Dröge / Glauser | Digitalisierung der Wissensarbeit | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 268 Seiten

Dröge / Glauser Digitalisierung der Wissensarbeit

Interdisziplinäre Analysen und Fallstudien

E-Book, Deutsch, 268 Seiten

ISBN: 978-3-593-44447-5
Verlag: Campus Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Macht Technik die menschliche Arbeit irgendwann überflüssig? Die Frage ist alt, stellt sich heute aber auf neue Weise. Denn es sind auch Berufe aus dem Feld der Wissensarbeit betroffen, die lange als geschützt galten. Algorithmen und künstliche Intelligenz dringen in Bereiche vor, in denen bisher menschliche Analysefähigkeiten unverzichtbar waren. Aber daneben passieren auch viele subtile Veränderungen, mit denen die Digitalisierung die Gestalt und Bedeutung von Wissensarbeit nachhaltig verändert. Dieser Band spürt solchen Verschiebungen nach: Er verknüpft Überlegungen aus Soziologie, Betriebswirtschaftslehre und Arbeitspsychologie mit Fallstudien zur Arbeitswelt.
Dröge / Glauser Digitalisierung der Wissensarbeit jetzt bestellen!

Weitere Infos & Material


Einleitung7
Kai Dröge und Andrea Glauser
I Soziologische, arbeitspsychologische und betriebswirtschaftliche Perspektiven
Arbeit, Wissen, Digitalisierung – eine soziologische Annäherung19
Kai Dröge
Zur Digitalisierung und Algorithmisierung von Arbeit im Kontext wissensbasierter Organisationen34
Peter Kels
Face-to-Face-Kommunikation in der digitalen Arbeitswelt48
Andrea Glauser
Auswirkungen des digitalen Wandels auf Wissensarbeitende aus arbeits- und organisationspsychologischer Perspektive59
Leila Gisin, Jens O. Meissner und Philipp Ott
Digitaler Wandel der Wissensarbeit – betriebswirtschaftliche Perspektiven86
Ulrich Egle und Markus Hodel
Digitalisierung des Controllings – Analysen mit dem Reifegradmodell »DigiCon«109
Ulrich Egle, Imke Keimer und Markus Gisler
II Fallstudien
Zwischen demokratischem Engagement und Reputationsschaden – zum Gebrauch sozialer Medien durch Nichtregierungsorganisationen123
Chantal Magnin
Neue Möglichkeiten der Ressourcenbeschaffung in Start-ups durch die Digitalisierung 142
Markus Hodel und Franziska Kohler
Virtuelle Teams: Auswirkungen der Digitalisierung auf die Zusammenarbeit, Kommunikation und Führung158
Franziska Kohler
»Wie eine authentische Person, die hier lebt« – über die Arbeit von Airbnb-Hosts171
Kai Dröge
Digitalisierung der öffentlichen Hand: Wandel der Arbeit in Gemeinden und Kantonen193
Ludwig Zurbriggen
Wo die Gäste zu Sterntools greifen und die Könige sich nicht immer wie solche benehmen: Hotels und ihr Personal im digitalen Kundenvisier 217
Marianne Rychner und Andrea Glauser
Karriere und Networking in digitalen Businessnetzwerken – am Beispiel LinkedIn 233
Peter Kels und Laura Hämmerle
Automatenverkauf – vom Wandel der Bankberatung in Zeiten der Digitalisierung 250
Christiane Schnell
Autorinnen und Autoren 267


