Case / Deaton | Tod aus Verzweiflung | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 448 Seiten

Case / Deaton Tod aus Verzweiflung

Der Untergang der amerikanischen Mittelschicht und das Ende des amerikanischen Traums

E-Book, Deutsch, 448 Seiten

ISBN: 978-3-86470-770-4
Verlag: Plassen Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Der 'American Dream' ist im Niedergang begriffen. Für die weiße Arbeiterklasse ist das heutige Amerika zu einem Land der zerrütteten Familien und der mangelnden Perspektiven geworden. Während College-Absolventen immer gesünder und wohlhabender werden, sterben Erwachsene ohne Abschluss immer häufiger an Alkohol, Drogen und Suizid - ein Tod aus Verzweiflung. Die wachsende Macht der Konzerne und ein skrupelloser Gesundheitssektor sind nur zwei der Gründe. Der Kapitalismus, der in zwei Jahrhunderten unzählige Menschen aus der Armut befreite, zerstört nun das Leben der amerikanischen Arbeiter. Die renommierten Ökonomen Anne Case und Angus Deaton legen diese Misere in ihrem Buch schonungslos offen. Drohen auch uns amerikanische Verhältnisse? Die Autoren geben brandaktuelle Antworten.

Anne Case ist emeritierte Professorin für Wirtschaftswissenschaften an der Princeton University, New Jersey. Angus Deaton ist emeritierter Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Princeton University, New Jersey. Er erhielt 2015 den Wirtschafts-Nobelpreis und ist Autor zahlreicher Wirtschaftsbestseller.
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VORWORT ZUR AMERIKANISCHEN TASCHENBUCHAUSGABE
Die gebundene Ausgabe von Tod aus Verzweiflung erschien am 17. März 2020 – vier Tage nachdem Präsident Trump den Covid-19-Ausbruch zum nationalen Notstand erklärt hatte, in derselben Woche, in der Staaten und Kommunen Ausgangssperren verhängten, um ihre Bürger vor der Ausbreitung des Coronavirus zu schützen. Bei den Recherchen für und der Arbeit an Tod aus Verzweiflung ahnten wir nicht, dass ein tödliches Virus den Planeten heimsuchen würde, und noch viel weniger, dass die USA bei den Todesopfern weltweit an der Spitze liegen würden. Dabei geriet das Leben von US-Amerikanern ohne Hochschulabschluss schon lange vor Covid-19 aus den Fugen. Jahr für Jahr sterben dort mehr Menschen durch eigene Hand, eine Drogenüberdosis oder alkoholbedingte Leberkrankheiten. Um diese andere Epidemie geht es in diesem Buch – eine Epidemie, die seit Anfang der 1990er-Jahre Menschenleben fordert und bis 2018 jedes Jahr 158.000 Amerikaner das Leben kostete. Während wir im September 2020 an diesem Vorwort arbeiten, werden Covid offiziell 200.000 Tote zugeschrieben. Diese Zahl ist jedoch mit großer Sicherheit zu niedrig angesetzt und dürfte bis zum Jahresende noch steigen. Die beiden Epidemien sind zwar alles andere als identisch, doch das Muster der Todesfälle weist durchaus große Gemeinsamkeiten auf. Für weniger gebildete Amerikaner stellt der Tod durch Drogen, Selbstmord und Alkohol das größte Risiko dar. Von der Zunahme der dadurch verursachten Todesfälle seit Mitte der 1990er-Jahre sind fast ausschließlich Personen ohne vierjähriges Collegestudium betroffen. Bis wir mehr über das Bildungsniveau der Menschen erfahren, die dem Virus erliegen, wird es noch einige Zeit dauern – vielleicht bis Ende 2021 –, doch eines wissen wir bereits sicher: Weniger gebildete Menschen tragen ein höheres Infektionsrisiko. Im Juni 2020 errechnete das Bureau of Labor Statistics, dass über ein Drittel der Bürger mit Highschoolabschluss, aber ohne Collegestudium, berufsbedingt „stark exponiert“ ist, von den Bürgern mit einem Bachelorabschluss dagegen nur ein