontispiz;2
3;Titel;3
4;Impressum;4
5;Motto;5
6;Inhalt;7
7;Vorwort;9
8;Fes;13
9;Stadt und Wüste;20
9.1;Seßhafte und Nomaden;20
9.2;Kultur und Zivilisation;29
9.3;Die Islamisierung Nordafrikas;38
9.4;Die Almoraviden;38
9.5;Die Almohaden;43
9.6;Die Meriniden;53
9.7;Die Saadier;55
9.8;Die Alawiten;57
9.9;Einflüsse aus dem modernen Europa;57
9.10;Der Einmarsch der Franzosen;60
9.11;Itos Höhle;62
10;Das Kalifat;67
10.1;Der Gottesstaat;67
10.2;Das Kalifat des Mulay Idris;70
10.3;Das maghrebinische Kalifat;75
10.4;Der letzte Vertreter einer sterbenden Kultur;76
11;Die stadt des Heiligen Idris;81
11.1;Die Gründung von Fes;81
11.2;Das Stadtbild;85
11.3;Bäder, Kaißariya und Herbergen;88
11.4;Die Judenstadt;93
11.5;Medresen, Stiftungen toter Hand und Koranschulen;93
11.6;Die Verwaltung;97
11.7;Das Handwerk;99
11.8;Die Moscheen;103
11.9;Die Rassen;106
11.10;Städter und Beduinen;107
11.11;Die Stände;109
11.12;Die Gräber;110
11.13;Die Irren;111
11.14;Die Gottesnarren;111
11.15;Die Grabmoschee von Idris II.;113
12;Das Haus;116
12.1;Der Hausbau;119
12.2;Die Zierkunst;121
12.3;Der maurische Bogen;128
12.4;Die Ehe;131
12.5;Frauen im Islam;132
12.6;Sklaven und Sklavinnen;136
12.7;Ein Kristall gewordenes Weltall;137
13;Das Überlieferte Wissen;138
13.1;Mulay 'Ali;140
13.2;Die Hochschule al-Qarawin;142
13.3;Die arabische Sprache;146
13.4;Die Gotteslehre;148
13.5;Die Rechtskunde;148
13.6;Der Koran;149
13.7;Die sufische Weisheit;152
13.8;Der Bau der Hochschule;155
13.9;Der Zeitwächter;157
13.10;Der Fastenmonat;158
14;Die Goldene Kette;162
14.1;Die Mystik;162
14.2;Die Überlieferung;165
14.3;Abu Madyan;166
14.4;Ibn 'Arabi;169
14.5;Asch-Schadhili, Ibn Maschisch und 'Ali as-Sanhadji;170
14.6;Die «Pfade»;175
14.7;Al-Djazuli;176
14.8;Al-Wazzani;177
14.9;As-Seqalli und at-Tidjani;178
14.10;Ad-Derqawi;179
14.11;Al-'Alawi;184
14.12;Die Pilgerreise zum Grab des Mulay al-'Arabi;187
15;Der Einbruch der Modernen Welt;192
16;Die Heilige Verirrung. Fes Heute;207
17;Anhang;213
17.1;Quellenverzeichnis;215
17.2;Bildnachweis;216
17.3;Personenregister;217
18;Zum Buch;220
19;Über den Autor;220


FES
Eine Druse von Amethyst, gefüllt mit Tausenden von dicht gedrängten Kristallen und von einem silbergrünen Bande eingefaßt. Das war Fes, die alte Stadt Fes im Abendlicht. Als wir bergab auf sie zugingen, dehnte sich ihre Mulde zusehends aus; die vielen einförmigen, aber unregelmäßig aneinandergewachsenen Kristalle zeichneten sich deutlicher ab, hell auf der einen und dunkel angehaucht auf der anderen, dem Wetter ausgesetzten Seite, und zwischen ihnen und dem silbergrünen Gürtel der Olivenhaine wurde die alte Stadtmauer mit ihren Türmen sichtbar. Nach dem Stadttor, das uns zunächst lag – Bab al-Gissa heißt es –, zogen wie seit jeher die kleinen Eselkarawanen, und heraus kamen Gruppen von maghrebinisch gekleideten Männern und Kindern in den Abendwind und vor die grüne Weite; denn es war Frühling, und die Hügel ringsum waren voll gelber und blauer Blumen. Im Herzen der Stadt, gegen die Tiefe des Tales zu, erkannte man das zeltförmige Dach aus grünglasierten Ziegeln, das die Kuppel über dem Grab des heiligen Idris, des Gründers von Fes, deckt; daneben ragte ein Minarett. Nicht weit davon entfernt lagen die ebenso smaragdgrünen Dächer der alten koranischen Hochschule al-Qarawin. Je näher wir der Stadt kamen, um so mehr Minarette wuchsen in den Himmel, lauter viereckige, oben stumpfe Türme, ähnlich den romanischen Stadttürmen Italiens. Es mögen ihrer an die hundert sein. Sie zeigen die Lage der größeren Moscheen an; noch mehr kleinere Moscheen sind unsichtbar im Gewirr der hohen, grauweißen, jetzt rötlich leuchtenden Häuserwürfel verborgen. Eine Stadt voll Heiligtümer: Die europäischen Reisenden, die sie am Anfang des Jahrhunderts als erste besuchten, sprachen entweder von einer «Hochburg des Fanatismus» oder