Fried | Der längste Sommer ihres Lebens | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 432 Seiten

Fried Der längste Sommer ihres Lebens

Roman

E-Book, Deutsch, 432 Seiten

ISBN: 978-3-641-26189-4
Verlag: Heyne
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Die engagierte Unternehmerin Claudia steht kurz vor der Erfüllung ihres großen Traums: Bürgermeisterin ihrer süddeutschen Heimatstadt zu werden. Plötzlich taucht ihre achtzehnjährige Tochter Anouk im Umfeld radikaler Klimaaktivisten auf, landet im Gefängnis und beschert ihrer Familie sogar eine Hausdurchsuchung – alles ein gefundenes Fressen für die Medien. Claudias Kandidatur ist gefährdet, der Ruf des Autohauses, das sie in dritter Generation leitet, beschädigt, die Kunden bleiben weg. Ihre Mutter Marianne, die heimliche »Bössin« der Firma, hintertreibt Claudias Pläne ebenfalls. Und anstatt seiner Frau beizustehen, wird Ehemann Martin zum unberechenbaren Gegenspieler. Claudias ganze Existenz steht auf dem Spiel – und schließlich sogar das Leben ihrer Tochter. Wird es ihr gelingen, Anouk zu retten?»Warmherzig und brillant … Ein klasse Familienroman über drei entschlossene Frauen und wichtige Fragen unserer Zeit.« Für Sie
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2
Marianne wanderte durch ihre Wohnung, eine selbst gedrehte Zigarette in der Hand. Der süßliche Geruch von Cannabis erfüllte die Räume und kontrastierte auf eigenartige Weise mit der Einrichtung aus altmodischen Stilmöbeln, die noch von ihren Eltern stammte. Schon lange plante sie, sich neu einzurichten, hatte sich aber bis jetzt nicht dazu durchringen können. Gras beruhigte sie und half gegen die Schlaflosigkeit. Vor Jahren hatte ein befreundeter Arzt es gegen ihre Migräneanfälle verschrieben, und zu ihrer größten Überraschung hatte es gewirkt. Nicht nur die Schmerzen wurden schwächer, sie schlief auch besser. Es war ihr immer noch peinlich, und sie legte größten Wert darauf, dass niemand außer ihrem Arzt und der Apothekerin etwas davon erfuhr. Was würden die Leute sich das Maul über sie zerreißen, wenn es bekannt würde! Eine kiffende Rentnerin, das wäre ja noch schöner. Auch die Witze, die ihre Familie darüber reißen würde, konnte sie sich lebhaft vorstellen. Oma ist schon wieder high, würde es heißen, und was sonst noch alles. Glücklicherweise hatte sie alle dazu erzogen, niemals unangemeldet bei ihr aufzutauchen. So viel Privatsphäre musste sein, wenn sie schon gezwungen war, im selben Haus zu wohnen. Nun ja, gezwungen war vielleicht nicht ganz der richtige Ausdruck. Immerhin war es ihr Elternhaus, hier war sie aufgewachsen, hier hatte sie mit Walter gelebt, während sie gemeinsam die Firma leiteten, hier hatten sie Claudia aufgezogen, und als Claudia selbst eine Familie gründete, waren sie – wie eine Generation zuvor ihre Eltern – in die Dachgeschosswohnung gezogen. Walter war vor sieben Jahren gestorben, und nun lebte sie hier allein, umgeben von den Gespenstern der Vergangenheit, denen sie mit eiserner Disziplin und gelegentlicher Unterstützung durch Substanzen begegnete. Sie zog ein letztes Mal und drückte den Stummel aus. Das Zeug wirkte heute nicht. Sie öffnete ein Fenster und ließ den Rauch abziehen. Claudia hatte in den letzten Monaten hin und wieder davon gesprochen, dass sie eine Kandidatur in Erwägung zog, aber Marianne hatte keinen Moment daran geglaubt. Sie hatte es für eine dieser Schnapsideen gehalten, die ihre Tochter manchmal überkamen und die sie oder Martin ihr normalerweise ausredeten. Zuletzt wollte Claudia ein Frauenförderprogramm in der Firma auflegen, um mehr junge Frauen für den Beruf der Mechatronikerin zu begeistern. Die Mitarbeiterinnen in Personal und Verwaltung sollten Fortbildungen und Coachings in Selbstbewusstsein erhalten. »Damit sie dann kündigen, weil sie plötzlich glauben, sie wären zu Höherem berufen«, hatte Marianne gesagt. »Kommt nicht infrage.