Dreyer | Orte der Varuskatastrophe | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 128 Seiten

Dreyer Orte der Varuskatastrophe

Der historisch-archäologische Führer

E-Book, Deutsch, 128 Seiten

ISBN: 978-3-8062-0104-8
Verlag: wbg Theiss in Wissenschaftliche Buchgesellschaft (wbg)
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)



750 Orte zur Varuskatastrophe – und kein Ende? Das Buch stellt die wahrscheinlichsten Theorien zum Untergang der Varusarmee vor und beschreibt durch eine Synopse von literarischen Quellen und aktuellen archäologischen Funden den Weg dieser Armee in den Untergang. Dabei werden moderne Örtlichkeiten und Museen ebenso beschrieben wie die Hauptakteure und historischen Zusammenhänge, welche die römische Okkupation, die römische Präsenz in Germanien und die römischen Rückeroberungsversuche lebendig nachvollziehbar werden lassen. Zahlreiche Orte, an denen die römisch-germanischen Auseinandersetzungen und ihre Rezeption thematisiert werden, wie z.B. Detmold, Kalkriese, Haltern, Anreppen, Hedemünden, Waldgirmes, Rödgen und Xanten, werden besonders vorgestellt.
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Autoren/Hrsg.


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1. Historische Zusammenhänge
und Aktionsorte der Hauptpersonen
Arminius
Die Hauptperson auf germanischer Seite ist sicherlich Arminius (s. Abb. 1). Sein Nachruhm steht im diametralen Gegensatz zu den verlässlichen Nachrichten über sein Leben (P. Kehne 2009), besonders für die Zeit vor und nach der „Kernzeit seines Wirkens“ zwischen 9 und 16 n. Chr. Die verlässlichsten Informationen bietet Tacitus anlässlich der schon angeführten Gesamtwürdigung im zweiten Buch der „Annalen“ (Tac. Ann. 2,88,2): „Er wurde 37 Jahre alt, für 12 Jahre hatte er die Führung inne, und noch bis heute wird er bei den barbarischen Stämmen besungen.“ Probleme ergeben sich dann, wenn es darum geht, diese Zahlen richtig anzusetzen. Tacitus bietet diese Notiz über Arminius unter dem Jahr 19 n.Chr., im Zusammenhang mit dem Bericht über das Schicksal des Marbod nach der Vertreibung aus seinem Königreich, nachdem er im Kampf gegen die Koalition des Arminius den Kürzeren gezogen hatte. Da alle Ereignisse in Germanien nach dem römischen Rückzug auf den Rhein Ende 16 n. Chr. weder räumlich noch zeitlich exakt einzuordnen sind, haben wir auch hier Schwierigkeiten, das Todesjahr als Ausgangspunkt der Rechnung des Tacitus korrekt anzusetzen. Arminius’ Tod wird sich wohl zwischen 19 und 21 n. Chr. ereignet haben. Dann ist er zwischen 19 und 17 v. Chr. geboren worden (das Jahr Null hat es nicht gegeben). Bei inklusiver Rechnung, die bei antiken (römischen) Kalkulationen immer möglich ist, wäre er zwischen 18 und 16 v. Chr. geboren. Diese Alternative führt jedoch für seine Dominanz unter den germanischen Stämmen zu unwahrscheinlichen Daten. Aber auch bei exklusiver Rechnung scheiden einige Möglichkeiten eher aus: So erscheint das Jahr 19 n. Chr. als Todesjahr eher unwahrscheinlich, weil er dann im Jahr 7 n. Chr. die Führung der germanischen Stämme übernommen hätte, als die römische Herrschaft noch fest etabliert war. Folglich haben sich das Jahr 21 und das Jahr 20 als Todesdatum etabliert, die beide auf das Jahr 9 bzw. 8 n. Chr. zurückführen, als Arminius nach seiner Rückkehr nach Germanien die Führung der Stämme übernahm (H. von Petrikovits 1966). Er ist in eine adlige Familie der Cherusker, der „Hirschleute“, hineingeboren worden, die zwischen Weser und Elbe siedelten. Seine Familie war mit anderen adligen Familien des Stammes verbunden, welche die Geschehnisse auf germanischer Seite in den entscheidenden Jahren maßgeblich bestimmten: Die Familie hatte zu jenen führenden Familien gehört, die sich im Jahre 8 v. Chr. zusammen mit den Adligen der anderen Stämme zwischen Rhein und Weser Tiberius unterworfen hatten, als dieser seinem verstorbenen Bruder im Oberkommando über die Rheinlegionen nachfolgte. Als Unterpfand der Treue hatten diese Familien junge Familienmitglieder zu stellen – so auch die beiden Söhne des Segimer, die später Flavus und Arminius genannt wurden. Die Römer behandelten die Geiseln in der Regel gut, denn sie waren darauf angewiesen – gerade in Gegenden, in denen halbnomadische Stammesgesellschaften, auch wenn sie unterworfen waren, sonst kaum kontrolliert werden konnten –, dass privilegierte Kommunikationspartner mit großem Einfluss in diesen Gebieten die Interessen Roms wahrnahmen. Man hatte also um diese jungen Geiseln zu werben, sie von den Vorteilen die römischen Lebensweise zu überzeugen. Ebendiese geschah auch mit Arminius und seinem Bruder, der vermutlich den Weg nach Rom fanden und römisch erzogen wurden. Zur Erziehung gehört die Rhetorik, die Arminius später in den heimatlichen Versammlungen den Standesgenossen überlegen machte. Beide Brüder schienen sich voll und ganz der römischen Kultur ergeben zu haben, wenn man von den römischen Namen her Rückschlüsse vornehmen darf, obwohl die Herkunft des Namens Arminius (< Armenius?) nicht sicher geklärt werden kann. Außerdem sprachen sie Latein und dienten im Heer. Velleius Paterculus, der äußert, dass er Arminius aus dem Militärdienst persönlich kannte, wird ihn höchstwahrscheinlich im Rahmen der Tiberiuskommandos zwischen 5 und 8 n. Chr. kennengelernt haben. Es ist also durchaus möglich, dass er ihm bereits in Germanien, nach dem immensum bellum begegnet ist. