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E-Book

E-Book, Deutsch, Band 4, 380 Seiten

Reihe: Ein Inge-Vill-Krimi

Ernst Schwabenschmerz

Ein Schwaben-Krimi

E-Book, Deutsch, Band 4, 380 Seiten

Reihe: Ein Inge-Vill-Krimi

ISBN: 978-3-95819-256-0
Verlag: Ullstein Midnight
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Dunkle Geheimnisse werfen lange Schatten.
Kommissarin Inge Vill wird mal wieder nachts aus dem Bett geklingelt: eine Leiche wurde gefunden.  Die Wohnung des Toten Anton Gruibinger ist komplett verwüstet, sein Körper durch unzählige Stichverletzungen verstümmelt. Bald ist klar: Die Tote hatte gerade im Lotto gewonnen. War es Raubmord? Doch rund um die Leiche ist alles klinisch sauber. Wie passt das zusammen?Inge und ihre Kollegen machen sich sofort an die Ermittlungen, wenn auch unter erschwerten Bedingungen: Ein neuer Kollege kommt hinzu. Und der hat, genau wie Inge, die potenzielle Dienststellenleitung im Auge. Und so beginnt nicht nur eine verzweifelte Suche nach dem Täter oder wenigstens einem Motiv, sondern auch ein nervenraubender Wettbewerb unter den Ermittlern…
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5:30 Uhr
Ich hatte tief und fest geschlafen. Wahrscheinlich hatte ich auch irgendetwas geträumt, aber das konnte ich nicht mehr mit Sicherheit sagen. Denn der Schrecken, der mir in die Glieder fuhr, als das Handy losplärrte, spülte mir alle Traumreste aus dem Hirn. Fünf Wochen zuvor hatte ich einen London-Trip zur letzten Monty-Python-Show unternommen. Im Überschwang der Begeisterung hatte ich damals einen Song der Truppe als Klingelton eingestellt. Und so weckte mich nun kein Piepsen oder Summen, sondern ein kräftiger Männerchor, der mit Inbrunst »Sit on My Face« sang. Mein Herz gab sofort Vollgas. Ich schreckte auf und sah mich um, ohne zunächst zu wissen, wo ich war. Dunkelheit umfing mich. Ich atmete schwer. Mehrere panische Augenblicke verstrichen, bis ich die Ursache des Lärms erkannte. Ich nahm das Handy mit dem leuchtenden Display vom Nachttischchen. Die Helligkeit des Bildschirms blendete mich. Ich brauchte ein paar Sekunden, bis meine Augen sich so weit angepasst hatten, dass ich erkennen konnte, wer mich zu dieser unchristlichen Zeit anrief. Es war Raimund Steinle, derzeit Leiter des Dezernats für Verbrechen gegen Leib und Leben der Polizeidienststelle Feigenbach. Ich tippte auf das grüne Hörersymbol und hielt mir das Gerät ans Ohr. »Ja?«, krächzte ich. »Guten Morgen, Inge«, sagte Raimund mit einer Stimme, die beneidenswert ausgeschlafen klang. »Entschuldige, dass ich dich geweckt habe, aber wir haben hier einen Toten.« Das letzte Wort jagte meinen Puls erneut in die Höhe. Schlagartig war ich hellwach. »Einen Toten?«, wiederholte ich. »Wen?« »Ein Anton Gruibinger, wohnhaft in der Adeleggstraße 17. Ich bin schon vor Ort, die Kollegen von der KT sind da und der Rest des Dezernats wird hoffentlich auch bald eintreffen.« Ich nahm diese freundliche Aufforderung zur Eile zur Kenntnis und erwiderte: »Okay, Adeleggstraße 17. Ich bin in zehn Minuten bei euch.« Ohne Raimunds Abschiedsgruß abzuwarten, legte ich auf, schwang mich aus dem Bett und stürmte ins Bad. Nachdem ich mir die Zähne geputzt, die in alle Richtungen strebenden dunkelblonden Haarsträhnen halbwegs gebändigt und mich einer Katzenwäsche unterworfen hatte, zog ich mich an, griff mir meine Tasche und eilte aus dem Haus. Ich öffnete das Garagentor und setzte mich in mein brandneues Auto. Der Geruch nach kürzlich verbautem Plastik ließ eine leichte Übelkeit in mir aufsteigen. Mein Zeigefinger zuckte an die Stelle der Mittelkonsole, an der bei meinem Alfa die Fensterheber gewesen waren, traf aber nur auf den Knopf