Ertl-Schmuck / Unger / Mibs | Wissenschaftliches Arbeiten in Gesundheit und Pflege | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 225 Seiten

Ertl-Schmuck / Unger / Mibs Wissenschaftliches Arbeiten in Gesundheit und Pflege

E-Book, Deutsch, 225 Seiten

ISBN: 978-3-8463-5671-5
Verlag: UTB
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Das wissenschaftliche Arbeiten muss jeder Studierende beherrschen – unabhängig vom Fachgebiet. Trotzdem gibt es von Fach zu Fach Unterschiede: Sie betreffen unter anderem die Themenfindung sowie die Literaturrecherche und -bewertung.

Dieses Taschenbuch stellt das Wichtigste zum Wissenschaftlichen Arbeiten in Gesundheit und Pflege dar. Dabei wird großer Wert auf den roten Faden und die damit verbundene Argumentationslogik gelegt. Relevante Webseiten und Datenbanken werden zudem vorgestellt und auch die Bewertung und Prüfung von Inhalten aus dem Internet diskutiert.

Das Buch richtet sich an Studierende der Gesundheits- und Pflegewissenschaft. Das Buch richtet sich zudem an Studierende in den Lehrämtern für die Berufsfelder Gesundheit und Pflege.
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Weitere Infos & Material


Vorwort zur Neuauflage
Einführung
1 Wissenschaft und Wissenschaftlichkeit
1.1 Wissenschaft als Erkenntnismodus
1.1.1 Die wissenschaftliche Skepsis
1.1.2 Erkenntnistheoretisches Wissenschaftsmodell
1.2 Wissenschaft als soziale Praxis
1.2.1 Denkstil und Denkkollektiv: Ludwik Fleck
1.2.2 Paradigmen und wissenschaftliche Revolution: Thomas Kuhn
1.2.3 Ethos der Wissenschaft: Robert Merton
1.3 Wissenschaft als Prozess
1.4 Wissenschaftskritik und Wissenschaftsakzeptanz
Literaturempfehlung
2 Gesundheit und Pflege als Gegenstand der Wissenschaft
2.1 Die disziplinäre Gestalt
2.2 Wissenschaftstheoretische Grundpositionen
2.3 Forschungsansätze
2.3.1 Empirisch-quantitative Forschung
2.3.2 Empirisch-qualitative Forschung
2.3.3 Mixed-Methods Ansätze
Literaturempfehlung
3 Die wissenschaftliche Arbeit
3.1. Typen wissenschaftlicher Arbeiten
3.1.1 Theoretische Arbeiten
3.1.2 Empirische Arbeiten
3.1.3 Literaturarbeiten = Übersichtsarbeiten
3.1.4 Weitere Formen
3.2 Aufbau einer wissenschaftlichen Arbeit
3.2.1 Titel der Arbeit (Deckblatt)
3.2.2 Inhaltsverzeichnis
3.2.3 Einleitung
3.2.4 Hauptteil
3.2.5 Zusammenfassung und Ausblick
3.2.6 Quellen- und Literaturverzeichnis
3.2.7 Tabellen-, Abbildungs- und Abkürzungsverzeichnis
3.2.8 Abstract
3.2.9 Anhang
3.2.10 Selbstständigkeitserklärung
3.3 Entwicklung eines Exposés
3.4 Evaluation einer wissenschaftlichen Arbeit
Literaturempfehlung
4 Literaturrecherche und -verwaltung
4.1 Rechercheprozess
4.2 Recherchestrategien
4.2.1 Einstiegssuche und systematische Suche
4.2.2 Rückwärts- und vorwärtsgerichtete Suche
4.3 Bewertung von Quellen
4.4 Referenzquellen
4.5 Recherchetechniken
4.6 Literaturdokumentation
4.7 Literaturverwaltung
4.8 Recherche bei klinischen Fragestellungen
Literaturempfehlung
5 Umgang mit wissenschaftlicher Literatur
5.1 Textverstehen
5.1.1 Ebenen des Lesens
5.1.2 Hermeneutische Textarbeit
5.2 Leseformen und -strategien
5.2.1 Orientierende Lektüre
5.2.2 Explorierende Lektüre
5.2.3 Systematisierende Lektüre
5.2.4 Memorierende Lektüre
5.2.5 Laufende Lektüre
5.3 Lesetechniken
5.3.1 Die Relevanzprüfung
5.3.2 Markieren und Exzerpieren
Literaturempfehlung
6 Wissenschaftliches Schreiben
6.1 Merkmale wissenschaftlichen Schreibens
6.1.1 Allgemeine Gütekriterien
6.1.2 Argumentative Struktur
6.2 Der Schreibprozess
6.2.1 Schreiben der Grobversion
6.2.2 Überarbeiten der Grobversion
6.2.3 Erstellen der Endversion
6.3 Zitieren
6.4 Empfehlungen des Ausdrucks
Literaturempfehlung
Literatur
Register
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis


