Cabanes | Eine Geschichte des Krieges | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 903 Seiten

Cabanes Eine Geschichte des Krieges

Vom 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart

E-Book, Deutsch, 903 Seiten

ISBN: 978-3-86854-983-6
Verlag: Hamburger Edition HIS
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



In diesem monumentalen Buch beleuchten 57 internationale Wissenschaftler*innen unter Federführung des französischen Historikers Bruno Cabanes die zahlreichen Facetten kriegerischen Handelns vom 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart.

In den letzten zweihundert Jahren hat sich der Krieg zu einem Phänomen entwickelt, das alle Lebensbereiche betrifft und Gesellschaft, Politik, Kultur und Ökonomie verändert. Der moderne Krieg, zu dem oft Partisanenkämpfe, Terroranschläge, Massaker oder ethnische Säuberungen gehören und der immer häufiger als hochtechnologischer Cyberwar geführt wird, ist entgrenzt und richtet sich zunehmend auch gegen die Zivilbevölkerung. Und trotz eines immer ausgefeilteren Internationalen Völkerrechts schwindet die Orientierung an Regeln der Kriegführung.

Um den grundlegenden Wandel moderner Kriege zu analysieren, bedarf es einer Vielfalt der Disziplinen, und so bietet diese Geschichte des Krieges ein multiperspektivisches Panorama aus Geschichte, Soziologie, Politikwissenschaft, Psychologie, Ökonomie und Anthropologie. Die Expert*innen betrachten diese Veränderungen auch jenseits einer rein westlichen Perspektive in Japan, China, Indien oder Afrika und anderen Gegenden der Welt.

In ihrer außergewöhnlichen Vielfältigkeit verdeutlichen die Beiträge den Wandel des Krieges und ermöglichen es, den Krieg neu zu denken.
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Weitere Infos & Material


Ouvertu¨re

Bruno Cabanes
Eine Geschichte des Krieges

1 Der moderne Krieg

David A. Bell
Einleitung

Jean-Vincent Holeindre
Den Krieg denken

Sir Hew Strachan
Der Zweck der Schlachten: Strategen und Strategien

Alan Forrest
Die Zeit der Bürgersoldat*innen

Christopher Kinsey
Die Söldner*innen, outgesourcte Soldat*innen

Samuel Moyn
Krieg und Recht

John R. McNeill
Umweltzerstörung

Michael Neiberg
Technologie ist nichts ohne Strategie

Katharine Hall
Das Drohnen-Zeitalter

Richard Overy
Der Aufstieg des Kriegsstaates

Jennifer Siegel
Der Preis des Krieges

Karen Hagemann
Die Heimatfront

Carl Bouchard
Nie wieder Krieg!

Caroline Elkins
Die Mythen des britischen Imperialismus

Adam Baczko
Guerilla und Aufstandsbekämpfung

Victor Louzon
China: Die Revolution als Krieg

John Lynn
Zeitalter des Terrorismus

Marius Loris
Die AK-47 erobert die Welt

2 Soldatische Welten

John Horne
Einleitung

Odile Roynette
Die "Fabrikation" von Soldat*innen

Jörg Echternkamp
Der Fahne dienen

Eric Jennings
Kombattant*innen aus den Kolonien

Hervé Mazurel
Die Freiwilligen

Mary Louise Roberts
Ist der Krieg reine Männersache?

Masha Cerovic
Die Welt der Partisaninnen und Partisanen

Manon Pignot
Kindersoldaten

Johann Chapoutot
Bedarf an Held*innen

Nicolas Offenstadt
Rebellen und Verweigerer

Fabien Théofilakis
Millionen Gefangene

Emmanuel Saint-Fuscien
Standhalten

Clémentine Vidal-Naquet
"Schreibe mir oft"

3 Kriegserfahrungen

Stéphane Audoin-Rouzeau
Einleitung

Erfahrungen von Soldat*innen

Hervé Mazurel
Eine Belastungsprobe für den Körper

Bruno Cabanes
Was tun mit den Toten?

