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E-Book

E-Book, Deutsch, Band 3, 384 Seiten

Reihe: Henning-Juul-Romane

Enger Verleumdet

Ein Henning-Juul-Roman

E-Book, Deutsch, Band 3, 384 Seiten

Reihe: Henning-Juul-Romane

ISBN: 978-3-641-10958-5
Verlag: Blanvalet
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Ein Mord. Eine Schmutzkampagne. Eine Zerreißprobe für Henning Juul!
Ein brutaler Killer: In einem Pflegeheim wird eine Frau tot aufgefunden. Der Täter muss rasend vor Wut gewesen sein. Eine anonyme Drohung: Justizministerin Trine Juul wird der sexuellen Nötigung bezichtigt. Eine beispiellose Medienhetze beginnt. Dann, die Botschaft: Treten Sie zurück, sonst kommt alles ans Licht. Die Suche nach der Wahrheit: Henning Juul soll den Mord im Pflegeheim untersuchen, doch auch seine Schwester Trine braucht Hilfe. Er macht eine Entdeckung, die nie bekannt werden darf. Und dann schlägt der Killer erneut zu.
Henning Juuls dritter Fall - spannend, überraschend, tiefgründig!

Thomas Enger, Jahrgang 1973, studierte Publizistik, Sport und Geschichte und arbeitete in einer Online-Redaktion. Nebenbei war er an verschiedenen Musical-Produktionen beteiligt. Sein Thrillerdebüt »Sterblich« war im deutschsprachigen Raum wie auch international ein sensationeller Erfolg, gefolgt von vier weiteren Fällen des Ermittlers Henning Juul. Aktuell schreibt er zusammen mit Bestsellerautor Jørn Lier Horst an einer neuen Thrillerreihe, deren Auftakt »Blutzahl« ist. Er lebt zusammen mit seiner Frau und zwei Kindern in Oslo.
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SONNTAG 1 Ole Christian Sund stellt das Glas mit einem dumpfen Knall auf den Tisch neben dem Krankenbett. »So«, sagt er und lächelt den Patienten an, der mit glasigem Blick ins Nichts starrt. Sund tupft ihm das Wasser aus den Mundwinkeln. Nur die Bartstoppeln am Kinn leisten Widerstand. Die Haut ist so blass, dass sie fast durchsichtig wirkt. »Kann ich sonst noch was für Sie tun?« Keine Regung in dem nackten, faltigen Gesicht des Mannes. Sund sieht ihn liebevoll an. Der Patient ist jetzt schon gut anderthalb Jahre bei ihnen, aber der Tod scheint ihn nicht holen zu wollen. Dabei ist nicht mehr viel von ihm übrig, nur noch Haut und Knochen und Haare, die sich von der Kopfhaut lösen. Auch sein starrer Blick wechselt selten die Richtung. Nicht einmal die Augenlider scheinen noch zu funktionieren. Er sieht aus wie Papa, denkt Sund. Auch der hat die letzten Jahre seines Lebens so dagelegen und nur noch selten, sehr selten Kontakt zur Außenwelt gehabt. Er hat fast nur noch die Zimmerdecke angesehen – oder was immer er sonst fixierte. Sechs Jahre sind seit seinem Tod vergangen, trotzdem fühlt es sich wie gestern an. Sund zieht sich leise zurück. Im Flur stößt er auf einen anderen Patienten mit einem Angehörigen, einem Enkel vielleicht, der ein paar Schritte mit ihm geht. Langsam. Er lächelt den beiden zu, zieht sein Handy aus der Tasche und sieht, dass es schon nach fünf ist. Er spürt einen Anflug von Verzweiflung. Jetzt kommt sie gleich und holt Ulrik ab. Dann vergeht wieder eine ganze Woche, in der er keinen Anteil am Leben seines Sohnes hat. Außer wenn Martine seine SMS beantwortet und ihm ein paar Informationskrumen hinwirft. Er weiß, dass sein Gejammer und seine Forderungen ihr auf die Nerven gehen, aber wenn er schon nicht jeden Tag da sein und alles aus Ulriks Mund hören kann, dann muss sie ihm diese Informationen doch geben. Wie es dem Jungen geht, was er gerade lernt. Mit wem er spielt und bei wem er zu Besuch gewesen ist. All das bleibt ihm vorenthalten, weil Martine und er sich nicht mehr lieben. Oder besser gesagt: weil sie ihn nicht mehr liebt. Obwohl auch er selbst möglicherweise eine neue Liebe gefunden hat, ist ihm der Gedanke zuwider, dass irgendjemand seinen Platz eingenommen hat, nicht nur in Martines Bett, sondern auch in Ulriks