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E-Book, Deutsch, 248 Seiten, Format (B × H): 1300 mm x 2050 mm

Burmeister / Fink / Schulz-Montag Deutschland neu denken

Acht Szenarien für unsere Zukunft

E-Book, Deutsch, 248 Seiten, Format (B × H): 1300 mm x 2050 mm

ISBN: 978-3-96238-451-7
Verlag: oekom verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: Kein



Geht es um Zukunftsfragen, hat sich unsere Gesellschaft einem pragmatischen »Weiter so« verschrieben. Die Politik steuert auf Sicht und Unternehmen drohen im digitalen Wettbewerb ihre Gestaltungschancen zu verspielen. Was uns fehlt, sind Visionen möglicher und lebenswerter Zukünfte und Antworten auf Fragen wie: Können wir als Auto- und Industrieland unsere Stärken bewahren oder müssen wir uns neu erfinden? Führt die Digitalisierung zum Diktat globaler Konzerne oder in eine Welt neuer Freiheiten? Wie kann der soziale Zusammenhalt dauerhaft gesichert werden? ... Die Initiative »D2030« hat dafür unter Beteiligung von Bürgern und Partnern aus Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft acht konkrete Szenarien für Deutschland im Jahr 2030 entwickelt. Diese zeigen, wie wir zukünftig miteinander leben und arbeiten könnten, und skizzieren darauf basierende strategische Leitlinien.
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Kapitel 1 Deutschland 2030 – die Herausforderung Wir wollen Deutschland einmal anders denken. Und zwar nicht nur in der Nacht – obwohl uns das Projekt »D2030« durchaus bisweilen um den Schlaf gebracht hat. Vor allem die Vorbereitung der großen Zukunftskonferenz »Deutschland 2030«, auf der wir die Ergebnisse unseres ein Jahr dauernden Szenarioprozesses vorstellten und mit 130 Zukunftsinteressierten diskutierten, war ein hartes Stück Arbeit. Nach zwei intensiven Tagen saßen wir – die vier Autoren dieses Buches, Karlheinz, Beate, Alex und Klaus – dann erschöpft, doch immer noch angespannt im Berliner Café Einstein in der Kurfürstenstraße, ließen die Konferenz Revue passieren, schmiedeten Pläne für dieses Buch (inklusive eines ersten Coverentwurfs auf der Papiertischdecke) und erlaubten uns einen kurzen Blick zurück. Was hatte gerade uns vier dazu gebracht, gemeinsam mit vielen anderen über die Zukunft Deutschlands nachzudenken? Vor ungefähr 30 Jahren lag das Café Einstein 1.700 Meter entfernt von der Mauer, die Berlin, genau wie Deutschland und Europa, mit Stacheldraht und Selbstschussanlagen teilte. Michael Gorbatschows Glasnost und Perestroika nährten zwar die Hoffnung auf politisches Tauwetter, aber die alten Herren in Erich Honeckers Partei- und Staatsapparat stemmten sich nach Kräften gegen jede Veränderung. In Bonn gab es ein Ministerium für innerdeutsche Beziehungen, in Ostberlin eines für Erzbergbau, Metallurgie und Kali, und in Westberlin wurde der Hamburger SV deutscher Pokalsieger (woran man sieht, wie lange das schon her ist). Karlheinz schrieb zu dieser Zeit mit seiner Frau Angela an dem dritten gemeinsamen Science-Fiction-Roman »Der Traummeister«.2) Als freischaffende Schriftsteller konnten beide unter DDR-Bedingungen ein einigermaßen ruhiges Leben mit einigen kleinen Freiheiten führen – und mit der täglichen Gratwanderung zwischen Anpassung und eigenem Willen. Bekannte von ihnen engagierten sich in der Dissidentenszene, wurden verhaftet, in den Westen abgeschoben. Die Stasi unterwanderte ihren Freundeskreis – und verwanzte, wie sie später erfuhren, sogar die Sauna des Schriftstellerverbands. So packten die Steinmüllers die Angst vor der Bespitzelung, den Niedergang der Wirtschaft, die zerstörte Umwelt und all die dumpfe Stagnation der letzten DDR-Jahre in das Buch und schilderten einen Aufbruch, in dem die Menschen in ihrer fiktiven Stadt auf einem fernen Planeten lernen, ihre eigenen Träume zu träumen und sich für ihre eigenen Ziele einzusetzen. Wie eine Stadt auf einem fernen Planeten lag auch Westberlin damals