Drexler | Ererbte Wunden erkennen (Fachratgeber Klett-Cotta) | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 128 Seiten

Reihe: Fachratgeber Klett-Cotta

Drexler Ererbte Wunden erkennen (Fachratgeber Klett-Cotta)

Wie Traumata der Eltern und Großeltern unser Leben prägen

E-Book, Deutsch, 128 Seiten

Reihe: Fachratgeber Klett-Cotta

ISBN: 978-3-608-12051-6
Verlag: Klett-Cotta
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Was ist transgenerationale Traumatisierung?

- Eine innovative Hilfe für Menschen, die ein übertragenes Trauma bei sich vermuten
- Aussagekräftige Beispiele
- Zahlreiche Übungen zur Selbststabilisierung, auch zum Download

Unbewältigte Traumata, sei es aufgrund von Krieg, Flucht und Vertreibung, sei es aufgrund individueller seelischer Wunden durch Missbrauch und Vernachlässigung, können in gravierendem Ausmaß auf die Folgegeneration übertragen werden. Was wissenschaftlich inzwischen gut erforscht ist, haben zahlreiche Nachkommen Traumatisierter selbst erfahren.

Für viele stellen sich deshalb Fragen wie:

- Leide ich an einem übertragenen Trauma?
- Was versteht man unter posttraumatischer Belastungsstörung?
- Wie ist die Weitergabe von Traumata erklärbar?
- Gibt es Hilfe bei übertragenen seelischen Wunden?

Katharina Drexler, die sich seit vielen Jahren mit diesem Thema befasst und einen eigenständigen, erfolgreichen Behandlungsansatz dazu entwickelt hat, gibt hier einen allgemein verständlichen Überblick.

Dieses Buch richtet sich an:

