Fahrendorf | Ein Nicht-Buddhist fragt Buddha | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 504 Seiten

Fahrendorf Ein Nicht-Buddhist fragt Buddha

Neue ZEN-Unterweisungen

E-Book, Deutsch, 504 Seiten

ISBN: 978-3-7469-4376-3
Verlag: tredition
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)



Die in diesem Buch veröffentlichten Texte beruhen auf Unterweisungen, die in der Zeit von Juni 2018 bis November 2019 während mehrtägiger ZEN-Kurse oder an Meditationstagen gehalten wurden.
Dieses Buch knüpft so an das erste Buch: "Finde tiefen Glauben in dir selbst" an.
Die meisten Texte sind in sich geschlossen und - wenngleich chronologisch aufgeführt - in beliebiger Reihenfolge lesbar.
Wie schon im letzten Buch des Autors: "Wach da sein" ist ein Glossar beigefügt, in dem wichtige Begriffe aus dem Zen erläutert werden.
Ein Verzeichnis über die verwendete Literatur ist beigefügt.
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Kapitel 2 ALLTAG IST DER WEG Mumonkan Nr. 19: Alltag ist der Weg37 Teisho – Teil I Wir nehmen uns hier seit gestern Abend eine „Auszeit“ durch eine „Inne-H altungs-Zeit “. Und unser „normales“ Leben bleibt außen vor? Ist das so? Irgendwie schon. Und in gewisser Weise spiegelt das unsere Empfindung und – ja, auch das – sicherlich einen Teil unserer Motivation wider, die uns hierhin geführt hat und die uns hier verweilen lässt: Wir suchen einen Schonraum, einen Raum der Stille. Und nun komme ich an diesem ersten Tag des Sesshins mit dem Koan Nr. 19 aus dem Mumonkan: Alltag ist der Weg. Das sieht auf den ersten Blick wie ein Widerspruch aus: hier ein Raum der Stille und dort im Alltag Nicht-Stille. Aber dass das nicht so ist, dies immer zu erfahren, das ist ein wesentlicher Aspekt des im Kern religiösen Tuns, dem wir uns im Moment genau hier widmen, indem ich hier meine Stimme erhebe und Sie mir hier ihr Ohr zuwenden. Wir alle haben schon gemerkt, dass wir uns mit unserem Tun hier nicht ausklinken können aus diesem unseren Leben. Und wir kommen trotzdem. Warum? Weil wir alle in dieser oder jener Weise für uns schon erfahren haben, dass wir auf diese Weise, nämlich durch einen zeitweiligen äußeren Rückzug, uns viel stärker und mit klarerem Blick in das alltägliche gewöhnliche Leben „dort draußen“ zurückbegeben können, weil wir uns in uns selbst rückgekoppelt haben an den „Aspekt“, der unserem Leben erst Wirklichkeit verleiht. Und so gesehen haben wir uns von dem alltäglichen, dem gewöhnlichen Leben niemals entfernt, in dem wir diesen Moment einatmen und den nächsten oder die nächsten Momente wieder ausatmen. Immer sind wir im Fluss des Lebens, der strömt und strömt, so dass es gleichmäßig und wiederkehrend und letztlich lang-weilig erscheinen mag. Aber wer einmal einem Strom oder einem Fluss unbeweglich und entspannt zugeschaut hat, wird bestätigen, dass man auf einmal jeden Augenblick so viel an Unterschiedlichkeiten in der Bewegung, so viel mehr an Dynamik dort erkennt, als der zuvor nur oberflächliche Blick zu enthüllen imstande war. Man nimmt plötzlich das „Kurz-Weilige“ wahr. Und man kann erspüren, dass das gleichmäßig dahin strömende Wasser, obwohl äußerlich als das immer Gleiche erscheinend, in Wirklichkeit immer wieder neu kommt und geht. Du steigst niemals an der gleichen Stelle in den Fluss, so habe ich einmal gelesen! Alltag ist der Weg. Dazu will ich heute einen Einstieg versuchen. Einen Einstieg „nur“, weil dieses Koan, geht man es halbwegs vollständig durch, so viele Aspekte enthält, dass es uns dieses ganze Sesshin begleiten wird. Hier nun der Fall38: Jôshû fragte Nansen in allem Ernst: „Was ist der WEG?