Carlà-Uhink | Caesar, Attila und Co. | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 141 Seiten

Carlà-Uhink Caesar, Attila und Co.

Comics und die Antike

E-Book, Deutsch, 141 Seiten

ISBN: 978-3-8053-4773-0
Verlag: wbg Philipp von Zabern in Wissenschaftliche Buchgesellschaft (wbg)
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)



Ob Mickey Mouse, Metauro oder Mosaik - die Antike ist in zahlreichen europäischen Comics verbreitet. Von den Graphic Novels über die didaktischen Comics, von längeren Serien über sporadische Erscheinungen des Altertums in etablierten Reihen bis hin zu kleineren satirischen Produktionen und den erotischen „schwarzen“ Comics der 1970er Jahre wird hier exklusiv die gesamte Bandbreite präsentiert. Dazu kommen Zeichner und Autoren selbst zu Wort: Wieso haben sie die Entscheidung getroffen, sich mit antiken Themen und Mustern zu befassen? Woher beziehen sie ihre Informationen - in erster Linie zur antiken Geschichte und Literatur, aber auch zum Alltagsleben und zu den Ikonographien, ihres Zeichens unabdingbare Elemente, um die Antike visuell repräsentieren zu können? Welche Bedeutung oder welchen, auch nur ästhetischen, Wert hat ihres Erachtens die Antike für die heutige Welt? Denn es geht nicht nur um die Comics, die einzeln vorgestellt und analysiert werden, sondern um ganze Traditionen!
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Genius Loci
Michele Petrucci 1.
Italien ist ein stark zivilisiertes und bebautes Land mit einer sehr hohen durchschnittlichen Bevölkerungsdichte und schätzungsweise 27 Millionen Wohnungen. Trotzdem gibt es in dieser industrialisierten und sehr reichen Kulturnation, wenn auch die Entfernung zwischen Dörfern und Städten kurz ist, geheimnisvolle und fast vergessene Orte, denen noch ihr Genius Loci innewohnt. Um die Bedeutung dieses lateinischen Ausdrucks zu verstehen, muss man auf einen Satz des antiken Berichterstatters Servius zurückgreifen: „Nullus locus sine genio“, das heißt „Kein Ort ist ohne Genius“, wobei man unter Genius den Schutzgeist des Ortes versteht. Ein Ort wiederum ist durch die Gesamtheit der Dinge, wie den geographischen Raum, den ökologischen Inhalt, die Schichtung natürlicher Phänomene und menschlicher Ereignisse, das Kollektivbild, das von jenem Ort erzeugt wird, und die Sinneswahrnehmung desjenigen, der ihn betrachtet, bestimmt. In der lateinischen Kultur hatte jeder Ort, bei dem es sich um einen Wald, einen Hügel oder einen Fluss handelte, eine eigene Gottheit, die ihn behütete und beschützte und der dieselbe Würde des menschlichen Seins zugestanden wurde. Dieses Konzept des Genius, der als Vermittler zwischen den Kräften der Natur und dem Menschen fungiert, ist sehr alt. Die Mythologie des antiken Griechenlands kannte beispielsweise die Nymphen, niedere Naturgottheiten, die mit präzisen Ortskategorien wie den Meeren, Flüssen, Quellen, Wäldern und Bäumen in Zusammenhang gebracht wurden. Durch diese Schutzgeister konnte man sich damals die Schönheit und den Sinn dieser Orte erklären, gerade von jenen ausgehend, die am meisten bezauberten: jene Orte, die mit Gewässern zu tun hatten, die fortwährend fließen, die Durst löschen, die versorgen, erfrischen, fruchtbar machen. Das Konzept des Genius Loci ist schließlich auch in unseren Tagen angekommen, häufig genutzt in der Architektur und Landschaftsmalerei. Heute könnten wir es, wesentlich allgemeiner, als eine von einem Ort mit der Zeit angenommene Identität definieren. Eine Identität, mit der sich die Menschen auf einen Kompromiss einigen müssen, um die Möglichkeit zu wohnen zu erlangen [Abb. 1]. 1 | Michele Petrucci, Zeichnung für eine Lithographie, die bei einer Comic-Messe verteilt wurde. 2 | Michele Petrucci, Metauro, S. 86. 2.