- Menschen, die sich von den traumatischen Erlebnissen ihrer Vorfahren belastet fühlen
- Kriegsenkel, Nachkriegskinder
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4. Was ist eine Traumafolgestörung?
In einer traumatischen Situation geraten wir unmittelbar in einen Überlebensmodus. Entwicklungsgeschichtlich alte Hirnareale übernehmen in diesem Zustand die Führung über unser Handeln. Höhere Gehirnleistungen werden hingegen gedämpft. Das macht in der akuten Situation Sinn, denn diese primitiveren Hirnareale reagieren ungleich schneller. Später aber können, wie wir sehen werden, hierdurch Probleme entstehen. Diesen Überlebensmodus teilen wir mit anderen Säugetieren. Daher möchte ich auch die Funktionsweise des Gehirns in traumatischen Situationen zunächst in diesen Kontext stellen. In einer traumatischen Situation geht es zunächst darum, um sein Leben zu rennen oder, wenn das nicht möglich ist, zu kämpfen, also auf der Ebene der Reflexe und Intuition blitzschnell zu handeln. Wenn wir plötzlich einem Raubtier gegenüberstehen, nutzt uns das im Großhirn gespeicherte Wissen über seine Lebensräume, seine durchschnittliche Größe und Lebenserwartung nichts. Zudem ist das Großhirn so langsam, dass entscheidende Zeit verloren ginge in diesem Nachdenken und wir längst gefressen würden. Wenn wir weder fliehen noch kämpfen können, »frieren« wir »ein«. Oft kommt es nach vorheriger Puls- und Blutdruckerhöhung dann zu einem Abfall von beidem. In der Tierwelt dient der Totstellreflex der Täuschung des Raubtieres. Vielleicht hält das Raubtier das gejagte Tier für tot und frisst es als vermeintliches Aas nicht, vielleicht verliert das Raubtier aber auch die Fährte, da es vor allem Bewegung visuell wahrnimmt. Der Körper empfindet in diesem Zustand kaum noch Schmerzen. So ist auch das möglichst schmerzarme Sterben ein Sinn des Einfrierens. Das Gehirn funktioniert in diesem Notmodus, in dem es nur ums Überleben oder möglichst schmerzarme Sterben geht, nicht vollständig. Die Hirnareale, die sonst zusammenhängende Erinnerungen ermöglichen, sind heruntergefahren. Unter anderem wird hierdurch die räumliche und zeitliche Erfassung der Situation gestört. Emotionen sowie akustische, visuelle, vom Geruchs- oder Berührungssinn herkommende Sinneseindrücke können fragmentiert, also in unzusammenhängenden Erinnerungsstücken gespeichert werden. Sie sind in der Folge häufig nicht zusammenhängend erinnerbar. Wir können uns vorstellen, dass unser Gedächtnis in einer solch existenziell bedrohlichen Situation nicht mehr in der Lage ist, die einzelnen Erlebnisse zu einem Ganzen zusammenzufügen, sondern wie bei einem Spiegel, der zerspringt, viele Splitter entstehen. Da diese Splitter nicht zusammengesetzt werden können, bleiben sie zustandsspezifisch wie in der traumatischen Situation selbst. Kommt es zu einer unwillkürlich auftretenden Nachhallerinnerung, einem Flashback, werden diese zersplitterten Erinnerungen wieder lebendig. Es fühlt sich für die Betroffenen an, als erlebten sie das traumatische Ereignis in diesem Moment, hier und jetzt erneut. Durch die Drosselung der höheren Funktionen des Gehirns im Rahmen des traumatischen Erlebnisses geht die Zeitachse verloren. Die entwicklungsgeschichtlich älteren Hirnareale, die in dieser Situation die Führung übernommen haben, kennen nur ein Jetzt, kein Gestern oder Morgen. Wenn alles in mir sich noch so anfühlt, als geschehe das Schreckliche gerade jetzt, ist die Erholung nach einem traumatischen Ereignis erschwert. Ich kann nicht realisieren, dass die Gefahr überstanden ist. So sind das Aufatmen und Krafttanken kaum möglich. Während der Anpassungsphase nach einem traumatischen Ereignis ist es normal, erschüttert zu sein, vorübergehend schlechter zu schlafen, auch mal aus einem Albtraum aufzuschrecken und viel Schutz und Trost zu benötigen. Häufig kommt es zu einer Anpassungsreaktion, die in der Regel einige Stunden bis Tage anhält. Gute Chancen, mithilfe unserer Selbstheilungskräfte zu genesen, haben wir, wenn wir ein einmaliges potenziell traumatisches Ereignis erlebt haben, wir etwas überlebt haben, das nicht persönlich gemeint war, wie einen Unfall oder eine Naturkatastrophe, wir erwachsen sind, das Ereignis keine Langzeitfolgen für uns mit sich bringt, wir also keinen Menschen, das Zuhause oder das soziale Umfeld verloren haben durch das Ereignis und wir nach dem traumatischen Ereignis Erfahrungen von Trost und Geborgenheit machen können. Offenbar spielen bei der Verarbeitung auch unsere Träume eine große Rolle. Was wir in unseren Träumen bearbeiten, ist am nächsten Tag bereits weniger schlimm. Es kann hilfreich sein, vertrauten Menschen oder auch BeraterInnen im Rahmen einer Krisenintervention das Erlebte erzählen zu dürfen, denn