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E-Book

E-Book, Deutsch, 272 Seiten

Einhorn Hebammerich

Roman

E-Book, Deutsch, 272 Seiten

ISBN: 978-3-423-42416-5
Verlag: dtv Verlagsgesellschaft
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Ein Mann rockt den KreißsaalNils, 27, lebt für seine Rockband, doch der Erfolg lässt auf sich warten. Mit Freundin Charlotte kriselt es gewaltig. Charlotte liebt ihren Beruf als Hebamme und natürlich auch Nils, von dem sie sich ein Kind wünscht. Aber Nils ist die Band wichtiger. Erst als sich Charlotte von ihm trennt, wird Nils klar, dass er sie liebt. Um sie zurückzuerobern, sieht er nur einen Weg: Er muss in ihrer Klinik anheuern und die erste männliche Hebamme Kölns werden.
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Kapitel 1
»Das war eine super Idee mit dem Restaurant, oder?« »Ja. Super.« Wenn man darauf stand, sich von Kopf bis Schoß mit Essen zu bekleckern, sein Bier neben anstatt in das Glas zu kippen und keinen Schimmer davon zu haben, ob auf dem Teller Hähnchenschenkel oder Stierhoden lagen. Ein Dinner im Dunkelrestaurant. Man konnte sich das Leben auch schwer machen! Nicht dass Nils prinzipiell etwas gegen Dunkelheit hätte. Nachts im Bett empfand er sie sogar als ausgesprochen angenehm. Tagsüber dagegen schätzte er klare Verhältnisse. Vor allem beim Essen. »Die Sachen schmecken ganz anders, wenn man sich voll darauf konzentriert. Findest du nicht auch?«, fragte Charlotte. »Stimmt. Ganz anders.« Nils kaute auf einem Fasergebilde herum, das eindeutig nach geschmortem Ochsenschwanz schmeckte, einem Gericht, das ihm in etwa so willkommen war wie ein Nagelpilz. Er legte den ungenießbaren Bissen auf seinem Teller ab und fahndete mit den Fingern nach weiteren Nahrungsstücken. Seine Freude war groß, als er eine Nudel zu fassen bekam. Eine hundsgewöhnliche Nudel! »Wir haben noch gar nicht angestoßen«, sagte Charlotte, während Nils die kleine Weizenspirale an ihren Bestimmungsort beförderte. »Richtig.« Er tastete mit fettigen Fingern nach seinem Bierglas. »Prost.« »Auf unseren Jahrestag, mein Schatz.« Es dauerte eine Weile, bis es ihnen gelang, ihre Gläser zum Klingen zu bringen. Nils nahm einen großen Schluck Bier, um einen Ochsenschwanzrest, den er hinter einem Backenzahn geortet hatte, hinunterzuspülen. Für frisch gebackene Liebespaare musste so ein Dinner im Dunkelrestaurant ja der Horror sein. Verliebte Blicke? Fehlanzeige. Händchenhalten? Unmöglich, da man ohne die Hilfe der zweiten Hand keinen Bissen auf die Gabel bekam. Gut, dass er und Charlotte nach drei Jahren aus dem Stadium des Frischverliebtseins längst raus waren. »Zur Feier des Tages muss ich dir noch etwas erzählen«, sagte Charlotte, nachdem sie ihre Gläser wieder auf dem Tisch platziert hatten. »Was denn?« »Es wird dich sicher überraschen.« Nils war ein Freund von Überraschungen. Hatte Charlotte vielleicht Karten für ein Konzert der Red Hot Chili Peppers erstanden? Oder war das neue Schlagzeug-Becken, auf das er schon seit Wochen wartete, endlich angekommen? Hatte sie womöglich eine neue Wohnung gefunden? Eine Wohnung mit riesigem Keller, ganz in der Nähe des Proberaums? Nils hörte, wie Charlotte im Dunkeln tief Luft holte. »Nachwuchs«, sagte sie. »Wir bekommen Nachwuchs.