Cruz Smith | Die Spur des Bären | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 272 Seiten

Cruz Smith Die Spur des Bären

Ein Arkadi-Renko-Thriller

E-Book, Deutsch, 272 Seiten

ISBN: 978-3-641-26283-9
Verlag: C.Bertelsmann
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



»?Die Spur des Bären? zeigt Cruz Smith in Bestform: grandios erzählt, mit lakonischen Dialogen und einem zwar leicht ergrauten, aber mutigen Helden.« Financial Times
Der legendäre Moskauer Ermittler Arkadi Renko ist in größter Sorge um seine ehemalige Geliebte Tatjana. Die mutige Enthüllungsjournalistin ist nicht planmäßig aus Sibirien zurückgekehrt. Dort wollte sie den politischen Dissidenten Kusnezow porträtieren - einen charismatischen, aber auch skrupellosen Mann, der das ehrgeizige Ziel verfolgt, die Dauerherrschaft Putins zu brechen. Getrieben von bösen Vorahnungen, aber auch rasender Eifersucht, begibt sich Renko auf eine riskante Reise. Er merkt schnell, dass in der unwirtlichen, eisigen Natur Sibiriens ganz eigene Gesetze herrschen. Doch erst eine grausame Bärenjagd, von der er sich wichtige Insider-Informationen verspricht, führt ihm vor Augen, in welche gefährlichen politischen Fänge Tatjana geraten ist ...

Martin Cruz Smith, 1942 in Philadelphia geboren, gelang mit dem Thriller 'Gorki Park' ein Welterfolg, der auch in der Verfilmung mit William Hurt und Lee Marvin ein Millionenpublikum begeisterte. Seither hat der russische Ermittler Arkadi Renko eine große Fan-Gemeinde. Martin Cruz Smiths Romane wurden bereits in 14 Sprachen übersetzt.
Cruz Smith Die Spur des Bären jetzt bestellen!

