Ernst | Der Therapeut | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 637 Seiten

Ernst Der Therapeut

E-Book, Deutsch, 637 Seiten

ISBN: 978-3-96817-179-1
Verlag: dp DIGITAL PUBLISHERS GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: Kein



Ein nie gesühntes Verbrechen – verborgen in Träumen, die es zu entschlüsseln gilt
Der packende Thriller für Fans von Dan Brown und Nicci French

Als der Schriftsteller Christopher Maddock tot aufgefunden wird, ist das Interesse der Yellow Press enorm. Sie beschuldigt den Londoner Psychotherapeuten John Burgess, einen Behandlungsfehler begangen zu haben, der zum Suizid des Schriftstellers führte. Doch dann wird John ein Tagebuch zugespielt, in dem Maddock seine Albträume notiert hat. Zusammen mit seiner Tochter Poppy beginnt John, die Träume zu deuten und findet Hinweise darauf, dass Maddocks Tod kein Suizid war. Aber Johns Recherchen wecken mächtige Gegner und bald muss er um viel mehr fürchten als nur um den Fortbestand seiner Praxis …

Erste Leserstimmen
„das spannende Thema der Traumdeutung wurde unglaublich packend bearbeitet“
„Bedrückend, fesselnd und kaum aus der Hand zu legen!“
„Thriller-Fans kommen hier voll auf ihre Kosten“
„Pure Gänsehaut beim Lesen, absolute Empfehlung!“
„Voller packender Wendungen, mit denen selbst ich als erfahrener Krimi-Leser nicht gerechnet habe.“
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1. Kapitel: John
„Da liegt dieses Messer auf dem Tisch. Meine Mutter kehrt mir den Rücken zu. Ich bin wütend. So unendlich wütend. Und dann … dann stelle ich mir vor, wie ich das Messer ergreife und es ihr tief in den Hals stoße. Nein, ich stelle es mir nicht nur vor. Ich spüre den Drang, nach dem Messer zu greifen, es zu tun. Es ist so furchtbar!“ Dr. John Burgess musterte seinen Klienten. Sir Edmund Hathaway war ein kleiner, untersetzter Mann mit einem eiförmigen, kahlen Schädel. Er musste nach jedem zweiten Satz die randlose Brille nach oben schieben, da diese auf dem verschwitzten Nasenrücken unweigerlich der Schwerkraft folgte. Seine zitternden Hände steckten in blütenweißen Glacéhandschuhen. „Jede Nacht träume ich davon, wie ich sie töte. Auf jede nur erdenklich Weise“, fuhr Sir Edmund fort. Die dicken Tropfen auf seiner Stirn glitzerten und funkelten im Licht der Deckenstrahler. In regelmäßigen Abständen wischte er sich den Schweiß ab. Dazu nahm er jeweils ein frisches Tuch aus einer Plastiktüte auf seinem Schoß, das er nach Gebrauch in den Papierkorb neben dem Stuhl warf. John notierte etwas auf dem karierten Block, der auf seinen Knien lag. Er spürte, wie sich seine Kiefermuskulatur auf ein Gähnen vorbereitete, und steuerte mit aller Macht dagegen an. „Und dann wache ich schreiend auf und mein Pyjama ist derart durchgeschwitzt, dass ich die Wäsche wechseln muss. Das geschieht bisweilen drei- oder viermal pro Nacht.“ John nickte. Er beschloss, an dieser Stelle einzuhaken, um seinem Klienten die Möglichkeit zu geben, aus dem Sog der schwarzen Gedanken auszusteigen und sich stattdessen auf die Gegenwart zu fokussieren. Zudem hoffte er darauf, durch eine aktivere Rolle die bleierne Müdigkeit zu vertreiben, die ihn zu überwältigen drohte. „Wir haben ja schon die letzten Male darüber gesprochen, dass es sich bei den Fantasien, die Sie Ihrer Mutter gegenüber hegen, um Zwangsgedanken handelt. Erinnern Sie sich noch daran?“, fragte er. Sir Edmunds Augen verengten sich zu zwei schmalen Schlitzen. „Ob ich mich daran erinnere? Natürlich. Ich bin ja schließlich nicht dement.“ „Gut“, sagte John, erfreut darüber, dass es seinem Klienten so rasch gelungen war, von der Angst und dem Ekel, den die Erinnerung an seine Zwangsgedanken hervorgerufen hatte, in eine erdige Gereiztheit zu wechseln. „Wir haben darüber gesprochen, dass die Vorstellung Sie ängstigt, Sie könnten Ihrer Mutter so etwas antun.