Dobe / Zernikow | Rote Karte für den Schmerz | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 190 Seiten

Reihe: Carl-Auer Lebenslust

Dobe / Zernikow Rote Karte für den Schmerz

Wie Kinder und Eltern aus dem Teufelskreis chronischer Schmerzen ausbrechen

E-Book, Deutsch, 190 Seiten

Reihe: Carl-Auer Lebenslust

ISBN: 978-3-8497-8021-0
Verlag: Carl Auer Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Paula ist 12 Jahre alt. Seit vier Jahren plagen sie chronische Bauchschmerzen. Die bisher angewandten Therapien haben ihr nicht geholfen. Paula ist von einem lebenslustigen Kind zu einem stillen, leidenden Mädchen geworden – und Paulas Eltern leiden mit.

Für Kinder wie sie und deren Eltern haben Michael Dobe und Boris Zernikow dieses Buch geschrieben. Sie erklären darin in verständlicher Weise, wie Kinder, Jugendliche und Eltern den Schmerzen aktiv begegnen können.

Auf der Basis ihrer Erfahrungen aus der ambulanten und stationären Kinderschmerztherapie zeigen die Autoren Reaktionsmöglichkeiten bei akuten Schmerzzuständen auf. Viele der Tricks und Verhaltensweisen sind einfach umzusetzen; sie erfordern manchmal ein wenig Mut und Geduld, aber keine aufwändigen Hilfsmittel oder Instrumente.

Das Buch hilft Familien, trotz Schmerzen zu einem normalen Alltag zurückzufinden, in dem Lachen und ein positiver Blick in die Zukunft wieder Platz haben.
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Zielgruppe


