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E-Book, Deutsch, 191 Seiten

Clauss Theoderich der Große

E-Book, Deutsch, 191 Seiten

ISBN: 978-3-86312-801-2
Verlag: Primus in Wissenschaftliche Buchgesellschaft (wbg)
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)



Obwohl Theoderich aus einer eher unbedeutenden Familie stammte, wurde er zum mächtigsten germanischen Herrscher der Völkerwanderungszeit. Früh war er mit dem Römischen Reich in Kontakt gekommen und konnte die Gunst des oströmischen Kaisers gewinnen. Sein Verhältnis zum Kaiser verschlechterte sich jedoch, als er für seine Goten ein besseres Siedlungsgebiet außerhalb des Balkans suchte. In einem vier Jahre währenden Krieg eroberte er Italien und besiegte den dort herrschenden Odoaker. Nach zähen Verhandlungen erkannte Kaiser Anastasius ihn schließlich als König an und verlieh ihm die kaiserlichen Herrschaftsabzeichen. Während Theoderichs 33jähriger Herrschaft erlebte Italien eine neue Blütezeit. Frank Ausbüttel zeichnet die Stationen nach, die Theoderich letztendlich die Herrschaft über einen großen Teil des Weströmischen Reiches einbrachten. Seine Haltung gegenüber der katholischen Kirche und den Juden sowie innenpolitische Fragen und Verwaltungsstrukturen werden ebenso geschildert wie seine außenpolitischen und militärischen Leistungen.
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I. Herkunft und Jugend
Als die Hunnen in das Gebiet des Gotenfürsten Valamer einfielen, empfing er sie mit wenigen Getreuen und streckte in einem langen Kampf so viele von ihnen nieder, dass fast niemand entkam. Sofort schickte er seinem Bruder Theodemer einen Boten mit der freudigen Nachricht; als dieser im Haus Theodemers ankam, erfuhr er eine weitaus glücklichere Nachricht: Gerade an diesem Tag war dessen Sohn Theoderich, ein hoffnungsvolles Knäblein, von Erelieva, einer Konkubine, zur Welt gebracht worden. So lautet der Bericht des Jordanes über die Geburt des späteren Gotenkönigs.1 Theoderich entstammte demnach einer außerehelichen Beziehung, was sich aber auf seinen weiteren Werdegang nicht nachteilig auswirken sollte. Erst der Katholik Jordanes und seine Leser in der Mitte des 6. Jahrhunderts scheinen der ehelichen Geburt eine größere Bedeutung beigemessen zu haben als hundert Jahre zuvor die Goten. Theoderichs Vater Theodemer gehörte der Familie der Amaler an, die ihren Namen von einem legendären König namens Amal ableitete. Über die Gründe, weshalb er Erelieva nicht heiratete, lässt sich nur spekulieren. Ihre Herkunft oder soziale Stellung mögen ebenso wie ihre religiöse Überzeugung eine Rolle gespielt haben. Während die Goten Arianer waren, trat Erelieva später zum katholischen Glauben über und nannte sich nach ihrer Taufe Eusebia. Diese Tatsache und ihre Stellung als Konkubine hatten auf das Verhältnis zu ihrem Sohn jedoch keine negativen Auswirkungen. Vielmehr scheinen sich beide gut verstanden zu haben. Sie begleitete Theoderich Jahrzehnte später auf seinen Feldzügen und genoss in Italien um 496 ein hohes Ansehen als Königin. Ob Theodemer und Erelieva noch andere gemeinsame Kinder hatten, wird nicht erwähnt. Denkbar ist allerdings, dass Theoderichs jüngerer Bruder Theodemund aufgrund seiner engen Beziehung zu Erelieva ebenfalls ihr Sohn war. Die beiden Schwestern Theoderichs, von denen nur Amalafrida namentlich bekannt ist, könnten dagegen aus einer anderen Beziehung Theodemers stammen.2 Das Hauptaugenmerk seines Berichts legt Jordanes indes nicht so sehr auf die familiären Verhältnisse Theoderichs als vielmehr auf die politischen Umstände seiner Geburt. Offensichtlich wollte sie der gotische Historiker, wie in der antiken Geschichtsschreibung durchaus üblich, mit