Cotterill | Dr. Siri und das sitzende Skelett | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 13, 352 Seiten

Reihe: Dr. Siri ermittelt

Cotterill Dr. Siri und das sitzende Skelett

Dr. Siri ermittelt 13 - Kriminalroman

E-Book, Deutsch, Band 13, 352 Seiten

Reihe: Dr. Siri ermittelt

ISBN: 978-3-641-28501-2
Verlag: Goldmann
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



'Dr. Siris bisher bester Fall' The Globe and Mail
Der pensionierte Leichenbeschauer Dr. Siri Paiboun hat ein neues Hobby: seine schicke neue Kamera, mit der er eine laotische Adaption von Krieg und Frieden drehen will - vorausgesetzt er findet den Einschaltknopf. Doch vor seinem Regiedebüt muss er Polizeiinspektor Phosy bei Ermittlungen helfen. Mitten in der Nacht ist das Skelett einer Frau aufgetaucht - sitzend unter dem Triumphbogen der Stadt. Und obwohl die Tote erst kürzlich verstorben ist, ist nur noch ihr Skelett vorhanden. Als Dr. Siri feststellt, dass die Knochen abgenagt wurden, stehen er und Phosy vor einem Rätsel: Haben sie es mit einem wilden Tier oder mit einem Kannibalen zu tun?

Colin Cotterill, in London geboren, begab sich nach einer Ausbildung zum Englischlehrer auf eine lange Weltreise. Mittlerweile lebt er in Chumphon, Thailand. Seine in Laos angesiedelte Krimireihe um Dr. Siri wurde bereits mehrfach ausgezeichnet.
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2