« Schweigen. Die Gäste am Nebentisch schwärmten mit gedämpfter Stimme von einem neuen Friseur in der Kölner Altstadt, irgendwo weiter hinten im Raum kicherte jemand. Nils starrte angestrengt in Charlottes Richtung. Grinste sie? Hätte er doch bloß ein Feuerzeug mitgenommen! Dann könnte er sofort Licht ins Dunkel bringen und ihr an den Augen ablesen, ob sie einen Witz gemacht hatte. Machten Frauen bei diesem Thema überhaupt Witze? Die meisten sicher nicht, aber seiner Freundin war es durchaus zuzutrauen. Charlotte hatte Humor. Er musste oft daran denken, wie er ihr ein YouTube-Video von einem Fernsehauftritt der Band Muse gezeigt hatte. Die Musiker performten darin den Song »Uprising«, hatten aber witzigerweise die Instrumente getauscht, da sie gegen ihren Willen zum Playback spielen mussten. Charlotte hatte sich beim Ansehen des Clips gekringelt vor Lachen. Bei einem ihrer ersten Dates war das gewesen. »Das war jetzt ein Scherz, oder?« Nils ärgerte sich, dass er so beklommen klang. Hey, seine Freundin war doch nicht schwanger. Das würde sie niemals so nebenbei beim Abendessen erzählen. Im Dunkeln, zu allem Überfluss. Andererseits, wo und wie sollte sie es denn sonst erzählen? Mal eben auf dem Weg zur Arbeit? Wie praktisch eigentlich, dass sie in einem Krankenhaus arbeitete, noch dazu als Hebamme. »Du, ich fahre gerade zum Kreißsaal. Ach, und übrigens, Schatz, in neun Monaten müsstest du bitte mal mitkommen.« Nein, so lief das nicht. Oder beim samstäglichen Einkauf? »Hier, unsere Einkaufsliste: Milch, Butter, Nudeln, Eier, ein Beistellbett, Windeln und fünf Strampler.« Unwahrscheinlich. Nils bekam auf einmal ganz zittrige Finger. »Nein, das ist kein Witz«, sagte Charlotte. Ihre Stimmlage hatte sich um eine Terz nach unten verschoben. »Wir bekommen wirklich Nachwuchs.« »Oh. Na so was. Tja. Ja.« Nils wollte mit der rechten Hand sein Bierglas greifen und einen kräftigen, einen ganz, ganz kräftigen Schluck nehmen, verfehlte aber in der Dunkelheit das Zielobjekt und stieß es um. »Scheiße, verdammt!« Das Bier schwappte über seinen Handrücken, über sein Hemd, auch über seine neuen Jeans. »Scheiße, verdammt?« Charlottes Stimmlage hatte sich nun um eine Quinte nach unten verschoben. »So viel Begeisterung hätte ich dir gar nicht zugetraut.« »Ich habe mir Bier übergekippt.« Nils tastete auf der nassen Tischdecke vergeblich nach einer Serviette. »Darf ich Ihnen behilflich sein?« Maurizio, der blinde Kellner, der für sie zuständig war, wischte mit irgendetwas auf dem Tisch herum. »Nachwuchs also«, sagte Nils, nachdem Maurizio wieder abgezogen war. Sein Hals kratzte. Bier. Er brauchte jetzt ganz schnell etwas zu trinken. »Ein kleines Weizen bitte noch!«, rief er dem Kellner hinterher. Charlotte griff nach seinen Händen, die er so fest ineinander verkrampft hatte, dass es fast wehtat. »Also Nils, was sagst du?« »Tja, was soll ich sagen? So eine Überraschung. Da habe ich jetzt gar nicht, also echt, das ist …« Nils wurde in genau diesem Moment klar, dass er doch kein Freund von Überraschungen war. »Seit wann …? Und wie geht …? Wie kann …?« Seine Zunge war trockener als ein Flussbett in der Sahara. Ein Wunder, dass er überhaupt noch Worte herausbekam. Er befreite sich aus Charlottes Griff und hob die Hand, um den Kellner herbeizuwinken und aus dem kleinen Weizen ein großes zu machen, bis ihm dämmerte, dass er mit dieser Geste im Stockdunkeln nicht viel Erfolg haben würde. »Wann ist es denn so weit?«, krächzte er schließlich. »In …« Charlotte schien zu rechnen. »In genau zwei Wochen.« »Was?!« Nils hatte so laut aufgeschrien, dass vermutlich alle Blicke auf ihn gerichtet waren, theoretisch zumindest. »Es geht um Maya«, sagte Charlotte in dieser merkwürdig tiefen Stimmlage, die nun fast eine Oktave unterhalb ihrer normalen lag. Die Information brauchte einen Moment, um zu Nils’ Bewusstsein zu wandern. »Um Maya?« Er merkte selbst, wie sich ein ziemlich dümmliches Grinsen in seinem Gesicht breitmachte, und er war froh, dass seine Freundin das im Dunkeln nicht mitbekam. »Um Maya!