einem bedeutenden Ereignis in Verbindung bringen – der endgültigen Befreiung seines Volkes von der hunnischen Herrschaft durch die Amaler. Allerdings erfolgte diese erst lange nach Theoderichs Geburt; denn wenn man bedenkt, dass Theoderich mit 18 Jahren den Thron bestieg und im Jahr 500 in Rom sein dreißigstes Regierungsjubiläum feierte, dürfte er um 453 zur Welt gekommen sein.3 Zu diesem Zeitpunkt standen die von den Amalern geführten Goten aber noch unter dem Einfluss der Hunnen. Die Amaler versuchten später während Theoderichs Regierung über Italien den Eindruck zu vermitteln, dass alle Goten nördlich der Donau einst unter ihrer Herrschaft gestanden hätten. Als Beleg hierfür legten sie einen Stammbaum vor, der eine weit zurückreichende Kontinuität suggeriert. In ihm werden vierzehn Vorfahren Theoderichs aufgeführt und seine angebliche Verwandtschaft zu dem mächtigen Gotenkönig Ermanarich nachgewiesen, der vor dem Einbruch der Hunnen 375 von der Ukraine aus ein gewaltiges Reich beherrscht hatte.4 Die Angaben in dem Stammbaum sind allerdings chronologisch ungenau sowie widersprüchlich und liefern nur wenige konkrete Anhaltspunkte. Als sicher kann gelten, dass die von den Amalern geführte Gruppe nur einer von mehreren gotischen Stämmen war. Wie die meisten gerieten sie seit 440 unter die Herrschaft der Hunnen Attilas; diese dürften ihnen daraufhin Land in Pannonien zugewiesen haben.5 Dort erstreckte sich ihr Stammesgebiet vom Südwesten des Plattensees bis zur Drau. In diesem Gebiet und damit auf römischem Boden wird auch Theoderich zur Welt gekommen sein. Die Kontrolle über die pannonischen Goten teilten damals drei Amaler unter sich auf: Theoderichs Vater Theodemer und seine beiden Brüder Vidimer und Valamer; dabei fiel Letzterem die Führung zu. Er be saß das besondere Vertrauen Attilas und half dem Hunnenkönig, als dieser 447 die Donauprovinzen plünderte. Mit seinen beiden Brüdern zog Valamer anschließend im Gefolge Attilas nach Gallien und kämpfte dort 451 auf den Katalaunischen Feldern. Dessen Niederlage und seinen Tod 453 nutzten viele Völker aus, um sich in gemeinsamer Anstrengung von der hunnischen Herrschaft zu befreien. Unter Führung der Gepiden errangen sie 453/454 am Nedao, vermutlich einem Nebenfluss der Save, einen Sieg über die Söhne Attilas. Die pannonischen Goten standen damals wahrscheinlich noch auf der Seite der Hunnen, profitierten aber gleichfalls von deren Niederlage. Als jene sie erneut unterwerfen wollten, gelang Valamer der erwähnte historische Sieg, den Jordanes mit der Geburt seines Neffen Theoderich in Verbindung brachte. Valamer arrangierte sich daraufhin mit den Römern und ließ sich vom oströmischen Kaiser Marcian noch vor 457 die Ansiedlung in Pannonien bestätigen. Als die Goten Illyrien plünderten, schloss Leo I. (Abb.1) um 461 mit Valamer erneut einen Vertrag. Darin sicherte er den Goten die jährliche Zahlung von 300 Pfund Gold zu – eine für den Kaiser vergleichsweise kleine Summe, wenn man bedenkt, dass die Kosten für die römische Armee mindestens das Hundertfache, wenn nicht das Zwei hundertfache betrugen. Ob die Goten dafür irgendwelche militärischen Dienste gegen barbarische Stämme zu leisten hatten, wird nicht erwähnt, ist aber anzunehmen. Damit sie die Vereinbarungen einhielten, musste Valamers Neffe Theoderich als Geisel nach Konstantinopel gehen, wo er immerhin zehn Jahre bleiben sollte.6 Abb. 1: Münzbild des oströmischen Kaisers Leo I. (457–474). Die Geiselhaft bedeutete für den erst achtjährigen Goten eine große persönliche Umstellung. Fern von seiner Familie wurde er nun mit einer Kultur konfrontiert, die ihm fremd war, ihn aber letztlich entscheidend prägen sollte; denn Konstantinopel