Deutsches Polen-Institut / Loew / Bingen | Die Deutschen und die Polen | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 192 Seiten

Deutsches Polen-Institut / Loew / Bingen Die Deutschen und die Polen

Geschichte einer Nachbarschaft

E-Book, Deutsch, 192 Seiten

ISBN: 978-3-8062-3296-7
Verlag: wbg Theiss in Wissenschaftliche Buchgesellschaft (wbg)
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)



Seit mehr als tausend Jahren sind Polen und Deutsche Nachbarn in Europa. Ihre gemeinsame Geschichte hat Höhen und Tiefen erlebt. Die schrecklichen Ereignisse des Zweiten Weltkriegs, als von deutscher Hand Millionen Polen ihr Leben verloren, haben lange Schatten geworfen. Es dauerte Jahrzehnte, um dieses Leid zu überwinden. Heute sind Polen und Deutschland gemeinsam Mitglieder der Europäischen Union und immer mehr Menschen aus Polen ziehen nach Deutschland. Die Vergangenheit jedoch gerät zunehmend in Vergessenheit. Dabei könnte man sich an so vieles erinnern: an deutsch-polnische Kontakte im Mittelalter, an die Rolle des deutschsprachigen Danzigs als Handelszentrum im Ostseeraum, an die aus den deutschen Ländern nach Polen gewanderten Juden oder die Massenwanderung von Polen in das Ruhrgebiet Ende des 19. Jahrhunderts. Knapp, prägnant und reich illustriert wirft das vorliegende Buch Schlaglichter in eine Beziehungsgeschichte, wie sie spannender und dramatischer kaum sein könnte.
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Merkwürdige Nachbarn: Ein Vorwort
Deutsche und Polen sind merkwürdige Nachbarn: Ihre gemeinsame Geschichte haben Historiker schon sowohl als ein „tausendjähriges Ringen“ wie auch als ein kreatives Neben- und Miteinander nacherzählt. Und beides war gut begründet. Die deutsch-polnische Grenze – das Wort „Grenze“ ist übrigens eine der wenigen Entlehnungen aus dem Polnischen im Deutschen – war im 20. Jahrhundert wohl die schwierigste in Europa. Sie entstand mit der Wiedergeburt des polnischen Staates infolge der deutschen Niederlage im Ersten Weltkrieg und den anschließenden deutsch-polnischen Grenzkämpfen. Mit ihrer gewaltsamen Beseitigung am 1. September 1939 begann in Europa der Zweite Weltkrieg. Und nach der neuerlichen deutschen Niederlage wurde die neue Oder-Neiße-Grenze im Schatten des Eisernen Vorhanges zwischen Ost und West zur wunden Stelle Europas. Ihre Brisanz lässt sich daran erkennen, dass sie gleich dreimal anerkannt werden musste: 1950 unter Stalins Druck durch die DDR; dann 1970 von der Bonner Republik im Paket der „neuen Ostpolitik“, die die Berliner Mauer durchlässiger machen sollte; und schließlich 1990 durch das infolge der ostmitteleuropäischen Revolution des Jahres 1989 vereinte und nun souveräne Deutschland. Ein Vierteljahrhundert später ist diese einstige „Wunde Europas“ für Reisende kaum mehr spürbar, was noch lange nicht heißt, dass die alt-neuen Nachbarn auf beiden Ufern der Grenzflüsse bereits ein gedeihliches Biotop miteinander geschaffen haben. Sie leben zum Glück zwar nicht mehr gegen-, aber immer noch eher neben- als miteinander. Und dennoch gibt es in der tausendjährigen deutsch-polnischen Geschichte lange Linien einer tiefgreifenden deutsch-polnischen Osmose. Immerhin war die deutsch-polnische Grenze jahrhundertelang eine der ruhigsten Europas. Vom 14. bis zum 18. Jahrhundert gab es nämlich zwischen dem Heiligen Römischen Reich und der polnischen Krone keine Grenzstreitigkeiten. Das Wahlvolk hütete sich, permanent einen Habsburger zum polnischen König zu wählen, obwohl diese sich immer wieder darum bewarben. Aber das Reich wurde nie als Gefahr für die Rzeczpospolita angesehen. Es ist bezeichnend, dass die beiden jahrhundertealten föderativen Gebilde fast zeitgleich von der politischen Karte Europas ausgelöscht wurden: Polen-Litauen 1795 infolge von drei Teilungen durch Preußen, Russland und Österreich, während das Deutsche Reich fast nebenbei nach der Schlacht bei Jena von Napoleon aufgelöst wurde. So wurde im 19. Jahrhundert aus einem langen deutsch-polnischen Neben- und Miteinander die Konkurrenz zweier ungelöster europäischer „Fragen“: die der deutschen Einheit angesichts der Auflösung des Reiches und des Aufstiegs Preußens, und die der Freiheit für das fremdbestimmte Polen. Die deutsche und die polnische Frage waren eng miteinander verknüpft, da der Aufstieg Preußens mit dem Niedergang Polens zusammenhing und dies insbesondere in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in einen krassen Interessengegensatz mündete. Trotz deutscher Unterstützung für die Polen in den 1830er Jahren war der Nationalismus in Deutschland bald stärker als die Bereitschaft zum Ausgleich mit dem Nachbarn im Osten. Die Polen wurden gefeiert, solange sie sich gegen die russischen Besatzer auflehnten, doch als es galt zu überlegen, ob Preußisch-Polen wieder herausgerückt werden sollte, war den deutschen Liberalen das nationale Hemd plötzlich näher als der polnische, und überhaupt der europäische Rock. Die Vereinigung Deutschlands 1871 unter preußischen Fittichen erfolgte nicht nur im Zuge der „Vereinigungskriege“, sondern wurde auch durch die Allianz Preußens mit Russland während des nächsten polnischen Aufstandes 1863 gestützt. Die „polnische Frage“ schien in Europa in einem existentiellen Konflikt mit der „deutschen Frage“ zu liegen. Der Aufstieg der einen Nation war mit der Unterdrückung der anderen verbunden – in beide Richtungen. Die tatsächliche Gründung eines souveränen polnischen Staates war somit auch erst nach der Niederlage der Mittelmächte im November 1918 und infolge der russischen Revolution möglich. Diesmal waren die Polen auf der Siegerseite der Geschichte. Die Zwischenkriegszeit bestätigte diese fatalen deutsch-polnischen Pendelschläge. Im nationalistischen Zeitalter war ein Ausgleich zwischen ungleichen Nachbarn unmöglich. In Deutschland galt Polen weitgehend als „Saisonstaat“, in Polen Deutschland als der gefährliche „Erbfeind“. Der Hitler-Stalin-Pakt und deren gemeinsamer Überfall auf Polen 1939 schien beides zu bestätigen. Aber auch die militärische und moralische Niederlage des Dritten Reiches 1945 und die anschließende „Westverschiebung“ Polens auf Kosten Deutschlands war ein Beleg für den fatalen deutsch-polnischen Gegensatz: Entweder die einen oder die anderen … Zwei Grenzstädte an der Oder: das polnische Slubice (unten) und Frankfurt (oben). Dieser existentielle deutsch-polnische „Interessengegensatz“ der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde im Kalten Krieg in Volkspolen gar zum offiziellen geschichtsphilosophischen Glaubenssatz erhoben. Die Spaltung Deutschlands und des Kontinents liege im polnischen Interesse, weil sie das deutsche Potential vermindere, und die „ewige“ Anlehnung an die mächtige UdSSR sichere die vom westdeutschen Revisionismus bedrohte Oder-Neiße-Grenze. In der Bundesrepublik dagegen hat wohl erst der Mauerbau 1961 in Berlin der politischen Klasse den Kausalnexus der „deutschen“ und der „polnischen“ Frage nach und nach zum Bewusstsein gebracht: Eine Linderung der Folgen der deutschen Teilung – von ihrer Überwindung ganz zu schweigen – setzt die Anerkennung der polnischen Westgrenze voraus. Das war auch die Krux der neuen Ostpolitik, die nicht von ungefähr im Umfeld der Westberliner SPD und des Regierenden Oberbürgermeisters Willy Brandt entwickelt wurde. Die Ostverträge 1970 wurden zwar gemäß der „imperialen“ Hackordnung zuerst in Moskau ausgehandelt und unterschrieben, doch ihr strategisches Ziel war die größere Durchlässigkeit der deutsch-deutschen Grenze und ihr Herzstück ein Paradigmenwechsel in der deutschen Einstellung gegenüber dem polnischen Nachbarn. Die Oder-Neiße-Grenze war nur eine Chiffre dafür. Wenn Egon Bahrs Tutzinger Rede aus dem Jahre 1963 vom „Wandel durch Annäherung“ als Geburtsstunde der „neuen deutschen Ostpolitik“ angesehen wird, so muss man die bewegende Sequenz diverser Bemühungen um den deutsch-polnische Dialog, um die „Normalisierung“, wie es offiziell hieß, oder um die Versöhnung, von der Kirchenleute sprachen, als einen bahnbrechenden europäischen Prozess würdigen. Das Vierteljahrhundert von 1965 bis 1990 bedeutete in der deutsch-polnischen Nachbarschaft eine Revolution. Den Paradigmenwechsel in der gegenseitigen Wahrnehmung bewirkten nicht nur Politiker, Kirchen- oder Medienleute, sondern Musiker wie Krzysztof Penderecki, Filmemacher wie Andrzej Wajda, Theaterleute wie Erwin Axer, Schriftsteller wie Jerzy Andrzejewski oder Slawomir Mrozek, Maler und Grafiker wie Henryk Tomaszewski und wunderbare Übersetzer der deutschen Literatur ins Polnische, wie etwa Witold Wirpsza oder Egon Naganowski, oder der polnischen ins Deutsche wie der jüngst verstorbene Karl Dedecius oder Klaus Staemmler. Nicht zu vergessen die Historiker, die 1974 die heftig umstrittene Schulbuchkonferenz ins Leben riefen, die nationalistische Klitterungen korrigierte. In den 60er Jahren, als es keine diplomatischen Beziehungen zwischen Volkspolen und Westdeutschland gab, waren sie die faktischen Botschafter des Nachbarlandes. Der polnische Film, die polnische Musik, die polnische Poesie, das polnische Plakat öffneten den Westdeutschen die Tür zum Haus des Nachbarn, genauso wie das deutschsprachige Theater mit Brecht, Frisch oder Dürrenmatt, die westdeutsche Literatur mit Grass und Böll oder Philosophen wie Jaspers den Polen ein mit sich selbst haderndes Westdeutschland zeigten, das intellektuell unvergleichlich attraktiver war als die seit dem Mauerbau in 1961 in sich versunkene DDR. Die Streikwelle im August 1980 in Polen und der Ausbruch der „Solidarnosc“ wurden in Deutschland mit gemischten Gefühlen wahrgenommen. In die Bewunderung für den polnischen Widerstand von unten mischte sich bald die Befürchtung, eine sowjetische Intervention werde eine neuerliche Verschärfung des Kalten Krieges zur Folge haben und somit die Pfründe der Entspannungspolitik im innerdeutschen Verkehr gefährden. Die Einführung des Kriegszustandes in Polen im Dezember 1981 wurde demnach zwar mit Entsetzen aufgenommen, aber auch mit einer gewissen Erleichterung darüber, dass dies trotz der erneuten Ost-West-Spannung wegen des sowjetischen Einmarsches in Afghanistan nicht zu einer Verschärfung in den deutsch-deutschen Beziehungen führen würde. Wieder einmal wurde aber offenkundig, dass in Europa die „polnische Frage“, die staatliche Souveränität, mit der „deutschen Frage“, der nationalen Zusammengehörigkeit,...