Anne Rasmussen
Wunden und Verwundete

Nicolas Beaupré
Zeugnis ablegen

Thomas Dodman
"Sonderbare Gefühle aller Art"

Raphaelle Branche
Der verwilderte Krieg in den Kolonien

Erfahrungen von Zivilist*innen

Richard Overy
Der Bombenkrieg vom Boden aus beobachtet

Ken Daimaru
Schweigen über Hiroshima

Alya Aglan / Johann Chapoutot
Besatzungsregime

Laurence Bertrand Dorléac
Goya: Anatomie eines Massakers

Robert Gerwarth
1914–1945: Die Gesellschaften machen mobil

Sheldon Garon
Japan: der Krieg der anderen?

Heather Jones
Hunger als Waffe

Christian Ingrao
Exteme der Gewalt

José Luis Ledesma
Den eigenen Nachbarn töten

Anne Rolland-Boulestreau
Bürgerkrieg in der Vendée

Raphaelle Branche
Vergewaltigung: eine Kriegswaffe?

Daniel Cohen
Flüchtlinge und Vertriebene

4 Der Kriegsausgang

Henry Rousso
Einleitung

Leonard V. Smith
Wien, Paris, Jalta: Frieden schließen

Bruno Cabanes
Kriegsheimkehrer*innen

Danièle Voldman
Aus Ruinen

Jochen Hellbeck
"Die Flamme Stalingrads ist erloschen"

Brian Jordan
Wer hat den Amerikanischen Bürgerkrieg wirklich gewonnen?