muss ihm, der bislang nur dörfliche Siedlungen seines Stammes und römische Provinzstädte kannte, tief beeindruckt haben. Seit Constantin hatten die Kaiser diese Stadt zu einem zweiten Rom ausgebaut; gewaltige Befestigungsanlagen schützten sie vor feindlichen Angriffen. Allein die Seemauern hatten 188 Türme. Um 425 verfügte Konstantinopel über fünf Paläste, vierzehn Kirchen, acht Thermen, zwei Basiliken, jeweils zwei Theater und Amphitheater, vier Häfen und 4863 Häuser unterschiedlicher Art. Kurz vor Theoderichs Ankunft war mit dem Augusteum ein neues Forum errichtet worden. Mit seinen zahlreichen Kunstwerken, die unter anderem aus Delphi und Olympia herbeigeschafft worden waren, wirkte die Hauptstadt wie ein großes Museum. Durch die Gunst des Kaisers erhielt Theoderich in Konstantinopel eine umfassende Ausbildung bei den besten Lehrern seiner Zeit. Immerhin besaß die Stadt die größte Hochschule im Osten des Reiches. Hier dürfte sich der junge Gote ausführlich mit den Freien Künsten – Grammatik, Dialektik, Rhetorik, Geometrie, Arithmetik, Astronomie und Musik – befasst haben. In seinen Briefen an den Philosophen Boëthius bemerkte er später einmal, dass er sich mit gebildeten Menschen gerne über die Geheimnisse der Mathematik unterhalte sowie über Kunst und Musik spreche. Auch wenn die zehn Jahre, die Theoderich in der kaiserlichen Residenzstadt verbrachte, wohl nicht ausgereicht haben, um seine Ausbildung abzuschließen, so war er doch in der Lage, sich zwanglos unter vornehmen Römern bewegen und Kontakte zu Gelehrten wie Cassiodor und Ennodius halten zu können. Äußerungen, die ihn als ungebildet und als Analphabeten abstempeln, sind daher als politische Propaganda zu bewerten. Vielleicht sind sie darauf zurückzuführen, dass Theoderich eher mit der griechischen als mit der lateinischen Schrift und Kultur vertraut war; denn in seiner Lobrede auf den Gotenkönig erklärte Ennodius: Es erzog dich Griechenland im Schoß der Zivilisation, vorausahnend, was da herankäme.7 Nicht minder wichtig für seine späteren Entscheidungen war für den jungen Amaler, dass er während seiner Geiselhaft das römische Herrschaftssystem und die Machtverhältnisse am Hofe näher kennen lernte. Gegenüber dem Kaiser Anastasius I. äußerte er einmal recht diplomatisch und zurückhaltend, dass er in seinem Staat mit göttlicher Hilfe gelernt habe, wie man gerecht über die Römer herrschen könne.8 Für einen jungen Barbaren wie Theoderich musste der Kaiser, der mit großem Pomp in der Öffentlichkeit auftrat und dem man sich nur nach festen Regeln nähern durfte, als eine allmächtige und übermenschliche Person erscheinen. In Konstantinopel dürfte er indes alsbald erkannt haben, dass er so mächtig gar nicht war, Barbaren in seiner Umgebung über großen Einfluss verfügten und Intrigen sowie Machtkämpfe das Leben am Hofe bestimmten. Mit Leo I. stand damals ein Thraker aus dem Volk der Bessen an...


Clauss, Manfred
Der Althistoriker und Theologe Manfred Clauss war bis zu seiner Emeritierung Professor für Alte Geschichte an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt. Bei der WBG ist er Mitherausgeber der Reihe ›Historische Biografien‹. In jüngerer Zeit erschien von ihm u.a. ›Alexandria. Biographie einer Weltstadt‹ (2003) und ›Mithras. Kult und Mysterium‹ (2012).

Der Althistoriker und Theologe Manfred Clauss war bis zu seiner Emeritierung Professor für Alte Geschichte an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt. Bei der WBG ist er Mitherausgeber der Reihe ›Historische Biografien‹. In jüngerer Zeit erschien von ihm u.a. ›Alexandria. Biographie einer Weltstadt‹ (2003) und ›Mithras. Kult und Mysterium‹ (2012).


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