Fornaro / Szesny-Mahlau / Unterhitzenberger | Traumatherapie mit Kindern und Jugendlichen | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 320 Seiten

Fornaro / Szesny-Mahlau / Unterhitzenberger Traumatherapie mit Kindern und Jugendlichen

Eine Orientierungshilfe für die Behandlung der (komplexen) PTBS

E-Book, Deutsch, 320 Seiten

ISBN: 978-3-7495-0443-5
Verlag: Junfermannsche Verlagsbuchhandlung
Format: EPUB
Kopierschutz: Kein



Traumatisierten Kindern helfen, zurück ins Leben zu finden Dieses Praxisbuch bietet den psychotherapeutischen Leitfaden für eine bedarfs- und kindgerechte Behandlung von Traumafolgestörungen. Missbrauch, Flucht und andere traumatische Erfahrungen können bei Kindern und Jugendlichen unterschiedliche Symptome zur Folge haben. Neben belastenden Erinnerungen und Albträumen treten Ängste und Schamgefühle oder auch Selbstverletzungen und Aggressivität auf. Sie dienen unbewusst als Schutzstrategien. Die Bedingungen dafür zu schaffen, dass diese Schutzstrategien überflüssig werden, ist der Sinn von Traumatherapie. In diesem Buch wird Wissen über Trauma und Traumafolgen ebenso anschaulich vermittelt wie erprobte Strategien für eine an den Bedürfnissen der Betroffenen und deren Bezugssystemen orientierte Beziehungsgestaltung und Therapieplanung. Fallbeispiele, die Darstellung eines modularen, integrativen Vorgehens und Arbeitsmaterialien erleichtern die gelungene Umsetzung in der Praxis.
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2. Die tragfähige Beziehung in der traumafokussierten Therapie
Viele der Kinder und Jugendlichen, die sich in unseren Praxen vorstellen, haben Traumata innerhalb für sie wichtiger Beziehungen oder Bezugssysteme erlebt. Sie haben die Erfahrung gemacht, dass ihre Bezugspersonen überfordert waren oder aus anderen Gründen nicht in der Lage, ihnen den Schutz und die feinfühlige und engmaschige Unterstützung zu geben, die sie gebraucht hätten. Viele erleben eine nachhaltige Erschütterung ihres Selbst- und Weltbildes. Nach allen Erschütterungen und Vertrauensbrüchen, die die 16-jährige Lena erlebt hat, hätte sie allen Grund gehabt, ihrem Therapeuten mit großer Skepsis zu begegnen. Ihre Mutter leidet unter einer chronischen Erkrankung und hat Mühe, für ihre drei Kinder zu sorgen. Lenas leiblicher Vater verließ die Familie nach der Geburt des jüngsten Geschwisters, da war Lena vier. Als sie zehn war, zog ein neuer Mann zu Hause ein. Er kümmerte sich gut um Mama und die Kinder, baute eine neue Küche ein und wurde von Nachbarn und Freunden sehr für seine Großherzigkeit und seine ruhige Art bewundert. Lena konnte verschnaufen, sie fühlte sich als Älteste nicht mehr ganz so verantwortlich für die Familie, insbesondere wenn Mama wegen eines Krankheitsschubes nicht viel machen konnte. Sie ließ sich gerne von ihm in den Arm nehmen und kuschelte sich oft dankbar an ihn. Lenas Welt brach zusammen, als sie zwölf war und der Stiefvater begann, sie beim Kuscheln sexuell zu berühren. Über die Zeit schuf er immer wieder Situationen, in denen er sie zwang, sexuelle Handlungen an ihm auszuführen. Lena verstand die Welt nicht mehr. Wie sollte sie sich verhalten? Wie konnte es sein, dass die Person, die ihr Halt gab und der sie vertraute, ihr plötzlich solche Angst machte? Wie wir in Kapitel 1 beschrieben haben, beruhen Traumafolgestörungen zunächst auf überlebensnotwendigen biologischen und psychologischen Anpassungsversuchen an widrige Lebensumstände. Finden Kinder keinen Weg zurück aus ihrem Überlebensmodus in einen entspannten, offenen und bindungsorientierten Zustand, in dem sie das Erlebte verarbeiten können, werden aus ursprünglichen Anpassungsversuchen störende Symptome, die aktuelle Beziehungen belasten. Während die erworbenen Schutzstrategien bei der Beziehungsgestaltung durch den Blick der Traumabrille Sinn ergeben, bringen sie für die therapeutische Arbeit besondere Herausforderungen mit sich. Erstaunlicherweise