Arbeit, Wissen, Digitalisierung – eine soziologische Annäherung
Kai Dröge Technologische Umbrüche in der Wirtschafts- und Arbeitswelt haben die Soziologie immer schon beschäftigt. In gewisser Hinsicht kann man sagen, dass die Entstehung dieser Disziplin wesentlich mit einem solchen Umbruch zusammenhängt: Im 18. und 19. Jahrhundert hat die industrielle Revolution die westlichen Gesellschaften tiefgreifend verändert. Die Städte wuchsen, das Bürgertum wurde reich und gewann politisch an Einfluss, die Arbeiterschaft hingegen lebte vielfach in großer Armut und Abhängigkeit. Es wurde immer deutlicher, dass eine rein wirtschaftliche Sicht auf diese Umbrüche zu kurz griff. Vielmehr mussten auch die gesellschaftlichen Auswirkungen mit in Betracht gezogen werden, um die sozialen Probleme angehen zu können. Die neu entstandene Disziplin der Soziologie hat genau dies zu einer ihrer wichtigsten Aufgaben gemacht. Heute ist vielfach die Rede davon, dass wir uns in Zeiten einer neuen industriellen Revolution befinden, deren wichtigster Motor die Digitalisierung ist.1 Die Soziologie verfolgt auch diesen Wandel in ihrer Forschung intensiv mit und leuchtet seine sozialen und kulturellen Dimensionen aus. In dem vorliegenden Beitrag geht es vor allem um den Wandel der Arbeit im Kontext der Digitalisierung, mit einem besonderen Fokus auf der Wissensarbeit. Für die soziologische Sichtweise ist Arbeit weit mehr als ein Mittel zur Existenzsicherung. Arbeit strukturiert die Biografie (Ausbildung, Erwerbsphase, Ruhestand) sowie den Wochen- und Tagesablauf, und sie kann Sinn vermitteln: In der (Erwerbs-)Arbeit können wir uns als Subjekte erleben, die einen wertvollen Beitrag zu einem arbeitsteiligen Gesamtzusammenhang erbringen, deren Wissen und Fähigkeiten also gebraucht werden und gesellschaftlich anerkannt sind (Honneth 2008). Arbeit hat so eine zentrale Bedeutung sowohl für die eigene Identität und das Selbstwertgefühl als auch für den gesellschaftlichen Status. Außerdem spielen Arbeit und Leistung in den Gerechtigkeitsvorstellungen unserer Gesellschaft eine zentrale Rolle. Allerdings hat die Zentralität der Arbeit in unserer Gesellschaft auch Schattenseiten: Arbeit wird zu einem Zwang, dem sich viele Menschen auch dann unterwerfen müssen, wenn die Bedingungen schlecht sind, wenn die Tätigkeit nicht den Fähigkeiten und Wünschen entspricht, wenn der eigene Beitrag nicht wertgeschätzt wird, wenn die Belastung die Ressourcen aufzehrt etc. Vor diesem Hintergrund haben technologische Umbrüche wie die Digitalisierung immer ein doppeltes Gesicht: Einerseits droht die Technologie, unsere eigene Arbeitsleistung zu entwerten, uns überflüssig und nutzlos zu machen – mitsamt der Gefahren der sozialen und ökonomischen Deklassierung, des Statusverlusts und der Identitätskrisen. Andererseits aber verspricht der technologische Fortschritt auch eine Entlastung vom Zwang zu Arbeit und ihren Schattenseiten. Wenig befriedigende Routinetätigkeiten sollen von den Maschinen übernommen werden, der Mensch sich auf die interessanteren Aufgaben konzentrieren, die weniger belastend sind und seine Kreativität und Schöpfungskraft wirklich fordern. Klassischerweise ist die Wissensarbeit ein solcher Ort. Die spezifische Kombination von Fachwissen, analytischen Fähigkeiten und kreativer Problemlösungskompetenz galt lange als nicht durch Technik substituierbar. Inwiefern das zukünftig noch so sein wird, ist in der Forschung jedoch umstritten (Hays et al. 2017; Misik 2017; Boes/Kämpf/Gül et al. 2016), denn die Digitalisierung verändert auch das Verständnis davon, was eigentlich als Wissensarbeit angesehen wird. Durch Fortschritte in der computergestützten Datenanalyse, algorithmischen Mustererkennung und künstlichen Intelligenz gelten viele Tätigkeiten, für die in der Vergangenheit spezifisch menschliche Analysefähigkeiten und Formen der Wissensaneignung unverzichtbar erschienen, nun als Routineaufgaben, die weitgehend automatisiert werden können (Crouch 2018: 187; Dengler/Matthes 2015). Ein erster Schwerpunkt dieses Beitrages wird sich genauer mit dem durch die Digitalisierung ausgelösten Wandel der beruflichen Landschaft und seinen sozialen Auswirkungen beschäftigen. Im zweiten Teil wird dann das Wechselspiel zwischen technologischen, sozialen und kulturellen Entwicklungsdynamiken in den Blick genommen. Nur wenn man diese gesellschaftliche Einbettung des technologischen Wandels angemessen berücksichtigt, lässt sich abschätzen, welche der aktuellen Zukunftsprognosen zu den digitalen Umbrüchen in der Arbeitswelt letztlich Realität werden könnten. 1Werden wir ersetzbar? Beruflicher Wandel und Digitalisierung
