Daniel / Haberer / Neuen | ÜberLebensBilder | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 172 Seiten

Daniel / Haberer / Neuen ÜberLebensBilder

Quellen innerer Kraft

E-Book, Deutsch, 172 Seiten

ISBN: 978-3-8436-1530-3
Verlag: Patmos Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Die Welt gerät immer mehr aus den Fugen, Ordnung und Sicherheit scheinen bedroht wie nie zuvor. Ungewissheit und Verunsicherung, oft auch Hilflosigkeit und Ohnmacht prägen derzeit das Leben vieler Menschen. Dabei erleben sie nicht nur die eigene Bedrohtheit, sondern auch das Leid der anderen, das berührt und zum Handeln aufruft.

Was kann Halt und Orientierung geben, wenn es um Fragen des Lebens und Überleben geht? Welche Ideen, Vorstellungen, Bilder können angesichts existenzieller Bedrohungen tragen? Was sind Quellen der Resilienz, aus denen Lebensmut, Zuversicht und Tatkraft geschöpft werden können?

Diese und andere Fragen werden aus tiefenpsychologischer, philosophischer, politischer, ökologischer und theologischer Perspektive betrachtet.
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Verena Kast Hoffnungsräume für die kreative Kraft schöpferischen Tuns in der Krise
Ein Richter am Internationalen Gerichtshof in Den Haag, Antonio Cassese, wurde von Lawrence Weschler, Journalist und Autor, gefragt, wie er die vielen Berichte und Fotos von den Gräueltaten im ehemaligen Jugoslawien ertragen habe. Die Antwort des Richters: Er sei, sooft er konnte, hinüber ins Mauritshuis Museum gegangen und habe dort etwas Zeit bei den Vermeers verbracht (Weschler 2004, S. 35 ff.). Genannt wurden drei Bilder: Diana mit ihren Gefährtinnen, das Mädchen mit dem Perlenohrring und die Ansicht von Delft nach einem Gewitter. Das Erleben dieser Bilder bildet einen Kontrast zu der ungeheuren Gewalt, von der in den Gerichtsprozessen gesprochen wurde. Der Anblick dieser Bilder löste in ihm Assoziationen an Freiheit, Autonomie, Gerechtigkeit, Liebe aus – alles, was für ihn in dieser schwierigen Zeit zählte: Schönheit, Friedlichkeit und Gelassenheit. Bilder des Lebens. Bilder, die wieder an den Glauben zum Leben verhelfen, auch angesichts sehr schwieriger Lebensumstände. Eine Zuflucht, die beruhigt, die Hoffnung und Zuversicht auslöst. Der Richter floh die Auseinandersetzung mit der Destruktivität und den damit verbundenen Gefühlen nicht – das konnte er gar nicht –, aber er konnte die Destruktivität aushalten, indem er mit den »Vermeers« seinen Erlebnissen dagegenhielt, er einen Raum der Zuflucht hatte zu etwas, was ihn nährte. Er weiß um einen Hoffnungsraum, und in den begibt er sich immer wieder. Das ist ein Modell dafür, was Menschen brauchen, um in Krisen bestehen zu können: die Krisen, die damit verbundene De­struktivität wahrnehmen und sie aber im Erleben nicht über­handnehmen lassen, indem auch die uns beruhigenden und uns erfreuenden »Zufluchten« gesucht werden. Es stellt sich uns die Frage: Was sind unsere persönlichen »Vermeers«? Was sind unsere uns zugänglichen Zufluchten? Wir leben im Krisenmodus
Wir leben im Krisenmodus – keine Frage. Und diese Krisen sind nicht vorübergehend, sondern langwierig. Besonders bei der Klimakrise ist kein Ende abzusehen – zumindest werden die Älteren von uns ihr Ende, wenn es denn überhaupt eines gibt, nicht erleben. Wir müssen lernen, mit diesen Krisen und in diesen Krisen zu leben, dabei unsere Lebendigkeit, unsere Kreativität zu erhalten und nicht nur zu überleben. Und das ist eine sehr große Herausforderung, für uns alle. »Stehen wir zusammen, es kommen bessere Zeiten«, soll Queen Elisabeth im Lockdown gesagt haben. »Stehen wir zusammen, auch wenn schlechtere Zeiten kämen«, sagt Ingrid Riedel. Stehen wir also vor allem zusammen! Von den Krisen gezeichnet… Unsere