mitten im Staatsgebiet der DDR. Diese Isolation machte die »Frontstadt im Kalten Krieg« zum Kultort und Biotop für alternative Lebensentwürfe. Und so zog es auch Beate – aufgewachsen in einem diskussionsfreudigen, sozialdemokratisch geprägten Elternhaus – 1980 von Hamburg zum Studium der Publizistik, Politologie und Germanistik an die Spree. Beates Politisierung nahm Fahrt auf mit den Anti-AKW-Protesten und der Hausbesetzerbewegung, in deren Verlauf allein in Berlin rund 280 Häuser »instand besetzt« wurden. Brennende Barrikaden waren ihre Sache aber nicht, und so trat sie 1982 der Alternativen Liste (AL) bei, wurde Fraktionsassistentin für »Computer und Medien« im Berliner Abgeordnetenhaus, Redakteurin der taz und freie Journalistin, die regelmäßig in den Ostteil der Stadt reiste, um sich dort mit Oppositionellen, Künstlern und Autoren zu treffen, damit deren Anliegen wenigstens in westlichen Medien Gehör fanden. Ähnlich wie Beate hatte auch Klaus nach seiner Ausbildung zum Starkstromelektriker seinen Parka mit dem »Willy wählen«-Button im Westen gelassen und war zum Politologiestudium über Hamburg nach Berlin gezogen. Seinen Mitgliedsausweis der IG Metall behielt er allerdings (bis heute), schloss sich nie einer »K-Gruppe« an und verstand sich als »Undogmatischer«. Zu einem ersten Zusammentreffen der beiden kam es, als sie mit einer Vielzahl von jungen Bewegten – alternativen Radiomachern, Verkabelungsgegnern, Volkszählungsboykottlern und Datenschützern – die Gegen-Funkausstellung »Bildstörung« organisierten. Klaus war klar, dass in diesem Bereich wichtige Entscheidungen für die Zukunft getroffen werden – und so wurden die Forschungs- und Technologiepolitik, die »mikroelektronische Revolution« und die Debatte zur Zukunft beziehungsweise zum Abschied von der Arbeit nicht nur Themen seiner ersten Buchveröffentlichung,3) sondern Themen, die ihn bis heute bewegen. Wären Beate und Klaus in diesen Jahren auf Alex getroffen, dann vielleicht auf der Besucherplattform am Reichstag, von der aus man über die Mauer sehen konnte. Dorthin führte Alex seine Reisegruppen, die er als Vorsitzender eines Stadtverbands der Jungen Union (übrigens mit 14 Jahren vermutlich der Jüngste in Deutschland) aus der Nähe von Bremen nach Berlin begleitete. Diskutiert hätten sie vermutlich sehr kontrovers, emotional und tendenziell auch lautstark: über Nachrüstung, über Atomenergie, über Datenschutz – und nicht zuletzt über das geteilte Deutschland. Zwei Jahre vor der Wende und gerade mit der Ehrenmedaille der Bundeswehr ausgezeichnet, startete Alex dann sein Studium des Wirtschaftsingenieurwesens in Paderborn und gab dort gleichzeitig ein Stadt- und Szenemagazin heraus, in dem immer wieder neue Trends aufgegriffen wurden. Alle vier trieb also schon in den späten 1980er-Jahren das Zukunftsthema um – als Science-Fiction-Autor, als Politikerin und Journalistin, als Wissenschaftler in der Zukunftsforschung oder als Student mit Hang zum Unternehmertum. Signale eines sich andeutenden Umbruchs hatten alle vier ausgemacht, und doch wurden sie überrascht, als im Herbst 1989 unweit vom Café Einstein die Mauer fiel. 15 Jahre später – am Anfang der 2000er-Jahre – bereitete sich das wiedervereinigte Deutschland darauf vor, die geliebte D-Mark in eine neue Währung umzutauschen, den Euro. Deutsche Soldaten waren Teil der SFOR-Mission in Bosnien-Herzegowina, doch ökonomisch galt das Land als »der kranke Mann Europas« (und verstieß in den 2000er-Jahren gleich fünfmal gegen die Euro-Stabilitätskriterien). In Berlin stürzte Klaus Wowereit in einem Bündnis mit den Grünen und der PDS den langjährigen CDU-Bürgermeister Eberhard Diepgen – und fand sich wieder in den Worten »Berlin ist arm, aber sexy«. Das Thema »Zukunft« schrieben sich nun alle vier auf ihre Fahnen. Bei Beate hatte bereits zehn Jahre zuvor die Begegnung mit Robert Jungk einen tiefen Eindruck hinterlassen – insbesondere