Leben. Und dass Ulrik womöglich einen neuen Papa lieb gewinnen könnte, während er selbst nur noch der alte wäre, der seinen Sohn mit zur Arbeit nimmt, während sie doch eigentlich etwas Schönes zusammen unternehmen sollten. Hätte er genug Geld, würde er das ganz sicher auch tun. Zum Glück hat er auf Station 4 einen elektrischen Rollstuhl aufgetan, mit dem Ulrik spielen kann. Der Junge hat ihm nur versprechen müssen, auf die Patienten Acht zu geben. Und das tut er natürlich, er ist wirklich verständig für sein Alter. Und er liebt es, durch das Krankenhaus zu brummen. Wo ist der kleine Racker eigentlich gerade? Die Schuhsohlen quietschen rhythmisch über das Linoleum, während er die Korridore absucht. Im Fernsehzimmer trifft er nur Guttorm und ein paar andere, die sich schon wieder darüber streiten, welcher Sender laufen soll. Sund geht weiter. Von einem glücklichen Neunjährigen, der in einem Rollstuhl herumflitzt, keine Spur. Er überprüft die Flure auf der einen Seite der zu einem lang gestreckten H ausgelegten Etage, wiederholt die Suche dann auf der anderen Seite. Und schließlich entdeckt er ihn vor einem der Zimmer. Auf dem Flur, wo hinter jeder Ecke der Tod lauert, wirkt er mit einem Mal gar nicht mehr so klein. Sund lächelt wie immer im Stillen, wenn er seinen Sohn sieht, ohne sich selbst darüber im Klaren zu sein. Ihm wird vor Stolz ganz warm ums Herz. Aber irgendetwas stimmt nicht mit dem Kleinen. Er sitzt so seltsam da. Die Hände zwischen die Oberschenkel geschoben. Die Füße über Kreuz. Und er wippt mit dem Oberkörper vor und zurück, während seine Augen auf den Boden gerichtet sind, der im Licht der Leuchtstoffröhren kühl glänzt. »Ulrik, was ist los? Alles in Ordnung?« Ulrik antwortet nicht, er wippt nur weiter vor und zurück. Sund beugt sich hinab und streicht ihm über die Haare. Einen Moment lang hat er Angst, dass einer der Patienten dem Kleinen etwas angetan haben könnte, aber er verwirft den Gedanken gleich wieder. Manchmal werden sie ruppig und wütend, aber sie würden ihre Wut niemals gegen den Jungen richten. »Ulrik«, fragt Sund noch einmal, »was ist denn los?« Keine Antwort. Sund blickt auf und liest den Namen auf dem Schildchen neben der angelehnten Tür. »Warst du wieder bei Erna?«, fragt er. Der Junge wippt wortlos weiter. Vor und zurück. Er hat irgendetwas gesehen, denkt Sund. Oder gehört. Seine Knie zittern, als er sich aufrichtet, am Rollstuhl vorbeigeht und die Tür zu dem Patientenzimmer aufdrückt. Erna Pedersen sitzt wie immer aufrecht da. Aber nicht das lässt Sund unwillkürlich einen Schritt zurückweichen. Über ihr sonst so weißes Gesicht ziehen sich von den Augen bis zu den Wangen hinab dunkle, klebrige Streifen. Er will gar nicht wissen, was die verschmierten Brillengläser verbergen. Und dann strömt der Gestank des Todes ihm entgegen. 2 Henning Juul kauert sich auf der abendlich kalten Tribüne des Dælenenga-Stadions zusammen. Über ihm haben sich die Wolken zu einem grauen Einerlei zusammengezogen. Der Wind, der am Morgen noch Staub und Unrat durch die Straßen Oslos gefegt hat, ist ein wenig zur Ruhe gekommen, trägt aber noch immer einen Rest Wut in sich. Henning sitzt an diesem Platz, sooft er kann. Ob es warm ist oder kalt, spielt keine Rolle. Aus irgendeinem Grund fällt ihm hier das Denken leichter, auch wenn es ihn schmerzt zu sehen, wie Jungen und Mädchen verschiedenen Alters genau das tun, was sicher auch Jonas getan hätte, wäre er noch am Leben. Ein acht- oder neunjähriger Junge hat einen Ball am Fuß, verliert ihn aber gleich wieder. Ein Blondschopf mit kurzen Haaren nimmt ihn ihm ab und dribbelt damit in Richtung Tor. »Verdammt, Adil! Der Ball steht doch nicht unter Strom!«, brüllt der Trainer im schwarzen Trainingsanzug. Sein Gesicht ist rot angelaufen. »Du musst besser stoppen!« Der andere Junge, der inzwischen ein Tor geschossen hat, läuft an Adil vorbei und wirft ihm einen triumphierenden Blick zu. »Gut gemacht, Jostein, weiter so!