Annette Becker
Die Zeit der Trauer

Meredith H. Lair
Die Gespenster von My Lai

Thomas Dodman
Nerven und Neurosen

Annette Wieviorka
Der überlebende Zeuge

Élisabeth Claverie
Urteilen, die Wahrheit sagen, versöhnen

Hélène Dumas
Nach dem Völkermord: die Gacaca

Anhang
Eine chronologische Orientierung
Ortsregister
Personenregister


David A. Bell
Einleitung
»Was ist der moderne Krieg?« Kaum eine andere Frage ist unter Kriegshistoriker*innen so sehr diskutiert worden wie diese. Sie hat freilich etwas Trügerisches: Der Ausdruck »moderner Krieg« unterstellt ja, dass zu allen Zeiten ein als »Krieg« bezeichnetes Phänomen identifiziert und abgegrenzt werden könne, welches beim Überschreiten einer eindeutig bestimmten Schwelle zur »Moderne« einen grundlegenden Wandel erfahren habe. Unter dieser Voraussetzung können dann Chronologie und Natur dieser Veränderung debattiert werden. Hat sich dieser Übergang aber nun im 16. oder 17. Jahrhundert mit der sogenannten militärischen Revolution vollzogen (die mit neuen Infanterie-Taktiken und neuen Befestigungstechniken verbunden ist)? In der Zeit der Französischen Revolution mit der Masseneinberufung? Im 19. Jahrhundert nach der industriellen Revolution? Im 19. und 20. Jahrhundert mit dem »totalen Krieg«? Zu welchem Zeitpunkt wir diese Schwelle auch ansetzen und welches Kriterium wir auch anlegen, in jedem Fall trennen wir dadurch in der Geschichte des Krieges ein »Davor« von einem »Danach«, welches sich implizit bis in unsere Gegenwart erstreckt. Doch wie die Kapitel des ersten Teils dieses Buches zeigen, liegt der bedeutendste Bruch in der Geschichte des Krieges wahrscheinlich nicht in der Unterscheidung zwischen einer »vormodernen« und einer »modernen« Form. Wir finden ihn stattdessen in dem unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg eingetretenen Umbruch, der eine lange, bis weit vor den Beginn der Moderne zurückreichende Geschichte des Krieges von jenen bewaffneten Konflikten trennt, die wir heute kennen. Ich bin versucht, für die gegenwärtige Epoche leicht ironisch von »postmodernem Krieg« zu sprechen. Zwar hat es über diese Zäsur der Mitte des 20. Jahrhunderts hinweg auch Kontinuitäten gegeben. Dies betrifft aber vor allem die sogenannten sekundären Formen des Krieges. Ab dem Mittelalter und mindestens bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges sprach man in der westlichen Welt von »Krieg« (war, guerre, voyna, etc.) prinzipiell dann, wenn es um eine formalisierte und symmetrische Auseinandersetzung zwischen souveränen Staaten mittels ihrer Streitkräfte ging. Um sich dies zu vergegenwärtigen, genügt ein Blick auf die Definitionen von »Krieg« in alten Wörterbüchern. Entsprechendes lässt sich übrigens auch heute noch finden: Das Oxford English Dictionary etwa erklärt, bei Krieg handle es sich um eine »feindliche Auseinandersetzung mittels bewaffneter Kräfte zwischen Nationen, Staaten oder Herrschern …«1 (um nur den Anfang der Definition zu zitieren). Dasselbe galt in der Vergangenheit und gilt auch heute für die Sprache, die in Verfassungstexten, in Gesetzesparagrafen zur Organisation der Streitkräfte und in den Verfahrensregeln für Kriegserklärungen und Friedensverhandlungen Anwendung findet. Gewiss nennen die Wörterbücher auch sekundäre Formen des Krieges, insbesondere den Bürgerkrieg, den Kolonialkrieg, den Guerillakrieg und stärker umstritten auch den Terrorismus. Diese werden jedoch lediglich als Variationen dargestellt. Das eigentliche Modell des »Krieges« bleibt der Konflikt souveräner Staaten wie bei der Schlacht von Azincourt, der Zweiten Schlacht von Höchstädt, Waterloo, der Schlacht an der Somme, Stalingrad. Trotz zahlreicher Unterschiede haben diese Konflikte gemeinsam, dass sich dabei reguläre und ausgebildete Heere gegenüberstanden, die jeweils vergleichbare Strategien, Taktiken und Bewaffnungen aufboten. Doch zu Beginn des 21. Jahrhunderts ist der Krieg, soweit er dieser Definition entspricht, weitgehend verschwunden (besonders wenn man die ausgedehnten Scharmützel nicht hinzuzählt, die ohne massiven Truppeneinsatz stattfinden). In den letzten sechs Jahrzehnten lassen sich die großen, dieser Definition des Krieges entsprechenden Konflikte an zwei Händen abzählen. Darunter fallen der Vietnamkrieg, die arabisch-israelischen Kriege von 1967 und 1973, der Indisch-Pakistanische Krieg von 1971, der Iran-Irak-Krieg 1980–1988, der Zweite Golfkrieg und vielleicht noch bestimmte Konflikte im Gefolge des Zusammenbruchs der Sowjetunion und des Zerfalls Jugoslawiens (zum Beispiel der Bergkarabach-Krieg zwischen Armenien und Aserbaidschan oder der Krieg zwischen Russland und Georgien von 2008). Man könnte unter Umständen noch den 2003 durch die USA und ihre Verbündeten ausgelösten Irakkrieg hinzuzählen, doch dieser