Der Wandel der beruflichen Landschaft durch die Digitalisierung ist ein Thema, das in den letzten Jahren vielfach wissenschaftlich untersucht wurde und auch in der öffentlichen Debatte große Befürchtungen ausgelöst hat. Immer wieder ist die Rede davon, dass ein beträchtlicher Teil der heutigen Berufe verschwinden werde – teils ersetzt durch Roboter, künstliche Intelligenz und digitalisierte Geschäftsprozesse, teils bis zur Unkenntlichkeit umgestaltet. In der Folge könnte die globale Arbeitslosigkeit im Jahr 2050 bis zu 24 Prozent betragen (heute durchschnittlich elf Prozent), schätzen die Expertinnen und Experten des internationalen Millennium-Projektes, an dem auch die deutsche Bertelsmann-Stiftung beteiligt ist (Daheim/Wintermann 2016). »Apple, Google und Facebook erzielen zusammen so viel Umsatz wie früher die drei größten amerikanischen Autokonzerne – doch sie brauchen dafür nur ein Zehntel der Mitarbeiter.« (Hagelüken 2018) Maßgeblich angestoßen wurde diese Debatte durch eine Untersuchung von Carl Benedict Frey und Michael A. Osborne (2013) von der Universität Oxford, in der sie für über 700 Berufe in den USA detailliert analysiert haben, inwiefern diese durch die Fortschritte in der Digitalisierung überflüssig werden könnten. Ihre Schlussfolgerungen sind dramatisch: Die sogenannten Risikoberufe, deren Ersetzbarkeit in den nächsten ein bis zwei Jahrzehnten wahrscheinlich scheint, machen demnach rund die Hälfte (47 Prozent) des gesamten heutigen Beschäftigungsvolumens der Vereinigten Staaten aus. Ein weiteres wichtiges Ergebnis ihrer Studie war, dass im Unterschied zu vergangenen technologischen Umbrüchen und Automatisierungswellen die Digitalisierung nicht nur gering qualifizierte Tätigkeiten ersetzt. Auch viele Berufe mit einem mittleren Qualifikationsniveau und aus der Wissensarbeit sind betroffen – beispielsweise in der betrieblichen Sachbearbeitung, im Verkauf und in anderen qualifizierten Dienstleistungstätigkeiten. Als relativ geschützt werden dagegen künstlerisch-kreative Berufe angesehen und solche, die eine hohe soziale Kompetenz erfordern, beispielsweise im gehobenen Management oder in der sozialen Arbeit, aber auch in direkt personenbezogenen Dienstleistungen wie etwa dem Friseurwesen oder der Kranken- und Altenpflege. Diese drastischen Prognosen haben die wissenschaftliche, aber auch die politische und gesellschaftliche Öffentlichkeit aufgeschreckt. Die Studie von Frey und Osborne wurde für Europa verschiedentlich wiederholt (vgl. beispielsweise Dengler/Matthes 2015), mit in der Tendenz ähnlichen Resultaten. Allerdings gab es auch Kritik – dass Frey und Osborne die Geschwindigkeit des technologischen Wandels überschätzten, dass sie neu entstehende Berufe nicht hinreichend berücksichtigten oder dass tatsächlich nur bestimmte Tätigkeiten durch Computer ersetzt würden, nicht ganze Berufe (ebd.). Dennoch haben diese Studien die Debatte nachhaltig verändert. Jahrelang standen in wirtschaftlicher Hinsicht eher die positiven Auswirkungen der Digitalisierung im Fokus – neue Geschäftsfelder, verbesserte Kommunikations- und Kooperationsmöglichkeiten etc. Nun kam die alte Frage wieder an die Oberfläche, die den technischen Fortschritt immer begleitet hat und begleiten wird: Machen die Maschinen die menschliche Arbeit irgendwann überflüssig? Tatsächlich sind viele der Hoffnungen und Befürchtungen, die heute im Zusammenhang mit der Digitalisierung geäußert werden, historisch nicht neu (Heßler 2016). Die Vorstellung, dass Maschinen den Menschen und die menschliche Arbeit sukzessive ersetzen könnten, ist so alt wie die Industrialisierung selbst. Allerdings hat das Auftauchen der ersten Computer in den 1950er Jahren...


Glauser, Andrea
Andrea Glauser ist Professorin für Kulturwissenschaft am Institut für Kulturmanagement und Gender Studies an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien.

Kai Dröge forscht und lehrt an der Hochschule Luzern und ist assoziierter Wissenschaftler am Institut für Sozialforschung in Frankfurt am Main. Andrea Glauser ist Professorin für Kulturwissenschaft am Institut für Kulturmanagement und Gender Studies an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien.


Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.