“ „Sie ängstigt mich nicht nur, sie widert mich an!“, rief Sir Edmund. „Sie empfinden Angst und Ekel. Diese Gefühle entstehen, weil Sie Ihre Fantasien als eine reale Gefahr bewerten.“ „Aber Sie sind real! Ich habe nicht nur irgendwelche verrückten Gedanken. Ich spüre, wie meine Hand in Richtung der Schublade mit dem Küchenmesser zuckt, wenn ich meiner Mutter gegenüberstehe. Und nicht einmal im Schlaf habe ich Ruhe. Ich träume davon. Jede Nacht. Da muss doch etwas tief in mir sein, das mich dazu drängt, meine Mutter zu töten. Ich kann mir nicht mehr trauen!“ Er schlug die erstaunlich kleinen Hände vor das Gesicht und schluchzte. „Genau das ist die große Schwierigkeit an Zwangsgedanken“, sagte John. „Sie fühlen sich real an. So real, dass wir zu glauben versucht sind, sie hätten tatsächlich eine tiefere Bedeutung und könnten uns etwas über unsere furchtbarsten und abgründigsten Wünsche erzählen. Aber sie sind nicht real. Sie haben keinen verborgenen Sinn. Sie sind Gedanken. Nicht mehr und nicht weniger.“ John lehnte sich vor. „Sir Edmund, seit fünfundzwanzig Jahren leiden Sie unter Zwangsgedanken. Sie haben Ihrer Mutter bisher nichts angetan und Sie werden ihr auch zukünftig nichts antun. Genauso wenig, wie Menschen in einer vollbesetzten Kirche plötzlich dem Drang nachgeben, aufzustehen und Obszönitäten von sich zu geben. Zwangsgedanken sind menschlich. Jeder von uns hat sie. Doch niemand führt sie aus.“ „Das können Sie mir nicht garantieren“, sagte Sir Edmund. Er ließ die behandschuhten Hände sinken und schniefte. John reichte ihm ein Kleenex aus dem auf dem Tisch bereitstehenden Spender, da sein Klient die mitgebrachten Tücher in der Plastiktüte ausschließlich für den Schweiß auf seiner Stirn reserviert hatte. „Natürlich kann ich Ihnen nichts garantieren“, sagte John. „Das ist eine der Schwierigkeiten der menschlichen Existenz. Nichts ist zu hundert Prozent sicher. Sie könnten Ihre Träume und Fantasien in die Tat umsetzen. Genauso wie Sie beim Verlassen meiner Praxis von einem Meteoritenschauer getroffen und getötet werden könnten. Beides ist nicht unmöglich. Aber unwahrscheinlich. Extrem unwahrscheinlich.“ „Und was, wenn ich es doch tue? Obwohl es unwahrscheinlich ist. Ich bin ja nicht irgendwer. In jeder Statistik gibt es Ausreißer. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass es Menschen gibt, die die gleichen Gedanken hegen wie ich.“ „Viele Menschen leiden unter Zwangsgedanken und Albträumen“, erwiderte John. „Die Statistiken zeigen, dass bis zu zwei Prozent der Bevölkerung regelmäßig ähnlich belastende Fantasien haben wie Sie. Bei acht Millionen Londonern wären das …“ „160.000. Das habe ich auch schon gelesen. In diesem Selbsthilfebuch, das Sie mir empfohlen hatten. Aber ich glaube Ihnen das nicht.“ John lehnte sich zurück und musterte Edmund. Sie waren an einem kritischen Punkt der Therapie angekommen. Nun würde sich zeigen, ob die Arbeitsbeziehung, die sie in den letzten beiden Stunden aufgebaut hatten, tragfähig genug war, um Hathaway ein realistischeres Therapieziel schmackhaft zu machen. „Was erwarten Sie von mir?“, fragte John. „Ich erwarte von Ihnen, dass Sie mir dabei helfen, diese Fantasien loszuwerden. Ich will sie nicht haben. Ich bin kein grausamer Mensch. Ich liebe meine Mutter. Ich …“ Er brach erneut in Tränen aus und John reichte ihm ein weiteres Taschentuch. Sir Edmund schnäuzte sich geräuschvoll. „Ich kann Ihnen nicht dabei helfen, diese Fantasien loszuwerden“, sagte John. Hathaways Augen weiteten sich. „Was soll ich dann bei Ihnen?