Detel | Warum wir nichts über Gott wissen können | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 118 Seiten

Reihe: Blaue Reihe

Detel Warum wir nichts über Gott wissen können

E-Book, Deutsch, 118 Seiten

Reihe: Blaue Reihe

ISBN: 978-3-7873-3520-6
Verlag: Felix Meiner
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Was können wir über Gott wissen? Nach Auffassung des Autors, die dieser in seinem luziden Essay systematisch begründet: nichts. Diese Auffassung ist kein Atheismus, sondern ein religiöser Agnostizismus, der zwar auf eine reiche historische Tradition zurückblicken kann (angefangen vom frühen Christentum über mittelalterliche Denker wie
R. Bacon, Duns Scotus und Ockham bis zu Hume und Kant), aber im gegenwärtigen religiösen Diskurs nur eine marginale Rolle spielt. Wolfgang Detel geht in seinem Essay von dem grundlegenden Gottesbegriff der führenden monotheistischen Religionen aus, die Gott als maximal große immaterielle Person, also als unendlichen Geist betrachten.
Sein zentrales systematisches Argument ist, dass wir Gott nicht einmal denken und daher erst recht nichts über ihn wissen können. Zugleich arbeitet er heraus, dass Gott selbst kein Denker sein kann. Dabei stehen die beiden grundlegenden Merkmale Gottes im Mittelpunkt: Wenn Gott absolut perfekt ist, muss er aktual unendlich sein;
aber aktuale Unendlichkeit können wir Menschen als endliche Wesen nicht denken. Und wenn Gott ein maximal großes und perfektes Wesen ist, dann muss er ein perfekter Geist sein und über optimale Denkfähigkeit verfügen; doch die Ideen eines perfekten Geistes und einer optimalen Denkfähigkeit sind inkonsistent, so dass wir Gott weder als Geist
noch als Denker denken können. Das Besondere an Detels Vorgehensweise ist der Rückgriff auf moderne wissenschaftliche Theorien der Unendlichkeit und des Geistes. Sein
Essay schließt mit einigen Reflexionen über eine zeitgemäße Religiosität ohne Gott – eine Religiosität, die tiefer ist als Gott, die auf infantiles und spekulatives religiöses Wunschdenken verzichten kann, die über Ambitionen auf politischen Einfluss und dogmatische Menschenführung erhaben ist und die uns gerade deswegen erfüllen und voranbringen kann.
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1. Zur Tradition des religiösen Agnostizismus
Wissen über Gott ist mehr als eine Meinung über Gott, aber auch mehr als eine wahre Meinung über Gott. Vielleicht können wir niemals endgültig wissen, ob wir etwas wissen, doch in jedem Fall setzt das Wissen einer Sache voraus, dass wir unsere Meinung über diese Sache begründen und rechtfertigen können. Die Bemühung um Wissen erfordert unsere Bereitschaft, in das diskursive Spiel des Einforderns und Gebens von Gründen einzusteigen, das heißt im logischen Raum der Gründe zu operieren.1 Begründen und Rechtfertigen sind primär rationale Aktivitäten und nehmen oft die Form begründeter Argumente an. Unsere Bemühung um Wissen setzt daher auch die Bereitschaft voraus, sich auf anerkannte Standards von Rationalität einzulassen.2 Die höchste Form dieser Bemühung um Wissen ist die Wissenschaft. Die rationale Theologie bemüht sich genau in diesem Sinn um Wissen und beansprucht daher, eine Wissenschaft zu sein. Diese Konzeption von Wissen und Wissenschaft scheint allerdings auf Beobachtungssätze (mit denen wir Wahrnehmungen beschreiben) und auf Wahrnehmungen nicht zuzutreffen, weil sich weder Wahrnehmungen noch Beobachtungssätze aus irgendwelchen Prämissen rational begründen lassen. Zur Lösung dieses Problem lässt sich jedoch die Verlässlichkeitstheorie einsetzen: Wahrnehmungen sind dann gerechtfertigt, wenn sie verlässlich sind, das heißt wenn sie auf richtige