“ Nansen antwortete: „Der alltägliche Geist39 ist der WEG.“ Das ist der erste Teil des Koans. Nur auf ihn und die folgenden Fragen will ich mich heute einmal beschränken: - Alltag ist der Weg. Und sonst nichts? - Was soll das denn heißen: der Weg? - Was ist mit Alltag gemeint? - Was besagt die Formulierung: „Alltäglicher Geist ist der Weg“? - Wie hängt das alles zusammen? - Und was bedeutet das für uns als Übende in der Meditation auf dem Kissen, Bänkchen, Hocker oder Stuhl – und im sonstigen Leben? WEG – ENDLICH UND UNENDLICH „Weg.“ Dazu las ich die schöne Formulierung: „Der ‚Weg‘ ist eines der großen Menschheitssymbole.“40 In der chinesischen Urfassung ist „Weg“ das Schriftzeichen „Tao“ oder „Dao“. Für Laotse, den maßgeblichen Weisheitslehrer des Taoismus‘ oder Daoismus‘, der den aus Indien nach China „importierten“ Zen-Buddhismus stark beeinflusst hat, war der Weg des Tao oder Dao das kosmische Prinzip des Universums und das unsagbare Absolute41. Im Buddhismus wurde schon in seinen Anfängen von „Buddha-Weg“ (als einem hinführenden Weg zur Erleuchtung) gesprochen. So erstaunt nicht, dass es zu der Verschmelzung der Ansätze kam und wir so Weg = Tao oder Dao - wie schon Jôshû und Nansen - synonym als Buddha-Weg oder als Höchsten Weg oder als höchste oder letzte Wahrheit verstehen können42. Im Japanischen hat das chinesische Schriftzeichen Tao oder Dao zwei Bedeutungen, „michi“ und „dô“. Für den Weg des täglichen Lebens wird „michi“ verwandt, ein relativer Begriff also für alles und jedes. „Dô“ hingegen ist die Bezeichnung für den absoluten Weg43. Daher z. B. „Zen-dô“. Man könne also, so Yamada Kôun Roshi, wenn man den Nenner eines Bruchs als das Null-Unendliche nehme, ihn als „dô“ bezeichnen. Jedes Ding, jedes Phänomen in der sichtbaren Welt sei als Zähler zu sehen. So sei jeder Zähler, der über dem Nenner stehe, Weg im Sinne von Null-Unendlich44. Ist eine solche Verbindung von „michi“ und „dô“, von endlich und unendlich nicht auch gegenwärtig, wenn Christus sagt: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“45? Und: „Was ihr dem Geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr mir getan!“46 Ist das nicht Antwort genug? ALLTAG IST, SO WIE ER IST, WEG Im berühmten und hoch anspruchsvollen Werk „Shôbôgenzô“ von Dôgen Zenji gibt es ein Kapitel „Kajô“ = „Alltag“. Dieses Kapitel beginnt mit dem Satz: „Der Weg der Buddhas und Patriarchen ist es, Tee zu trinken und Reis zu essen; das ist ihre Familientradition. Die richtige Art, Tee zu trinken und Reis zu essen, wurde bis zur heutigen Zeit ununterbrochen weitergegeben.“47 Es gibt ähnliche Aussagen von anderen Zen-Meistern, von denen ihr wahrscheinlich auch schon gehört habt. So sagte Keizan Jôkin: „Wenn ich durstig bin, trinke ich; wenn ich hungrig bin, esse ich.