Focks | Genderbewusste Pädagogik in der Kita | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 256 Seiten

Focks Genderbewusste Pädagogik in der Kita

E-Book, Deutsch, 256 Seiten

ISBN: 978-3-451-83227-7
Verlag: Verlag Herder
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Die vollständig überarbeitet Neuausgabe zum Thema Gender in der Kita: Nicht erst durch die Diskusssion um die  Schulleistungen hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass eine geschlechterbewusste Pädagogik notwendig ist, um Kinder in ihren individuellen Interessen, Fähigkeiten und in ihrer Vielfalt zu fördern und gleiche Chancen herzustellen. Petra Focks stellt die Erkenntnisse aus Theorie und Praxis geschlechterbewusster Pädagogik verständlich und praxisorientiert für den Alltag in der Kita dar. Es geht darum, eine eigene Haltung zu entwickeln und geschlechterbewusste Pädagogik umzusetzen.
In allen Teilen des Buches gibt es Materialien für Studium, Fortbildung und Umsetzung in der eigenen Einrichtung. Mit vielen konkreten Übungen, Spielen und Materialien für die Umsetzung in die Praxis.
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Einleitung
Warum wird ein durch die Räume tobendes Kind auf den ersten Blick oft für einen Jungen gehalten? Warum statten Eltern ihre Kinder in aller Regel mit geschlechtstypischer Kleidung, Spielwaren für Jungen oder Mädchen aus? Warum zeigen Kinder gerade im Kindergartenalter ein betont geschlechtstypisches Verhalten? Warum gibt es nach wie vor weniger Frauen in Führungspositionen als Männer, warum so wenige Männer als Erzieher in Kitas? Geschlecht ist verwoben mit allen Lebensbereichen. Wir finden Geschlechtersymbole und Geschlechterstereotype überall. Sie sind in gesellschaftliche Strukturen und in Organisationen eingeschrieben und beeinflussen maßgeblich die Geschlechtsidentitätsentwicklung von Kindern. Wenngleich viele Eltern ihre Kinder heutzutage nicht geschlechtstypisch erziehen und pädagogische Fachkräfte Mädchen und Jungen gleich behandeln wollen, zeigen Studien, dass Erwachsene sich vielfach in ihrem Erziehungsverhalten an tradierten Geschlechterbildern orientieren. Wie ist dies zu erklären? Alle Menschen, die in einer bestimmten Kultur aufgewachsen sind und leben, sind beeinflusst und geprägt von den allgegenwärtigen Symbolen, Strukturen und Identitätskonstruktionen von Geschlecht, die dort gelten. Wie eine Gesellschaft aufgebaut und strukturiert ist, Verhaltensweisen, Gefühlsäußerungen, Spielmaterial – alles scheint »vergeschlechtlicht«. Auch Geschlechterstereotype sind allgegenwärtig und halten sich hartnäckig sowohl in der Sprache als auch in den Medien, wie zum Beispiel in Büchern und Filmen. Dies zeigen aktuelle empirische Untersuchungen sehr deutlich (Charlesworth u. a. 2021, S. 219). Wer sich nicht bewusst und reflektiert damit auseinandersetzt, reproduziert meist die vorherrschenden Geschlechterverhältnisse. Dies führt jedoch unter anderem zu einer Einschränkung der Entfaltungsmöglichkeiten der Kinder im Hinblick auf das, was jeweils als »weiblich« oder als »männlich« gilt, und behindert individuelle Bildungsprozesse in der frühen Kindheit. Außerdem führen die herrschenden Geschlechterverhältnisse immer wieder zur Ausgrenzung von Kindern, die den geschlechtstypischen Vorgaben nicht entsprechen. Und Kinder, die geschlechtlich nicht einfach als entweder »weiblich« oder »männlich« verortet sind, stehen vor außerordentlichen Herausforderungen, ihren Platz in einer zweigeschlechtlich strukturierten Gesellschaft zu finden. Die vorherrschende Geschlechterkonstruktion birgt