der Klimaanlage. »Mistkarre«, fluchte ich. Im zweiten Anlauf fand ich die Kurbel an der Innenseite der Fahrertür und öffnete das Fenster des erst zwei Monate alten Kleinwagens deutscher Produktion. Frische Morgenluft strömte ins Innere und mein Kopf klärte sich ein wenig auf. Ich steuerte rückwärts auf die Straße und gab Gas. Das Auto gab ein jämmerliches Knurren von sich und kroch im Schneckentempo voran. Einmal mehr versetzte mir die Erinnerung an die Beschleunigungsfähigkeiten meines geliebten, im vergangenen Jahr einem Bombenattentat zum Opfer gefallenen Alfa einen Stich ins Autofahrerinnenherz. Wie versprochen traf ich zehn Minuten später in der Adeleggstraße ein. Das Haus mit der Nummer 17 war nicht zu übersehen. Zwei Streifenwagen parkten direkt davor. Zwischen dem in einiger Entfernung abgestellten Bus der Kriminaltechniker und dem Hauseingang wuselten Menschen in weißen Ganzkörperanzügen hin und her. Es handelte sich um einen Wohnblock. Ich schätzte, dass acht bis zehn Parteien hier lebten. Im fahlen Licht der Lampe über der Haustür konnte ich erkennen, dass das Gebäude eingerüstet war. Der Putz war komplett entfernt worden, das Haus sah aus wie ein schäbiger Rohbau. An der Tür traf ich auf Werner Hafner, den Chef der KT. Dass seine verwuschelte Künstlerfrisur heute noch expressionistischer wirkte als gewöhnlich, war wohl auch der frühen Stunde zuzuschreiben. »Guten Morgen, Frau Vill«, sagte er. »Na, ausgeschlafen?« »Eher aufgehört«, erwiderte ich. »Wo muss ich hin?« »Hochparterre links«, sagte Hafner und fügte hinzu: »Kein erfreulicher Anblick, fürchte ich.« Ich wappnete mich innerlich gegen die Szene, die mir gleich vor Augen stehen würde. Zwar war ich nun schon seit beinahe fünfzehn Jahren bei der Polizei, aber an Blut und vor allem an übel zugerichtete Leichen hatte ich mich nie gewöhnen können. Ich stieg die Treppe bis zum ersten Absatz hinauf und trat durch die offen stehende Tür zu meiner Linken. Auf dem Boden lag ein Fußabstreifer, auf dem in geschwungen Buchstaben ›Eintritt nur mit sauberen Füßen!‹ stand. Ein Kollege von der KT reichte mir Einmalhandschuhe und Hüllen für meine Schuhe, die ich mir überstreifte, ehe ich die Wohnung betrat. Vor mir erstreckte sich ein Flur, von dem mehrere Türen abgingen. Eine Stromsparlampe an der Decke tauchte den Raum in ein fahles, milchiges Licht. Ganz hinten blitzte es. Das musste der Fotograf der Kriminaltechniker sein. Ich bewegte mich auf die Lichtquelle zu. Unterwegs warf ich einen Blick in ein kleines Bad und eine vollgestellte Küche. Vor der letzten Seitentür hielt ich inne. Der Raum dahinter war offenbar das Wohnzimmer. Es sah jedoch aus, als ob die Vandalen dort während der Völkerwanderung einen ausgiebigen Zwischenstopp eingelegt hätten. Aus einer Fernsehkommode waren sämtliche Schubladen herausgezogen worden. Papiere, Fotos und Videokassetten lagen wild über einen abgenutzten Teppich verstreut. Ein Schrank stand offen. Er war gähnend leer. Darunter häuften sich Unmengen von Ordnern auf dem Boden. Durch ein weit offen stehendes Fenster, das nur noch an einer Angel hing, strömte frische, kühle Luft herein. »Ziemliches Chaos hier«, hörte ich Raimunds Stimme hinter mir sagen. Ich drehte mich um. »Hallo, Chef.« Er verzog das runde Gesicht, was seine Pausbacken noch stärker betonte. »Nicht mehr lange«, erwiderte er. »Und das hier hätte mir auch erspart bleiben können.« »Raubmord?«, fragte ich. Raimund zuckte mit den Achseln. »Das werden wir wohl herausfinden müssen. Der Tote liegt nebenan.