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass ein Zusammentreffen erst später, im Rahmen des abgebrochenen Angriffs auf das Marbodreich und dann während des Pannonischen Aufstandes 6 bis 9 n. Chr., stattgefunden hat. Velleius, eine unserer wichtigsten Quellen über diese Zeit, wusste daher, dass Arminius für einen Germanen ungewöhnlich intelligent war (Vell. Pat. 2,118,2). Seine Darstellung ist stark vom typisch römischen Überlegenheitsgefühl gegenüber Barbaren und vom Wissen um die Niederlage des Jahres 9 n. Chr. geprägt. „Es gab damals einen jungen Mann aus vornehmem Geschlecht, der tüchtig im Kampf und rasch in seinem Denken war, ausgestattet mit einem beweglicheren Geist als er den Barbaren üblicherweise eigen ist. Er hieß Arminius und war der Sohn des Segimer, eines Fürsten jenes Volkes. In seiner Miene und in seinen Augen spiegelte sich sein feuriger Geist.“ Arminius konnte wie sein Bruder militärische Erfahrung sammeln. Gerade die Erfahrungen als Rekrut und dann als Befehlshaber einer Auxiliareinheit in Pannonien waren folgenreich, da er die Schwächen einer römischen Armee im Partisanenkampf unter ungünstigen geographischen und klimatischen Bedingungen studieren konnte. Gegen Ende des Pannonischen Aufstandes, als die Niederwerfung nur noch eine Frage der Zeit war, wurde Arminius etwa im Jahre 8 n. Chr. versetzt, vermutlich nach Xanten. Er hatte inzwischen eine wichtige Funktion zu übernehmen, als Nachkomme einer adligen Familie des wichtigsten der unterworfenen Stämme rechts des Rheins. Die Cherusker sollten einen ähnlichen privilegierten Status erhalten wie die Haeduer im von Caesar besiegten Gallien oder später die Remer in der Belgica. Er wurde Verbindungsmann im Stabe des Varus, des neuen Oberkommandeurs in Germanien, der seit 7 n. Chr. einen neuen, verschärften Kurs der Provinzialisierung in den geplanten germanischen Provinzen durchführen sollte. Inzwischen hatte sich aber in Germanien angesichts des neuen Kurses, der die sanftere Politik der Lockungen ablöste, viel Unzufriedenheit angestaut. Wem würde Arminius folgen, dem Ruf der Landesgenossen oder dem nahezu magnetischen Sog seiner Karriere in römischen Diensten? Er gehörte im Jahre 8 n. Chr. zum römischen Establishment, nachdem er von Augustus in den Ritterstand erhoben worden war. Bei seiner Rückkehr an den Rhein führte er als ritterlicher Präfekt eine Auxiliareinheit, in der eigene Landsleute vor allem seines Stammes, aber auch benachbarter Stämme Aufnahme fanden. In dieser Funktion war er wohl in Xanten stationiert. Hier dienten die Auxilien als ortserfahrene Einheiten, die zugleich als Unterpfand der Treue von den unterworfenen Stämmen eingezogen worden waren. Derartige Maßnahmen sollten die noch junge römische Herrschaft unterstützen, da sich die Kontrolle der germanischen Stämme zumindest direkt nach der Unterwerfung aufgrund der geographischen und klimatischen Bedingungen als besonders schwierig erwies. In Xanten war die römische Armee (mit etwa drei Legionen) in der Nähe der Mündung der Lippe in den Rhein stationiert. Das Legionslager befand sich auf dem Fürstenberg, den Augustus zwischen 16 und 12 v. Chr. als idealen Ort ausersehen hatte. In der Nähe gründete später Kaiser Trajan (98–117 n. Chr.) eine Kolonie (Colonia Ulpia Traiana [CUT]), die in der mittleren Kaiserzeit nach Köln (Colonia Claudia Ara Agrippinensium) und Trier (Augusta Treverorum) zur drittgrößten Stadt nördlich der Alpen avancierte. Arminius hatte in Xanten eine besondere Rolle als Berater der römischen Vertreter in Germanien übernommen. Er wurde zur Vertrauensperson des Varus, der ab 7 n. Chr. den Oberbefehl über die niedergermanische Armee in Xanten und in den anvisierten germanischen Provinzen übernommen hatte, zusammen mit Asprenas als Legaten in Mainz mit mindestens zwei Legionen. Varus vertraute ihm mehr als allen anderen Germanen in seiner Umgebung, die ihn auch wegen ihrer persönlichen Feindschaft gegenüber Arminius warnen wollten – mit fatalen Auswirkungen im Jahre 9 n. Chr. Varus
Als Varus auf Befehl des Augustus in Germanien das Oberkommando übernahm, hatte er nicht nur eindeutige Aufträge im Gepäck und eine lange erfolgreiche Karriere hinter sich. Er befand sich auch in einer wichtigen Stellung, da er nunmehr in einem noch nicht vollständig herrschaftlich erschlossenen und durchorganisierten Gebiet mit nicht weniger als fünf Legionen über eine große Macht verfügte. Es handelte sich um eine Vorzugsposition, die Augustus nach der Etablierung seiner Monarchie in der Regel nur Mitgliedern seiner Familie zu gewähren gewillt war. Seit 27 v. Chr. hatte er nach dem Sieg im Bürgerkrieg seine umfassende militärische Macht zum Ausbau einer auf Dauer ausgerichteten...


