Cotterill | Dr. Siri und die Geisterfrau | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 9, 320 Seiten

Reihe: Dr. Siri ermittelt

Cotterill Dr. Siri und die Geisterfrau

Kriminalroman

E-Book, Deutsch, Band 9, 320 Seiten

Reihe: Dr. Siri ermittelt

ISBN: 978-3-641-18089-8
Verlag: Manhattan
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



In einem laotischen Dorf geschieht Merkwürdiges: Bei einem Überfall wird eine Frau getötet. Es folgen Trauerfeier und Einäscherung - kurz darauf taucht das Opfer wieder auf, kerngesund und bester Laune. Und weil die Frau seit dem Vorfall offenbar eine spirituelle Verbindung ins Jenseits pflegt, gelingt es ihr, den Fundort lange verschollener Gebeine zu bestimmen. Selbige sollen nun vom Grund eines Flusses geborgen werden, und der Pathologe Dr. Siri soll die Aktion überwachen. Könnte eine hübsche Reise für ihn und seine Gattin, Madame Daeng, werden. Das Problem: Siri verspürt großes Interesse für das weibliche Medium, Madame Daeng spürt den Stachel der Eifersucht - und ein finsterer Franzose spürt sie beide inmitten des Dschungels auf ...

Colin Cotterill, in London geboren, begab sich nach einer Ausbildung zum Englischlehrer auf eine lange Weltreise. Mittlerweile lebt er in Chumphon, Thailand. Seine in Laos angesiedelte Krimireihe um Dr. Siri wurde bereits mehrfach ausgezeichnet.
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2 DIE NINJAS VOM AMT Sie lauerten im spätabendlichen Schatten. Drei volle Nächte hatten sie ausgeharrt, unter dem strassbesetzten Himmel, die Straßen erhellt von Abermillionen Sternen, bis endlich eine Wolkenbank aufgezogen war und ihnen einen Moment lang Deckung gewährt hatte. Sie waren zu fünft, allesamt marineblau und damit eigentlich fast schon schwarz gekleidet. Sodass man sie im sternenlosen Marineblau der Hauptstadtnacht wohl kaum gesehen hätte, wären ihre batteriebetriebenen Taschenlampen nicht gewesen, die all ihre Bemühungen – die dunkle Kleidung, die mit verkohltem Kork geschwärzten Gesichter – hell und grell zunichtemachten. Doch in den Vororten östlich des That-Luang-Denkmals gab es noch keine Straßenbeleuchtung, dafür aber jede Menge Schlaglöcher, in die man treten konnte. Es war elf Uhr abends, und die meisten Hausbesitzer lagen längst im Bett und träumten süß von besseren Zeiten. Nur hinter ein oder zwei Fenstern schimmerte gespenstisch der fahlgelbe Schein von Öllaternen, die nach und nach erloschen, als die Männer vorübergingen. Die Lichtstrahlen ihrer Taschenlampen zerfetzten die Nacht wie stumme Sirenen. Ganz Ost-That-Luang wusste, dass dort draußen etwas im Gange war, weshalb niemand es wagte, aus dem Fenster zu schauen. Wenige Meter vor ihrem Ziel ging der Anführer in die Hocke und winkte seinen Männern, ihre Lampen auszuschalten. Im Nu hatte das Dunkel sie verschlungen, und sie saßen im schwarzen Bauch einer gigantischen Naga. Keiner von ihnen bewegte sich, aus Angst, ringsum habe sich vielleicht die Erde aufgetan. Doch da sie nicht als Feiglinge gelten mochten, verzichteten sie darauf, ihre Taschenlampen wieder einzuschalten, und sie rührten sich nicht vom Fleck. »Gebt euren Augen ein paar Minuten Zeit, Leute«, wisperte der Anführer, und sein Flüstern schien von den Betonmauern des Neubauviertels widerzuhallen. Besagte Minuten quälten sich dahin, aber die Augen der Männer wollten sich partout nicht an die Dunkelheit gewöhnen. Trotzdem stand ihr Anführer auf. Der mächtige Schlüsselbund an seinem Gürtel klirrte. Sie wussten, dass es an der Zeit war, auf ihr Ziel – Haus Nummer 22B742 – vorzurücken. Sie hatten Schmetterlinge im Bauch. Augenblicke wie dieser konnten Karrieren begründen. Ein Orden war ihnen so gut wie sicher. Im Gänsemarsch trippelten sie ihrem Anführer hinterdrein, der sich im Dunkeln mühelos