Ich wohne in der Nähe einer kleinen, stark von der Zivilisation des alten Rom geprägten Stadt, namentlich der Stadt Fano (Fanum Fortunae), und seit jeher unterlag ich ihrem Reiz, der Schönheit ihres gemauerten Befestigungsgürtels und ihres Stadttores, dem Arco d’Augusto aus dem Jahre 9 n. Chr., oder dem an die Überreste der Basilika des Architekten Vitruvius gebundenen Geheimnis [Abb. 2]. Aber der Antrieb, die Arbeit an einer Graphic Novel, die in der Zeit des Zweiten Punischen Krieges spielt, zu beginnen, erwuchs aus Erinnerungen an die Zeit, als ich noch ein Kind war. Erinnerungen, verbunden mit zwei bestimmten Orten: dem nahe gelegenen Wald und dem Fluss Metauro, der nur wenige hundert Meter von meinem damaligen Wohnort entlangfließt. Dort verbrachte ich oft ganze Nachmittage im Spiel und in erfundenen Abenteuern, schlug mir den Bauch voll mit gesammelten Kirschen, Nüssen und Weintrauben von den angrenzenden Feldern, während ich dem Fließen des Wassers zuschaute. Diese Orte übten einen großen Reiz auf uns Kinder aus, und die Tatsache, alleine dort zu sein, ließ uns davon träumen, größer zu sein. Nebenbei ließ mich der häufige Besuch jenes Waldes voller Mysterien und für uns unsichtbarer Kräfte in mancher Weise nach und nach ein immer tieferes Ruhen in mir selbst wahrnehmen. Denn die Seele eines Ortes muss ebenso langsam wie die Seele einer Person entdeckt werden, die ebenfalls nicht sofort, sondern erst nach langer Zeit und vereinzelten oder wahrscheinlich wiederholten Begegnungen enthüllt wird. In dieser Hinsicht steht der Genius Loci auch für unser gutes Gewissen, unseren Sinn für die Harmonie mit der Schöpfung und die Entdeckung der Heiligkeit der Orte. Als ich größer wurde, erlangte ich in der Schule Wissen über die Punischen Kriege und die Schlacht von Metaurus, einem antiken Feldgefecht zwischen Römern und Karthagern, das 207 v. Chr. an diesem Ort stattfand [Abb. 3]. Ich war ein kleiner Junge und die Geschichte erweckte in mir neue Wissbegier, doch auch eine neuartige Beunruhigung bezüglich des Flusses, aber es hinderte mich nicht, ihn weiterhin zusammen mit meinem kleinen Bruder und meinen Freunden aufzusuchen. In der Zwischenzeit nahm die Verschmutzung des Flusses stetig zu und der Wald zerfiel, bis schließlich ein Badeverbot erlassen wurde und eine benachbarte Ölmühle eine Straße baute, die große Teile der Vegetation zerstörte. Machen wir einen weiteren Zeitsprung. Ich bin 30 Jahre alt, wohne in Fano und gestalte Comics. Aber es kommt häufig vor, dass ich an meine Kindheit denke, an das Kiesbett des Flusses und an die Elefanten, die es zertrampelten. Ich vertiefe mich in die Geschichten über den eindringenden karthagischen Feldherrn Hasdrubal Barkas, Bruder des berühmten Hannibal. Ich lese einige Bücher, in denen über die Schlacht, deren Stätte nicht genau lokalisiert ist, gesprochen wird. Die antiken Schlachten haben keine signifikanten Zeichen hinterlassen und die Gestalt der Orte hat sich im Laufe der Jahrhunderte verändert. Indes hatten sich die Historiker der Zeit der Beschreibung des Gefechtsortes angenähert, jedoch blieb die exakte Verortung der Schlacht ein seit Jahrhunderten von Historikern und Archäologen untersuchtes Mysterium. 3 | Michele Petrucci, Metauro, Rückseite. 