“, fragte er. „Ich bezahle doch nicht 150 £ pro Sitzung, wenn Sie mir nicht helfen können.“ Er erhob sich. Johns Nackenmuskulatur krampfte sich schmerzhaft zusammen. „Warten Sie“, sagte er, eine Spur zu laut. „Warum, wenn das hier nur eine Zeitverschwendung ist?“ John schüttelte den Kopf. „Nehmen Sie bitte wieder Platz!“ Sir Edmund zögerte. John schluckte schwer. Hinter seiner rechten Schläfe erwachte ein unangenehmes Pochen, das er nur zu gut kannte. Vor seinem inneren Auge sah er seinen Klienten schon aus dem Raum eilen. Das wäre nicht nur das Ende ihrer therapeutischen Beziehung. Es wäre eine Katastrophe. Für beide Seiten. Sir Edmund stand auf halbem Weg zwischen dem Sessel und der Tür. John konnte inzwischen auch auf den Handschuhen Schweißflecke erkennen. Hathaway zeigte eine deutliche Stressreaktion. Es wäre nur zu verständlich gewesen, wenn er geradewegs aus dem Raum gestürmt wäre. Er schloss die Augen und seine bleichen Lippen bewegten sich stumm. Dann trat er einen Schritt auf John zu und setzte sich wieder in den bequem gepolsterten Korbsessel. John entspannte sich. Er spürte, wie seine hochgezogenen Schultern sich langsam senkten. „In einer Therapie geht es nicht darum, Dinge loszuwerden“, sagte er. „Es geht darum, zu lernen, mit belastenden Erfahrungen zurechtzukommen. Die Zwangsgedanken schränken Ihr Leben ein. Sie nehmen sie als derart bedrohlich wahr, dass Sie ihnen viel Zeit widmen. Das wiederum gibt den Gedanken mehr Raum. Sie wirken noch stärker. Sie lassen Ihnen ja nicht einmal nachts Ihre Ruhe. Und irgendwann übernehmen die Gedanken die Kontrolle über Ihr ganzes Leben.“ „Und genau deswegen will ich sie nicht mehr haben.“ „Das ist verständlich“, sagte John. „Aber es ist kein Ziel, auf das wir hinarbeiten können. Gedanken lassen sich nicht einfach amputieren wie ein Raucherbein.“ „Und was für ein Ziel halten sie stattdessen für realistisch?“, fragte Sir Edmund. John atmete tief durch. Hathaways Skepsis war mit Händen zu greifen, aber die Art der Frage deutete an, dass er zumindest bereit war, seinen Therapeuten anzuhören. „Zurzeit haben die Gedanken die Kontrolle über Sie. Wir können gemeinsam versuchen, den Spieß umzudrehen und die Kontrolle über die Gedanken zurückzugewinnen.“ Sir Edmund legte den Kopf so schief, dass sein leicht abstehendes linkes Ohr die gepolsterte Schulter des Tweedjacketts berührte. Das Pochen hinter Johns rechter Schläfe wurde lauter und drängender. Würde Hathaway das Therapieziel akzeptieren? Oder würde er die Behandlung doch abbrechen? „Ich werde über Ihre Worte nachdenken“, sagte Sir Edmund schließlich und erhob sich. „Dann sehen wir uns morgen zur selben Zeit wieder.“ Johns rechte Augenbraue schoss nach oben. „Aber … nein“, sagte er. „Unsere Termine finden einmal wöchentlich statt.“ Sir Edmunds Augen verengten sich zu Schlitzen und auf einen Schlag war jede Schwäche, jede Unsicherheit verschwunden. „Ich werde ganz bestimmt nicht bis nächste Woche warten. Das können Sie vielleicht mit einer dieser alten Schachteln machen, die sich bei Ihnen über ihre Eheprobleme ausweinen, aber nicht mit mir. Entweder Sie geben mir für morgen Früh einen neuen Termin oder ich sehe mich gezwungen, mir einen anderen Therapeuten zu suchen.“ John schluckte schwer. Es drängte ihn dazu, zu widersprechen, eine Grenze zu setzen. Aber damit würde er riskieren, dass Hathaway sich doch noch für einen Abbruch der...


Ernst, Matthias
Matthias Ernst wurde 1980 in Ulm/Donau geboren. Bereits in seiner Jugend begeisterte er sich für Literatur und verfasste Romane und Kurzgeschichten. In seinen Kriminalromanen verbindet er seine beiden größten Leidenschaften miteinander, das Schreiben und die Psychotherapie.


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