Konflikt ging schnell von einer symmetrischen Auseinandersetzung zwischen Armeen zu ausgedehnten Guerillakämpfen über. Selbstverständlich kann jederzeit ein neuer Krieg nach dem klassischen Begriffsverständnis ausbrechen. Doch zu Beginn des 21. Jahrhunderts können Politiker*innen und Kommentator*innen, wenn sie das Wort »Krieg« benutzen, sich dabei ebenso sehr auf den Mord an sechzehn Personen in den Räumen einer Zeitschrift und in einem Pariser Supermarkt sowie einer Polizistin in Montrouge im Januar 2015 beziehen wie auf eine thermonukleare Auseinandersetzung, in der innerhalb eines Augenblicks Millionen von Leben ausgelöscht werden. Wie Jean-Vincent Holeindre in seinem Essay anführt, verwundert daher nicht die Einigkeit unter Spezialist*innen darüber, dass es »nie so wenig Übereinstimmung« über den Begriff gegeben hat wie heute. Wenn es Kontinuitäten zwischen »modernen« und »postmodernen« Kriegen gibt, dann finden sie sich nicht im klassischen Modell der Konfrontation zwischen souveränen Staaten, sondern in den »Variationen«. Wie der Historiker David Armitage kürzlich in seinem Buch Bürgerkrieg. Vom Wesen innerstaatlicher Konflikte bemerkte, sind die meisten der großen bewaffneten Konflikte, die heute ausbrechen, Bürgerkriege, da sie sich innerhalb von Staaten abspielen. Die gegenwärtigen Konflikte in Syrien, auf den Philippinen, im Südsudan und in anderen Ländern entsprechen dieser Definition. In der Weise setzten sich auch die Kolonialkriege in der Dekolonisationsperiode nach 1945 fort, und auch einige Konflikte in der ehemaligen Sowjetunion, Nachfolgerin des russischen Reiches, könnte man hier hinzuzählen (insbesondere Tschetschenien 1994–1996 und 1999–2000). Soweit es den Guerillakrieg betrifft, so bleibt diese Form des Krieges nach dem Vorbild der seit 2001 im Irak und in Afghanistan gegen die Vereinigten Staaten geführten Auseinandersetzungen ebenso weltweit verbreitet wie der Terrorismus. Kurz, die Geschichte des »modernen Krieges«, die das vorliegende Werk ab dem 19. Jahrhundert nachzeichnet, muss in zwei unterschiedliche Geschichtslinien aufgeteilt werden, die nichtsdestotrotz miteinander verbunden sind. Die erste umfasst die regulären, symmetrischen Kriege zwischen souveränen Staaten, die vielfältigen Entwicklungen dieser Konflikte im Fortgang jener Periode, die sich von der Französischen Revolution bis zum Zweiten Weltkrieg erstreckt, und schließlich den radikalen Wandel – ja geradezu das Verschwinden – dieses Modells von 1945 bis heute. Die zweite Geschichtslinie umfasst die »Variationen« dieses Kriegsmodells – Bürgerkriege, Kolonialkriege, Guerillakriege und Terrorismus – und ihre eigenen komplexen Transformationen. Jede dieser beiden Geschichtslinien ist durch zwei verschiedene, aber miteinander verbundene Triebkräfte bestimmt: die Ziele, die die kriegführenden Parteien erreichen wollen, und die Mittel, die sie zu diesem Zweck einsetzen. In diesem Zusammenhang lässt sich der berühmte Ausspruch Clausewitz’ anführen: »Der Krieg ist eine bloße Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln.«2 Diese Mittel müssen ins richtige Verhältnis zu den politischen Zielen gebracht werden. Man muss sich darüber klar werden, dass die Staaten die Mittel nicht immer mit Augenmaß beurteilen und dass die Ziele, die sie sich setzen, sich infolge des Konflikts selbst verändern können. Besonders wenn die Kämpfe an Intensität zunehmen und die Verluste größer werden, können die Kriegsparteien ihr ursprüngliches Ziel nach oben korrigieren und letztlich zu der Auffassung gelangen, dass die dauerhafte Unterwerfung des Gegners, wenn nötig durch den Sturz seines politischen Regimes, der einzig annehmbare Ausgang des Konflikts sei. Genau dieser Prozess unkontrollierter Radikalisierung ist es, der die symmetrischen, zwischenstaatlichen Kriege zwischen 1789 und 1945 heimsuchte. Diese Kriege hatten natürlich verschiedene und häufig begrenzte Ziele, seien es territoriale Expansion, nationale Einheit, ökonomische Vorteile oder Kolonialherrschaft. Doch in den meisten Fällen entglitten sie der Kontrolle und wuchsen über eine Gewaltspirale und ein gegenseitiges Überbieten der Ziele und Zerstörungsmittel deutlich über die anfänglichen Streitigkeiten hinaus. Eine solche Spirale kann nur mit dem Untergang einer Seite enden. Es waren die Revolutionskriege und Napoleonischen Kriege, die diesen Radikalisierungsprozess in Gang setzten, indem sie die größten...


Bruno Cabanes ist Inhaber des Donald-G.-&-Mary-A.-Dunn-Lehrstuhls für Kriegsgeschichte an der Ohio State University. Er lehrte neun Jahre lang an der Yale University und forscht und veröffentlicht vor allem zur Sozial- und Kulturgeschichte des Ersten Weltkrieges und der direkten Nachkriegszeit.


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