Weitere Infos & Material


1 Saschas Augen saßen in einem dicken Kopf, der rund war wie ein Topf, und er musterte Arkadi wie jemanden, der an seinem Elend Anteil haben könnte. Der Bär war eine turmhohe Bestie, aber sein gewohntes Brüllen war geschwächt durch Alkohol. Sein Weibchen, Mascha, saß auf dem Hintern und drückte eine halb leere Champagnerflasche an die Brust. Auf einer Plakette am Geländer des Zoogeheges stand: »Sascha und Mascha. Amerikanische Braunbären (Ursus arctos horribilis)«. Das klang halbwegs richtig, fand Arkadi. Jemand hatte die Bären befreit und ein Plakat hinterlassen, das verkündete: »Wir sind auch Tiere.« Arkadi hatte nicht vor zu widersprechen. Um vier Uhr morgens verwandelte die Dunkelheit all das Märchenhafte des Parks in etwas Groteskes. Aus Statuen wurden Ungeheuer, Schatten bekamen Flügel. Löwen knurrten leise, und Eisbären tappten stumpfsinnig hin und her. Arkadi war Ermittler für Spezielle Fälle, und wenn ein Bär, der im Herzen Moskaus frei herumlief, kein spezieller Fall war, wusste er nicht, was einer war. Viktor, sein Partner, war ein ausgezeichneter Detektiv, wenn er nüchtern war. Als sie ankamen, hatte die Zoodirektorin Sascha und Mascha bereits mit barbituratgefüllten Betäubungspfeilen beschossen, die in Kombination mit dem Champagner einen berauschenden Cocktail ergaben, selbst für einen Ursus arctos horribilis. Mascha war gegen eine Mauer gesackt. Jeder Rülpser von Sascha war eine faulige Luftblase, jedes Schnarchen dröhnte wie eine kaputte Trommel. Er hockte gerade noch träge da, zuckte dann im nächsten Augenblick hoch und fuhr mit einer massigen Pranke durch die Luft. Ein halbes Dutzend junge Zoowärter hielten Stangen wie Lanzen vor sich und umringten die Bären aus gebührendem Abstand. Arkadi und sein Partner wurden von Viktors Schwester Nina begrüßt, der Zoodirektorin, einer zupackenden Frau in Mütze und Mantel aus Schaffell und mit einem Betäubungsgewehr. Sie schüttelte Arkadi kräftig die Hand. »Haben Sie weitere Hilfe gerufen?«, fragte er. »Ich will nicht, dass die Polizei auf dem Gelände herumrennt«, sagte sie. »Deshalb habe ich euch gerufen.« »Ich bin die Polizei«, sagte Viktor. »Ha!« So schätzte Nina ihren Bruder ein. Dreißig Meter weit entfernt schwankten Sascha und Mascha auf den Karren eines Eisverkäufers zu. Gemeinsam schüttelten sie ihn, bis der Griff abbrach, dann wippten sie den Karren hin und her, bis er umfiel. Entmutigt kehrten sie mit schwerfälligem Schritt zu ihrer Mauer zurück und ließen sich zu Boden fallen. Arkadis Vater, General Renko, hatte Bären gejagt. Er hatte ihn davor gewarnt zu glauben, man könne ihnen laufend oder kletternd entkommen. »Solltest du einem begegnen, lauf nicht weg. Ein Bär ist schneller«, sagte er. »Wenn er dich erwischt, stell dich tot.« Arkadi hoffte, dass diese jungen Zoowärter gelernt hatten, mit Bären umzugehen. Er hatte den Eindruck, Sascha könne sie alle umwerfen wie Kegel. »Erzählen Sie mir von gestern Abend«, sagte Arkadi. »Wir hatten eine Benefizveranstaltung für die Förderer des Zoos in der Haupthalle, und es wurde viel getrunken und gefeiert. Wir verköstigen sie, servieren Champagner, und wenn sie in freigiebiger Stimmung sind, veranstalten wir eine Auktion. Die Putzkolonne wirft nachher alle leeren und halb leeren Flaschen in Tonnen, die morgens abgeholt werden. Anscheinend haben Sascha und Mascha sie gefunden.« »Wie sind sie denn überhaupt aus ihrem Käfig gekommen?« »Es gab in letzter Zeit eine Menge Agitation von Tierrechtsaktivisten. Für mich sieht es aus, als hätte sich ein idealistischer Tierfreund eingeschlichen, nachdem alle gegangen waren. Er hat die Bären freigelassen und sein Protestplakat aufgehängt. Es muss jemand gewesen sein, den die Bären kannten.« Ein klassischer Insiderjob, dachte Arkadi. »Anscheinend ist einer eurer Wärter durchgeknallt«, sagte Viktor. »Was versteigert man in einem Zoo?«, fragte Arkadi. »Die Meistbietenden gewinnen die Ehre, dass ein Giraffenbaby auf ihren Namen getauft wird, oder einen Privatbesuch bei einem Koalabären. Solche Sachen eben.« »Mit anderen Worten, es ist eine krasse Zurschaustellung von Reichtum«, sagt Viktor. »Wir sind darauf angewiesen, dass reiche Leute in hohen Positionen den Zoo unterstützen.« Nicht übel, dachte Arkadi. War Präsident Putin selbst auch dabei gewesen? Man wusste ja, dass er Fototermine mit Löwenbabys liebte. »Erzählen Sie mir von den Bären«, sagte er. »Das Weibchen, Mascha, ist ganz zahm, aber Sascha, das Männchen, kann aggressiv sein.« »Die armen Biester. Wahrscheinlich wird man sie mit dem Schlauch abspritzen«, sagte Viktor. »Wenigstens machen sie das mit mir immer in der Ausnüchterungszelle. Bären sollten in ihrer ganzen Pracht durch die Wildnis von Kamtschatka streifen, Lachse aus den Bächen fischen und den Campern einen Heidenschrecken einjagen. Stattdessen sind sie eine Peinlichkeit für die Natur.