Emmelmann / Greving | Erwachsene Menschen mit geistiger Behinderung und ihre Eltern | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 103 Seiten

Emmelmann / Greving Erwachsene Menschen mit geistiger Behinderung und ihre Eltern

Vom Ablösekonzept zum Freiraumkonzept

E-Book, Deutsch, 103 Seiten

ISBN: 978-3-17-033882-1
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Der Prozess des "Erwachsen-werdens" geht stets einher mit der Lösung der engen Bindung des Kindes von den Eltern. Für erwachsene Menschen mit einer geistigen Behinderung oder Mehrfachbehinderung stellt dies eine erhebliche Herausforderung dar. Mitarbeiter in den verschiedenen Wohnformen und Diensten treten als zusätzliche Bezugspersonen in Erscheinung. Das Buch bietet Grundlagenwissen u.a. zu den spezifischen Eltern-Kind-Beziehungen, den Prozessen der Ablösung und Annäherung, den Rollen der Fachkräfte und beschreibt die Entwicklungsaufgaben der Menschen mit Behinderungen in fünf "Lebens"-Phasen.
Der Erwachsene mit einer kognitiven Beeinträchtigung steht im Mittelpunkt des Freiraumkonzeptes. Gleichzeitig wird die Situation der Eltern differenziert betrachtet und dadurch eine sehr gute Verstehensbasis für eine wertschätzende und konstruktive Zusammenarbeit geschaffen.
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Vorwort
      In diesem Buch begegnen sich Theorie und Praxis – so wie dieses im Titel dieser Buchreihe schon angedeutet wird: Die Praxis der Heilpädagogik wird im Hinblick auf ein spezifisches Thema erläutert, analysiert und methodologisch begründet. In diesem Band wird es um die Ablöseprozesse gehen, welche sich Eltern von Kindern (in diesem Fall Erwachsenen) mit Beeinträchtigungen (sog. geistigen Behinderungen) stellen, wenn diese aus dem Elternhaus ausziehen. Zudem werden auch die Aufgaben benannt, welche auf die Erwachsenen, aber auch auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den jeweiligen Organisationen der Eingliederungshilfe bei diesen Ablöse- und Neuorientierungsprozessen zukommen. Was wird in diesem Band somit konkret erläutert? Die für jeden Menschen geltende Entwicklungsaufgabe des Erwachsenwerdens geht einher mit der Weiterentwicklung von einer engen Eltern-Kind-Beziehung hin zu einer eigenständigen Persönlichkeit. In dem vorliegenden Band sprechen die Autoren von Erwachsenen mit einer geistigen Behinderung – wohlwissend, dass diese Bezeichnung nicht unumstritten und zudem auch wissenschaftlich nicht in allen Punkten valide darstellbar ist (in Ergänzung hierzu werden auch weitere Begrifflichkeiten zur Beschreibung dieser Personengruppe herangezogen – auch hierbei ist den Autoren bewusst, dass diese nur rudimentär der zu beschreibenden Wirklichkeit entsprechen). Diese Formulierung, diejenige der »Geistigen Behinderung«, soll deutlich machen, dass jeder Mensch, unabhängig vom Grad seiner geistigen Behinderung mit Erreichen der Volljährigkeit als erwachsener Mensch angesehen werden möchte. Es wird nicht weiter differenziert, in welchem Umfang diese sog. geistige Behinderung diagnostiziert wird. Nicht die Behinderung, oder die Beeinträchtigung, steht im Vordergrund, sondern der erwachsene Mensch. Alle im Freiraumkonzept beschriebenen Phasen und die damit verbundenen Entwicklungsaufgaben gelten unabhängig vom Grad der Behinderung für die gesamte Zielgruppe. Vereinzelt wird vom Erwachsenen mit einer geistigen Behinderung und Mehrfachbehinderung gesprochen. Diese Formulierung berücksichtigt, dass bei Erwachsenen mit