gelingt es in den meisten Fällen dennoch rasch, eine tragfähige therapeutische Beziehung aufzubauen, wenn wir einige traumaspezifische Punkte berücksichtigen und typische Fallen vermeiden. Dafür möchten wir Sie in diesem Kapitel sensibilisieren. Eine in der Arbeit mit traumatisierten Menschen mindestens genauso wichtige Grundlage für die gelingende Therapie ist der Umgang mit uns selbst – innerhalb und außerhalb der Therapiestunden. Das ergibt sich aus der Interaktion zwischen einer besonderen Feinfühligkeit der Patient:innen für Beziehungssignale und unserer eigenen emotionalen Reagibilität. Auf der einen Seite stehen die Erfahrungen der Kinder und Jugendlichen. Ihre Bedürfnisse wurden in der Vergangenheit durch andere Menschen nicht wahrgenommen. Sie haben immer wieder erlebt, dass ihre psychischen oder physischen Grenzen missachtet wurden. Um wenigstens etwas Vorhersehbarkeit und Kontrolle zu schaffen, haben sie ein feines Gespür für den Zustand der Menschen in ihrer Umgebung entwickeln müssen. Sie bemerken oft ganz genau, wie es uns als Therapeut:innen geht und was sie uns zumuten dürfen und können. Gleichzeitig spüren sie oft auch besser als andere Kinder und Jugendliche, was von ihnen erwartet wird, um anderen zu gefallen, um anderen ein gutes Gefühl zu vermitteln und um sie auf keinen Fall zu enttäuschen oder gar gegen sich aufzubringen. Und so begegnen sie auch uns in der therapeutischen Beziehung. Auf der anderen Seite steht unsere emotionale Ansprechbarkeit. Die Geschichten dieser Kinder zu hören, geht an uns als Therapeut:innen nicht immer spurlos vorüber. Die Abgründe, in die wir mit den Kindern bisweilen blicken, übersteigen das, was wir uns vorstellen möchten. So sollte eine Welt, in der Kinder aufwachsen, nicht sein. Dadurch wird unser Bedrohungssystem aktiviert. Auch erfahrene Therapeut:innen können zeitweise überwältigt sein und mit Gefühlen von Entsetzen, Ohnmacht und Wut in Kontakt kommen. Manchmal werden wir vom Alarmsystem der Kinder angesteckt und mitgerissen. Außerdem kann die Arbeit mit besonders schweren oder interessanten Fällen unser Bedürfnis nach Anerkennung aktivieren: Vielleicht möchten genau wir diejenigen sein, denen sich diese Kinder anvertrauen. Oder wir spüren einen starken Wunsch, schnelle Therapieerfolge zu erzielen und bald „alles wieder gutzumachen“. Vielleicht wollen wir auch besonders kompetente Therapeut:innen sein, die es besser machen als andere Bezugspersonen und die die vielen schlechten Erfahrungen, die sich oft auch im Hilfesystem wiederholen, ausgleichen können. Wenn wir dann im Therapieverlauf erleben, dass wir von den Kindern abgelehnt werden, keine schnellen Verbesserungen sichtbar werden oder Kooperationspartner uns abwerten, kann uns das vor diesem Hintergrund besonders hart treffen. Aus diesen Gründen haben wir uns in diesem Kapitel entschieden, Beziehungsgestaltung zweiseitig zu verstehen – einmal als Gestaltung der Beziehung zu unseren Patient:innen und deren Bezugspersonen und einmal als Gestaltung des Umgangs mit uns selbst. Es ist uns ein Anliegen, die Wechselseitigkeit und die Auswirkungen auf die therapeutische Arbeit in den Fokus zu nehmen und konkrete Strategien anzubieten, wie eine langfristige, sinnstiftende Arbeit auch mit schwer traumatisierten Menschen gelingen kann, ohne dass wir selbst Schaden nehmen. 2.1 Einen sicheren Hafen finden