erzählten verwundert von einer Stätte immerwährenden Gebetes. Ob sich die alte Stadt seit den fünfundzwanzig Jahren, die ich ihr ferngeblieben war, innerlich verändert hatte? Sie sah noch gleich aus wie früher, uralt, verwittert, in ihren Mauern geborgen. Nur ein paar Gruppen von weißen Häusern im freien Gelände draußen, da wo sich früher niemand anzusiedeln gewagt hätte, und ein paar armselige Hütten, die sich in verlassenen Kalkgruben einnisteten, zeigten an, daß das Volk der Armen dem Schutz der alten Mauer entwuchs. Blick von den Hügeln im Norden von Fes auf die Mitte der Altstadt mit dem grünen Zeltdach und dem Minarett der Grabmoschee von Idris II. Im Vordergrund die Stadtmauer, von der untergehenden Sonne beschienen. Zu unserer Linken, nach Osten hin, öffnete sich die Mulde, in der Fes liegt, auf die Niederung des Sebuflusses: ein weites, flaches Tal, an dessen Horizont ein Bergzug des mittleren Atlas, der Bu Iblan, noch schneebedeckt ragte. Im Westen, auf einer etwas höheren Stufe, begann die Ebene, auf welcher die mittelalterliche Sultansstadt, Fes Djedid, das «Neue Fes», und noch ferner die von den Franzosen erbaute Neustadt liegt. Die Stadt kam auf mich zu, und zugleich tauchte sie aus meiner eigenen Seele herauf, aus dem Dunkel der Erinnerung, mit all ihren tausend Gesichtern, die mich fragend bedrängten; denn Fes war mir vertraut gewesen, bekannt und doch voll unerschöpfter Geheimnisse. In ihm hatte ich eine andere Welt und eine andere Zeit erlebt, die herbe und würzige, äußerlich arme, aber innerlich reiche Welt des Mittelalters, die es vielleicht schon nicht mehr gab. Es ist eine Stadt gewesen, die sich der Fremdherrschaft beugte und das Heraufkommen einer neuen, von mechanischen Mächten beherrschten Ordnung stumm entgegennahm, innerlich aber noch sich selber treu geblieben war; denn damals waren jene Männer, die ihre Jugend in einer ungebrochenen, von geistiger Überlieferung geprägten Welt verlebt hatten, noch die Häupter der Familien. Für viele von ihnen war der Geist, der einst die Moschee von Cordoba und die Alhambra von Granada geschaffen hatte, noch näher und wirklicher als all das Neue, das die europäische Herrschaft mit sich brachte. Aber seither ist ein neues Geschlecht aufgewachsen, das von seiner Kindheit an vom Glanze der europäischen Macht geblendet sein mußte, das zu einem guten Teil französische Schulen besucht hatte und nun den Stachel eines fast unüberwindlichen Widerspruches in sich trug; denn wo gäbe es einen Ausgleich zwischen der ererbten Lebensform, die bei all ihren Mängeln den Schatz eines ewigen Sinnes in sich birgt, und der modernen europäischen Welt, die so, wie sie sich handgreiflich kundgibt, ganz eine diesseitige, auf Besitz und Genuß gerichtete, alles Heilige verachtende Macht darstellt? Jene hervorragenden Männer der nun aussterbenden Generation, die ich noch gekannt hatte, waren wohl äußerlich besiegt worden, innerlich aber frei geblieben; die jüngere Generation hingegen hat einen äußeren Sieg erlebt, als Marokko vor ein paar Jahren politisch selbständig wurde, läuft aber Gefahr, innerlich zu unterliegen. Ich kehrte deshalb nicht ohne Beklemmung zu der mir vertrauten Stadt zurück, denn nichts ist betrübender als der Anblick eines Volkes, das seines besten Erbes beraubt wird, um dafür nichts als Geld, Hast und Zerstreuung einzutauschen. Doch vor dem Tore gab es noch immer den verwilderten Gottesacker, die regellose Saat der Gräber zwischen Saumpfaden und blühenden Disteln, wo die Kinder auf den weißen Platten spielten und hie und da Männer schweigend saßen, den Sonnenuntergang und den Aufruf zum Gebet erwartend. Soeben erlosch die letzte, rosarote Glut an den Türmen. Die Sonne war ganz untergegangen, und nur das grüne Gold des Himmels goß ein mildes, von keinem Schatten zerteiltes Licht herab, in