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E-Book

E-Book, Deutsch, 288 Seiten

Drabble Mühlstein

Roman

E-Book, Deutsch, 288 Seiten

ISBN: 978-3-03820-895-2
Verlag: Dörlemann
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Rosamunde macht sich nicht viel aus der Liebe. Die wohl einzige Jungfrau im London der Swinging Sixties hätte zwar mehr als genug Gelegenheiten fu?r heiße Affären, sitzt aber lieber u?ber den Bu?chern. Und ausgerechnet sie wird nach einem mäßigen One-Night-Stand schwanger. Im ersten Schreck versucht sie die Angelegenheit mit Gin und einem heißen Bad zu beenden. Doch alles geht schief, und der Abend endet in einem großen Besäufnis.Rosamunde schafft es nicht, sich gegen das Kind zu entscheiden. Na gut, dann zieht sie es eben allein auf. Auch wenn das Leben als ledige Mutter wohl nicht einfach werden wird.Nicht in ihren ku?hnsten Träumen hätte sie fu?r möglich gehalten, sich so ru?ckhaltlos in ihre kleine Tochter zu verlieben. Als diese lebensbedrohlich erkrankt, lernt die eher hasenfu?.ige Rosamunde sich von einer komplett anderen Seite kennen.

DAME MARGARET DRABBLE (OBE), Lady Holroyd, geboren 1939 in Sheffield, hat zahlreiche Romane, Erzählungen und Sachbu?cher veröffentlicht und wurde fu?r ihr Werk mehrfach ausgezeichnet, u. a. mit dem John Llewellyn Rhys Memorial Prize fu?r The Millstone. Dame Margaret Drabble ist die kleine Schwester von A. S. Byatt, Mutter dreier Kinder und lebt mit ihrem zweiten Ehemann, dem Biografen Sir Michael Holroyd, in London und Somerset.
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Ich habe niemandem erzählt, dass George der Vater meines Kindes ist. Die Leute wären sehr erstaunt gewesen, denn er hatte mein Leben so beiläufig gestreift, dass kaum jemand wusste, dass ich ihn überhaupt kannte. Sie hätten mich bestimmt gefragt, ob ich mir auch sicher wäre. Ich war mir sicher, denn ich hatte einen untrüglichen Beweis für Georges Vaterschaft: Er war der einzige Mann, mit dem ich jemals geschlafen hatte – und das auch nur einmal. Die Sache war von Anfang bis Ende vom Zufall bestimmt gewesen, und was mich in all diesen schmerzlichen Monaten tatsächlich am schmerzlichsten empörte, war ebendiese absolute Unwahrscheinlichkeit des Ganzen. Schließlich war ich nicht im Geringsten darauf aus gewesen – ich hatte es genauso viel oder wenig gewollt wie alle anderen, die es je erwischt hat. Man liest immer diese beruhigenden Geschichten von Frauen, die jahrelang nicht schwanger werden, aber es gibt natürlich auch die anderen Geschichten, die ich immer ignorieren wollte wegen ihres unüberhörbar verbitterten Untertons von Strafe und Vergeltung, ihrer Assoziation mit scharlachroten Buchstaben1 und ihrer Detailbeflissenheit bei der Aufdeckung der schmählichen Tat, die an Auge-um-Auge und Bunyan erinnerte. Heutzutage neigt man eher dazu, diese Geschichten als Ausgeburten unterdrückter Fantasien abzutun. Es ist außerordentlich schwer, jemanden davon zu überzeugen, dass es überhaupt möglich ist, beim allerersten Mal schwanger zu werden – obwohl es ja merkwürdig wäre, wenn es nicht so sein könnte. Wie auch immer: Ich weiß, dass es möglich ist, weil es mir selbst passiert ist – wie in der besten Moralpredigt für junge Mädchen beschworen. Und leider gab es genug Kräfte in mir, die nur allzu bereit waren, darin eine Bestrafung zu sehen. Eigenartigerweise betrachtete ich es nie als Strafe für jenen einen Abend mit George, sondern für all die anderen Abende der Enthaltung mit Hamish und seinen Nachfolgern. Ich war eines Verbrechens schuldig. Aber es war ein ganz neues Verbrechen, eins unseres Jahrhunderts, und nicht das alte, traditionelle Verbrechen von Gier und Leidenschaft. Mein Verbrechen war das Misstrauen, die Furcht, die panische Angst vor Sex. Ich mochte Männer und war seit Jahren immer entweder gerade verliebt oder nicht mehr verliebt gewesen. Aber der Gedanke an Sex ließ mir das Blut in den Adern gefrieren. Je länger ich mich enthielt, und je mehr ich darüber hörte und las, dass ich mich nicht enthalten sollte, desto ängstlicher wurde ich. Es muss die körperliche Sache selbst gewesen sein, die mir so viel Angst bereitete, denn gegen ihre sozialen Auswirkungen hatte ich eigentlich keine Bedenken. Mein Name in Registern zwielichtiger Hotels oder als Gesprächsstoff auf nächtlichen Partys – davor fürchtete ich mich nicht, auch nicht vor den gefühlsmäßigen Erschütterungen, die sie begleiten sollten. Es war der Akt selbst, den ich mir weder vorstellen noch selbst vollziehen konnte. Bis zu einem bestimmten Punkt konnte ich gehen – und nicht weiter. Ich habe versucht, alle möglichen Gründe für meine seltsame Eigenheit zu finden – die übergesunde, geschäftsmäßige Atmosphäre in meiner Familie, meine Isolation als Kind (aufgrund intellektueller Überlegenheit), mein selbstsüchtiger, selbstschützender Hass gegen Bevormundung –, aber keiner dieser eingebildeten Gründe konnte erklären, warum sich meine keusche Abneigung so unwahrscheinlich hartnäckig hielt. Natürlich machte mich das sehr unglücklich, genauso unglücklich, wie es die Mädchen auf der letzten Seite der Frauenmagazine gemacht hätte, denn wie sie genoss ich es, verliebt zu sein und auf der Türschwelle geküsst zu werden, und wie sie hasste ich die Einsamkeit. Dazu kam, dass ich mein eigenes Verhalten noch nicht einmal gutheißen konnte; als Kind meiner Zeit wusste ich, wie irregeführt und töricht ich war. Der scharlachrote Buchstabe auf meiner Brust war bald für jedermann sichtbar, aber das E stand für Enthaltung, nicht für Ehebruch. Am Ende glaubte ich, dass die Strafe