außerdem soziale Ungleichheiten wie zum Beispiel die ungleiche Bezahlung von Frauen und Männern und die Abwertung sozialer Berufe, in denen Frauen überrepräsentiert sind. So wird auch in nationalen und internationalen empirischen Studien übereinstimmend deutlich, dass die Betonung von Geschlecht bzw. das Gendern von Lebensbereichen sowie vorherrschende Geschlechterstereotype Kinder in ihrer kognitiven und sozio-emotionalen Entwicklung beeinträchtigen (vgl. dazu u. a. die Zusammenfassung verschiedener Studien von Heisig 2019, S. 12ff.). Die Entwicklung von Kindern und ihre Fähigkeit, mit den jeweiligen lebensweltlichen Herausforderungen umzugehen, hängt maßgeblich davon ab, ob sie in ihren Entfaltungsmöglichketen gefördert werden (unabhängig von Geschlechtszugehörigkeit und/oder sozialer und ethnischer Herkunft), ob sie geschützt werden (u. a. vor sexualisierter Gewalt oder Diskriminierung) und ob sie beteiligt werden (genderbewusst und inklusiv). Daher hat sich immer mehr die Erkenntnis durchgesetzt, dass bereits im Elementarbereich eine genderbewusste Pädagogik notwendig ist. Denn in dieser Zeit werden wesentliche Impulse für den Erwerb der geschlechtlichen Identitäten gegeben. Hier werden die Weichen dafür gestellt, ob Kinder ihre Geschlechtsidentitäten auf eine Weise ausgestalten können, die ihren individuellen Bedürfnissen, Fähigkeiten und Interessen entspricht. Kinder experimentieren gerade im Kindergartenalter mit den Präsentationsweisen von »Weiblichkeit« und »Männlichkeit« in unserer Kultur und setzen diese zu sich selbst in Beziehung. Wenn Kinder nicht darin bestärkt werden, ihr So-Sein auszuleben, wie es ihnen entspricht, wenn ihnen keine Spielräume in der Identitätsentwicklung ermöglicht werden und die Erwachsenen nicht reflektiert mit Geschlechterstereotypen umgehen, orientieren sich Kinder häufig an den traditionellen Geschlechterkonstruktionen. Dies führt zu Einschränkungen der Entfaltungsmöglichkeiten von Kindern und wirkt sich oft negativ auf die Entwicklung aus. Grundlage einer geschlechterreflektierten bzw. genderbewussten Pädagogik ist es, Kinder – unabhängig von Geschlechterstereotypen – in ihrer Individualität zu fördern und die Prozesse des »doing gender« (das bedeutet, wie Menschen jeweils »Männlichkeiten« und »Weiblichkeiten« im Alltag aktiv herstellen) kritisch zu begleiten. So zeigen aktuelle Forschungsergebnisse, dass es positive Auswirkungen auf die kognitive und sozio-emotionale Entwicklung von Kindern hat, wenn sie jenseits von Geschlechterstereotypen in ihren individuellen Interessen und Fähigkeiten gefördert und gleich behandelt werden (vgl. dazu Heisig 2019, S. 12ff.). Das Geschlechter-Dreieck
Dabei ist der Einfluss der Geschlechterkonstrukte oft nicht leicht zu durchschauen, weil sie auf unterschiedlichen Ebenen wirken, die miteinander verknüpft sind und einander wechselseitig durchdringen. Veränderungsansätze und pädagogische Konzepte wirken daher wenig nachhaltig, wenn sie nur auf einzelnen Ebenen ansetzen. Die Wirkmacht der herrschenden Geschlechterverhältnisse ist nur zu verstehen (Analyseebene) und zu beeinflussen (Veränderungsebene), wenn wir die verschiedenen Ebenen zugleich beachten. Es sind vor allem drei Ebenen, die hier eine wesentliche Rolle spielen: Neben der »Geschlechtersymbolik« (für Kinder über Symbole zu »Männlichkeit« und »Weiblichkeit« und Geschlechterstereotype erlebbar) und dem »Geschlecht als Strukturprinzip« (für Kinder vor allem über die Arbeitsteilung der Geschlechter und ein Modelllernen erlebbar) sind hier als dritte Ebene die individuellen Geschlechtsidentitätskonstruktionen