DIE SCHMUGGLER VON VIENTIANE
Das Leben in Vientiane raste dahin wie ein aufgebockter VW-Käfer. Die Straßen waren mit einer roten Staubschicht überkrustet, aus den holprigen Gehwegen spross halbherzig Unkraut, und die Leute wagten es kaum, zu lächeln oder die Stimme zu erheben, aus Angst, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Man wusste schließlich nie, wer einen belauschte. Jeder kannte mindestens eine Person, die ins Ausland geflohen oder anderweitig verschwunden war. Viele hatten Verwandte in den Flüchtlingslagern auf der thailändischen Seite der Grenze. Viele andere hatten Ambitionen oder Träume oder gar den Plan, es ihren Brüdern und Schwestern, ihren Vettern und Cousinen gleichzutun, aber schlicht und einfach nicht den Mumm dazu. Es war das fünfte Jahr eines sozialistischen Experiments, das der Demokratischen Volksrepublik Laos in vielerlei Hinsicht gründlich misslungen war. Der kommunistische Dampfer war leckgeschlagen und sank rapide. Die Reisanbaukooperativen waren zusammengebrochen. Die Regierungsangestellten hatten schon seit Monaten keinen Lohn mehr erhalten. Und Thailand hatte wieder einmal seine Mekong-Grenze dichtgemacht, wegen schäbiger Streitigkeiten um Grenzverletzungen und angebliche aufrührerische Umtriebe, die gute alte historische Feindschaft nicht zu vergessen. Die Zahl der Flusswachen an beiden Ufern war verdoppelt worden, doch der Fluss war riesig, und nach wie vor trieben des Nachts Flöße voll thailändischer Schmuggelware mit der Strömung in nördlicher Richtung übers Wasser, sehr zum Verdruss der Laoten, die auf ihren Lkw-Schläuchen gen Süden schipperten. Und so war das Staunen groß, als in einer schwülwarmen Augustnacht zwei unschwer als Laoten erkennbare ältere Herren mit ihrem Bambusfloß nach Norden paddelten, hin zu den Gestaden ebenjenes Landes, das alle anderen zu verlassen bestrebt schienen. Sie waren ganz in Ninja-Schwarz gewandet, doch ihr unablässiges Gegrummel und Gehuste machte den Versuch der Tarnung schon im Keim zunichte. Zwischen ihnen standen ein halbkahler, schieläugiger Hund und ein ebenso großer wie geheimnisvoller, in einen Nylonfallschirm gehüllter Gegenstand. Letzterer erinnerte in Form und Ausmaß stark an einen Granatwerfer, und hätte man die beiden alten Knaben damit erwischt, wären sie todsicher und auf der Stelle erschossen worden. Waffenschmuggel war nicht eben der klügste Zeitvertreib für Männer über siebzig. »Hat dir eigentlich niemand das Rudern beigebracht?«, fragte Dr. Siri, der Stämmigere der beiden. »Ich war Politiker«, erwiderte Genosse Civilai. »Da lernt man höchstens, das Wasser aus dem sinkenden Boot zu schöpfen.« »Dann ist es ja kein Wunder, dass wir uns die ganze Zeit im Kreis bewegen«, sagte Siri. Die Regenzeit neigte sich dem Ende, der geschwollene Fluss brauste und toste, und die reißende Strömung würde sie weit über Vientiane hinausbefördern, wenn sie sich nicht eifrig in die Riemen legten. Leider sah das Paddeln stets leichter aus, als es tatsächlich war, besonders mit so schwerer Fracht. Da plötzlich drang von Norden her das Krachen eines Flusswächtergewehrs an ihre Ohren, allerdings ohne den dazugehörigen Schrei. Weder die Gewehre noch die Männer, die sie führten, waren für ihre Treffsicherheit bekannt. Und so ließen sich die beiden Senioren davon nicht beirren, denn sie wussten, dass die Wahrscheinlichkeit, sich eine Kugel einzufangen, hier stark gegen null tendierte. »Dass sie sich im Kreis bewegt, könnte man mit Fug und Recht auch von unserer Politik der vergangenen fünf Jahre behaupten«, sagte Civilai, in erster Linie zu sich selbst. »Heb dir die Luft für den Endspurt auf«, sagte Siri. »Da ist unser Signal. Wehe, wir schießen übers Ziel hinaus.« Im dichten Blätterwerk, halb Steuerbord voraus, blitzten abwechselnd zwei Lichter auf – das eine weiß, das andere rot. »Das macht mein altersschwaches Herz nicht mit«, sagte Civilai. »Dann gönn deinen Organen eine Pause, und probier’s mit schierer Muskelkraft.« Mit einem Mal schienen sie auf der Strömung förmlich dahinzugleiten und brauchten sich nicht mehr gegen sie zu stemmen. Sie wurden schneller und jagten auf die Lichter zu. Bemerkenswerterweise hatten sie zwar ihre Bahn perfekt berechnet, nicht jedoch ihre Geschwindigkeit. Ihre Landung war alles andere als elegant. Köter, der Hund, witterte die Gefahr, sprang, fünf Meter vom Ufer entfernt, von Bord und schwamm den Rest der Strecke. Die vordere rechte Ecke des Floßes blieb an einer Baumwurzel hängen, und das Gefährt wirbelte herum und krachte mit hohem Tempo und im Rückwärtsgang ans Ufer. Dr. Siri wurde aufs Deck geschleudert. Mit einem dumpfen Schlag prallte sein Kopf auf den Bambus, aber Siri hatte einen harten Schädel. Mit Civilai meinte das Schicksal es nicht ganz so gut. Er wurde kopfüber in den Flussschlamm katapultiert, wo er sofort versank, bis nur noch seine Beine zu sehen waren. Zum Glück ließ er sich nicht zu unwürdigen Hampeleien hinreißen, und so ragten seine Beine still und starr