1.2 Wissenschaft als soziale Praxis
1.2.1 Denkstil und Denkkollektiv: Ludwik Fleck
In seinem erstmals 1935 erschienenen Werk „Entstehung und Entwicklung einer wissenschaftlichen Tatsache“ startet der polnische Mediziner Ludwik Fleck einen Generalangriff auf die traditionelle Wissenschaftstheorie. Diese Erkenntnistheorie, die die soziale Bedingtheit des Erkennens außer Acht lässt und den Erkenntnisakt innerhalb einer dyadischen Subjekt-Objekt-Beziehung verortet, bezeichnet Fleck als unnütze Spielerei (2012: 59). Sachliche Beweisführung und Logik seien zwar unerlässlich, um die Gültigkeit von Aussagen wissenschaftlich zu legitimieren. Dennoch stellten die aktuell gültigen Theorien und Begriffe der Wissenschaften nicht in erster Linie die jeweils objektiv beste Möglichkeit zur Lösung eines wissenschaftlichen Problems dar. Vielmehr seien wissenschaftliche Erkenntnisse zum größten Teil Ergebnisse von vorausgegangenen denkgeschichtlichen Entwicklungen. Da jede einzelne Erkenntnisleistung auf überlieferten Wissensbeständen und Traditionen fußt, könne sich auch niemand diesen Bindungen entziehen. Problematisch werde dies dann, wenn die Wissenschaftler:innen sich diese gesellschaftlichen und geschichtlichen Verwicklungen nicht vergegenwärtigen und sich unbewusst von ihnen beeinflussen lassen (ebd.: 31–35). Genau diese soziokulturelle Blindheit wirft Fleck der klassischen Wissenschaftstheorie vor. Angemessener sei eine neuartige, vergleichende Wissenschaftstheorie, die den historisch gewachsenen Wissensbestand und die sozialen Beziehungen des Erkenntnissubjekts mit ins Kalkül zieht. Den Ort dieses Erfahrungs- und Wissensbestands bezeichnet Fleck als Denkkollektiv (ebd.: 54f.). Erkennen vollzieht sich hier in der Triade Erkenntnissubjekt – Erkenntnisobjekt – Denkkollektiv. Die historischen Voraussetzungen und sozialen Bedingungen bilden den kollektiven Anteil des Erkennens; Fleck nennt sie auch aktive Kopplungen. Die hieraus zwangsläufigen Ergebnisse werden vom Erkenntnissubjekt im Akt des Feststellens als objektive Wirklichkeit empfunden: passive Kopplungen. Erkennen heißt demnach, bei gegebenen Voraussetzungen zwangsläufige Ergebnisse festzustellen (vgl. ebd.: 56). Die verengte Perspektive auf die passiven Kopplungen, mit denen sich die Erkenntnistheorie traditionell begnügt, dehnt Fleck nun auf die aktiven Kopplungen aus. Dabei greift er auf soziologische und historische Wissensbestände zurück und entwickelt ein neues Begriffsinstrumentarium, in dessen Zentrum die Bezeichnungen Denkstil und Denkkollektiv stehen. Denkkollektiv Fleck charakterisiert das Denkkollektiv als Gemeinschaft der Menschen, die im Gedankenaustausch stehen; es ist Träger der geschichtlichen Entwicklung eines Denkgebiets, eines Wissens- bzw. Kulturstands, also eines Denkstils (Fleck 2012: 54f.). Jede wissenschaftliche Arbeit ist Kollektivarbeit, weil sie auf dem bestehenden, kollektiv erzeugten Wissen gründet. Zudem zeigt die Wissenschaftsgeschichte, dass viele bedeutende Erkenntnisse das Ergebnis kollektiver wissenschaftlicher Arbeit sind. Die soziale Struktur des Wissenschaftsbetriebs ist arbeitsteilig-interaktiv, insbesondere in den Naturwissenschaften. Das Erkennen ist also kein individueller Prozess, sondern „stellt die am stärksten sozialbedingte Tätigkeit des Menschen vor