einer geistigen Behinderung auch unterschiedliche Mehrfachbehinderungen (oder -beeinträchtigungen) einhergehen können. Auch hier gilt, dass aufgrund des Umfanges und der Vielzahl möglicher Mehrfachbehinderungen dem Menschen nicht das Recht abgesprochen werden kann, als erwachsener Mensch ernstgenommen zu werden. Es besteht der heilpädagogische Anspruch, dass bei einer umfassenden geistigen Behinderung (oder Lernschwierigkeit) und weiteren Mehrfachbehinderungen in erster Linie die Kreativität und die Kompetenz der Bezugspersonen gefordert sind, dem Erwachsenen in der Erfüllung seiner Entwicklungsaufgabe zu unterstützen. Das Freiraumkonzept bezieht alle unterschiedlichen Wohnformen mit ein, in denen erwachsene Menschen mit einer geistigen Behinderung leben, wenn sie das Elternhaus oder eine Kinder- und Jugendeinrichtung verlassen. Es wird grundsätzlich nicht unterschieden, ob es sich um das Leben in einer (eigenen) Wohnung, in einer Wohngemeinschaft oder einer umfassenden Wohnform handelt. Wenn Erwachsene mit einer geistigen Behinderung relativ eigenständig in einer eigenen Wohnung leben, zeigt die Praxis, dass die Eltern in vielen Fällen immer weiter in der Begleitung und Unterstützung eingebunden sind. Das gilt vor allem dann, wenn die notwendigen Fachleistungsstunden für die Begleitung durch z. B. das »Ambulant Begleitete Wohnen« nicht ausreichend sind. Es ist eine besondere Herausforderung für die Eltern sich dennoch Zug um Zug zurückzuhalten, um dem Erwachsenen mit geistiger Behinderung seinen Freiraum zuzugestehen. Besonders in der zweiten Phase des Freiraumkonzeptes in Kapitel 4.2 wird auf diesen Konflikt eingegangen ( Kap. 4.2). Im Freiraumkonzept steht der Erwachsene mit einer geistigen Behinderung im Fokus. Die Autoren gehen von folgenden Prämissen aus: •  Jeder Mensch kann und möchte selber Entscheidungen treffen. •  Jeder Mensch kann und möchte möglichst selbstständig sein Leben meistern; der Mensch erhält seine Würde, wenn er selber aktiv werden kann. •  Jeder Mensch ist Experte in seiner Sache, er weiß am besten, was er braucht. •  Jeder Mensch lernt sein Leben lang. Im Freiraumkonzept wird die Beziehung vom Menschen mit geistiger Behinderung, seinen Eltern und den professionellen Helfern zugrunde gelegt. Die unterschiedlichen Rollen von Müttern und Vätern werden nicht differenziert bearbeitet. Es wird grundsätzlich von Eltern gesprochen. Die Zielgruppe der professionellen Helfer wird mit der Bezeichnung »Mitarbeiter« zusammengefasst. Wohl wissend, dass in der Praxis dieser Begriff eher in Einrichtungen für erwachsene Menschen mit einem höheren Betreuungsumfang genutzt wird. Alternativ wird auch von Bezugspersonen gesprochen. Die Unterscheidung dieser Begrifflichkeit wird im Kapitel 3.2 »Das Bezugspersonensystem« ( Kap. 3.2) verdeutlicht. Dieses Fachbuch ist wie folgt aufgebaut
Im ersten Kapitel werden die dem Freiraumkonzept zugrundeliegenden heilpädagogischen Prämissen skizziert. Es wird beschrieben, mit welcher Begründung die Begrifflichkeit des Freiraumkonzeptes die üblicherweise verwendete Formulierung Ablösekonzept ablöst. Des Weiteren wird auf die Besonderheit unterschiedlicher Motivationen beim Einzug in eine umfassendere Wohnform, in eine klassische Wohneinrichtung oder eine Wohnstätte eingegangen. In diesen Wohnformen tauchen erfahrungsgemäß die meisten Konflikte in der Arbeit mit Eltern und Angehörigen auf. Im zweiten Kapitel werden dann die theoretischen Begründungen zum Freiraumkonzept