« Schließlich gab Claudia sich damit zufrieden, dass die Firma sich an einer Aktion zum Girls Day beteiligte, bei der Mädchen durch den Werkstattbereich geführt wurden und dabei zuschauen konnten, wie ein kaputter Anlasser repariert wurde. Keine der Teilnehmerinnen hatte sich danach für einen Ausbildungsplatz beworben. Und jetzt dieser Quatsch mit der Kandidatur zur Bürgermeisterin! Natürlich, alle ärgerten sich hie und da über Abeles Selbstherrlichkeit, insgesamt hielt Marianne ihn aber für einen vernünftigen Mann. Seine Familie war seit Generationen hier verwurzelt, er kannte die Stadt wie kein Zweiter, war ein gewiefter Jurist und wusste, wie man Fördergelder und Sponsoren an Land zog. Er war bestens vernetzt, seine Seilschaften reichten bis in die Bundespolitik und vor allem tief in die Wirtschaft. Er hatte so viele Leute von sich abhängig gemacht, dass er fest im Sattel saß. Was hatte Claudia dem entgegenzusetzen? Ein Austauschjahr als Schülerin in Mexiko, ein knapp zu Ende gebrachtes Politikstudium, ein paar Jahre bei NGOs. Bevor sie ihren Traum von der Entwicklungshelferin wahr machen konnte, war sie auf den smarten Verkäufer Martin reingefallen, der es aus Mariannes Sicht von Anfang an auf ihre Tochter abgesehen hatte. Claudia war schwanger geworden, und schon war es vorbei gewesen mit den großen Visionen. Als Anouk aus dem Gröbsten heraus war, hatte Claudia im Schnelldurchgang die Abteilungen der Firma durchlaufen und Fortbildungen in Betriebswirtschaft und Personalführung absolviert. Einer der wichtigsten Grundsätze der Familie Berner lautete: Wir halten uns raus aus der Politik. Denn mit jeder politischen Positionierung verlor man Kundschaft. Schon Claudias Tätigkeit als Stadträtin verstieß gegen diesen Grundsatz, aber eine Kandidatur zur Bürgermeisterin trat ihn regelrecht mit Füßen. Selbst wenn sie nach der Wahl die Geschäftsführung aufgäbe, würde ihr Name untrennbar mit dem des Autohauses verbunden bleiben, und jede ihrer Äußerungen, jeder Konflikt, den sie austrug, würde der Firma schaden. Marianne stand jetzt in der Küche und füllte ein Glas mit Leitungswasser, das sie in wenigen Schlucken hinunterstürzte. Nach kurzem Zögern griff sie in den Küchenschrank, holte die Flasche Whiskey heraus und füllte das Glas zu einem Drittel. Dann ließ sie sich auf einen der Stühle am Küchentisch fallen. Hätte sie bloß ihre Leitungsfunktion nicht abgegeben! Nach Walters Tod hatte sie keine Kraft mehr gehabt, außerdem hatte sie damals schon das Rentenalter erreicht. Was war da naheliegender, als den Weg freizumachen für die nächste Generation und Claudia die Verantwortung zu übertragen? Claudia und Martin waren ein Unternehmerpaar wie aus dem Bilderbuch, ihre Zusammenarbeit war seit Jahren eingespielt, und so war auch die Übergabe des operativen Geschäfts nahezu reibungslos verlaufen. Wenn sie geahnt hätte, wie die beiden ihr in den Rücken fallen würden, wäre sie auf ihrem Posten geblieben! Warum sollte sie mit vierundsiebzig nicht in der Lage sein, eine Firma zu leiten? Sie war wenigstens Herrin ihrer Sinne. Und was war eigentlich mit Martin? Offenbar unterstützte er die Pläne seiner Frau, dabei hätte er ihr diesen Unfug ausreden müssen. Die Firma zuerst lautete ein anderer Grundsatz. Im Zweifelsfall mussten persönliche Ambitionen eben zurückgestellt werden. Marianne hatte die Vorbehalte gegen ihren Schwiegersohn nie überwunden. Er hatte das Beste aus seiner Rolle gemacht, der anhaltende Erfolg der Firma ging zu einem großen Teil auf sein Konto. Aber er hatte den gleichen Makel, den auch ihr Mann Walter gehabt hatte: Er war kein echter Berner. Und wer nicht zur Familie gehörte, dem