Freienstein | Ein systemisch-kognitionspsychologischer Ausbildungsrahmen für agiles Business und Executive Coaching | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 196 Seiten

Reihe: Verlag für systemische Forschung

Freienstein Ein systemisch-kognitionspsychologischer Ausbildungsrahmen für agiles Business und Executive Coaching

Potenzialentwicklung im Kontext dynamischen Wandels

E-Book, Deutsch, 196 Seiten

Reihe: Verlag für systemische Forschung

ISBN: 978-3-8497-9054-7
Verlag: Carl Auer Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Wenn Coaching in der Praxis wissenschaftlichen Ansprüchen genügen will, muss es unbedingt eines erfüllen: Coaching muss im Hinblick auf die zugrunde gelegten Wirkannahmen und den Methodeneinsatz theoriegeleitet erfolgen und wissenschaftlichen Erkenntnissen verpflichtet sein.

Der vorliegende psychologische Lehransatz wendet sich an bereits tätige Business und Executive Coaches sowie Coachinginteressierte mit dem Ziel, ein schulenübergreifendes psychologisches Coaching-Rahmenmodell der zugrunde liegenden geistigen Prozesse zu vermitteln, auf deren Basis Coachingwirkungen im Berufs- und Wirtschaftskontext angenommen werden können. Ein solches Rahmenmodell liefert in der Praxis handlungsleitende Orientierung sowohl für die gehirngerechte Gestaltung des Coachingprozesses als auch für den wissenschaftlich begründeten Einsatz von Coachingmethoden. Den kognitions- und neuropsychologischen Modellannahmen zufolge bildet eine nach wissenschaftlichen Erkenntnissen gestaltete Zusammenarbeit die Grundlage für lebenslange Potenzialentwicklung und Agilität.
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2 Systemische Einordnung von Coaching: Ein Zeitgeistphänomen und seine Treiber
Die zentralen Treiber des Wandels verändern die Arbeitswelt wie kaum eine gesellschaftliche Entwicklung zuvor. Neue Anforderungen an die Lern- und Anpassungsfähigkeit von Menschen entstehen durch die Auswirkungen unter anderem von Technologisierung, Digitalisierung und Globalisierung. Könnte der Coachingtrend der vergangenen vier Jahrzehnte demnächst an Fahrt verlieren? Wohl kaum. Denn im Zuge dieser Megatrends kommt es zu immer kürzeren Innovationszyklen, exponentiellem Wachstum von Wissen bei gleichzeitig sinkenden Halbwertszeiten von Fachwissen (Blum & Dübner, 2012). Wissen und Erfahrung allein reichen schon lange nicht mehr zur Bewältigung komplexer, sich dynamisch ändernder Anforderungen sowie zur persönlichen und unternehmerischen Zukunftssicherung im Wandel (vgl. Backhausen & Thommen, 2006). Unter Transformationsdruck sind zurückliegende Erfahrungen sogar oft ein schlechter Ratgeber. Vielmehr treten herausfordernde Probleme und Entscheidungen unter hoher und weiter steigender Komplexität in den Vordergrund. Der in diesem Buch behandelte systemisch-kognitionspsychologische Ausbildungsrahmen basiert auf einem in Deutschland vorherrschenden systemischen Coachingverständnis, wonach ein individuelles Coachinganliegen immer im Kontext der gegebenen Rahmenbedingungen zu sehen ist und das Individuum mit dessen Denkhaltung, Verhaltensdispositionen sowie Wünschen, Bedürfnissen und Zielen stets in Wechselwirkung mit der komplexen Umwelt steht. Vor diesem Hintergrund bildet eine systemische Einordnung der gesellschaftlichen, wirtschaftlichen sowie berufsbezogenen Kontextbedingungen, denen Menschen in ihrem (Arbeits-)Leben ausgesetzt sind, den Ausgangspunkt für eine tiefergehende Auseinandersetzung mit den komplexen Anforderungen an Business und Executive Coaching. 2.1 Komplexität und Vernetztheit