nichts anderem als meinem langen Zaudern und Zögern galt. Wäre ich mit achtzehn voll überschäumender Leidenschaft einfach gedankenlos hineingeschlittert wie andere Mädchen, wäre ich wohl glimpflicher davongekommen. Im Herzen Viktorianerin, musste ich nun die viktorianische Strafe erleiden. Glücklicherweise erlitt ich ihren beschämenderen Teil heimlich. Niemand hat je erfahren, wie verkorkst mein Sexualleben war, und niemand – nicht einmal die Männer, die ich hinters Licht führte – hätten geglaubt, dass ich immer noch Jungfrau war. Abgesehen von Hamish natürlich: Er war der Erste und wusste es genau. Doch selbst Hamish muss angenommen haben, dass ich später doch dazu kam – genau wie er. (Er ist inzwischen verheiratet und hat zwei Kinder.) Ich brauchte jedoch nicht lange, um zu erkennen, dass ich nicht alles haben konnte; wenn ich bei meiner Enthaltung bleiben wollte, würde ich etwas anderes dafür opfern müssen. Es dauerte etwas länger, bis ich herausgefunden hatte, was ich von anderen am meisten brauchte, und erst nach einigen traurigen Erfahrungen kam ich zu dem Schluss, dass es etwas gab, auf das ich keinesfalls verzichten konnte, und zwar Gesellschaft. Nach vielen Versuchen und Fehlschlägen gelang es mir schließlich, ein hervorragendes System aufzubauen, das – wie ich fand – Fairness gegenüber anderen mit dem größtmöglichen Nutzen für mich selbst verband. Mein System funktionierte ungefähr ein Jahr lang, und solange es funktionierte, war es sehr befriedigend. Noch jetzt kommt mir diese Zeit vor wie eine weit entfernte, romantische Idylle. Ihr Geheimnis war Folgendes: Ich ging mit zwei Männern gleichzeitig aus, mit Joe Hurt und Roger Anderson. Joe dachte, ich würde mit Roger schlafen, und Roger dachte, ich schliefe mit Joe. Auf diese Weise gelang es mir, von beiden genau so viel Aufmerksamkeit zu erhalten, wie ich ertragen konnte – gelegentliches Händchenhalten im Kino zum Beispiel –, ohne mich ihrem ritterlichen, sexuellen Eifer aussetzen zu müssen, der sie – hätten sie die Wahrheit gekannt – schon um der Ehre willen dazu getrieben hätte, mich zu verführen und in die wahren Freuden des Lebens einzuweihen. Offensichtlich hatte keiner von ihnen besonders großes Interesse an mir, sonst hätten sie sich mit diesem Arrangement gar nicht erst zufrieden gegeben. Alles, was ich zu opfern hatte, war also Interesse und Liebe. Auf diese Dinge konnte ich gut verzichten. Sowohl Joe als auch Roger schliefen mit anderen Mädchen, nehme ich an. Von Joe sagte man, dass er bereits irgendwo eine Frau habe. Roger aber hat wahrscheinlich, wenn ich es mir recht überlege, eher seine sexuellen von seinen sozialen Interessen getrennt. Roger war in mancher Hinsicht ein ziemlich scheußlicher junger Mann. Er verkörperte alles, was meine Eltern mich zu verachten und zu verurteilen gelehrt hatten. Er war ein reicher Tory, ein Buchhalter aus guter Familie, und ganz der Typ, der eindeutig eine Karriere vor sich hatte, die er allerdings eher seiner Persönlichkeit als seinen Fähigkeiten verdanken konnte. Er hatte viele Angewohnheiten, die meine Eltern als ›vulgär‹ bezeichnet hätten, die es aber eigentlich nicht waren, es sei denn, man hätte das Wort umgedeutet. In der Öffentlichkeit sprach er zum Beispiel sehr laut, er war unhöflich zu Kellnern, die ihn warten ließen, oder zu Leuten, die ihm erzählen wollten, wie er sein Auto zu parken hatte. Er war nicht unintelligent und hatte die – zweifellos mit seinem Beruf zusammenhängende – Fähigkeit, die wichtigsten Punkte eines Buches oder eines Theaterstückes herauszufiltern, ohne es ganz durchzulesen oder genau zuzuhören. Die Schroffheit seiner Urteile gefiel mir, denn sie war nicht von Unwissenheit, sondern von Ungeduld und Unbefangenheit geprägt. Er mochte mich, glaube ich, weil ich gute Manieren hatte, gesprächig und ein praktisches Mitbringsel war, am meisten jedoch deshalb, weil ich aus einem verwegenen, zwielichtigen literarischen Milieu stammte; das entsprach seinem Wunsch, die Welt gründlich kennenzulernen. Er wiederum sprach natürlich genau den gleichen Wunsch in mir an; es faszinierte mich, dass es solche Leute gab. Ihm gefiel die Vorstellung, dass ich mit Joe Hurt schlief, denn das verlieh mir in seinen Augen einen besonders verwegenen Status. Er hatte ein glattes Gesicht und trug hübsche Anzüge, dieser Roger. Sein Gesicht war wie das eines Kindes, rein und gepflegt, warm durch eine kühle, innere Wärme. Joe wiederum gefiel merkwürdigerweise die Vorstellung, dass ich mit Roger schlief, obwohl er Roger nicht ausstehen konnte und ihn mir gegenüber häufig mit wortgewandten, brutalen Schmähreden bedachte. Joe war ganz das Gegenteil von Roger, allein schon, was die Beschaffenheit seiner Haut anging: Wo Roger glatt war, war Joe so schrecklich zerfurcht, vernarbt und verfallen, als hätte er die Pocken gehabt. Joe sah fürchterlich aus; er war 1,85 m groß und hatte einen schleppenden Gang – sicherlich ursprünglich Produkt seiner Minderwertigkeitskomplexe, jetzt jedoch ein Zeichen seiner geradezu unverschämten Launenhaftigkeit. Er war auf abstoßende Weise attraktiv: Auf den ersten Blick hielt man ihn für den hässlichsten Mann, den man je gesehen hatte, aber im Handumdrehen ertappte man sich dann bei einer fast schmerzlichen Bewunderung all der Ecken und Kanten seiner außergewöhnlichen Schönheit. Als Junge war er zweifellos mit einer durch nichts gemilderten, erdrückenden Hässlichkeit geschlagen gewesen, und er hatte sich aus jener Epoche einige aggressive Verteidigungsstrategien bewahrt. Zu der Zeit aber, als ich ihn kennenlernte, musste er sich seiner...