« Der Trainer klatscht in die Hände. Das Spiel geht weiter. Henning folgt Adils Bewegungen. Der Junge wirkt resigniert, abwesend. Als wäre er lieber woanders. Der Kleine ist Henning schon öfter aufgefallen. In der Regel kommt er allein, und er wird auch nie abgeholt, wenn das Training zu Ende ist. Manchmal wechselt er ein paar Worte mit einem anderen Jungen aus der Mannschaft, aber dieser Junge ist heute nicht da. Vermutlich hat er an einem Sonntagabend etwas anderes vor. Ich eigentlich auch, denkt sich Henning, aber er musste einfach an die frische Luft und nachdenken. Doch wie viel Frischluft Henning seinem Kopf auch gönnt, es dauert nie lange, bis die Fragen wieder auftauchen. Was wusste Tore Pulli über den Brand, der zu Jonas’ Tod führte? Und war es dieses Wissen, das ihn das Leben kostete? Hennings Handy vibriert in der Innentasche seiner Jacke. Er nimmt es heraus und stöhnt. Der Name auf dem Display sagt ihm, dass etwas passiert sein muss und der Rest des Abends damit vermutlich dahin sein wird. Trotzdem nimmt er das Gespräch entgegen. »Hallo, Henning, ich bin’s. Hast du gehört, was geschehen ist?« Henning hält das Handy ein paar Zentimeter von seinem Ohr weg. Kåre Hjeltland braucht eigentlich kein Telefon, so laut, wie er spricht. Er ist der engagierteste Nachrichtenmann, den Henning kennt. Er steht ständig unter Strom und leidet am Tourette-Syndrom, auch wenn die unwillkürlichen Schimpfworttiraden an diesem Abend vorübergehend in Deckung gegangen zu sein scheinen. Doch Henning weiß, wie Hjeltland beim Reden ruckartig den Kopf zurückwirft. Er redet weiter, bevor Henning etwas sagen kann. »Eine alte Frau ist in einem Altersheim ermordet worden, gleich bei dir um die Ecke. Hast du die Möglichkeit, da mal vorbeizugehen? Ich sollte heute Abend besser nicht unter Leute gehen.« Das solltest du nie, denkt Henning und sieht auf die Uhr. Eigentlich hatte er vor, nach Hause zu gehen und endlich einmal mehr als zwei Stunden am Stück zu schlafen. Andererseits weiß er, dass es in der Redaktion nur wenige Kollegen gibt, die wirklich in der Lage sind, über einen Mord zu berichten. Iver Gundersen ist nach der Tracht Prügel, die er vor ein paar Wochen in der Josefines gate bezogen hat, noch immer krankgeschrieben, und an einem normalen Sonntagabend sind in der Redaktion sonst maximal zwei Leute anwesend: der Chef vom Dienst, der die Nachrichten aus aller Welt sichten muss, und ein Sportjournalist, der die Fußballergebnisse des Abends aufbereitet. Henning holt tief Luft und wirft einen letzten Blick auf die dichter werdenden Wolken. Schon wieder ein Mord, denkt er. Mit allem, was dazugehört. Überstunden, also weniger Zeit, nach dem- oder denjenigen zu suchen, die meine Wohnung in Brand gesteckt haben. Trotzdem antwortet er seufzend: »Klar, ich kümmere mich darum.« 3 Kriminalkommissar Bjarne Brogeland parkt vor dem Eingang des Pflegeheims und steigt aus seinem Wagen in den Herbstabend hinaus, knallt die Autotür zu und sieht sich um. Eine schmale Einbahnstraße zieht sich zwischen den hohen Gebäuden mit ihren farblosen Fenstern hindurch, die sich dem Himmel über Grünerløkka entgegenstrecken. Der Asphalt glänzt im Schein der Straßenlaternen. Die Straße ist...


Enger, Thomas
Thomas Enger, Jahrgang 1973, studierte Publizistik, Sport und Geschichte und arbeitete in einer Online-Redaktion. Nebenbei war er an verschiedenen Musical-Produktionen beteiligt. Sein Thrillerdebüt »Sterblich« war im deutschsprachigen Raum wie auch international ein sensationeller Erfolg, gefolgt von vier weiteren Fällen des Ermittlers Henning Juul. Aktuell schreibt er zusammen mit Bestsellerautor Jørn Lier Horst an einer neuen Thrillerreihe, deren Auftakt »Blutzahl« ist. Er lebt zusammen mit seiner Frau und zwei Kindern in Oslo.


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