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E-Book

E-Book, Deutsch, Band 3, 250 Seiten

Reihe: Ein Inge-Vill-Krimi

Ernst Schwabenblut

Kriminalroman

E-Book, Deutsch, Band 3, 250 Seiten

Reihe: Ein Inge-Vill-Krimi

ISBN: 978-3-95819-107-5
Verlag: Ullstein Midnight
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Kriminalkommissarin Inge Vill braucht Ablenkung, und zwar von der entspannten Art und nicht in Form eines weiteren komplizierten Mordfalls. Doch der Besuch des Mittelaltermarkts am Fuße der Burg Hohenknittlingen erweist sich dafür als wenig effektiv. Denn just auf dem Burggelände wird der Alleinerbe der von Knittlingens tot aufgefunden. Er wurde mit einer Armbrust erschossen. Der erste Verdacht legt einen Mord aus Gier und Rachsucht nahe. Doch Inge Vill und ihre Kollegen haben nur Indizien, handfeste Beweise und konkrete Verdächtige fehlen. Und so läuft der Mörder weiter frei herum …
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Sonntag, 27. April 2014
15:25 Uhr
»Wertes Volk, ich darf nun um euer freundliches Handgeklapper bitten für Volker, den Spielmann!« Ich verdrehte die Augen und Anja, der das leider nicht entgangen war, versetzte mir einen Stoß in die Rippen. »Lass uns weitergehen«, flüsterte ich ihr zu. »Auf dieses Minnegesinge habe ich absolut gar keinen Bock.« »Jetzt hab dich doch nicht so«, erwiderte sie. »Ein bisschen Minne täte dir sicher auch mal wieder gut.« Inzwischen hatte der bärtige Mann, der um unseren Applaus gebeten hatte – zumindest schloss ich das aus dem seltsamen Wort »Handgeklapper« –, die aus grobem Holz zusammengezimmerte Bühne verlassen und Platz gemacht für einen glatt rasierten und noch recht jungen Kerl. Dieser trug grasgrüne Schnabelschuhe, scharlachrote Strumpfhosen, einen gelben Wams mit gepufften und geschlitzten Ärmeln, die das blaue Unterfutter durchblitzen ließen, und eine braune, mit einer Wildvogelfeder geschmückte Kappe. Er hielt ein Instrument in der Hand, das aussah wie eine schräge Mischung aus einer Westerngitarre und einer Laute. »Komm schon!«, drängte ich Anja. »Wir sind knapp dran. Und Till Eulenspiegel mochte ich sowieso noch nie.« »Gib ihm doch einen Augenblick«, entgegnete sie. »Vielleicht bringt er dein kaltes Herz zum Schmelzen.« Der fahrende Volker klimperte zunächst einige Akkorde, ehe er in einer seltsam hohen Stimme ein Lied vorzutragen begann: »Hört, ihr Leut, ich singe euch vom Raub der weitberühmten Schale, dem Gnadenkelch, der schön und reich in dieser Burg hier strahlte.« Er deutete mit einer Hand auf den bewaldeten Hügel zu unserer Linken, auf dem sich die Ruine der Burg Hohenknittlingen befand. »Denn Christiani Himmelspfort, der Burgkaplan hienieden, der trug den Kelch von diesem Ort und brach durch Hinterlist den Frieden.« Anja verzog das Gesicht, als ob sie einen Schluck sauer gewordene Milch getrunken hätte. »Okay«, zischte sie. »Nichts wie raus hier.« Ich warf ihr einen »Hab ich’s dir nicht gleich gesagt?«-Blick zu und folgte ihr durch die inzwischen in Anbetracht der dürftigen Qualität des Vortrags zu erstaunlicher Größe angewachsene Menschenmenge. »Also kein Handgeklapper mehr für Volker?«, fragte ich. Nun war es an Anja, die Augen zu verdrehen. »Er hätte ja auch ein kleiner Bob Dylan im Narrenkostüm sein können«, murmelte sie. »Bob Dylan kann ich auch nicht leiden«, konterte ich. »Ja, ich weiß«, gab Anja zurück. »Aber dieses Punkgebrüll liebst du abgöttisch. Dich soll mal einer verstehen.« »Lass gut sein«, erwiderte ich rasch. »Punkgebrüll« war einer der Begriffe, mit denen meine Mutter meinen Musikgeschmack abzuqualifizieren pflegte. Wenn ich aber an meine Mutter dachte, dann musste ich unweigerlich auch an einen ganz bestimmten Termin morgen denken. Und das wollte ich tunlichst vermeiden. Deshalb fügte ich hinzu: »Damit tu ich mir ja selbst schon schwer. Mich selbst zu verstehen, meine ich. Wie spät ist es denn?