Bömelburg, Hans-Jürgen
Hans-Jürgen Bömelburg, geb. 1961, ist Professor für Osteuropäische Geschichte an der Justus-Liebig-Universität Gießen und Co-Vorsitzender der Gemeinsamen Deutsch-Polnischen Schulbuchkommission.

Bingen, Dieter
Dieter Bingen, geb. 1952, ist seit 1999 Direktor des Deutschen Polen-Instituts. Er lehrt als Honorarprofessor am Institut für Politikwissenschaft der Technischen Universität Darmstadt.

Loew, Peter Oliver
Peter Oliver Loew, geb. 1967, ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Polen-Institut und lehrt am Institut für Geschichte der Technischen Universität Darmstadt.

Peter Oliver Loew, geb. 1967, ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Polen-Institut und lehrt am Institut für Geschichte der Technischen Universität Darmstadt.
Prof. Dr. Dieter Bingen, geb. 1952, studierte Politische Wissenschaft, Verfassungs-, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte und Soziologie in Bonn. Von 1999–2019 war er Direktor des Deutschen Polen-Instituts Darmstadt, seit 2004 ist er Honorarprofessor an der Hochschule Zittau/Görlitz, von 2012–2014 war er Gastprofessor an der TU Darmstadt. Seine Forschungsschwerpunkte sind polnische Zeitgeschichte, Politik und politisches System, polnische Außen- und Sicherheitspolitik sowie deutsch-polnische Beziehungen seit 1945.
Bingen ist Autor zahlreicher Veröffentlichungen, u. a. "Die Polenpolitik der Bonner Republik von Adenauer bis Kohl 1949–1991" (1998); zuletzt erschien von ihm "Denk mal an Polen. Eine deutsche Debatte" (2020, poln. 2021).
Hans-Jürgen Bömelburg, geb. 1961, ist Professor für Osteuropäische Geschichte an der Justus-Liebig-Universität Gießen und Co-Vorsitzender der Gemeinsamen Deutsch-Polnischen Schulbuchkommission.


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