Dreyer, Boris
Boris Dreyer studierte von 1989 bis 1995 die Fächer Geschichte und Latein auf Lehramt an der Universität zu Köln. Er wurde im Sommersemester 1997 mit einer Arbeit zur Geschichte des frühhellenistischen bzw. spätklassischen Athen (322 bis ca. 230 v. Chr.) an der Universität Göttingen promoviert (veröff. 1999). Von 1996 bis 1998 war er daselbst Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Althistorischen Seminar, anschließend Assistent und Oberassistent. Die Habilitation erfolgte 2003 mit der Arbeit Die römische Nobilitätsherrschaft und Antiochos III. (205 bis 188 v. Chr., veröff. 2007). 2003/4 war er Stipendiat am Center for Hellenic Studies der Harvard University und 2005 research fellow am Institute for Advanced Study am Institute for Advanced Study in Princeton, NJ. Als Heisenbergstipendiat lehrte er seit September 2005 an der Universität Frankfurt/M. Im Sommersemester 2007 vertrat er in Frankfurt den Lehrstuhl. Seit August 2008 war er außerplanmäßiger Professor an der Universität Göttingen. Im Oktober 2009 nahm er den Ruf auf die Professur für Alte Geschichte an der Universität Erlangen-Nürnberg an, die er zum 1. April 2010 antrat. Schwerpunkte in seinen Forschungen lagen in der klassisch-griechischen, hellenistischen und der römischen Geschichte, der Verfassungsgeschichte in der Antike, der römischen und griechischen Historiographie und griechischen Epigraphik sowie in den römisch-germanischen Beziehungen.

Boris Dreyer studierte von 1989 bis 1995 die Fächer Geschichte und Latein auf Lehramt an der Universität zu Köln. Er wurde im Sommersemester 1997 mit einer Arbeit zur Geschichte des frühhellenistischen bzw. spätklassischen Athen (322 bis ca. 230 v. Chr.) an der Universität Göttingen promoviert (veröff. 1999). Von 1996 bis 1998 war er daselbst Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Althistorischen Seminar, anschließend Assistent und Oberassistent. Die Habilitation erfolgte 2003 mit der Arbeit Die römische Nobilitätsherrschaft und Antiochos III. (205 bis 188 v. Chr., veröff. 2007). 2003/4 war er Stipendiat am Center for Hellenic Studies der Harvard University und 2005 research fellow am Institute for Advanced Study am Institute for Advanced Study in Princeton, NJ. Als Heisenbergstipendiat lehrte er seit September 2005 an der Universität Frankfurt/M. Im Sommersemester 2007 vertrat er in Frankfurt den Lehrstuhl. Seit August 2008 war er außerplanmäßiger Professor an der Universität Göttingen. Im Oktober 2009 nahm er den Ruf auf die Professur für Alte Geschichte an der Universität Erlangen-Nürnberg an, die er zum 1. April 2010 antrat. Schwerpunkte in seinen Forschungen lagen in der klassisch-griechischen, hellenistischen und der römischen Geschichte, der Verfassungsgeschichte in der Antike, der römischen und griechischen Historiographie und griechischen Epigraphik sowie in den römisch-germanischen Beziehungen.


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