Art und Weise zustande gekommen sind, also auf eine Art und Weise, die in der Evolution unseres Wahrnehmungsapparates millionenfach positiv getestet worden ist.3 Der religiöse Agnostizismus ist folglich die Auffassung, dass Gott kein Gegenstand des Wissens im Sinne wahrer gerechtfertigter oder als verlässlich erwiesener Wahrnehmungen sein kann. Wenn man aus dieser Perspektive auf die Geschichte der abrahamitischen Theologie und der Religionsphilosophie schaut, dann lässt sich entdecken, dass der religiöse Agnostizismus auf eine lange und reiche Tradition zurückblicken kann. Die frühen Christen im Zeitraum bis ca. 300 n. Chr. haben meist nicht explizit die These vertreten, dass es kein Wissen über Gott geben kann. Doch als sich die ersten antiken Philosophen, namentlich Kelsos, Porphyrios und Kaiser Julian Apostata, ernsthaft mit dem Christentum beschäftigten, stellten sie schockiert fest, dass die Christen den Glauben befahlen sowie unbedingten Gehorsam gegenüber dem Glauben verlangten, ohne sich um die besten Argumente zu kümmern. Die frühen Christen propagierten einen vernunftlosen, irrationalen, ungeprüften Glauben. Sie verboten sogar eine argumentative Prüfung des Glaubens und ächteten jeden Zweifel. Und sie hielten jeden, der dem christlichen Glauben nicht ungeprüft zustimmte, für schuldig und sündig. Die antiken Kommentatoren haben ferner darauf hingewiesen, dass auch Jesus im Neuen Testament an keiner Stelle argumentiert, sondern lediglich droht, schimpft und lockt. Und das soll, so fragen sie, ein Sohn Gottes sein, des allervernünftigsten Wesens?4 Die frühen Christen haben also im Rahmen ihres Glaubens nicht im logischen Raum der Gründe operiert. Sie hielten es zumindest nicht für nötig, sondern im Gegenteil für kontraproduktiv, Gott zum Gegenstand des Wissens zu machen. Diese Auffassung wurde später Fideismus genannt.5 Rund tausend Jahre später hatten die Christen jedoch die Herausforderungen der rationalen Theologie weitgehend angenommen, wie zum Beispiel die zahlreichen Gottesbeweise zeigen. Hier sind die drei wichtigsten Varianten (P1, P2 etc.: Prämissen; K: Konklusion): Kausaler Beweis: P1 Es gibt verursachte Dinge. P2 Nichts ist Ursache seiner selbst. P3 Es gibt keine unendliche Reihe von Ursachen. K Es gibt eine erste Ursache von Allem (= Gott). Design-Beweis: P1 Die meisten Dinge in der Welt weisen eine kunstvolle Ordnung und Zweckmäßigkeit (ein Design) auf. P2 Jedes kunstvoll geordnete und zweckmäßige Werk hat einen Schöpfer. K Es gibt einen Schöpfer der Welt mit Fähigkeiten, eine überwiegend kunstvoll geordnete und zweckmäßige Welt zu erschaffen und zu formen (= Gott). Begrifflicher (semantischer) Beweis: P1 Wir können uns ein vollkommenstes Wesen denken. P2 Ein Wesen, das nicht existiert, wäre nicht das vollkommenste Wesen. P3 Der Gedanke, dass das vollkommenste Wesen nicht existiert, ist daher widersprüchlich. P4 Wir dürfen nichts Widersprüchliches annehmen, denn aus Widersprüchlichem folgt Beliebiges. K Es gibt ein vollkommenstes Wesen, zu dessen Essenz die Existenz gehört (= Gott). Es waren vor allem die beiden Dominikaner-Mönche Albertus Magnus (1193–1280) und Thomas von Aquino (1227–1274), die es sich zum Ziel setzten, den christlichen Glauben mit dem aristotelischen Weltbild zusammenzuführen und auf diese Weise auch Thesen über Gott mit einem Wissensanspruch auszustatten. Es ist mehr als aufschlussreich, wie diese Synthese genauer aussah. Es handelte sich nämlich eher um mühsame und lückenhafte Kompromisse. Denn Albert und Thomas fügten alle Lehren der aristotelischen Logik, Metaphysik und Naturphilosophie, die mit den christlichen Lehren vereinbar waren (letztlich so gut wie alles