« Ich schluckte. Klar, ich würde nicht umhinkommen, mir die Leiche anzuschauen. Ich folgte Raimund in den Raum am Ende des Flurs. Es handelte sich um ein Schlafzimmer, das von einem großen und recht altmodischen Doppelbett zu zwei Dritteln ausgefüllt wurde. Es war aus einem beinahe schwarzen Holz gefertigt. In Verbindung mit dem Kleiderschrank, der aus demselben Material bestand, verlieh es dem Raum eine morbide Note. Im Gegensatz zum Wohnzimmer wirkte hier alles aufgeräumt und sauber, wenn man einmal von der übel zugerichteten Leiche auf dem Bett absah. Ich schätzte den Mann auf etwa 65 Jahre. Der Tote war korpulent. Er trug nur eine Pyjamahose. Sein breiter Oberkörper und der ballonförmige Bauch waren übersät mit Stichverletzungen. Überall war Blut. Auf dem Leintuch, der Bettdecke, dem Boden, ja, sogar auf dem Spiegel des Kleiderschranks etwa zwei Meter entfernt entdeckte ich rote Tröpfchen. Der KTler mit der Kamera schoss ein weiteres Foto von der Leiche. Die starren Augen reflektierten das Blitzlicht. Die Züge des Mannes waren verzerrt. Er sah aus, als ob er unfassbare Schmerzen gelitten hatte. »Der Tote heißt Anton Gruibinger, geboren am 23. März 1946, verwitwet«, sagte Raimund. Ich sah in das bleiche, mit Blutspritzern gesprenkelte Gesicht. »Na ja, über die Todesursache müssen wir uns wohl keine Gedanken machen«, hörte ich eine Stimme neben mir sagen. Ich wandte mich um und entdeckte Ralf. Hinter ihm stand Larissa, seine Freundin und Kollegin. Ihre blauen Augen waren weit aufgerissen und sie sah bleich aus, was sicher nicht nur daran lag, dass auch sie unsanft aus dem Schlaf gerissen worden war. Sie konnte den Anblick von Leichen noch schlechter ertragen als ich. »Ralf«, knurrte Raimund. »Sorry«, sagte Ralf. »So früh am Morgen bin ich immer etwas zynisch.« »Wer hat die Leiche gefunden?«, fragte ich, um die beiden daran zu hindern, in ein Geplänkel über korrekte Umgangsformen an Leichenfundorten einzusteigen. »Ein Nachbar«, entgegnete Raimund. »Er wohnt gegenüber und ist sicher noch wach. Ralf, geh doch mal bitte rüber und nimm seine Aussage auf!« Ralf zückte einen Block und stapfte hinaus. Larissa folgte ihm auf dem Fuß. Hoffentlich musste sie sich nicht übergeben. Sie war ziemlich grün im Gesicht. »Hat die KT irgendwelche Blutspuren außerhalb dieses Zimmers gefunden?«, fragte ich. »Kommen Sie mit«, sagte Werner Hafner, der inzwischen zu uns getreten war. Ich folgte ihm hinaus in den Gang, froh, dass ich den grausam verstümmelten Leichnam im Schlafzimmer hinter mir lassen konnte. Der Chef der KT hielt eine spezielle UV-Lampe in die Höhe, mit der sich selbst kleinste Blutreste auffinden ließen. Doch anstelle der zahlreichen, fluoreszierenden Spuren, auf die ich gehofft hatte, bleib der Gang vollkommen...


Ernst, Matthias
Matthias Ernst wurde 1980 in Ulm/Donau geboren. Bereits in seiner Jugend begeisterte er sich für Literatur und verfasste Romane und Kurzgeschichten. Nach dem Studium der Psychologie arbeitete er in mehreren psychiatrischen und psychotherapeutischen Kliniken in Süddeutschland. In seinen Kriminalromanen über die Kommissarin Inge Vill verbindet er seine beiden größten Leidenschaften miteinander, das Schreiben und die Psychotherapie.
Matthias Ernst lebt und arbeitet in Oberschwaben. Er ist Mitglied beim SYNDIKAT.

Matthias Ernst wurde 1980 in Ulm/Donau geboren. Bereits in seiner Jugend begeisterte er sich für Literatur und verfasste Romane und Kurzgeschichten. Nach dem Studium der Psychologie arbeitete er in mehreren psychiatrischen und psychotherapeutischen Kliniken in Süddeutschland. In seinen Kriminalromanen über die Kommissarin Inge Vill verbindet er seine beiden größten Leidenschaften miteinander, das Schreiben und die Psychotherapie.
Matthias Ernst lebt und arbeitet in Oberschwaben. Er ist Mitglied beim SYNDIKAT.


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