“48 Und von Sekitô Kisen ist überliefert: „Ich lebe in einer Einsiedelei, die nichts Wertvolles enthält; nachdem ich gegessen habe, fühle ich mich schläfrig, ich nicke ein.“49 Wenn wir solche Aussagen hören, denken wir wahrscheinlich: „Ja, ja. Weise, alte Leute, Mönche zumal, die können das vielleicht sagen. Aber wie ist das gewöhnliche Leben, unser Alltag – zumal in unserer heutigen immer hektischeren Zeit – denn wirklich?“ Aber Vorsicht! Auch für die Mönche in der alten Zeit gab es den gewöhnlichen Alltag, 24 Stunden am Tag. Denken wir also nicht, dass – um im Bild von Dôgen Zenji zu bleiben – „nach“ der Mahlzeit kein Reis mehr zu essen und kein Tee mehr zu trinken ist. Entkleiden wir diese aus alter Zeit überlieferten Aussagen der Zen-Meister zum Weg der Buddhas und Patriarchen und zu ihrem eigenen alltäglichen Leben ihrer Zeit- und Situationsbedingtheit im China und Japan der alten Zeit, bleibt für uns hier im 21. Jahrhundert im sog. Westen als Kern durchaus etwas übrig. Dazu wieder zunächst Dôgen Zenji: „Wenn wir erkennen, dass alle unsere Handlungen den gleichen Wert haben wie Reis essen, werden wir das Allerwichtigste finden.“50 In den Worten von P. Johannes Kopp (Hôun-Ken Roshi), die er häufiger sagte: „Unsere Handlungen sind nicht gleichartig, aber gleichwertig“. Demgemäß kommentierte Yasutani Hakuun Roshi, der Meister von Yamada Kôun Roshi, unser Koan mit folgender rhetorischer Frage: „Ist nicht alles, was man jeden Tag vom Morgen bis zum Abend tut, so wie es ist, Weg?“51 NICHTS DANEBEN – ALLES IM GLEICHEN Wenn alle unsere Handlungen den lieben langen Tag gleichwertig sind, gibt es nichts außer ihnen im jeweiligen Augenblick. Nichts daneben? Nein, nichts daneben52! „Shakyamunis Hochheben der Blume ist bedeutungslos, wenn du nicht demgemäß lebst“, so sagte es der „alte Meister“ von Dôgen Zenji53. Als Christ kann und muss man hinzufügen: Leben und Sterben und Auferstehung von Jesus Christus sind bedeutungslos, wenn du nicht demgemäß lebst. Es geht also um Verwirklichung dieser Wahrheiten durch uns in unserem Tun in unserem „gewöhnlichen“, alltäglichen Leben an jedem Tag. So bekommt nun die Antwort von Nansen an Jôshû, der alltägliche Geist sei der Weg, einen anderen, uns in der Tiefe unseres Wesens ansprechenden Klang. Es geht in unserem Leben, letztlich um diese innewohnende, ungetrennte Transzendenz. Nichts daneben...


ZUM AUTOR:

Klaus Fahrendorf, geb. 1947 in Gelsenkirchen-Buer. Studium der Rechtswissenschaft, Dr. jur., Richter, Ruhestand 2012. Verheiratet, zwei Söhne. Zen- Praxis seit 1989. 1990 Schüler bei P. Johannes Kopp (Hôun-ken Roshi). 2008 Ernennung zum Zen-Lehrer (Cloud of Merciful Awareness) im "Programm Leben aus der Mitte - Zen-Kontemplation im Bistum Essen" zusammen mit Marlis Fahrendorf (Cloud of Infinite Beginning; verst. 9. 12. 2008). 2009 Gründung der Regionalgruppe Bochum. Seit 2015 auch Zen-Kurse im Kardinal-Hengsbach-Haus in Essen-Werden. Nach Schließung des Kardinal-Hengsbach-Hauses Kurse in verschiedenen anderen Häusern.


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