hierdurch können sich zersplitterte Eindrücke zu einem Ganzen fügen, aus dem Unsäglichen kann etwas Erzählbares, ein sogenanntes Narrativ werden. So kann das Geschehen auch wieder in einen zeitlichen Zusammenhang gestellt werden. Wichtig ist hierbei, einen Menschen, der ein traumatisches Ereignis überlebt hat, nicht zu drängen zu erzählen. Für manchen ist es hilfreicher, nicht zu sprechen. Vor allem ist von großer Bedeutung, nach einem so erschütternden Erlebnis Geborgenheit und Sicherheit zu erfahren. Hierdurch wird möglich zu vergegenwärtigen, dass das Ereignis vorbei ist, dass es überlebt wurde und nicht mehr im Hier und Jetzt geschieht. Eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) kann sich in unmittelbarem Anschluss an ein Ereignis entwickeln oder auch mit zum Teil mehrjähriger Verzögerung. Die Betroffenen leiden unter unwillkürlich sich aufdrängenden Gedanken und Erinnerungsfragmenten an das Geschehen, sogenannten Intrusionen, bis hin zum Flashback oder auch unter Erinnerungslücken, partiellen Amnesien. Häufig finden wir Symptome der Übererregung wie Schreckhaftigkeit, Schlafstörungen, Reizbarkeit oder Konzentrationsstörungen. Andere scheinen eher im Totstellreflex festzuhängen, indem sie Symptome der Untererregung zeigen wie Interesseverlust, sozialen Rückzug, innere Teilnahmslosigkeit und emotionale Taubheit. Häufig werden Trigger vermieden, das sind Auslöser, die an die traumatische Situation erinnern. Wenn ich beispielsweise einen Autounfall überstanden habe, kann es sein, dass ich zur Vermeidung unwillkürlich auftauchender Nachhallerinnerungen in kein Auto mehr steige. Viele Menschen, die an einer Posttraumatischen Belastungsstörung leiden, entwickeln zusätzlich Angststörungen, Depressionen, Suchterkrankungen oder psychosomatische Erkrankungen. Alkohol-, Tabletten- oder Drogenmissbrauch stellen nicht selten einen verzweifelten Selbstbehandlungsversuch dar, wenn die Symptomatik als unerträglich empfunden wird. Nach besonders schwerer, anhaltender oder chronischer Traumatisierung, insbesondere im Kindesalter, kann sich eine komplexe Posttraumatische Belastungsstörung entwickeln. Neben den oben genannten Symptomen leiden Menschen mit einer komplexen PTBS häufig unter dissoziativen Symptomen, d. h., sie stehen plötzlich wie neben sich, erleben sich selbst oder ihre Umwelt als unwirklich. Viele haben Probleme im Umgang mit ihren Gefühlen oder Impulsen. Sie tun sich beispielsweise schwer damit, Ärger, Wut oder Trauer angemessen zu äußern. Ihnen fehlt die Fähigkeit, sich selbst zu beruhigen, sodass sie entweder unangemessen heftig reagieren oder, im Gegenteil, alles tun, um die Affekte zu unterdrücken. Häufig werden sie gequält von Scham- und Schuldgefühlen. Nicht selten sind sie tief verzweifelt und hoffnungslos. Die Beziehung zu anderen Menschen ist aufgrund der schlechten Erfahrungen geprägt von Misstrauen. Es gilt umso mehr, den Entschluss, sich dennoch in eine Therapie zu wagen, besonders zu würdigen. Die meisten haben den Eindruck, nur wenig Einfluss auf ihr Leben zu haben. Das Gefühl von Selbstwirksamkeit zurückzuerlangen ist daher ein wesentlicher Wirkfaktor in der Therapie. Je persönlicher ich mit dem traumatischen Ereignis gemeint war, umso größer ist die Gefahr, ein verändertes Menschen- und Weltbild zu entwickeln. Wenn ein Mann seine Frau vergewaltigt, mag sie den Glauben an das Gute im Menschen generell verlieren und die Welt als einen gefährlichen und feindlichen Ort begreifen. Ein Kind, das von den Eltern misshandelt wird, hat kaum eine Chance, daran zu glauben, dass diese Welt Geborgenheit und Schutz bietet. Meiner Erfahrung nach gibt es zumindest bei den Menschen, die so weit überlebt haben, dass sie sich als Erwachsene in meine therapeutische Behandlung begeben konnten, hilfreiche andere, deren...


Drexler, Katharina
Katharina Drexler, Dr. med., Fachärztin für Psychiatrie und Fachärztin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie; Ausbildungen in tiefenpsychologischer sowie psychoanalytisch-systemischer Psychotherapie und EMDR; Supervisorin für Traumatherapie (EMDRIA/ DeGPT); nach oberärztlicher Tätigkeit ist sie seit 2000 in eigener Praxis in Köln niedergelassen. >> Zu Katharina Drexlers Homepage: www.katharina-drexler.de

Katharina Drexler, Dr. med., Fachärztin für Psychiatrie und Fachärztin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie; Ausbildungen in tiefenpsychologischer sowie psychoanalytisch-systemischer Psychotherapie und EMDR; Supervisorin für Traumatherapie (EMDRIA/ DeGPT); nach oberärztlicher Tätigkeit ist sie seit 2000 in eigener Praxis in Köln niedergelassen.

>> Zu Katharina Drexlers Homepage: www.katharina-drexler.de


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