Doherty | Tod auf der Themse | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 5, 268 Seiten

Reihe: Bruder Athelstan

Doherty Tod auf der Themse

Historischer Kriminalroman

E-Book, Deutsch, Band 5, 268 Seiten

Reihe: Bruder Athelstan

ISBN: 978-3-95530-839-1
Verlag: Edel Elements - ein Verlag der Edel Verlagsgruppe
Format: EPUB
Kopierschutz: Kein



Winter 1379: Sir John Cranstone, Coroner der Stadt London, muß sich mit einer Serie geheimnisvoller Diebstähle in den Häusern reicher Handelsherren beschäftigen. Gleichzeitig bereitet Athelstan, Dominikaner und Schreiber des Sir John, ein Mysterienspiel in seiner Gemeinde vor. All das wird plötzlich unwichtig, als mehrere englische Schiffe, die im Auftrag des Königs französische Küstenorte ausgeplündert habe, um die Staatskasse aufzufüllen, in der Themse vor Anker gehen. Der Tod eines Kapitäns, zwei weitere Morde und drei spurlos verschwundene Seeleute stellen Sir John und Athelstan vor eine beinahe unlösbare Aufgabe. Im Zuge ihrer Nachforschungen stoßen sie auf Skandale, Intrigen und sogar Hochverrat. Als französische Kriegsschiffe für die englische Piraterie Rache üben wollen, wird es lebensgefährlich …
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  Bruder Athelstan saß am Küchentisch seines kleinen Pfarrhauses von St. Erconwald in Southwark und starrte mißgelaunt ins Feuer. Er hatte die Frühmesse gelesen, hatte mit Hilfe der Kurtisane Cecily die Kirche geputzt und mit Tab, dem Kesselflicker, über ein paar Töpfe gesprochen, die repariert werden mußten. Dann hatte er sich von der Witwe Benedicta verabschiedet, weil sie für ein paar Tage auf die andere Seite der Themse zu einer Verwandten wollte, die kurz vor der Niederkunft stand. Athelstan erhob sich und rührte in dem Porridge, der in einem schwarzen Kessel über den Flammen kochte. Dann schaute er sich nach Bonaventura um, dem großen, einäugigen Kater, der geduldig auf dem Tisch saß und sich zierlich putzte, nachdem er die Nacht über in den Gassen rings um die Kirche auf der Jagd gewesen war. »Gleich ist es fertig, Bonaventura. Heiße Hafergrütze mit Milch, dazu Zimt und Zucker. Benedicta hat sie selbst zubereitet, bevor sie ging. Sie wird köstlich schmecken. In der kommenden Woche werden wir frühstücken wie die Könige.« Der Kater gähnte und starrte diesen seltsamen Dominikaner, der dauernd mit ihm sprach, mit arroganter Miene an. Athelstan wischte den Hornlöffel ab, hängte ihn an seinen Haken, streckte sich und gähnte. »Ich hätte ins Bett gehen sollen«, murmelte er. Statt dessen war er auf den Kirchturm geklettert, um die Sterne zu betrachten, und mit ehrfürchtigem Staunen hatte er den feurigen Fall eines Meteors beobachtet. Er setzte sich wieder an den Tisch und trank einen Schluck von seinem verdünnten Ale. »Warum nur?« fragte er Bonaventura. »Sag es mir, du gerissenster unter den Katern. Warum fallen Meteore vom Himmel, aber Sterne nicht? Oder«, fuhr er fort, als er sah, daß der Kater ihm aufmerksam zuhörte, »sind Meteore herabfallende Sterne? Und wenn sie es sind, was veranlaßt den einen und nicht den anderen Stern herabzufallen?« Der Kater blinzelte mit seinem gesunden Auge. »Und das Problem wird noch verwickelter«, sagte Athelstan. »Ich will es einmal so ausdrücken. Warum bewegen sich manche Sterne? Das Sternbild, das man den Großen Bären nennt, tut es zum Beispiel, aber der Stern der Schiffe, der Polarstern, tut es nie.« Zur Antwort miaute Bonaventura laut und ließ sich auf den Tisch plumpsen, als verzweifle er ob des langen Wartens auf seine morgendliche Schale Hafergrütze. Athelstan lächelte und streichelte dem Kater sanft über das zerfranste Ohr. »Sollen wir überhaupt Fragen stellen?