die von ihm mitentwickelte »Zukunftswerkstatt«, eine Moderationsmethode für eine entschieden beteiligungsorientierte Zukunftsgestaltung, die Menschen ermächtigt, ihre Geschicke in die eigenen Hände zu nehmen. Und so war der Entschluss gereift, den Journalismus an den Nagel zu hängen und in die Zukunftsforschung zu wechseln, genauer gesagt, an das Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung (IZT) in Berlin, wo sie wiederum auf Klaus traf, der dort bereits als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig war. Karlheinz hatte die Wildcard der deutschen Einheit schon früh nach Gelsenkirchen an das neu gegründete Sekretariat für Zukunftsforschung geführt. »Für mich«, sagt er heute, »war die Zukunftsforschung die Fortsetzung der Science Fiction mit anderen Mitteln. Als Ossi erzählte ich nun den Wessis, wo es langgeht.« Zusammen mit Klaus gründete er 1997 das Beratungsunternehmen Z_punkt The Foresight Company, das allmählich wuchs und zu dem drei Jahre später auch Beate stieß. Gemeinsam griffen sie vor allem das Thema Megatrends auf und machten es für Unternehmen nutzbar. Auch Alex hatte inzwischen über eine Diplomarbeit zur Zukunftsforschung gefunden, genauer gesagt zur Szenariotechnik. 1995 wurde der eigene Ansatz des Szenariomanagements in einem ersten Buch veröffentlicht.4) Nach der Promotion am Heinz Nixdorf Institut gründete er 1998 zusammen mit Andreas Siebe und Oliver Schlake die Scenario Management International AG (ScMI). Ihr Credo war es, in einem systematischen und kreativen Ansatz nicht nur gute Szenarien zu entwickeln, sondern diese Zukunftsbilder auch erfolgreich in Strategie-, Innovations- und Foresightprozessen einzusetzen. In diesen Jahren kannten sich die vier Autoren zwar – aber vornehmlich von Konferenzen und »Pitches«, bei denen sie als Wettbewerber gegeneinander antraten und um Aufträge von Zukunftsplanern und Entscheidern großer Unternehmen sowie öffentlicher Auftraggeber warben. In den letzten 15 Jahren hat sich die Welt abermals verändert: Deutschland gilt zwar weiterhin als Schwergewicht in der alten industriellen Welt, aber seine Rolle in der neuen, digitalen Wirtschaft, in der Daten als das Öl des 21. Jahrhunderts gelten, ist keineswegs gesichert. Was ist der 2017 gemessene Rekordstand der Beschäftigtenzahlen in Deutschland wert angesichts der Umbrüche, die durch Digitalisierung und Künstliche Intelligenz auf uns zukommen? Und was bedeuten globale Konflikte, eine zunehmende gesellschaftliche Spaltung und das Erstarken regressiver Bewegungen in nahezu allen wesentlichen Gesellschaften für Deutschland? Wie machen wir unser Land zukunftsfest? Klare und eindeutige Antworten gibt es auf diese Fragen nicht. Das wird deutlich, wenn man unser Land mit dem Deutschland vor der Einheit (also vor rund 30 Jahren) und dem Deutschland während der Jahrtausendwende (also vor rund 15 Jahren) vergleicht. Wer hätte sich 1988 eine rot-rot-grüne Regierung in einem wiedervereinigten Berlin vorstellen können? Und wer dachte in den frühen 2000er-Jahren, dass heute ein US-Präsident Abschied von Globalisierung, Gewaltenteilung und westlichen Werten nehmen würde?...


Klaus Burmeister arbeitet seit Jahren als Foresight-Experte und Autor an Fragen zukünftiger gesellschaftlicher Entwicklungen, hierzu hat er 2014 das foresightlab ins Leben gerufen.
Dr. Alexander Fink berät als Vorstand der ScMI Scenario Management International AG Unternehmen und Organisationen bei der Entwicklung von Szenarien und visionären Strategien.
Beate Schulz-Montag arbeitet seit 1990 als Foresight-Expertin, Beraterin und Moderatorin für Unternehmen und öffentliche Auftraggeber. Sie ist Partnerin des foresightlab in Berlin.
Dr. Karlheinz Steinmüller berät als wissenschaftlicher Direktor von Z_punkt Unternehmen und öffentliche Auftraggeber bei der Entwicklung von Zukunftsperspektiven.


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