Krisen ängstigen uns – die Angst kann uns überwältigen, die Verzweiflung kann uns überwältigen. »Klimaangst«, »ökologische Angst« – neue Namen für Ängste, die als sinnvolle Ängste gesehen werden können in ihrer Funktion, uns darauf hinzuweisen, dass die Bedrohungen ernst zu nehmen sind, dass es adäquat ist, auf die große Erfahrung von Unsicherheit mit Ängsten zu re­agieren. Angst ist die Emotion, die wir dann erleben, wenn wir uns aktuell bedroht fühlen oder wenn wir ein bedrohliches Ereignis erwarten, uns dieser Situation aber hilflos ausgeliefert fühlen. Weil die Gefahr uns zu komplex erscheint, weil wir nicht genau wissen, was zu tun ist, fühlen wir uns überfordert, ohnmächtig. Wir können nicht mehr »etwas machen«. Könnten wir etwas machen, würden wir uns besser fühlen. Wir wären dann selbstwirksam - wenigstens ein wenig –, nicht so hilflos. Angst setzt dann ein, wenn etwas, das uns persönlich als sehr wertvoll erscheint, in Gefahr ist – und das ist letztlich das Leben selbst. Die Angst bringt uns dann dazu, das für uns Wertvolle zu erkennen: Wir haben dann ein Gefühl der Angst – sie wird nicht mehr einfach als ein unangenehmer Erregungsanstieg, als eine Emotion im Körper erlebt. Die Konsequenz: Wir wissen, worum es geht, was es zu retten gilt oder welche Werte mehr geschätzt oder gar neu entwickelt werden sollen. Um das zu können, müssen wir aber die Angst zulassen, sie wahrnehmen, sie benennen. Da die Angst aber als unangenehm erlebt wird und es auch nicht gerade ein gesellschaftlich anerkannter Wert ist, Angst zu haben und sie auch auszudrücken, versuchen wir, uns so rasch wie möglich von ihr zu befreien. Finden wir rasch zu sinnvollen Handlungen, dann können wir gut mit der Angst umgehen. Wenn aber, wie in der ökologischen Krise oder in der Erfahrung von Krieg, teils auch noch in der Pandemie und in der Energiekrise, kein Ende der Bedrohung abzusehen ist, bleibt unsere Angst, und wir verdrängen sie, fühlen uns immer gestresster und unzufriedener, werden wütender oder depressiver. Angst zulassen und auch miteinander darüber sprechen zu können, entscheidet aber gerade darüber, ob wir das Signal der Angst ernst nehmen und Abhilfe schaffen wollen, ob wir uns verändern und ob wir die Umwelt verändern, uns aber auch als Gesellschaft verändern. Gefragt ist Mut zur Angst, Mut, ihr gemeinsam zu begegnen (Kast 2023, S. 18 ff.). Klimaangst Man kann die Klimaangst als eine existentielle Angst verstehen, als eine Angst, die verbunden ist mit der Ahnung, dass etwas grund­legend falsch läuft in der Beziehung zwischen den Menschen und dem Planeten und dass wir uns dadurch in unserer ontologischen Sicherheit gefährdet fühlen, dass wir uns umfassend physisch und psychisch als gefährdet erleben. Die Klimaangst ist eine gesunde Reaktion auf Bedrohungen, die zunehmend wahrgenommen werden, wie Extremwetterlagen, das Ansteigen der Meeresspiegel, das Verschwinden von Tierarten … und es ist schwierig mit ihr umzugehen. Klimaangst ist nicht einfach Angst, sondern eine Mischung von vielen Gefühlen: Beunruhigung, Angst, Ärger, Trauer, Verzweiflung, Schuld, Scham – und Hoffnung. In einer aktuellen Untersuchung zur Klimaangst (Marks et al. 2021) wurden 10 000 junge Menschen zwischen 16 und 25 Jahren aus zehn Ländern explizit nach ihren Gefühlen zum Klimawandel und ihrer Einschätzung der Antwort ihrer Regierungen darauf befragt. Das Ergebnis: 59 Prozent der Befragten waren extrem beunruhigt, 84 Prozent mäßig besorgt, über 50 Prozent fühlten sich traurig, ängstlich, ärgerlich, machtlos, hilflos und hatten Schuldgefühle. 