Fünftel.1 Viele hoch qualifizierte Menschen arbeiten im Homeoffice, und ihre Arbeitsplätze sind in aller Regel sicher. Im Juni 2020 verfügten 75 Prozent derjenigen, die pandemiebedingt Telearbeit am Computer ausüben, über einen Bachelor- oder einen höheren Studienabschluss. Im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung ist ihr Anteil mehr als doppelt so hoch.2 Gleichzeitig benutzen die weniger gebildeten Amerikaner mit größerer Wahrscheinlichkeit öffentliche Verkehrsmittel und leben beengter. Es steht bereits fest, dass die Pandemie den Verdienst und die Arbeitsplätze geringer qualifizierter Amerikaner deutlich stärker beeinträchtigt, wodurch die Schere zwischen Menschen mit und ohne Collegeabschluss noch weiter aufgeht. Viele Amerikaner aus bildungsfernen Schichten arbeiten im Einzelhandel, in der Gastronomie, als Reinigungskräfte, bei Sicherheitsdiensten und im Verkehrswesen, oftmals für kleine Betriebe, die geschlossen sind und vielleicht nicht wieder öffnen.3 Hightech-Unternehmen ist es besser ergangen als der übrigen Wirtschaft, und solche Firmen haben im Verhältnis zu ihrer Größe weniger Beschäftigte. Qualifizierte Fachkräfte hatten währenddessen kaum Verdiensteinbußen, und ihre Aktiendepots und Altersvorsorgeportfolios verbuchen Rekordstände. Die Kluft zwischen den Menschen, die ein vierjähriges Studium absolviert haben, und allen anderen – ein wiederkehrendes Thema dieses Buches – reißt durch die Pandemie noch weiter auf. Es gibt aber auch maßgebliche Unterschiede zwischen den beiden angesprochenen Epidemien. Den Tod aus Verzweiflung sterben vor allem Jüngere und Erwachsene mittleren Alters, wobei das Risiko im Vergleich zu den früher im 20. Jahrhundert Geborenen Jahrgang für Jahrgang zunimmt. Unter den Covid-Toten waren dagegen unverhältnismäßig viele Ältere. Der Verzweiflungstod konzentriert sich eher auf Weiße ohne hispanische Wurzeln, wenngleich nach 2013 die Drogenmortalität in der schwarzen Bevölkerung anstieg, als im Straßenhandel Fentanyl Einzug hielt – ein Opioid mit weit stärkerer Wirkung als Heroin. An Covid starben überproportional viele Afroamerikaner. Covid ist eine weltweite Pandemie, die reiche und arme Länder betrifft, während der Tod aus Verzweiflung zwar kein ausschließlich amerikanisches Phänomen ist, doch in den USA und anderen reichen Ländern weitaus stärker zu Buche schlägt. Es wird spekuliert, dass die Covid-Pandemie beziehungsweise die Lockdowns, die damit einhergingen, die Zahl der Todesfälle aus Verzweiflung noch erhöhen könnten. In Medienberichten ist von verstärkter Inanspruchnahme der Telefonseelsorge die Rede und örtlich auch von einer steigenden Zahl der Selbstmorde sowie zunehmenden psychischen Problemen bis hin zu Suizidgedanken.4 Angeblich ist es in der Pandemie schwieriger, den Weg in die reguläre Suchttherapie zu finden, und die meisten 12-Schritte-Programme finden gar nicht oder online statt. Auch darüber werden wir vorerst keinen vollständigen Aufschluss gewinnen. 2018 gab es 158.000 Verzweiflungstote, genauso viele wie 2017, dem letzten von diesem Buch abgedeckten Jahr. An einer Überdosis starben etwas weniger Menschen als 2017, doch Selbsttötung und alkoholbedingte Todesfälle hatten zugenommen. Vorläufige Daten für 2019 lassen vermuten, dass der Aufwärtstrend bei den Drogentoten weitergeht.5 Daten über die Opfer einer Überdosis, die in der Notaufnahme behandelt wurden, deuten darauf hin, dass sich dieser Trend vor der Epidemie ins Jahr 2020 hinein fortsetzte.6 Infolgedessen dürfte es 2020 mehr Drogentote geben als 2019, selbst wenn die Pandemie als solche keinen direkten Effekt