dem alle Dinge schwerelos und wie von selber leuchtend schwebten. In diesem Augenblick mußte von den Minaretten der langgezogene Ruf zum Abendgebet erklingen. Lichter glommen an den Türmen auf. Doch die Stadt schwieg; nur ein paar Klangfetzen, wie jäh abgebrochene Klagen, erreichten unser Ohr: Der Wind, der sich plötzlich erhoben hatte und von Berg zu Tal, von uns weg über die Stadt hin wehte, zerschlug den Ton. Aber die Menschen, die auf den umliegenden Hügeln harrten, hatten ihn vernommen: Man sah einzelne Männer oder Gruppen ihre Gebetsmatten ausbreiten und sich nach Südosten, der Gegend von Mekka, wenden. Andere beeilten sich, durch das Tor eine Moschee zu erreichen, und mit ihnen betraten auch wir die Stadt. Sogleich umfing uns die Dämmerung der engen Gassen, die von allen Toren aus stark abwärts führen, in das Tal, wo die großen Heiligtümer und um sie herum die Bazare oder Kaufgassen liegen. Von den Häusern sieht man in den Straßen nichts als hohe, vom Alter geschwärzte Mauern, die kaum Fenster haben. Offen stehen nur die Pforten der Fenadaq oder Karawansereien, wo die zur Stadt kommenden Bauern und Beduinen ihre Reit- und Saumtiere in offenen Hallen um einen Hof einstellen und darüber, im oberen Stock, eine Zelle zum Übernachten oder zur Ablage ihrer Waren mieten können. Sonst ist die Straße wie eine tiefe, halbdunkle Schlucht, die sich unversehens bald hierhin, bald dorthin wendet, oft überdeckt von Gebäudebrücken und gerade breit genug, daß zwei Saumtiere aneinander vorbeidrängen können. Überall erschallt der Ruf «balek! balek!» (Achtung! Achtung!), mit dem die Säumer Durchgang heischen und Träger ihre großen Lasten auf dem Kopfe durch die Menge steuern. Erst weiter unten beginnen die Läden, wo der ankommende Reisende das Nötigste findet; da sind auch die Sattler, die Korbmacher und die Garköche, die auf kleinen Holzkohlenfeuern ein paar derbe Gerichte zubereiten. An ihnen vorbei bogen wir in die Kaufgasse der Gewürzhändler, den Suq al-’Attarin, ein, der durch die ganze Stadtmitte hindurchläuft und in dem sich ein Laden an den andern reiht, lauter hölzerne Kasten mit nach vorne geklappten Türen, wie es das alte deutsche Wort «Laden» meint, und mit nicht mehr Raum, als ihn der Händler braucht, um zwischen seinen aufgehäuften Waren sitzen zu können. Nichts weckt die Erinnerung stärker als Gerüche; nichts macht die Vergangenheit so gegenwärtig. Ja, das war Fes, dieser Duft von Zedernholz und frischem Olivenöl, der trockene, etwas staubige Geruch von aufgeschüttetem Korn, der beizende von frisch gegerbtem Leder und endlich, im Suq al-’Attarin, der Rausch aller Düfte des Morgenlandes – denn hier werden noch all die Gewürze feilgeboten, die einst als kostbarstes Gut von Indien bis nach Europa hinein gehandelt wurden. Und manchmal umfing einen plötzlich der Weihrauch von Sandelholz, der einer Moschee entströmte. Unverkennbar sind auch die Klänge; blindlings fände ich den Weg am Klappern der Hufe auf dem steilen Pflaster, am eintönigen Gesang der Bettler, die in den toten Winkeln der Gassen kauern, und am silbernen Laut der Glöckchen, mit dem die Wasserträger ihr Kommen ankündigen, wenn sie die Bazare abschreitend jedem Durstigen zu trinken geben. Doch jetzt achtete ich auf nichts anderes als auf die Gesichter, die hie und da im Schein der kleinen, soeben angezündeten Lampen auftauchten, in der Hoffnung, einen alten Freund oder Bekannten wiederzusehen. Aber ich fand nur die Züge vertrauter Stämme und Sippen,...


Titus Burckhardt, 1908 –1984, geboren in Florenz als Sohn des Bildhauers Carl Burckhardt, studierte Kunstgeschichte und Orientalistik und war vor allem als Übersetzer, Zeichner und Publizist tätig. 1972 erhielt er von der UNESCO den Auftrag zur Wahrung des Stadtbildes von Fes.


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