Kennzeichnend für Komplexität ist eine relativ große Anzahl von Einflussvariablen, die über eine netzwerkartige Beziehungsstruktur miteinander verknüpft sind (Dörner, 1989). Komplexität geht damit immer mit Vernetztheit einher. In diesem Sinne kann ein komplexer Sachverhalt als ein System von interagierenden Variablen verstanden werden, dessen Komplexität aus der Anzahl von Variablen und dem Grad ihrer Vernetztheit resultiert (ebd.). In einer komplexen, global vernetzten Welt haben Entscheidungen somit weitreichende, oft nicht absehbare Folgen und Wechselwirkungen. Das gilt für jeden Einzelnen im privaten Kontext ebenso wie für Funktionsträger mit Managementverantwortung für ein Unternehmen, ein Geschäftsfeld, eine Abteilung oder ein Produkt und in der Konsequenz in Verantwortung für andere Menschen. Damit verbundene vielschichtige, oft konfliktbehaftete Rollenanforderungen erhöhen den Komplexitätsgrad heutiger Lebenswirklichkeiten weiter zunehmend, wodurch das menschliche Gehirn tagtäglich in besonderem Maße beansprucht wird. Je größer die Anzahl von Variablen ist und je stärker diese untereinander vernetzt sind, desto komplexer ist das im Coaching zu berücksichtigende System. Diese Betrachtungsweise steht im Einklang mit einem systemischen Coachingverständnis. Dabei sei allerdings betont, dass dies nicht gleichzusetzen ist mit systemtheoretischen oder kybernetischen Ansätzen, die oft zur theoretischen Fundierung von Business und Executive Coaching herangezogen werden (siehe Kap. 6.1 und 7.6). Dieses Lehrbuch folgt einer problemlösepsychologischen Terminologie, der zufolge ein komplexer Sachverhalt nicht isoliert zu betrachten ist, sondern als ein System, in welchem die Systemvariablen und Teilsysteme miteinander in komplexer Wechselwirkung stehen. Durch komplexe Wechselwirkungen in Form von positiven und negativen Rückkopplungen kommt es zu einer schwer vorhersehbaren Eigendynamik. Positive Rückkopplungen sind „Beziehungen, in denen eine Variable sich direkt oder indirekt selbst so beeinflusst, dass ihre Vergrößerung zu ihrer weiteren Vergrößerung führt und ihre Verkleinerung zur weiteren Verkleinerung.“ (Dörner, 1989, S. 110) im Sinne von „je mehr…, desto mehr…“ und „je weniger…, desto weniger…“. Dabei folgen die Entwicklungen häufig nichtlinearen Funktionen, wodurch Vorhersagen erschwert werden. Systeme mit vorwiegend positiven Rückkopplungen sind daher relativ schwer zu kontrollieren (Brehmer, 1992; Lüer & Spada, 1992). Ein aktuelles globales Beispiel hierfür ist der exponentielle Anstieg von Covid-19-Erkrankungen im Zuge der Pandemie. Auf individueller Ebene können sich positive Rückkopplungen im Business Kontext beispielsweise in einem Teufelskreis zunehmender Stigmatisierung und Ausgrenzung zeigen. Fühlen sich Menschen in ihrem beruflichen Umfeld „gemobbt“ und reagieren darauf mit Anklagen und Beschwerden, kann dies das ablehnende Verhalten des Kollegiums sowie die Kritik von Vorgesetzten verstärken. Betroffene könnten sich dadurch zunehmend in der Annahme bestätigt fühlen, dass die anderen feindselig sind, und versuchen möglicherweise mit immer stärkeren Maßnahmen dagegen anzukämpfen. Das wiederkehrende Erleben dieses Szenarios selbst nach einem Wechsel des Umfeldes mündet nicht selten in die Frage „Warum passiert mir das immer wieder?