Drabble, Margaret
DAME MARGARET DRABBLE (OBE), Lady Holroyd, geboren 1939 in Sheffield, hat zahlreiche Romane, Erzählungen und Sachbu¨cher veröffentlicht und wurde fu¨r ihr Werk mehrfach ausgezeichnet, u. a. mit dem John Llewellyn Rhys Memorial Prize fu¨r The Millstone. Dame Margaret Drabble ist die kleine Schwester von A. S. Byatt, Mutter dreier Kinder und lebt mit ihrem zweiten Ehemann, dem Biografen Sir Michael Holroyd, in London und Somerset.

Erckenbrecht, Irmela
IRMELA ERCKENBRECHT, geboren 1958, u¨bersetzte unter anderem Michael Frayn, Edna O'Brien, Vita Sackville-West und Jane Smiley. Sie lebt in der Nähe von Göttingen.

DAME MARGARET DRABBLE (OBE), Lady Holroyd, geboren 1939 in Sheffield, hat zahlreiche Romane, Erzählungen und Sachbu¨cher veröffentlicht und wurde fu¨r ihr Werk mehrfach ausgezeichnet, u. a. mit dem John Llewellyn Rhys Memorial Prize fu¨r The Millstone. Dame Margaret Drabble ist die kleine Schwester von A. S. Byatt, Mutter dreier Kinder und lebt mit ihrem zweiten Ehemann, dem Biografen Sir Michael Holroyd, in London und Somerset.


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