gen Himmel, wie ein Victory-Zeichen. Das Empfangskomitee kam ihm zu Hilfe. Herr Geung und Madame Daeng packten je ein Bein und zerrten ihn im Hauruckverfahren aus dem Morast. Er flutschte mit einem schlürfenden Geräusch heraus, wie eine Schnecke, die gegen ihren Willen aus ihrem Haus gezogen wird. »Na, das hat doch ganz hervorragend geklappt«, sagte Siri. Tags darauf erschien Chefinspektor Phosy kurz nach dem Vormittagsgeschäft in Madame Daengs Nudelküche. Es standen nie genug Hocker für die zahlreichen Gäste zur Verfügung, die keinen noch so großen Umweg scheuten, um in den Genuss der besten hausgemachten feu-Nudeln im ganzen Land zu kommen. Da die handelsüblichen Fertigteigwaren Madame Daengs Ansprüchen noch nie hatten genügen können, machte sie ihre Nudeln neuerdings selbst, unter einem Wellblechdach hinter dem Lokal. Doch trotz all der Hingabe und Zeit und Mühe, die Daeng in ihre Gerichte investierte, von den ständigen Kritteleien ihres Gatten nicht zu reden, weigerte sie sich beharrlich, die Preise zu erhöhen. »Die Armen«, pflegte sie zu sagen, »haben das gleiche Recht auf gutes Essen wie die vom Glück begünstigteren Genossen.« Selbst die Fahrer der schwarzen Zil-Limousinen, die hochrangige Parteigenossen durch die Gegend kutschierten, mussten warten, bis sie an der Reihe waren. Zwar hatten sie, auf den Rat ihrer Vorgesetzten, immer wieder versucht, sich mit ein paar zusätzlichen Kip den Platz an der Spitze der Schlange zu erkaufen, aber da spielte Madame Daeng nicht mit. Genosse Civilai lobte sie nicht selten als das einzige Beispiel für funktionierenden Kommunismus in der Republik. Worauf sie stets erwiderte, mit Politik habe das nichts zu tun. Sondern mit Anstand und Gerechtigkeit. »Ist er da?«, fragte der Chefinspektor. Wie so oft in letzter Zeit lag ein mürrischer Ausdruck auf seinem hübschen Gesicht. Seit seiner Beförderung zum Chefinspektor vor acht Wochen hatte Phosy wenig Grund zur Freude. Diverse Mitglieder des Zentralkomitees waren der Meinung, mit seinen sechsundvierzig Jahren sei er noch zu jung, um diese gewichtige Verantwortung zu schultern. Doch die zwanzig Jahre ältere Madame Daeng wusste, dass es keinen kompetenteren oder geeigneteren Kandidaten für diesen Posten gab. Sie überließ es Herrn Geung, die Nudelwannen zu schrubben, und trat zu dem Polizisten. »Sehr gut, danke der Nachfrage, Chefinspektor«, sagte sie. »Und Ihnen?« Madame Daeng hatte als Freiheitskämpferin im geheimen Krieg gegen die französischen Imperialisten gefochten und war sich ihrer einschüchternden Wirkung, der sich selbst die souveränsten Männer nur äußerst schwer entziehen konnten, wohl bewusst. Ihr kurzgeschnittenes, schneeweißes Haar und der bohrende Blick ihrer haselnussbraunen Augen taten ein Übriges. Phosy hatte nicht den Hauch einer Chance. »Entschuldigen Sie, Daeng«, sagte er. »Aber ich habe den Eindruck, Ihr Mann ist fest entschlossen, mir meine ohnehin leidige Pflicht vollends zu verleiden.« »Meine Güte, was hat er denn nun schon wieder ausgefressen?«, fragte Daeng. Sie schenkte dem Polizisten ein Glas Eistee ein, und sie setzten sich an einen Tisch mit Blick auf den Fluss. Er seufzte. »Als ob Sie das nicht genau wüssten«, sagte er. »Was ist denn das für ein Polizist, der einer getreuen Gattin unterstellt, über jeden Schritt und Tritt ihres Gemahls genauestens informiert zu sein?« »Vielleicht einer, der weiß, dass sie sich der Beihilfe zu einer kriminellen Handlung schuldig gemacht hat?« Sie tranken ihren süßen Tee und sahen Köter zu, der am Flussufer Krabben fing. »Sie beleidigen mein Zartgefühl«, sagte sie. »Sie spielen die Rolle der naiven Unschuld nicht besonders überzeugend, Daeng. Die Nummer kauft Ihnen kein Mensch ab.« »Und zu welch schändlichem Verbrechen soll ich, bitte, beigeholfen haben?« »Wie wär’s mit Schmuggel?« »Ach, Phosy. Schmuggel? Im Ernst? Noch vor zwanzig Jahren hätte man das Nahrungsbeschaffung genannt. Wenn es im Dorf nichts mehr zu essen gab, machte man sich in den Dschungel auf und wilderte ein wenig, um die darbenden Mäuler zu stopfen. Die Thais hungern Laos mit ihren ewigen Embargos langsam aus, da ist es nur natürlich, wenn die Eingeborenen auf Nahrungssuche gehen.« »Nahrungsbeschaffung über Landesgrenzen hinweg nennt man im Allgemeinen Schmuggel«, sagte Phosy. »Und wenn Siri lediglich mit Bohnen und Schweinebraten aus Si Chiang Mai nach Laos zurückgerudert wäre, säße ich jetzt gewiss nicht hier.« »Und...


Mohr, Thomas
Thomas Mohr, geb. 1965 in Köln, übersetzt seit 1988 englischsprachige Literatur, u.a. Truman Capote, Emma Donoghue, James Ellroy, Olivia Laing und Mark Twain. Für sein übersetzerisches Werk wurde er mehrfach ausgezeichnet.

Cotterill, Colin
Colin Cotterill, in London geboren, begab sich nach einer Ausbildung zum Englischlehrer auf eine lange Weltreise. Mittlerweile lebt er in Chumphon, Thailand. Seine in Laos angesiedelte Krimireihe um Dr. Siri wurde bereits mehrfach ausgezeichnet.


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