zurechtzufinden schien. Vor ihnen erhob ihr Ziel sich aus der Nacht. Das Haus war geradezu schamlos hell erleuchtet. Kerzen flackerten in den beiden Vorderfenstern, und … drang da etwa eine Melodie an ihre Ohren? In der Tat. Musik. Irgendein dekadenter Westlärm. Die Genossen dort drinnen waren offenbar auf Ärger aus. Sie bettelten förmlich darum. Heute Nacht würden sie bekommen, was sie verdienten. Der Kerzenschein erhellte den Vorgarten und spiegelte sich in den Knopfaugen der Männer. Der Anführer streckte den Arm aus. »Du und du, zum Hintereingang«, flüsterte er. »Lasst niemanden entkommen. Wir schnappen sie uns alle. Egal ob Mann, Frau oder Kind.« Die so Angesprochenen verschwanden in geducktem Gang, der nicht nur von fern an Groucho Marx erinnerte, in der schmalen Seitengasse. Doch ihr beherzter Flankenangriff wurde bald schon durch die Tatsache vereitelt, dass sich das Seitentor nicht öffnen ließ. Es war entweder verriegelt oder klemmte, und zum Hinüberklettern war es zu hoch. Sie blickten hilfesuchend zu ihrem Anführer, der sie im Schatten jedoch nicht sehen konnte. Da er die Nachhut auf ihrem Posten wähnte, marschierte er mit dem Rest seiner Mannschaft quer durch den Vorgarten zur Veranda. Er war kein Freund dieser Westquartiere mit ihren vielen kleinen Zimmern. Er brauchte Platz. Er hatte selbstverständlich einen Nachschlüssel für Nummer 22B742, doch der erwies sich als überflüssig. Die Tür war angelehnt. Er holte tief Luft und stemmte sich gegen das schwere Teakholz. Die wohlgeölte Tür gab etwas zu bereitwillig nach, und hätte er sie nicht in letzter Sekunde zu fassen bekommen, wäre sie gegen die Dielenwand gekracht. Aus den Zimmern rechts und links drang flackernder Kerzenschein, und der Raum geradeaus – die Küche, wie er von früheren Besuchen her wusste – war hell erleuchtet. Dort spielte die dekadente Musik, und dort hatten sich vermutlich auch die Strolche und Tagediebe versammelt. Wenn sie versuchten, durch die Hintertür zu entwischen, würden sie ihm schnurstracks in die Falle gehen. Er zog eine russische Lubitel-166 aus seiner Seitentasche. Nicht eben das kompakteste Modell, aber relativ problemlos nachzuladen. Diesmal würde ihm kein Fehler unterlaufen. Diesmal würde er sie alle kriegen. Inzwischen waren die beiden Männer, die er zur Hintertür geschickt hatte, denselben Weg zurückgegangen und versuchten nun, das Gebäude auf der Ostseite zu umrunden. Dort versperrte ihnen ein Hund den Weg, genauer gesagt, ein hässlicher und noch dazu recht bösartiger Hund, der sich knurrend auf die Hinterbeine stellte. Von seinen Reißzähnen tropfte Sabber. Die beiden Männer erstarrten. Sie waren bis zum Küchenfenster gekommen, durch das ein helles Licht auf ihre missliche Lage fiel. Zum Glück war der Hund angekettet, und unter dem Fenster stand ein Motorrad. Wenn sie auf den Sitz kletterten, konnten sie erstens dem Köter aus dem Weg gehen und zweitens unauffällig einen Blick ins Haus werfen. Kaum lugten ihre Köpfe über den unteren Rand des Mückengitters, platzten der Anführer und seine beiden Männer auch schon zur Tür herein. »Keine Bewegung!«, brüllte der Anführer, und seine Kamera blitzte einmal, zweimal. »Niemand verlässt …« Doch in der Küche waren weder Strolche noch Tagediebe, nur ein einsamer alter Mann. Er stand nackt in einer großen Zinkwanne, bis zu den Knien in schaumigem Wasser, in der Hand einen riesigen Badeschwamm. Ohne den geringsten Anflug von Bestürzung oder Scham kehrte der alte Mann ihnen den Rücken zu und seifte sich lachend das Hinterteil ein. »Durchsucht ihn«, rief der Anführer. Niemand hatte es besonders eilig, dem Befehl Folge zu leisten. »Durchsucht sämtliche Zimmer, Schränke und Schubladen. Und vergesst den Dachboden nicht!