« Anja warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. »Halb vier!«, rief sie. »So ein Mist, das Bogenschießen fängt gleich an. Schnell zum Anger!« Sie packte mich am Ärmel meiner Jeansjacke und zog mich mit sich durch das Gewimmel auf der Budenstraße des Niederknittlinger Mittelaltermarktes. Zu beiden Seiten des – laut Prospekt – »Weges von zwei Wagen Breite« waren kleine Zelte aufgebaut worden, vor denen auf einfachen Ständen allerhand Mittelalterramsch von Keltenkreuzketten bis Spielzeugwaffen feilgeboten wurde. Daneben führten Töpfer, Seiler, Sattler und andere Handwerker ihre urtümlichen Künste vor. Es gab sogar einen mobilen Hufschmied, der seine kleine Esse mit einem Miniaturblasebalg anfeuerte, um dann in der Glut ein Eisen zu formen. All das huschte durch die Peripherie meines Blickfeldes, während ich versuchte, einen spontanen Anflug von Panik in den Griff zu bekommen. Ich hasste Menschenmengen. Warum hatte ich mich noch einmal von Anja breitschlagen lassen, sie auf den Mittelaltermarkt zu begleiten? Ach ja, um nicht andauernd an diesen bescheuerten Termin morgen denken zu müssen, an den sie mich unwillentlich gerade wieder erinnert hatte. Mist, jetzt hatte ich den Salat. Mein Puls hämmerte viel zu rasch gegen meinen Unterkiefer. In meinen Ohren summte und brummte es wie in einem Bienenstock. Und in meinem Kopf nahm das Gedankenkarussel an Fahrt auf. Unermüdlich legte es mir eine Auswahl möglicher Katastrophen vor, von denen das Ohnmächtig- und von der Menschenmasse Zerquetschtwerden noch die harmloseste war. Schließlich begannen zur Krönung des Schlamassels vor meinen Augen dann auch noch helle Pünktchen zu tanzen. Unter Aufbietung all meiner Kräfte zwang ich mich, langsam und gleichmäßig zu atmen. Dadurch beruhigte sich mein vegetatives Nervensystem zumindest in dem Maß, dass ich mich ganz auf die anspruchsvolle Aufgabe konzentrieren konnte, Anja nicht aus den Augen zu verlieren. Gewandt wie eine Forelle und dabei beneidenswert angstfrei schlängelte sich meine beste Freundin durch das Getümmel. Als wir unser Ziel erreicht hatten, hatte ich meine Panik so weit in den Griff bekommen, dass ich meinen Blick wieder schweifen lassen konnte, ohne dabei ausschließlich nach Warnsignalen zu suchen. Immer noch schwer atmend schaute ich mir den Anger genauer an. Es handelte sich um eine malerisch vor einem kleinen Bach und dem dahinter aufragenden Schloss der Herren von Knittlingen gelegene Wiese, die an drei Seiten von zahlreichen bunten Zelten umstanden wurde. Ein schwarz-gelb lackiertes Gatter grenzte eine Freifläche ein, in deren Mitte mit groben Sägespänen und Rindenmulch eine Turnierbahn angelegt worden war. Vor dem Bach, der die vierte Seite des Angers begrenzte, waren eifrige Helfer in groben, sackartigen Gewändern gerade dabei, sechs große Zielscheiben für das Bogenschießen aufzustellen. »Puh, gerade noch rechtzeitig«, sagte Anja, während sie sich auf die Zehenspitzen stellte und die Reihen der Zuschauer absuchte, was in Anbetracht ihrer geringen Körpergröße – sie war mit ihren 160 Zentimetern eine ganze Handbreit kleiner als ich – kein allzu einfaches Unterfangen darstellte. »Kannst du sie irgendwo sehen?« Ich scannte die Umgebung nun ebenfalls ab, in der Hoffnung, den kurzgeschorenen, schon leicht angegrauten Haarschopf von Max und die blonden Wuschelfrisuren von Tobi und Lukas zu entdecken. »Da!