und die Erkenntnis ist das soziale Gebilde katexochen“ (ebd.: 58). Streng genommen gibt es nicht einmal individuelle, sondern nur Kollektivgedanken, da jeder Gedankeninhalt im kollektiven Gedankenaustausch permanent umgearbeitet wird. Mit Gumplowicz: „was im Menschen denkt, das ist gar nicht er, sondern seine soziale Gemeinschaft“ (zit. in Fleck 2012: 63). Auch bedürfen große wissenschaftliche Einzelleistungen des sozialen Augenblicks (ebd.: 61), um sich Gehör und Geltung zu verschaffen. Fleck entfaltet sein Wissenschaftsmodell anhand medizinischer Entwicklungen, speziell in der Syphilisforschung. Seine Analyse eines medizinischen Lehrbuchausschnitts über Immunität und Antikörper (ebd.: 74ff.) zeigt, dass die damals aktuellen serologischen Begriffe (Antikörper, Immunität, Infektionskrankheit etc.) teilweise immer noch althergebrachte Kollektivvorstellungen, sogenannte Urideen enthalten. „Die Urideen sind als entwicklungsgeschichtliche Anlagen neuzeitiger Theorien zu betrachten und ihr Entstehen ist denksozial zu begründen“ (ebd.: 37). Die Syphilis als dämonische Lustseuche ist so eine Uridee; die moderne Vorstellung von Krankheitserregern, die den Körper von außen befallen, enthält noch Anteile dieser alten Krankheitsdämonen. Der untersuchte Lehrbuchtext enthält zudem methodische Regeln für die Arbeit im Labor, die eine spezielle Forschungstradition und praktische Erfahrungen widerspiegeln, ohne dass jede dieser Regeln im Einzelnen streng logisch begründet werden könnte. Damit werden die Leser:innen als wissenschaftliche Noviz:innen von Beginn an in einen spezifischen Denkstil eingeführt, der die jeweilige Disziplin bis ins Detail prägt und als Denkzwang wirkt. Die didaktische Einführung in einen Denkstil entspricht einer Art Weihe und hat auch dogmatische Anteile. Diese werden mit zunehmender wissenschaftlicher Reife nicht etwa abgestreift, sondern wirken noch in fortgeschrittenen Wissenschaftler:innen und Spezialist:innen fort, und damit sind wissenschaftliche Tatsachen vom Denkstil abhängig (ebd.: 85). Weitere soziale Phänomene zeigt Fleck anhand der Entwicklung der sogenannten Wassermann-Reaktion (ebd.: 86–104): Für die Syphilisdiagnostik wollte Wassermann einen spezifischen Antigen-Antikörpernachweis erbringen. Beides gelang nicht wie geplant, führte aber nach langwierigen Verwicklungen dazu, dass schließlich eine brauchbare serologische Reaktion gefunden werden konnte. Allerdings verschwiegen die beteiligten Forscher in späteren Publikationen die unzähligen Irrungen und Umwege, die zu den Ergebnissen geführt haben. In der kollektiven Erinnerung wird aus dem verwickelten Erkenntnisprozess ein geradlinig entwickeltes Forschungsergebnis. Dieses Phänomen beruht nicht auf einer bewussten Täuschungsabsicht, sondern ist als nachträgliche Rationalisierung des nur unvollkommen durchschaubaren und beherrschbaren Forschungsprozesses zu verstehen. Solch eine verkürzte, geradezu verklärende Darstellung im Vergleich zum tatsächlichen Forschungsverlauf ist für die Wissenschaft typisch und ebenfalls sozial motiviert. Die Produkte wissenschaftlichen Arbeitens sind stets auf ihre Veröffentlichung und damit auf Publikumswirksamkeit ausgelegt. Aus Gründen der Nachvollziehbarkeit und Verständlichkeit bedarf die öffentliche Darstellung der Ergebnisse in