4 | Michele Petrucci, Metauro, S. 103. An diesem Punkt entdecke ich eine eigenartige Verbindung. Ich lese, dass unter den verschiedenen Theorien, den verschiedenen Hypothesen, die vom rechten Ufer zum linken wechseln, von der Mündung bis fast ins hohe Tal des historischen Flusses, eine der plausibelsten Theorien jene bezüglich der doppelten Flussbiegung ist, gerade dem Ort benachbart, wo ich damals spielte und schwamm. Ich lese von der Aufstellung der Elefanten (ca. zehn) und des Heeres, dem Wüten der Schlacht an den Flussufern und erinnere mich an Schilf, an Kaulquappen und an Frösche, an steinerne Deiche, die ich an Sommernachmittagen baute [Abb. 4]. Ich leugne nicht, dass diese Faszination der endgültige Antrieb gewesen ist, der mich dazu brachte, Metauro zu schreiben und zu zeichnen. Während der Ausarbeitung des Sujets dachte ich jedoch ständig an meine Kindheit zurück und an die Schutzgeister des Flusses und des Waldes. Es schien mir, dass jene persönlichen Erinnerungen, jene von Insekten, Fröschen und Vögeln, von Pappeln und Brombeeren so lebendig gemachte, aber zugleich uns Menschen, unseren Sorgen und Hoffnungen so entfernte und verschiedene Natur, den Comic abrundeten. Dem Fluss und seinen Gewässern gegenüber empfand ich Bewunderung, aber gleichzeitig auch Angst. Ich hörte die Geschichten des Sterbens, die mir die Erwachsenen erzählten, des Ertrinkens der in die Strudel geratenen Menschen, der Selbstmorde. Ich sah den Fluss, braun und wütend, anschwellen und in regenreichen Wintern über die Ufer treten. Ich erinnerte mich an die Nymphen. Die Menschen der Antike hielten sie für gefährlich, da sie dachten, dass derjenige, dessen sie gewahr würden, Opfer eines nympholeptischen Enthusiasmus und Deliriums würde. Daher empfahl es sich nicht, sich zur Mittagsstunde den Quellen, Brunnen, Wasserläufen oder Schatten bestimmter Bäume zu nähern. In diesem Glauben bleibt ein ambivalentes Gefühl von Anziehung und Angst in Richtung der Gewässer bestehen, die zugleich Leben vernichten wie auch tragen. Ich wusste nicht, wie die beiden Ebenen, die Begebenheiten meiner Kindheit und meine persönlichen Gefühle zusammen mit jenen mehr als 2000 Jahre zurückliegenden Ereignissen, in diese Erzählung integriert werden könnten. An diesem toten Punkt kam glücklicherweise ein Freund auf die Idee, einen Erzähler der Ereignisse in der Vergangenheit zu entwickeln, der diese beiden zeitlichen Ebenen zusammenführt. Ein Greis auf dem Grat zwischen Realität und Traum erzählt Michele, meinem erstaunten Alter Ego, er sei der Lehrer Hasdrubals, habe jene berühmte Schlacht überlebt und sei seitdem auf der Flucht vor den Römern. Dieser Alte wird zum weisen (oder verrückten) Silenius, der, scheinbar durch Zufall, Michele an vielen unterschiedlichen Orten der Stadt erscheint. Dieser Notbehelf erlaubte mir, die Geschichte aus einer sehr persönlichen und weniger unbeteiligten, in mancher Hinsicht sogar sehr intimen Perspektive zu erzählen, und Metauro wurde eine sonderbare Erzählung. Ein Comic zwischen Autobiographie, historischem und fantastischem Roman. 3.
Im Comic beginnt der junge Michele eine Reise, die ihn dazu bringen wird, den Fluss und die vielen Geschichten, die sich um diesen Ort ranken, näher kennenzulernen und besser zu...


Carlà, Filippo
Dr. Filippo Carlà ist Juniorprofessor am Seminar für Alte Geschichte der Universität Mainz.

Carlà-Uhink, Filippo
Dr. Filippo Carlà ist Juniorprofessor am Seminar für Alte Geschichte der Universität Mainz.

Dr. Filippo Carlà ist Juniorprofessor am Seminar für Alte Geschichte der Universität Mainz.

Filippo Carlà, 1980 in Florenz in Italien geboren, studierte Altertumswissenschaften an der Universität Turin, bevor er an die Universität Udine wechselte, wo er 2007 im Fach Römische Geschichte promoviert wurde. Für seine anschließende Arbeit am Forschungsprojekt "Die Historae des Pseudo-Hegesippus" erhielt er Unterstützung durch ein Stipendium der Michele Pellegrino-Stiftung. Vor seiner Ernennung zum Juniorprofessor an der Johannes Gutenberg Universität Mainz (JGU) zum 1. Oktober 2010 forschte und lehrte Carlà seit April 2009 als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Seminar für Alte Geschichte und Epigraphik an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg.


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