dargelegt. Diese sind in einem Dreischritt unterteilt in: theoretische, methodologische und pragmatische Aspekte. Der argumentative Weg dieses Kapitels führt somit über die theoriegeleiteten Begründungen hin zu den methodischen Grundlagen um dann schließlich in einigen pragmatischen Hinweisen zu münden. Da es sich bei diesem Buch um die Darlegung eines Konzeptes für die Praxis handelt, sind die Aussagen dieses Kapitels möglichst knapp – aber dennoch kohärent – gehalten. In Kapitel 3 werden wesentliche Grundlagen für Konzeptionen von Wohnangebote beschrieben, auf die sich das Freiraumkonzept in der Umsetzung bezieht. Das Freiraumkonzept muss eingebunden sein in eine Gesamtkonzeption der Einrichtung und Dienste und kann nicht isoliert betrachtet werden. In Kapitel 4 wird das Freiraumkonzept detailliert vorgestellt. Die unterschiedlichen Aufgaben der Erwachsenen mit geistiger Behinderung und möglichen Mehrfachbehinderungen werden in fünf Phasen beschrieben und mit vielfältigen Praxisbeispielen verdeutlicht. Zu jeder Phase wird auf die besondere Situation von Eltern eingegangen. Diese Sichtweise unterstützt ein Einfühlen in die schwierigen Situationen von Eltern, wenn diese ihr Kind beim Prozess des Erwachsenwerdens unterstützen. Ebenso werden zu jeder Phase die jeweiligen Schwerpunkte der Arbeit der Mitarbeiter konkretisiert. Es ist eine in der Praxis immer wiederkehrende Annahme, dass es ein eindeutiges und stringentes Konzept in der Arbeit mit den Eltern und Angehörigen geben muss. Diese Annahme ist falsch und führt teilweise zu so heftigen Konflikten, dass Erwachsene mit einer geistigen Behinderung die gewählten Wohnformen verlassen müssen, wenn die Mitarbeiter und die Eltern vor derart schwierigen Konflikte stehen, die sie nicht bewältigen können. Zum Ende jeder Phase werden Reflexionsfragen gestellt. Die dort benannten Beispiele sind alle aus der konkreten Praxiserfahrung heraus beschrieben. Im nächsten Kapitel wird auf die möglichen Einsatzfelder des Freiraumkonzeptes eingegangen. Es wird beschrieben, wie das Freiraumkonzept in bestehende Konzeptionen implementiert werden kann und worauf in besonderem Maße geachtet werden muss. Ein Aspekt wird für die Zielgruppe der Heilpädagogen verdeutlicht, die mit Hilfe des Freiraumkonzeptes in Beratungssettings konkrete Hilfestellungen geben können. Im abschließenden Kapitel wird der Blick auf das »Fehlende« gelenkt. Es gibt in den meisten Fällen für Eltern von Erwachsenen mit einer geistigen Behinderung wenig oder keine geschützten Beratungs- und Unterstützungsangebote. Die Autoren weisen auf die Idee eines »Mentoren-Modells« für Eltern und Angehörige hin. Diese Angebote sind sicherlich sinnvoll und ausbaufähig. Somit stellt dieses Fachbuch für Träger und Einrichtungsleitungen eine fachlich fundierte und sich in der Praxis bewährte Grundlage für die Weiterentwicklung der Konzeptionen zur Eltern- und Angehörigenarbeit dar. Für Mitarbeiter und Auszubildende ist das Wissen um das Freiraumkonzept eine notwendige Grundlage, um die eigenen Rollen und...


Ingo Emmelmann, Diplom-Heilpädagoge, hat über 20 Jahre lang Einrichtungen der Eingliederungshilfe geleitet und verantwortet aktuell den Fachbereich Ambulante Wohnformen beim Caritasverband für den Kreis Coesfeld e.V. Prof. Dr. Heinrich Greving lehrt Allgemeine und Spezielle Heilpädagogik an der Katholischen Hochschule NRW in Münster sowie Behindertenpädagogik an der Universität Hamburg.


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