konnte man niemals vollständig vertrauen. Aber was sollte man machen, wenn es in einem Familienunternehmen keinen männlichen Nachkommen gab? Man übertrug die Leitung pro forma den Töchtern und sorgte dafür, dass sie die passenden Männer heirateten. Auch sie, Marianne, hatte mal andere Ambitionen gehabt. Sie hatte davon geträumt, Lehrerin zu werden. Sie wollte Wissen an die nächste Generation weitergeben, die Persönlichkeit junger Menschen formen, sie zu wertvollen Mitgliedern der Gesellschaft machen. Aber in ihrer Generation wusste man eben noch, was Pflichtbewusstsein ist. Daran, dass ihr Platz im Unternehmen war, hatte ihr Vater keinen Zweifel gelassen. Sie hatte nicht gewagt, sich zu widersetzen. Marianne stand wieder auf und ging, das fast geleerte Glas in der Hand, zurück ins Wohnzimmer. Vor den zwei Ölgemälden mit den Porträts ihrer Eltern blieb sie stehen. Stirnrunzelnd betrachtete sie das Gesicht ihres Vaters, der – ungefähr im Alter von fünfzig – im Stil alter Meister festgehalten war. »Sei froh, dass du das nicht mehr miterleben musst«, sagte sie und prostete ihm zu. »Was du ererbt von deinen Vätern …« Sie brach ab und schnaubte. Dann nahm sie den letzten Schluck aus ihrem Glas. Dieser junge Mann, den Anouk im Schlepptau hatte, dieser abgerissene Kerl, der offensichtlich einen schlechten Einfluss auf ihre Enkelin ausübte, ging ihr nicht aus dem Kopf. Er erinnerte sie an jemanden, und den ganzen Abend hatte sie nicht herausgefunden, an wen. Auch auf ihn war sie wütend. Martin streckte den Arm aus und berührte die Wange seiner Frau, die neben ihm im Bett lag. Der Abend hatte ihn aufgeputscht, er war erregt und wünschte sich Sex. Anders, das wusste er, würde er nicht einschlafen können. Claudia wandte ihm den Kopf zu und lächelte. Sie schien mit den Gedanken weit weg zu sein. Er näherte sich ihr, um sie zu küssen. Sie ließ es geschehen, erwiderte seinen Kuss aber nicht. »Hast du die Gesichter der Leute gesehen?« Sie gluckste wie ein Schulmädchen, dem ein Streich gelungen war. Er küsste sie erneut, diesmal drängender, und legte seine Hand auf ihre Brust. »Komm doch«, murmelte er an ihrem Hals. »Jetzt nicht.« Claudia schob seine Hand weg. »Ich bin noch zu … aufgedreht.« Sie stemmte sich auf ihren Ellbogen und stützte den Kopf auf. Martin biss die Zähne zusammen und überlegte, wie er sie herumkriegen könnte. »Abele sah aus, als hätte ihn der Schlag getroffen«, fuhr sie unbeirrt fort, »und Heuweiler hatte regelrecht Schnappatmung.« Er gab es auf und drehte sich wieder auf den Rücken. Manchmal sehnte er sich nach den Zeiten zurück, wo Widerstand als Teil des Vorspiels betrachtet wurde und es okay war, ein bisschen zudringlich zu werden. »Wir müssen unbedingt mit Huber reden«, sagte er und versuchte, seine Erektion zu verbergen. »Aber der wusste doch Bescheid!«, rief Claudia. »Nicht, dass du es während des Festaktes verkünden würdest. Er hat sich übergangen gefühlt, und du weißt, wie er das hasst.« Claudia zuckte die Schultern. »Er wird sich schon wieder beruhigen.« Sie verschränkte ihre Beine zum Schneidersitz, offenbar war sie in Plauderlaune. Martin...


Fried, Amelie
Amelie Fried, Jahrgang 1958, wurde als TV-Moderatorin bekannt. Alle ihre Romane waren Bestseller. Traumfrau mit Nebenwirkungen, Am Anfang war der Seitensprung, Der Mann von nebenan, Liebes Leid und Lust und Rosannas Tochter wurden erfolgreiche Fernsehfilme. Für ihre Kinderbücher erhielt sie verschiedene Auszeichnungen, darunter den »Deutschen Jugendliteraturpreis«. Zusammen mit ihrem Mann Peter Probst – mit dem sie Workshops in Kreativem Schreiben gibt – schrieb sie den Sachbuch-Bestseller Verliebt, verlobt – verrückt?. Bei Heyne erschien zuletzt der Roman Traumfrau mit Ersatzteilen.


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