Therapie findet in der Begegnung statt, in unserer ganz realen Beziehung zu den Kindern und Jugendlichen und zu deren Bezugsystemen. Die aktuelle Psychotherapieforschung betont die Wichtigkeit der therapeutischen Beziehung: einerseits als eigenständigen Wirkfaktor, andererseits als Grundlage, auf der therapeutische Interventionen überhaupt erst wirksam werden können (Flückinger et al., 2015). Als Therapeut:innen wissen wir um die Stärke und die Resilienz, die in unseren jungen Patient:innen steckt. Traumafolgesymptome und ungünstige Bewältigungsmechanismen verstellen häufig den Blick der Betroffenen und ihres Umfeldes auf die Tatsache, dass die Kinder bereits einen Weg gefunden haben, all das Schlimme zu überstehen. Sie sind überhaupt erst bei uns in der Therapie angekommen, weil sie eine ganze Menge Stärke in sich tragen. Unsere Aufgabe ist es, diese für sie wieder spürbar und nutzbar zu machen. Bei der Beziehungsgestaltung zu traumatisierten Kindern, Jugendlichen und deren Bezugssystemen kann es hilfreich sein, einige Leitgedanken zu berücksichtigen, die dem traumatischen Erleben entgegengesetzt sind. Wir sehen die Vermittlung von Sicherheit, Wertschätzung, Hoffnung und Mitgefühl als zentral für einen gelingenden Beziehungsaufbau an. Von Beginn der Therapie an ist es außerdem wichtig, eine gute Verortung im Hier und Jetzt vermitteln zu können. Wir widmen diesen fünf Facetten im Folgenden je einen Abschnitt. Eines wollen wir von Anfang an betonen: Dass die Patient:innen eine vertrauensvolle Beziehung eingehen können, ist keine Bedingung oder Voraussetzung für eine traumafokussierte Therapie – sondern vielmehr eines ihrer Ziele! Insbesondere sollten uns auftretende Herausforderungen und Schwierigkeiten in der Beziehungsgestaltung niemals von einer traumafokussierten Arbeit abbringen. Beziehungsarbeit und traumafokussierte Arbeit stellen keinen Widerspruch dar, sondern greifen ineinander und gehören untrennbar zusammen. 2.1.1 Sicherheit im Therapieraum und in der Beziehung
Irritiert schaut die 15-jährige Lara die Therapeutin an, als diese sie beim ersten Termin nach dem Betreten des Raumes bittet, sich in Ruhe umzusehen und zu überlegen, wo im Zimmer sie gerne sitzen möchte, auf welchem Platz sie sich ein bisschen sicher fühlen könnte. „Weißt du, für viele Menschen, die etwas Schreckliches erlebt haben, ist es schwierig, sich danach wieder sicher zu fühlen. Aber wir können auf einfache Dinge achten, die es uns leichter machen, ein bisschen weniger Bedrohung zu fühlen. Und dabei hilft es, die Wahl zu haben. Du entscheidest hier, ob du auf dem Schaukelstuhl, im Sessel oder auf dem Boden sitzen magst, und auch, wo und in welchem Abstand ich sitzen soll. Und wenn du es jetzt noch nicht genau weißt, dann probieren wir einfach unterschiedliche Möglichkeiten aus.“ Lara entscheidet sich für den Sessel mit Blick zur Tür und bittet die Therapeutin darum, ihren Stuhl ein bisschen weiter zurückzuschieben. Traumasensible Beziehungsgestaltung unterscheidet sich von Alltagsbeziehungen darin, dass sie absichtsvoll geschieht, die Bedürfnisse der Kinder erkennt und adäquat auf sie eingeht. In der Traumapädagogik wurde als Grundvoraussetzung für das Absetzen der Traumabrille und die Aufgabe traumabedingter Schutzstrategien der Begriff des „sicheren Ortes“ geprägt (Gahleitner et al., 2014). In pädagogischen Kontexten geht es insbesondere um sichere Orte im Außen und den Schutz vor erneuter Traumatisierung. In diesem Abschnitt wollen wir darstellen, wie wir das Konzept des sicheren Ortes auch in der therapeutischen Arbeit berücksichtigen können. Dieser „sichere Ort“ ist erst einmal ganz wörtlich gemeint. Wir bemühen uns, das Therapiezimmer und die Möglichkeiten der Begegnung, die hier stattfinden, so zu gestalten, dass sich die Kinder und Jugendlichen nach und nach sicher fühlen können. Wichtigstes Merkmal eines sicheren...


Dr. Patrick Fornaro behandelt als Psychologischer Psychotherapeut Kinder, Jugendliche und Erwachsene in eigener Praxis in München. Er nutzt verhaltenstherapeutische und systemische Ansätze.


Dr. Nicole Szesny-Mahlau arbeitet als Psychologische Psychotherapeutin in eigener Praxis in München. Ihr Schwerpunkt sind Traumafolgen über die Lebensspanne.


Dr. Johanna Unterhitzenberger ist Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin. Aktuell ist sie auf der Station für Psychosomatik am Zentrum für Kinder und Jugendliche Inn-Salzach e.V. in Altötting tätig.


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