« Als er aus den Augenwinkeln eine Bewegung bemerkte, wandte er den Kopf. Vor dem vergitterten Fenster entdeckte er die Gesichter der beiden Männer, die eigentlich den Garten hätten bewachen sollen. »Was treibt ihr denn da?«, schnauzte er. Einer der Männer winkte. Der andere sagte: »Hier ist ein Hund.« »Idioten«, bellte der Anführer. »Also, für diesen Anblick hätte ich mit Freuden meinen linken Arm – na schön, sagen wir, den linken Arm meines Gärtners – hingegeben«, sagte Genosse Civilai. In den zwei Jahren seit seinem Rückzug aus dem laotischen Politbüro hatte er seine Seele der Küche verkauft. Der Pensionär brachte satte sechs Kilo mehr auf die Waage als das dürre, kahlköpfige ZK-Mitglied (das seiner gertenschlanken Linie nur deshalb erfolgreich treu geblieben war, weil es so gut wie jeder Entscheidung des Politbüros tapfer widersprochen hatte). »Vorzugsweise aus Siris Perspektive«, setzte er hinzu. »Mein Bedürfnis, den kleinen Doktor im Adamskostüm zu betrachten, hält sich in recht engen Grenzen.« Die Runde quittierte seine Bemerkung mit herzhaftem Gelächter. Wie jeden Mittwoch hatte sich die kleine Gruppe nach Feierabend in Madame Daengs Nudelküche versammelt. Diesen Termin versuchten sie streng einzuhalten, da sie sonst nur selten Gelegenheit bekamen, die neuesten Neuigkeiten auszutauschen. Dennoch blieb in letzter Zeit immer mal wieder ein Stuhl leer. Weil Civilai durch die Genossenschaften in den Provinzen tingelte. Weil Inspektor Phosy bis spät in die Nacht bei Kerzenschein über Ermittlungsakten brütete. Oder weil Dr. Siri Paiboun, der sein Amt als erster und einziger Leichenbeschauer der Demokratischen Volksrepublik Laos vor gut zwei Wochen abgegeben hatte, zur »Läuterung« antreten musste, wie er zu sagen pflegte. Man hatte ihn zu vierzehn Seminaren zum Thema »Kritik und Selbstkritik« geladen, angeblich eine Pflichtveranstaltung für hohe Staatsbeamte auf dem Weg in den verdienten Ruhestand. Um des lieben Friedens willen hatte er ihre Zahl auf drei heruntergehandelt. Der Funktionär, der die Seminare leitete, hatte von seinen Sperenzchen schon nach der ersten Sitzung die Nase voll und legte ihm nach der zweiten dringend nahe, von der weiteren Teilnahme abzusehen. Und so ward Siri offiziell von sämtlichen Parteiverpflichtungen entbunden. »Wo halten Sie sie eigentlich versteckt?«, fragte Schwester Dtui. Ihr Töchterchen Malee saß fröhlich glucksend auf ihrem Schoß. »Haha. V… v… versteckt. Guter Witz«, meinte Herr Geung und grinste. »Diese Information ist streng geheim und wird nur bei begründetem Bedarf erteilt«, sagte Siri. »So viel zu der Maxime ›Einer für alle, alle für einen‹«, sagte Civilai. »Ich dachte, wir sind eine verschworene Gemeinschaft und Offenheit ist oberstes Gebot.« Er erhob sein Glas Reiswhisky, zu dem sich in Sekundenschnelle vier weitere gesellten. Nur Herr Geung und die kleine Malee übten sich standhaft in Abstinenz. »Auf die Offenheit«, deklamierte er. »Glückauf«, sagte Madame Daeng. »Glückauf«, wiederholten die anderen. Sie leerten ihre Gläser, und Daeng füllte nach. »Du hast ja recht, großer Bruder«, lenkte Siri ein. »Offenheit ist oberstes Gebot. Und ihr werdet es noch früh genug erfahren. Aber alles zu seiner Zeit. Wenn ihr wüsstet, wo sie stecken, würde das einen von uns in einen tiefen Interessenkonflikt...


Mohr, Thomas
Thomas Mohr, geb. 1965 in Köln, übersetzt seit 1988 englischsprachige Literatur, u.a. Truman Capote, Emma Donoghue, James Ellroy, Olivia Laing und Mark Twain. Für sein übersetzerisches Werk wurde er mehrfach ausgezeichnet.

Cotterill, Colin
Colin Cotterill, in London geboren, begab sich nach einer Ausbildung zum Englischlehrer auf eine lange Weltreise. Mittlerweile lebt er in Chumphon, Thailand. Seine in Laos angesiedelte Krimireihe um Dr. Siri wurde bereits mehrfach ausgezeichnet.


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