außer der Ewigkeit des Kosmos und der Sterblichkeit der Seele), weitgehend unverändert in das christliche Weltbild ein – ein leichtes Unterfangen, da die Christen zu diesen Themen bis dahin nicht das Geringste zu sagen hatten. Die christlichen Glaubenssätze dagegen, die den Lehren des Aristoteles widersprachen oder deren Thematik er nicht behandelt hatte, erhielten einen Sonderstatus. Dazu gehörten die Lehren von Schöpfergott und Schöpfung, von der Dreieinigkeit, der zeitlichen Begrenzung des Kosmos, der Erbsünde, der Menschwerdung des Logos, den Sakramenten, dem Fegefeuer, dem apokalyptischen Weltgericht sowie der Auferstehung von den Toten und der ewigen Verdammnis oder Seligkeit. Albert und Thomas erklärten diese Doktrinen für wissenschaftlich nicht beweisbar, weil die menschliche Vernunft für eine Begründung dieser Thesen nicht ausreiche. Doch damit waren sie eine Angelegenheit des unmittelbaren, unbegründeten Glaubens. Die zentralen christlichen Glaubensinhalte wurden dem wissenschaftlichen Diskurs entzogen. Albert und Thomas waren offenbar der Auffassung, dass die zentralen christlichen Doktrinen nicht dem logischen Raum der Gründe angehören – und das ist der Sache nach eine religiös-agnostische Position. Die christlichen Star-Autoren des 13. und 14. Jahrhunderts, Roger Bacon (1217–1292) sowie die beiden Franziskanermönche Duns Scotus (1274–1308) und William von Ockham (ca. 1285–1349), haben den agnostischen Ansatz, der bei Albert und Thomas zu verzeichnen ist, ausgeweitet und radikalisiert. Roger Bacon, Duns Scotus und William von Ockham bestreiten unisono jede Verbindung von Glauben und Wissen sowie von Theologie und Philosophie. Stattdessen proklamieren sie das Prinzip der doppelten Wahrheit. Die christlichen Dogmen blieben als unbezweifelbare Wahrheiten in Geltung, seien jedoch weder empirisch noch rational begründbar. Sie müssten und könnten nur religiös geglaubt werden. Denn Gott sei ein für Menschen unerklärliches und unverständliches Wesen, dessen Wille und Aktivität nicht an Maßstäbe menschlicher Rationalität oder Ethik gebunden, sondern aus menschlicher Sicht grundlos und willkürlich sei. Diese Position wurde später auch als Voluntarismus bezeichnet. Daneben gibt es diesen drei Denkern zufolge die Wahrheiten, die mit Hilfe der Wissenschaften empirisch und rational bewiesen werden können. Die Bemühung um wissenschaftliche Wahrheit hat in ihren Augen mit Aristoteles begonnen und wurde danach nicht wieder abgebrochen. Roger Bacon, Duns Scotus und William von Ockham radikalisieren also unter dem Standard der Begründungspflicht die partielle Abspaltung christlicher Dogmen vom wissenschaftlichen (aristotelischen) Weltbild bei Albert und Thomas zu einer vollständigen Trennung von christlicher Religion und antiker Wissenschaft. So kehren sie...


Detel, Wolfgang
Wolfgang Detel ist emeritierter Lehrstuhlinhaber für antike Philosophie und Wissenschaftstheorie an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt a.M. Seine Forschungsschwerpunkte
liegen in der antiken Philosophie (insbesondere Platon und Aristoteles), Wissenschaftstheorie und Hermeneutik. In der »Philosophischen Bibliothek« hat er Aristoteles’
»Zweite Analytik« (PhB 633) herausgegeben.

Wolfgang Detel ist emeritierter Lehrstuhlinhaber für antike Philosophie und Wissenschaftstheorie an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt a.M. Seine Forschungsschwerpunkte
liegen in der antiken Philosophie (insbesondere Platon und Aristoteles), Wissenschaftstheorie und Hermeneutik. In der "Philosophischen Bibliothek" hat er Aristoteles'
"Zweite Analytik" (PhB 633) herausgegeben.


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