“. Die Feststellung der vermeintlichen „Wahrheit“, dass die Betroffenen gegebenenfalls eine „Mitverantwortung“ tragen, würde Rückzugsverhalten begünstigen angesichts der Wahrnehmung, dass sich nun auch der eigene Coach – wenn nicht sogar die ganze Welt – gegen sie verschworen hat. Systemische Betrachtungen bieten hingegen die Chance einer Aufmerksamkeitsverschiebung weg von Schuldzuweisungen hin zu hypothetischen Betrachtungen möglicher Wechselwirkungen in einem System. Im Gegensatz dazu haben negative Rückkopplungen die Tendenz, Systemeingriffe in gewissem Maße auszugleichen oder abzupuffern im Sinne von „je mehr…, desto weniger…“ und „je weniger…, desto mehr…“ (vgl. Dörner, 1989). Ein Risiko negativer Rückkopplungen kann dadurch entstehen, dass unerwünschte Entwicklungen infolge bestimmter Eingriffe über einen vergleichsweise langen Zeitraum unerkannt bleiben, bis die jeweiligen Ressourcen erschöpft sind. So werden sich z. B. von Burnout Betroffene chronischer Überforderung oft erst spät bewusst. Eine Kombination positiver und negativer Rückkopplungen kann zu einem schwer zu verstehenden, vorherzusagenden und zu kontrollierenden Systemverhalten führen (Brehmer, 1992). Komplexität und Dynamik gehen daher meist mit Intransparenz von Systemeigenschaften einher. Typischerweise sind komplexe Zielsetzungen im Business und Executive Kontext außerdem durch Polytelie gekennzeichnet – das heißt durch mehrere, meist nur teilweise transparente und mitunter divergierende Ziele. Häufig liegen unklar definierte Zielvorgaben vor, die nur hinsichtlich weniger Kriterien festgelegt sind. Ziele sind unklar definiert, wenn ein Kriterium fehlt, nach dem eindeutig entschieden werden kann, wann der Zielzustand erreicht ist (Dörner, 1989). Dies kann im Berufsleben zu unterschiedlichen Erwartungen seitens der Stakeholder und zur Verunsicherung der betroffenen Fach- und Führungskräfte führen. 2.2 Individualisierung und Wertepluralismus
Als ein weiterer Treiber komplexer Veränderungen des frühen 21. Jahrhunderts gilt der Trend zur Individualisierung. Damit umschrieben wird im Wesentlichen das menschliche Streben nach Autonomie und Selbstbestimmung, welches mit höherem allgemeinen Bildungsstand, steigendem Wohlstand und sinkendem Einfluss tradierter Institutionen und Normen an Bedeutung gewinnt und mit wachsendem Gestaltungsspielraum in der Lebensführung einhergeht. Im Zuge zunehmender gesellschaftlicher Individualisierungstendenzen lässt sich eine Pluralisierung von Lebensstilen, Werten und Normen mit einer großen Vielfalt biografischer Muster beobachten (vgl. Zukunftsinstitut, 2018). Die Rede ist in diesem Zusammenhang von der Freiheit zur Wahl (ebd.) mit allen psychologischen Herausforderungen, die das angesichts von Informationsüberfluss sowie schier endloser Entscheidungs- und Handlungsoptionen mit sich bringt. Ein technologischer Treiber dieser Entwicklung wird in der zunehmenden digitalen Vernetzung gesehen (ebd.). Steigende Freiheitsgrade sind durch den Wegfall haltgebender Strukturen im Zuge zunehmender Singularisierung unter anderem von Märkten, Dienstleistungen und Produkten mit zunehmenden kognitiven Anforderungen verbunden. Nach Reckwitz (2019) ist der Strukturwandel Spätmoderner Gesellschaften seit den 1970er und 1980er Jahren gekennzeichnet durch eine „Explosion des Besonderen“ (ebd., S. 7). Im Wettbewerb erhöht dies zum einen den Innovationsdruck auf Führungskräfte und das Top Management. Das gesellschaftlich zu beobachtende Streben nach Einzigartigkeit dürfte aber ebenso den Druck auf jeden Einzelnen – unabhängig vom Umfang eines...


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