« flüsterte er. »Oder sollen wir die großen Wunder Gottes nur staunend betrachten?« Seufzend wandte er sich wieder dem Pergament zu, das er am Abend zuvor studiert hatte. Es zeigte eine rohe Grundrißzeichnung seiner Kirche. Der Gemeinderat in seiner Weisheit hatte entschieden, am Namenstag des Pfarrheiligen im Kirchenschiff ein Mysterienspiel aufzuführen. Athelstan legte jetzt eine Liste der Dinge an, die man dazu brauchen würde. Thomas Drawsword, ein neues Mitglied der Gemeinde, hatte sich bereit erklärt, einen großen Karren zu beschaffen, der als Bühne dienen konnte, aber sie würden noch mehr benötigen. Athelstan studierte seine Liste: Zwei Teufelsmäntel Ein Hemd Drei Masken Flügel für die Engel Drei Trompeten Eine Höllenpforte Vier kleine Engel Nägel Zu guter Letzt: eine große Plane für den Hintergrund. Das Stück hieß Das Jüngste Gericht, und Athelstan bereute inzwischen, daß er das Unternehmen mit solcher Begeisterung in Angriff genommen hatte. »Wir werden zuwenig Flügel haben«, murmelte er. »Und Engel mit nur einem Flügel, das geht nicht.« Er stöhnte. All das war nichts im Vergleich zu den Streitereien darüber, wer welche Rolle spielen sollte. Watkin, der Mistsammler, bestand darauf, Gott zu sein, aber Pike, der Grabenbauer, machte ihm diese Rolle erbittert streitig. Dieser Kleinkrieg hatte auch auf ihre Kinder übergegriffen, die sich über die Frage zankten, wer die vier guten und die vier bösen Geister und die sechs Teufel spielen dürfe. Watkins wuchtige Frau, deren Stimme den Messingklang einer Posaune hatte, verkündete, sie werde Unsere Liebe Frau darstellen. Tab, der Kesselflicker, drohte, sich ganz aus dem Festspiel zurückzuziehen, wenn er keine Hauptrolle bekäme. Huddle, der Maler, war zwar über solches Gezänk erhaben, aber er hatte eigene Probleme. Es machte ihm einige Mühe, einen überzeugenden Höllenschlund zu malen. »Der vordere Teil des Karrens muß erhöht werden, Pater«, beharrte er, »so daß die Verdammten, wenn sie durch das Höllenmaul gehen, abwärts verschwinden.« Athelstan warf seinen Federkiel auf den Tisch. »Weißt du, wen wir brauchen, Bonaventura?« sagte er. »Sir John Cranston. Er hat versprochen, daß seine Zwillinge, die beiden Kerlchen, als Cherubim herumtappen dürfen, und Sir John selbst würde einen wunderbaren Satan abgeben.« Athelstan hielt inne und starrte an die rußgeschwärzte Holzdecke. Cranston! Vor drei Tagen hatte Athelstan ihn besucht und in seiner großen Küche gesessen, während die beiden Kerlchen quiekend vor Lachen umhergetollt waren. Sie hatten sich an die Schwänze der großen Irischen Wolfshunde gehängt, die Cranston in einem Anfall von Großzügigkeit in sein Haus aufgenommen hatte. Dem Aufruhr zum Trotz war der Coroner, befaßt mit der Kleinarbeit der städtischen Verwaltung, bester Stimmung gewesen, aber er hatte doch, angeregt vom reichlich genossenen Rotwein, eine düstere Prophezeiung abgegeben: Ein schrecklicher Mord, irgendeine blutige Tat, werde sie schon bald heimsuchen. Athelstan konnte ihm nur beipflichten; das Leben war ziemlich ruhig und angenehm gewesen, seit er und Sir John vor einigen Monaten das Verbrechen im Rathaus aufgeklärt hatten. Athelstan wärmte sich die Hände am Feuer. Er war froh, daß der Winter nahte. Die Ernte war gut gewesen. Die Preise für Getreide und Brot waren gesunken, und infolgedessen war die brodelnde Unzufriedenheit in der Stadt ein wenig zurückgegangen. Die Gefahr des Aufruhrs war gewichen, obwohl Athelstan wußte, daß sie sich nur verbarg wie ein Saatkorn im Boden, das darauf wartete zu sprießen. Er seufzte; man konnte nur hoffen, beten und sein Bestes tun. »Komm, Bonaventura«, sagte er. »Laß uns essen.