Gestalt von Forschungsartikeln, Vorlesungen oder anderen Publikationsformen einer Vereinfachung (siehe auch Kapitel 1.3). Wissenschaftliche Entwicklung ist noch in weiterer Hinsicht gesellschaftlich geprägt. Die öffentliche Meinung maß der Syphilisforschung zu Zeiten Wassermanns große Bedeutung bei, die Unterstützung mit staatlichen Forschungsmitteln galt dementsprechend als politisch opportun. Gemäß der Uridee von der Lustseuche war der Syphilisbegriff auch damals noch stark moralisch aufgeladen. Dies erklärt, warum andere Bereiche wie bspw. die Tuberkuloseforschung vergleichsweise wenig staatliche Unterstützung erhielten, obwohl die Tuberkulose aus epidemiologischer Perspektive mindestens ebenso relevant war wie die Syphilis. Kollektive Momente der Wissenschaft zeigen sich also in der Arbeitsteilung, im Fortbestehen der Urideen, in der Einweihung der Noviz:innen, in der Darstellung von Forschungsergebnissen und im gesellschaftlich-politischen Einfluss auf Forschungsvorhaben. Denkstil und Meinungssystem Der kollektive Gedankenaustausch über ein bestimmtes Wissensgebiet ist denkstilgebunden. Fleck definiert den Denkstil als „gerichtetes Wahrnehmen, mit entsprechendem gedanklichen und sachlichen Verarbeiten des Wahrgenommenen“ (Fleck 2012: 130). Der Denkstil legt fest, welche wissenschaftlichen Probleme als relevant erachtet werden, welche Methoden zulässig sind, welche Ergebnisse als evident gelten usw. Der kollektive Denkstil wird sozial verstärkt und dadurch für das Individuum zum Denkzwang; er bestimmt, „was nicht anders gedacht werden kann“(ebd.). Damit ist ein Denkstil die geistige Bereitschaft für ein ganz bestimmtes wissenschaftliches Denken und Handeln, die über denkkollektive Bindungen als sozialer Denkzwang wirkt. Wissenschaftliche Theorien und Begriffe werden also auf der Basis des Denkstils entwickelt; gleichzeitig wirken sie wieder verstärkend auf ihn zurück (ebd.: 143). Ist eine Theorie einmal ausreichend akzeptiert, so manifestiert sich die entsprechende wissenschaftliche Anschauung in einem elaborierten und geschlossenen Meinungssystem mit starkem Beharrungsvermögen. Dabei wirken mehrere Anpassungsmechanismen (ebd.: 40–53) wie z. B.: Ausblenden von...


Unger, Angelika
Angelika Unger ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der IB-Hochschule Berlin und Mitarbeiterin beim Bundesverband Lehrende Gesundheits- und Sozialberufe (BLGS).

Ertl-Schmuck, Roswitha
Prof. Dr. Roswitha Ertl-Schmuck lehrte Gesundheit und Pflege/Berufliche Didaktik an der TU Dresden.

Mibs, Michael
Michael Mibs war Lehrbeauftragter an der Dresden International University und Mitarbeiter am Neuromuskulären Therapiezentrum Dresden.Aktuell ist er Referent Evidenzbasierte Medizin bei der Stiftung Gesundheitswissen.

Prof. Dr. Roswitha Ertl-Schmuck lehrte Gesundheit und Pflege/Berufliche Didaktik an der TU Dresden.Angelika Unger ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der IB-Hochschule Berlin und Mitarbeiterin beim Bundesverband Lehrende Gesundheits- und Sozialberufe (BLGS).Michael Mibs war Lehrbeauftragter an der Dresden International University und Mitarbeiter am Neuromuskulären Therapiezentrum Dresden.Aktuell ist er Referent Evidenzbasierte Medizin bei der Stiftung Gesundheitswissen.


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