und die Prozesse des »doing gender« zu nennen. Ebenen des Geschlechter-Dreiecks Vor allem die Ebene der individuellen Geschlechtsidentitätskonstruktionen (»doing gender«) wird leicht vernachlässigt. So zeigen Kinder nicht nur ihre Spielinteressen, wenn sie mit Autos oder mit Puppen spielen, sondern konstruieren zugleich »Männlichkeit« und »Weiblichkeit«. Geschlecht ist jedoch nur ein Merkmal der individuellen Identitätskonstruktionen von Kindern. Sie unterscheiden sich zum Beispiel in Bezug auf das Lebensalter, die soziale Herkunft, Sprache, Rassismuserfahrungen, Be-Hinderung, religiöse oder weltanschauliche Prägungen. Die Lebenswelten von Kindern sind also immer auch beeinflusst durch unterschiedliche Gruppenzugehörigkeiten. »Weiblichkeit« oder »Männlichkeit« wird in verschiedenen Altersgruppen, Kulturen oder sozialen Milieus unterschiedlich definiert. Es ist daher notwendig, das Thema Geschlecht weder zu banalisieren noch zu dramatisieren. Geschlecht ist eines von verschiedenen Aspekten der Identitätskonstruktion von Kindern und ungleichheitsrelevanter Faktoren. Um allen Kindern die gleichen Bildungschancen zu ermöglichen, um Kinderschutz und Partizipation zu gewährleisten und somit Inklusion zu fördern, müssen die unterschiedlichen Faktoren immer in Verknüpfung miteinander betrachtet werden.1 Eine solche verknüpfende (intersektionale) Betrachtungsweise kann dabei helfen, Kinder in ihrer Vielfalt wahrzunehmen, Zuschreibungen aufgrund des Geschlechts, der sozialen oder ethnischen Herkunft zu vermeiden und individuelle Diskriminierungserfahrungen anzuerkennen und zu thematisieren. Was meint genderbewusste Pädagogik?
Genderbewusste Pädagogik ist der Oberbegriff für einen reflektierten Umgang mit Geschlecht und Geschlechterkonstruktionen auf der Ebene der Kinder, der Erziehungsberechtigten, der pädagogischen Fachkräfte und der Einrichtung. Grundlage ist die Wertschätzung der tatsächlichen (geschlechtlichen) Vielfalt und Individualität von Kindern unter Berücksichtigung vorhandener sozialer Ungleichheiten in den Geschlechterverhältnissen. Diese doppelte Blickrichtung, Kinder sowohl als Angehörige ihrer Geschlechtergruppe als auch in ihrer Einzigartigkeit mit ihren individuellen Stärken und Interessen zugleich zu betrachten, ist grundlegend für eine genderbewusste Pädagogik. Dabei geht es nicht nur um mehr oder gleiche Chancen, sondern immer auch um soziale Gerechtigkeit, Inklusion und die Umsetzung der Kinderrechte. DEFINITION Genderbewusste Pädagogik Das Ziel genderbewusster Pädagogik ist es, Kinder – jenseits von Geschlechterstereotypen – in ihren individuellen Interessen und Fähigkeiten zu fördern. Es geht darum, sie bei der Ausgestaltung ihrer individuellen Geschlechtsidentitäten zu unterstützen, unabhängig von den jeweils herrschenden Vorstellungen vom »richtigen Mädchen« und »richtigen Jungen«. Kinder werden in ihren...


Focks, Petra
Dr. Petra Focks ist Professorin für soziale Arbeit an der kath. Hochschule für Sozialwesen in Berlin. Langjährige Erfahrung in Forschung, Lehre und Fortbildung in den Bereichen geschlechterbewusste Pädagogik, Bildung, Menschenrechte, Lebenswelten und Lebensbewältigungsstrategien von Kindern und Jugendlichen.

Dr. Petra Focks ist Professorin für soziale Arbeit an der kath. Hochschule für Sozialwesen in Berlin. Langjährige Erfahrung in Forschung, Lehre und Fortbildung in den Bereichen geschlechterbewusste Pädagogik, Bildung, Menschenrechte, Lebenswelten und Lebensbewältigungsstrategien von Kindern und Jugendlichen.


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