darauf hat. Ebenso wird vermutet, dass die wirtschaftliche Rezession, die durch die Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung ausgelöst wurde, die Zahl der Selbstmorde in die Höhe treiben könnte, wie es schon bei früheren Rezessionen zu beobachten war. Das ist sicherlich möglich und soziale Isolation erhöht das Selbstmordrisiko ebenfalls. Doch Indizien aus dem jüngsten Konjunkturabschwung, der Großen Rezession nach der Finanzkrise von 2008, belegen keinen automatischen Zusammenhang. Wie wir im zehnten Kapitel dokumentieren, gab es schon vor der Rezession immer mehr Verzweiflungstote, und ihre Zahl stieg während der Rezession und nach dem Ende der Rezession immer weiter. Es gibt kein Anzeichen für eine Rezession bei den Mortalitätszahlen. Dennoch ist die aktuelle Rezession anders. Mit keinem Abschwung gingen bisher Abstandsregeln oder Infektionsängste einher, sodass die Vergangenheit möglicherweise keine verlässlichen Schlüsse auf die aktuelle Entwicklung zulässt. Das US-amerikanische Gesundheitssystem hat an beiden Epidemien großen Anteil, allerdings auf unterschiedliche Art und Weise. Im Folgenden stellen wir die These auf, dass diese Struktur, weil sie so kostspielig ist und so stark durch Beschäftigung finanziert wird, auf den Arbeitsmarkt für gering qualifizierte Amerikaner im Grunde eine ähnliche Wirkung hat wie eine Abrissbirne. Pharmakonzerne und Vertriebsunternehmen erzielen astronomische Gewinne, indem sie Medikamente mit hoher Suchtwirkung produzieren und vertreiben, was quasi einer Legalisierung von Heroin gleichkommt. In der Covid-Pandemie hat der Umstand, dass die Krankenversicherung an den Arbeitgeber gebunden ist, eine ganz andere Katastrophe ausgelöst: Zig Millionen Menschen verloren mit dem Arbeitsplatz auch ihren Versicherungsschutz, ohne eine Garantie für eine anderweitige Absicherung. Und selbst diejenigen, die noch krankenversichert sind, riskieren ihren finanziellen Ruin, wenn sie an Covid oder etwas anderem erkranken. In den ersten sechs Monaten der Covid-Epidemie gelang es Lobbyisten im Gesundheitswesen, die Preisbeschränkungen für einen potenziellen Impfstoff aufzuweichen.7 Beide Epidemien machen die Unzulänglichkeiten des Gesundheitssystems und das Misstrauen der Amerikaner gegenüber ihrem Staat deutlich. Viele Beschäftigte ohne höhere Qualifikationen gehen davon aus, dass das System zu ihren Ungunsten manipuliert ist, und haben die Hoffnung auf ein besseres Leben verloren. Deshalb suchen sie Trost in Drogen und Alkohol. In der Covid-Pandemie nahmen viele Amerikaner Erklärungen, wie wichtig es sei, eine Maske zu tragen und Abstand zu halten, eher skeptisch auf. Für sie waren das Verfügungen einer Regierung, der sie nicht trauen. Anfang August berichtete Gallup, mehr als ein Drittel aller Amerikaner wolle nach eigenen Angaben eine von der FDA zugelassene kostenlose Impfung ablehnen.8 Wir können nur hoffen, dass der Tod durch Covid allerspätestens in ein paar Jahren durch Therapien und Impfstoffe eingedämmt wird. Doch für all jene, die Gefahr laufen, ihr Leben durch Drogen, Alkohol oder Selbstmord zu verlieren, gibt es keinen Impfstoff. Die Entwicklung von Impfstoffen und Therapien ist schwierig genug, doch noch schwieriger ist es,...


Anne Case ist emeritierte Professorin für Wirtschaftswissenschaften an der Princeton University, New Jersey.

Angus Deaton ist emeritierter Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Princeton University, New Jersey. Er erhielt 2015 den Wirtschafts-Nobelpreis und ist Autor zahlreicher Wirtschaftsbestseller.


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