« »Tiere leiden nicht unter dem Leben im Zoo«, sagte Nina. »Nichts könnte weiter von der Wahrheit entfernt sein als soeine Annahme. In Gefangenschaft leben Bären länger als in freier Wildbahn. Es macht ihnen nichts aus.« »Und wenn du eine Laborratte kitzelst, wird sie kichern«, sagte Viktor. »Kann man einen Bären damit töten?« Er deutete mit dem Kopf auf das Betäubungsgewehr. »Selbstverständlich nicht«, sagte Nina. »Das Gewehr dient zum Schutz des Bären.« »Weiß der Bär das?« »Es besteht nur aus Druckluft und Barbituraten.« Sie zog einen Pfeil mit einem rosa Puschel am Ende aus der Tasche. »Wir sprechen von ›chemischer Immobilisation‹.« »Mascha haut ab«, rief ein Wärter. Mascha wollte mit der Sache nichts mehr zu tun haben. Sie stand auf, drehte sich betrübt um und watschelte zur offenen Tür ihrer Käfighöhle. Die Champagnerflasche entglitt ihr und rollte weg. Sie seufzte. Der kurze Ausflug war genug Aufregung für sie gewesen. »Ihr gefällt’s in ihrer Höhle«, stellte Arkadi fest. »Das ist ein Habitat«, korrigierte Nina ihn. »Das ist ein verdammter Zirkus«, sagte Viktor. Maschas Verrat brach Sascha das Herz. Er stand stöhnend auf und schwenkte den Kopf hin und her. »Und jetzt?«, fragte Viktor. Nina senkte die Stimme. »Kommt darauf an, ob er Mascha folgt oder einschläft. Da können wir nur warten.« »Wie intelligent sind sie?«, fragte Arkadi. »Ich würde schätzen, so intelligent wie Dreijährige. Aber das ist eine sehr unwissenschaftliche Schätzung.« »Ein dreijähriger Riese mit Krallen«, sagte Viktor. »So ungefähr.« »Hoffen wir, er braucht ein Nickerchen«, sagte Arkadi. »Sind Bären Ihr Spezialgebiet?« »Nein, Primatologie.« Sie strich sich das Haar aus der Stirn. »Ich studiere Affen.« »Ich auch«, sagte Arkadi. »Als Junge hattest du Tiere, oder?«, fragte ihn Viktor. »Ein paar.« Arkadi hatte keine gewöhnlichen Haustiere wie Hunde oder Katzen gehabt. Er hatte Geckos und Schlangen gesammelt – alles, was er in der mongolischen Steppe sammeln konnte. »Ich hörte, Sie haben Erfahrung als Bärenjäger«, sagte Nina. »Ich?« »Viktor hat gesagt, Sie waren ein richtiger Großwildjäger.« Arkadi sah Viktor an. »Das hast du gesagt?« »Vielleicht habe ich übertrieben.« »Nein, ich habe nie einen Bären geschossen. Vielleicht mal ein Kaninchen.« »Dann bin ich falsch informiert worden, wie immer.« »Das fürchte ich auch.« Arkadis Vater war an verschiedenen gottverlassenen Orten mitten in Sibirien stationiert gewesen. Im Winter engagierte er einen eingeborenen Führer und zog hinaus in die Taiga, und Arkadi folgte in den Spuren ihrer Schneeschuhe. Die Einheimischen verdienten ihren Lebensunterhalt damit, dass sie Zobel in Fallen fingen oder sie mit einem Schuss durch ein Auge erlegten, um den Pelz glatt und unversehrt zu erhalten. General Renko war ein fast so guter Schütze wie sie. Arkadi hatte Glück, wenn er mit dem Gewehr einen Baum traf. »Sie haben also noch nie einen Bären geschossen oder markiert …« Ninas Stimme wurde leise. »Nein«, sagte Arkadi. »Vielleicht sollten wir ihn einfach abschießen«, schlug Viktor vor. »Einen Bären abschießen ist das Letzte, was wir wollen«, sagte Nina. »Du hast keine Ahnung, wie schwierig und kostspielig es wäre, einen neuen Bären mit einem einwandfreien Gesundheitszeugnis zu finden. Außerdem könnte Mascha ein neues Männchen ablehnen.« Das war durchaus möglich, dachte Arkadi. Das Funkeln in Saschas Augen wurde zielgerichtet. Als er sich zu voller Höhe aufrichtete, verströmte er einen ranzigen Gestank. Lautes Quaken und prasselndes Geflatter erhob sich vom Teich. Sascha hob den Kopf und sah zu, wie ein Geschwader von Enten und Gänsen aufflog, dann richtete er den Blick auf Arkadi. Verschlagen machte er einen Schritt vorwärts und streckte die Pranke aus, als wollte er sagen: »Hier entlang zu Ihrem Tisch, monsieur.« Es folgte ein Brüllen, das die Erde erbeben ließ. Die Zoowärter senkten ihre Stangen wie Lanzen und rückten langsam vor. »Stopp!«, schrie Viktor. »Bleibt, wo ihr seid!« Die jungen Männer stolperten über ihre eigenen Füße, als sie zurückwichen. Nina hob das Betäubungsgewehr. Sie drückte ab, aber der Pfeil flog zu...


Cruz Smith, Martin
Martin Cruz Smith, 1942 in Philadelphia geboren, gelang mit dem Thriller "Gorki Park" ein Welterfolg, der auch in der Verfilmung mit William Hurt und Lee Marvin ein Millionenpublikum begeisterte. Seither hat der russische Ermittler Arkadi Renko eine große Fan-Gemeinde. Martin Cruz Smiths Romane wurden bereits in 14 Sprachen übersetzt.


Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.