Eltern, Therapeuten, Ärzte und Klinikpersonal, Erzieher, Lehrer

Weitere Infos & Material


Was ist Schmerz?
Klar weiß ich, was Schmerzen sind. Sonst wäre ich wohl kaum hier auf der Station! Sarah, 16 Jahre In diesem Kapitel gehen wir darauf ein, dass Schmerzen zum einen ein Warnsignal darstellen können (akuter Schmerz); zum anderen gibt es jedoch Schmerzen, die diese Warnfunktion verloren haben (chronischer Schmerz). Anschließend erklären wir, wie es dazu kommt, dass ein Schmerz chronisch wird. Begriffe wie »Schmerzsensibilisierung« und »Schmerzgedächtnis« werden erläutert. Einige erklärende Hinweise darauf, wie Schmerzen im Gehirn verarbeitet werden, sowie viele Beispiele runden das Kapitel ab. Akuter Schmerz
Autsch, blöder Tisch! Julian, 8 Jahre Jeder hat in seinem Leben schon Erfahrungen mit Schmerzen gesammelt. In den meisten Fällen ist der Schmerz vorübergehender Natur und tritt im Rahmen einer Prellung, Verletzung oder Entzündung auf. Solche Schmerzen nennt man übrigens »akut«: Der Schmerzauslöser ist hier also eine äußere oder innere Schädigung des Körpers. Unser Gehirn ist dafür zuständig, dass wir bei einer Verletzung oder Erkrankung Schmerz empfinden. Verbrennt man sich die Hand auf einer heißen Herdplatte, wird das Verletzungssignal über die Nerven der Hand zum Rückenmark und von dort zum Gehirn weitergeleitet. Unser Gehirn versucht nun, das eintreffende Signal in das bewusste Wahrnehmen zu »übersetzen«. Damit unser Gehirn den genauen Schmerzort bestimmen kann, hat es eine Art »Schmerzzentrum« ausgebildet, das unseren gesamten Körper wie eine Landkarte abbildet. Dieser Teil des Gehirns wird auch somato-sensorischer Kortex genannt. Er ist mit einem ganzen Netzwerk von verschiedenen Bereichen des Gehirns verbunden und selbst in viele kleine Bereiche unterteilt. Jeder Teilbereich in diesem Schmerzzentrum steht in Verbindung mit einem Teil unseres Körpers. Je wichtiger ein Körperteil für unseren Alltag ist und je komplexer die Aufgaben sind, die wir mit ihm erledigen, desto größer ist auch der Platz, den dieser Körperteil auf der »Landkarte« im Gehirn erhält. So wird ein Schmerzsignal von der Hand in denjenigen Teil des Schmerzzentrums geleitet, der für die Hand zuständig ist. Zusammen mit anderen Gehirnregionen löst der zuständige Teil des Schmerzzentrums dann das Schmerzgefühl und das Zurückziehen der Hand aus. Das wird über motorische Reflexe des Rückenmarks vermittelt, oft noch bevor unser Bewusstsein den Schmerz richtig realisiert hat. Viele Kinder wünschen sich, dass ihre Schmerzen für immer verschwinden und sie überhaupt keine Schmerzen mehr fühlen müssen. Das wäre aber sehr ungünstig. Man würde sich z. B. mit einem Messer schneiden, es gar nicht merken und sich womöglich noch mehr verletzen. Oder mit einem verletzten Bein weiter Fußball spielen. Um uns davor zu schützen, gibt es den Schmerz. Er weist uns darauf hin, dass etwas nicht stimmt und wir besser überprüfen sollten, was genau die Ursache für den Schmerz ist. Auch bei unserem Herdplatten-Beispiel hat der Schmerz eine klare Warn- und Schutzfunktion. Er sagt uns: »Zieh die Hand von der Herdplatte weg, sonst fügst du dir schwere Schäden zu.« Damit wir die Möglichkeit haben, der Ursache schnell auf den Grund zu gehen, sollten wir sehr genau bestimmen, wo und wie stark es wehtut. Normalerweise stellt sich dann bald heraus, dass die von uns wahrgenommene Schmerzstärke gut zu der Schmerzursache passt. So tut z. B. ein kleiner Nadelstich weniger weh als ein Tritt gegen das Schienbein. Zudem weiß die soziale Umgebung (also etwa Eltern, Verwandte, Freunde, Lehrer) in der Regel sehr genau, wie man am besten auf den Schmerz reagiert. Ein Beispiel aus der Zeit, als wir noch alle Jäger und Sammler waren und in Höhlen gelebt haben, soll dies verdeutlichen. Der Jäger Uga und sein Freund Aga schultern ihre Speere und Äxte, um auf die Mammutjagd zu gehen. In den schneebedeckten Weiten der Steppe können sie schon von weitem die Geräusche der großen Tiere ausmachen. Als sie sich an ein Tier abseits der Herde heranschleichen, hören sie ein lautes Knurren. Ein Säbelzahntiger stürzt sich auf Uga und beißt ihn ins Bein, sie können ihn aber zur Strecke bringen. Aga stützt Uga auf dem Weg zurück ins Lager, damit die Wunde nicht weiter aufgeht. Im Lager wird Ugas Bein mit Wasser ausgespült, mit heilenden Kräutern bedeckt und notdürftig verbunden. Uga wird getröstet und muss bei der nächsten Jagd pausieren, weiß aber aus Erfahrung, dass die Verletzung heilen wird. Sorgen machen sich er und die anderen nicht. Die Schmerzen werden weitestgehend ignoriert, da der tägliche Überlebenskampf die volle Aufmerksamkeit der Frauen und Männer beansprucht. Auch wir in der heutigen Zeit handeln bei akuten Schmerzen intuitiv und ohne zu überlegen meist richtig. Wir pusten dem Kind auf die Brandblase, nehmen es kurz in den Arm und sagen, dass es gleich besser werden wird. Wir ermahnen es, seine Hand für die Dauer der Verletzung zu schonen und verwöhnen es als Ausgleich für die Schmerzen und die empfundene Beeinträchtigung ein wenig. All das sind sinnvolle und richtige Verhaltensweisen im Umgang mit akuten Schmerzen. Chronischer Schmerz