« Er konnte nicht anders, er musste einfach kichern, lachen, prusten, auf den Tisch hauen. »Maya ist schwanger!« Am liebsten hätte er eine Lokalrunde geschmissen. »Trächtig heißt das bei Streifenhörnchen.« Charlotte lachte nicht mit, lächelte nicht mal, das konnte er an ihrer Stimme hören. »Und du bist echt ein unsensibler Vollidiot.« Ein unsensibler Vollidiot? Das klang jetzt nicht ganz so nett, fand Nils. Sie hatten sich schon liebevollere Kosenamen gegeben. Trotzdem war ihm nicht nach Streit zumute. Er wollte feiern! Passenderweise brachte Maurizio gerade sein Weizen. »Auf unseren Jahrestag!« Er hob sein Glas. »Auf Mayas Babys!« Er suchte in der Dunkelheit nach Charlottes rechtem Unterarm, um sich daran entlangzutasten und die Position ihres Glases ausfindig zu machen. Auf dem Tisch war kein rechter Unterarm. Auch kein linker. Charlotte war verschwunden. Die Wartezeit verging in der Dunkelheit viel langsamer als bei Licht. In der ersten Minute dachte Nils noch, dass seine Freundin wohl unbemerkt zur Toilette gehuscht war. In der zweiten Minute fragte er sich, ob sie sich einen Scherz mit ihm erlaubte. In der dritten kam ihm der Gedanke, sie könnte vielleicht nach Hause gegangen sein. Frauen! Dass er sich freute, weil nicht Charlotte, sondern Maya Nachwuchs erwartete, war ja wohl normal. Sie hatten das Thema Familienplanung schließlich längst besprochen! Erst mal abwarten, so lautete der Plan. Er überlegte noch, ob er überhaupt genug Geld dabeihatte, um beide Abendessen zu bezahlen, da bemerkte er eine Gestalt mit leuchtendem Handydisplay in der Hand, die geradewegs auf seinen Tisch zusteuerte. »Wo warst du denn?« »Auf der Toilette.« Nils ignorierte Charlottes gereizten Unterton und beschloss, zur Tagesordnung überzugehen. »Dann können wir ja jetzt endlich anstoßen.« Er tastete nach seinem Glas. »Ich will nach Hause.« »Jetzt schon? Wir haben doch noch gar nicht den Nachtisch probiert.« »Mir ist der Appetit vergangen. Außerdem müssen wir morgen früh raus.« »Morgen ist Samstag.« »Weiß ich.« »Hast du nicht gesagt, du hättest frei?« »Habe ich.« Charlotte hatte schon wieder diese merkwürdig tiefe Stimme. »Und?« »Und mein Vater hat Geburtstag.« »Morgen?« Nils schluckte. Den Termin hatte er tatsächlich verdrängt. Eigentlich wollte er mit Freddie, Bastian und Chappi neue T-Shirts für ihre Band entwerfen. Auf die Aktion freute er sich schon seit Wochen, und alle hatten sich den Abend dafür freigeschaufelt: Freddie würde ausnahmsweise mal nicht um die Häuser ziehen, Bastian die Frickelei an einem unvollendeten Gitarrensolo unterbrechen, und Chappi hatte den Salsa-Kurs mit seiner Freundin abgesagt, auf den er im Grunde seines Herzens sowieso keine Lust hatte. Ganz abgesehen davon fieberte Nils den raren Übernachtungsbesuchen bei Charlottes Eltern nicht gerade entgegen. Mit Sicherheit würden sie wieder in die Koblenzer...


Einhorn, Katrin
Katrin Einhorn, 1979 geboren, studierte Germanistik und Französisch und arbeitet als Lehrerin. Sie lebt mit ihrer Familie in Trier. Die Erfahrungen mit ihrer Hündin Maggie und ihrem alten blauen Mofa, das es bei Rückenwind auf satte 32 km/h brachte, inspirierten sie zum Schreiben ihres ersten Romans.

Katrin Einhorn, 1979 geboren, studierte Germanistik und Französisch und arbeitet als Lehrerin. Sie lebt mit ihrer Familie in Trier. Die Erfahrungen mit ihrer Hündin Maggie und ihrem alten blauen Mofa, das es bei Rückenwind auf satte 32 km/h brachte, inspirierten sie zum Schreiben ihres ersten Romans.


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