« Er nahm zwei große Schüsseln vom Bord über dem Kamin, löffelte heiße, dampfende Hafergrütze hinein und trug sie in die Speisekammer. Genau nach Benedictas Anweisungen bestreute er die beiden Schüsseln mit Zimt und Zucker und kehrte dann in die Küche zurück. Die eine Schüssel stellte er für den stets hungrigen Kater vor den Herd. Athelstan segnete sich selbst und Bonaventura, griff nach seinem Hornlöffel und fing an, die nahrhafte, kochendheiße Hafergrütze zu essen. Er hatte seine Schüssel eben leergegessen – das heißt, er ließ Bonaventura die letzten Reste ausschlecken –, als er draußen Getöse hörte; schnelle Schritte und eine Stimme, die schrie: »Zuflucht! Christus, erbarme dich!« Athelstan stürzte aus dem Haus und lief zur Vorderseite der Kirche. Ein junger Mann mit bleichem Gesicht und starren Augen unter dichtem Blondhaar umklammerte den großen Eisenring an der Kirchentür. »Zuflucht, Pater!« keuchte er. »Pater, ich verlange Kirchenasyl! Im Namen Gottes und Seiner Kirche!« »Warum?« fragte Athelstan. »Mord!« antwortete der junge Mann. »Aber, Pater, ich bin unschuldig!« Der Priester musterte den Mann aufmerksam; sein dickes Wams aus Serge, die flaschengrüne Wollhose und die Lederstiefel waren mit Dreck und Kot bedeckt. »Pater!« flehte der Mann. »Sie werden mich töten!« Athelstan hörte schnelle Schritte und die leisen Rufe der Verfolger weiter hinten in der Gasse. Er zog seine Schlüssel hervor und schloß die Tür auf. Der Flüchtling stürzte das dunkle Kirchenschiff hinauf und durch den neuen Lettner, den Huddle geschnitzt und aufgestellt hatte. Er klammerte sich an eine Ecke des Altars und schrie: »Ich bitte um Zuflucht! Zuflucht!« Athelstan, gefolgt von dem stets neugierigen Bonaventura, ging ihm nach. Der Mann saß jetzt mit dem Rücken an den Altar gelehnt und hatte die Beine vor sich ausgestreckt; er rang nach Atem und wischte sich mit dem Ärmel seines Wamses über das schweißnasse Gesicht. »Ich fordere Asyl!« keuchte er. »Nun, dann sollt Ihr es bekommen, wie das Gesetz der Kirche es befiehlt«, antwortete Athelstan leise. Er wandte sich dem Lärm hinter ihnen zu. Ein Trupp dunkler Gestalten, mit Knüppeln und Schwertern bewaffnet, stand hinten in der Kirche. »Bleibt stehen«, rief Athelstan und trat durch den Lettner. »Was wollt ihr?« »Wir suchen den Mörder, den Meuchler, Nicholas Ashby«, knurrte eine Stimme. »Dies ist das Haus Gottes«, sagte Athelstan und trat vor. »Master Ashby hat um Zuflucht gebeten, und ich habe sie ihm gewährt, wie es das kanonische Recht und der Brauch des Landes erfordern.« »Scheiß drauf!« antwortete die Stimme. Die Gestalten kamen durch das Kirchenschiff nach vorn. Athelstan verbarg seine Panik und wich nicht zurück. Sie trugen die fleckige, rot-weiße Livree irgendeines Lords und wurden von einem vierschrötigen, schnurrbärtigen Mann angeführt. Drohend kamen sie auf ihn zu, die Schwerter gezückt, die Knüppel in den Händen. Athelstan betrachtete ihre gelben Lederwämse und die engen Hosen mit den vorgewölbten Hosenlätzen; er sah die Schwert- und Dolchscheiden, die an ihren Gürteln baumelten, und die Art, wie sie ihre Mäntel hinter sich herzogen. Er sah, daß es Raufbolde waren,...


Paul Charles Doherty, geb. 21. September 1946 in Middlesbrough, als viertes von neun Kindern. Seine Schulzeit absolvierte er in einem katholischen Internat. Anschließend jobbte er mit geringem Erfolg als Müllmann, Straßenkehrer, Busfahrer, Kellner und Knecht Ruprecht. Danach wollte er Priester werden, verwarf dies aber nach drei Jahren und studierte dann Geschichte in Liverpool und Oxford, wo er auch seine Frau Carla, eine Amerikanerin, kennenlernte. Nach dem Studium unterrichtete er in Berkeshire, Nottinghamshire und West Sussex und wurde 1981 zum Leiter der Trinity Catholic Highschool ernannt.


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