Dummes Gehirn, anstatt den Schmerz zu lernen, sollte es mir lieber in der Schule helfen. Jessica, 9 Jahre In unabhängigen Untersuchungen wurde in verschiedenen Ländern festgestellt, dass etwa 15 bis 20 Prozent aller Kinder und Jugendlichen mindestens einmal pro Woche über Bauch-, Kopfoder Rückenschmerzen klagen. Wenn diese Schmerzen an mindestens 15 Tagen im Monat über drei Monate hinweg auftauchen, spricht man von chronischem Schmerz. Bei den meisten betroffenen Kindern kann glücklicherweise im weiteren Verlauf eine schwerwiegende oder entzündliche Erkrankung (z. B. Rheuma, Bandscheibenvorfall, ein Tumor oder eine entzündliche Darmerkrankung) als Schmerzursache ausgeschlossen werden. Dennoch werden bei etwa drei bis vier Prozent der Kinder oder Jugendlichen die Schmerzen so schlimm, dass man von einer Schmerzerkrankung oder Schmerzstörung spricht. Diese Kinder und Jugendlichen haben fast dauernd Schmerzen. Die meisten Kinder und Jugendlichen berichten zudem über Konzentrationsschwierigkeiten aufgrund der Schmerzen und über Probleme, sich im Alltag von den Schmerzen ablenken zu können. Meist gelingt das während der Lieblingsbeschäftigungen noch am besten. Die meisten haben Angst, dass mit ihrem Körper etwas nicht stimmen und es möglicherweise etwas »Schlimmes« sein könnte. Die Eltern sind häufig besorgt und genervt zugleich, wenden sich die Kinder in ihrer Hilflosigkeit doch meist an ihre Eltern. Es kommt vermehrt zu Schulfehlzeiten, Alltags-, Freizeit- sowie Familienaktivitäten werden vermieden. In der Folge wird ein Teil der knappen Familienzeit dafür aufgewandt, Ärzte oder andere Behandler aufzusuchen. Gibt es Geschwister, fühlen sich diese nicht selten vernachlässigt. Kinder und Jugendliche mit chronischen Schmerzen sind mehr gefährdet, eine psychische Störung zu entwickeln, als Kinder und Jugendliche ohne chronische Schmerzen. Vor allem Ängste, Schulprobleme und Depressionen können die Folge von unzureichend behandelten chronischen Schmerzen sein. Andererseits gibt es Studien, die darauf verweisen, dass vorbestehende Ängste, Depressionen, familiäre Nöte und Streitigkeiten die Auftretenswahrscheinlichkeit von Schmerzen erhöhen. Auch Überängstlichkeit der Eltern oder das Vorkommen von chronischen Schmerzen bei mindestens einem Elternteil erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass das Kind ebenfalls chronische Schmerzen entwickelt. Was chronischen Schmerz von akutem Schmerz unterscheidet Chronischer Schmerz klingt nicht wieder ab: Im Gegensatz dazu gehen akute Schmerzen erfahrungsgemäß meist schnell oder bei Entzündungen und Verletzungen wenigstens mit der Zeit wieder zurück. Selten lassen sich eindeutige Auslöser feststellen: Häufig scheint bei chronischem Schmerz Stress eine Rolle zu spielen, und wenn die Laune im Keller ist, klagen die Kinder und Jugendlichen meist über etwas stärkere Schmerzen. Aber ein Auslöser, den man sehen oder messen kann, wie bei akutem Schmerz, fehlt meist bei chronischem Schmerz. Der chronische Schmerz hat anscheinend keine Warn- oder Schutzfunktion: Wenn ein Schmerz immer (wieder) da ist, und das über einen längeren Zeitraum (und dies nicht in Verbindung mit einer sichtbaren oder messbaren Entzündung oder Verletzung steht), gibt es offenbar nichts, wovor er warnt. Abgesehen davon würden unbehandelte Entzündungen oder Verletzungen mit der Zeit entweder stärkere Schmerzen verursachen – oder abklingen, wenn sie von selbst ausgeheilt sind. Die wahrgenommene Schmerzstärke hat demzufolge meist wenig, häufig gar nichts mehr mit einer Verletzung oder Entzündung zu tun: Das, was das Kind oder der Jugendliche an Schmerzen empfindet, ist also losgelöst von einer körperlichen Ursache zu betrachten. Der Schmerz hat sich...


Michael Dobe, Dr. rer. medic., ist Leitender Psychologe am Deutschen Kinderschmerzzentrum an der Vestischen Kinder- und Jugendklinik in Datteln und in eigener Praxis tätig. Er ist ausgebildeter Familien-, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut und Traumatherapeut; 2006 erhielt er den Stefan-Engel-Wissenschaftspreis der Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin; 2010 wurde er für die Entwicklung einer neuen Methodik durch die Deutsche Gesellschaft zur Psychologischen Schmerztherapie und Schmerzforschung ausgezeichnet. Zudem ist er als Dozent in der Fort- und Ausbildung im Bereich der Kinderschmerz- und Traumatherapie tätig.

Boris Zernikow, Prof. Dr. med., ist Chefarzt des Deutschen Kinderschmerzzentrums an der Vestischen Kinder- und Jugendklinik Datteln – Universität Witten/Herdecke. 2008 erhielt er einen Ruf auf den Lehrstuhl für Kinderschmerztherapie und Pädiatrische Palliativmedizin der Universität Witten/Herdecke. Er ist Herausgeber mehrerer Fachbücher und wurde mit zahlreichen Auszeichnungen für seine Verdienste in der Kinderschmerztherapie gewürdigt.


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