45 Prozent sprachen davon, dass die Klimaangst sie in ihrem Alltag beeinträchtige und dass diese als belastender wahrgenommen wird, je weniger die jeweiligen Regierungen ihrer Wahrnehmung nach unternehmen würden. Die Klimaangst wird verstärkt, wenn die jungen Menschen das Gefühl haben, dass ihre Ängste nicht ernst genommen werden und dass von der Politik her zu wenig Impulse zur Lösung kommen. Auch wenn es natürlich richtig ist, dass der Umgang mit dem Klima politisch an vorderster Front stehen sollte, ist er dennoch auch eine Aufgabe für alle Menschen – man muss auch individuell und in der Zivilgesellschaft mit der Klimaangst umgehen. Die Gefühle der Angst ernst zu nehmen ist wichtig; sie können auch handlungsleitend sein. Wenn wir diese uns bedrohlich erscheinenden Gefühle zulassen, wir auch miteinander darüber sprechen, finden wir auch wieder Zugang zu dem ganzen Spektrum an anderen Gefühlen, und damit auch wieder zu unterschiedlichen Ideen, wie das Leben gestaltet werden kann, wie Zukunft auch sein kann. Das wissen wir aus der Psychologie – aus aktuellen Studien - und aus dem Alltagserleben: das vermittelt uns Zuversicht. Solastalgie
Solastalgie ist ein Begriff, den der australische Naturphilosoph Glenn Albrecht (2007) geprägt hat. Solastalgie ist zusammengesetzt aus den Begriffen solacium, Trost, und -algia, Schmerz, trostsuchender Schmerz – ein Begriff für die durch den ökologischen Wandel verursachte Belastung der Menschen. Albrecht ging von einem Buch von Elyne Mitchell (1946) aus, in dem sie versuchte, den Australiern die Beziehung zwischen psychischer und ökologischer Gesundheit zu erklären. Auf eine kurze Aussage gebracht: »Divorced from his roots, man loses his psychic stability.« (»Von seinen Wurzeln abgeschnitten, verliert der Mensch seine psychische Stabilität.«) Solastalgie bezeichnet ein belastendes Gefühl bei Veränderung oder Zerstörung des Ortes, an dem man lebt, wo man sich zugehörig fühlt und den man auch als einen Aspekt der eigenen Identität erlebt. Diese Veränderung oder Zerstörung geschieht z.B. durch Unwetter, Krieg oder auch Gentrifizierung von älteren Teilen einer Stadt. Als Reaktion darauf entsteht ein intensiver Wunsch, dass der Ort, an dem man lebt, erhalten bleibt und einem weiter Behagen und Trost spendet (Albrecht et al. 2007). Die Erfahrung von Solastalgie kann nach Albrecht auch dadurch entstehen, dass für einige Menschen der Planet als Ganzes ihre »Heimat« ist und sie daher die Zerstörung von kultureller und biologischer Diversität auch persönlich als bedrohlich empfinden. Solastalgie - der Ausdruck ist auch ein wenig dem Phänomen der Nostalgie nachempfunden, scheint aber zukunftsgerichteter zu sein: Wer darunter leidet, wird für sich Situationen suchen, die Trost bringen oder/und sich in kollektiven Aktionen einbringen, die Trost und neue Zusammengehörigkeit versprechen. Die Linderung dieses Gefühls der Solastalgie versprechen sich die Menschen in einer Zukunft, die gestaltet und noch geschaffen werden kann und muss (ebd., S. 45). In der Solastalgie verbirgt sich der tiefsitzende Wunsch, dem Lebendigen und dem Leben verbunden zu bleiben. Es ist eine Art von...


Dr. Renate Daniel, Ärztin für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychoanalyse, Jung'sche Analytikerin. Sie ist Programmdirektorin und Lehranalytikerin am C. G. Jung-Institut Zürich und seit über 20 Jahren als Psychotherapeutin in eigener Praxis tätig.

Johanna Haberer, Journalistin und evangelische Theologin, ist Professorin für christliche Publizistik an der Friedrich-6Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Einer ihrer Arbeitsschwerpunkte ist das Thema Medienethik.

Dr. Christiane Neuen ist Lektorin für Psychologie mit den Arbeitsschwerpunkten Analytische Psychologie sowie spirituelle Wege der Weltreligionen. Sie ist Vorstandsmitglied der C. G. Jung-Gesellschaft Köln


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