«, rief Anja plötzlich, und noch bevor meine Augen ihrem ausgestreckten Zeigefinger folgen konnten, zog sie mich wieder mit sich. Wir bogen um die rechte Ecke des Angers, drängten uns durch eine dicht stehende Menschenmenge vor einem großen, bunten Zelt, in dem zwei erstaunlich nerdig aussehende Knappen einem Ritter in seine Rüstung halfen, und gerade als meine Panik einen neuen Anlauf nehmen wollte, standen wir vor Anjas Mann und ihren beiden Kindern. »Na, da seid ihr ja endlich«, sagte Max und zwinkerte uns dabei fröhlich zu. Er gab seiner Frau einen Kuss und schenkte mir ein Lächeln. »Die haben noch nicht angefangen, die Bogenschießer«, rief Tobi, der kleinere von Anjas Söhnen, dessen Backen bereits knallrot waren vor Begeisterung. Er trug eine Ritterrüstung aus Plastik inklusive eines viel zu langen Schwertes, das an einem Gürtel an seiner Seite hing und mit der Spitze auf dem Grasboden auflag. »Bogenschützen heißt das«, korrigierte Lukas ihn. Anjas Ältester wirkte deutlich abgeklärter als sein kleiner Bruder, doch es gelang ihm nicht, das Funkeln in seinen blauen Augen zu verbergen, das die Vorfreude auf das Kommende erahnen ließ. Ich spürte einen Anflug von Neid in mir aufwallen. Warum konnte ich nicht auch einmal Spaß an etwas haben, ohne dass mir die allgegenwärtige Angst gleich wieder in die Suppe spuckte? »Wie lange ist Markus denn schon bei den Bogenschützen aktiv?«, fragte Anja. »Seit einem Jahr, soviel ich weiß. Sein Therapeut hat es ihm empfohlen, und er war gleich Feuer und Flamme«, erwiderte ich. Anja, Markus und ich einte dasselbe schlimme Erlebnis. Vor nunmehr zwei Jahren hatte ich im Fall des Feigenbacher Senfmörders ermittelt. Den Serienkiller, der die Wunden seiner noch lebenden Opfer mit Senf eingeschmiert hatte, hatte ich schließlich aufgespürt. Doch als ich ihm in seinen Folterkeller gefolgt war, wo er meine Mutter gefangen gehalten hatte, hatte er mich überwältigt. Ich wäre nicht mehr am Leben, wenn Anja und Markus mir nicht zur Hilfe gekommen wären. Markus hatte bei der Befreiungsaktion eine schwere Verletzung davongetragen, doch schienen er und Anja das dramatische Ereignis deutlich besser verarbeitet zu haben als ich. Ein ganzes Jahr lang war ich danach wegen Panikattacken und Depressionen arbeitsunfähig gewesen und hatte mich erst letzten Sommer wieder zum Dienst zurückgemeldet. Inzwischen hatte ich mich wieder einigermaßen fangen können, auch mit Hilfe meiner eigenen Therapeutin, Frau Ruckert. Wie ich eben einmal mehr hatte erleben müssen, war ich jedoch noch immer nicht ganz frei von Alpträumen und Panikgefühlen. Und das ging mir ziemlich auf den Wecker. Genauso wie dieser blöde Termin morgen. Ein Fanfarenstoß ließ meinen Gedankengang abreißen. Die Blicke sämtlicher Zuschauer wandten sich in einer fließenden Bewegung einem Zelt an der...


Ernst, Matthias
Matthias Ernst wurde 1980 in Ulm/Donau geboren. Bereits in seiner Jugend begeisterte er sich für Literatur und verfasste Romane und Kurzgeschichten. Nach dem Studium der Psychologie arbeitete er in mehreren psychiatrischen und psychotherapeutischen Kliniken in Süddeutschland. In seinen Kriminalromanen über die Kommissarin Inge Vill verbindet er seine beiden größten Leidenschaften miteinander, das Schreiben und die Psychotherapie.
Matthias Ernst lebt und arbeitet in Oberschwaben. Er ist Mitglied beim SYNDIKAT.

Matthias Ernst wurde 1980 in Ulm/Donau geboren. Bereits in seiner Jugend begeisterte er sich für Literatur und verfasste Romane und Kurzgeschichten. Nach dem Studium der Psychologie arbeitete er in mehreren psychiatrischen und psychotherapeutischen Kliniken in Süddeutschland. In seinen Kriminalromanen über die Kommissarin Inge Vill verbindet er seine beiden größten Leidenschaften miteinander, das Schreiben und die Psychotherapie.
Matthias Ernst lebt und arbeitet in Oberschwaben. Er ist Mitglied beim SYNDIKAT.


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