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E-Book, Deutsch, 408 Seiten

Gay Koordinierungspflichten am Bau

Leistung - Haftung - Vergütung

E-Book, Deutsch, 408 Seiten

ISBN: 978-3-17-029430-1
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



In einem Bauprojekt müssen zahlreiche Gewerke zeitlich und technisch perfekt aufeinander abgestimmt sein, um das Bauvorhaben termingerecht und reibungslos abzuschließen. Der Koordinierungspflicht des Architekten kommt dabei besondere Bedeutung zu, vor allem, wenn die Leistungsbilder der HOAI vereinbart sind.
In der Praxis ist die Einhaltung dieser Koordinationspflichten von enormer Bedeutung, da ihre Vernachlässigung oder unzureichende Umsetzung schwerwiegende Haftungsrisiken birgt.
Dieses Handbuch bietet eine kompakte, systematische und praxisorientierte Darstellung der Koordinierungspflichten aller am Planungs- und Bauprozess Beteiligten in allen Leistungsphasen und Projektstufen, veranschaulicht durch zahlreiche Beispiele und Erläuterungen der einschlägigen Rechtsprechung.
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Vorwort
Die Realisierung eines Bauprojektes besteht aus extrem arbeitsteiligen Prozessen, wie jeder moderne Herstellungsprozess. Schon die Festlegung auf Bauherrenseite, was überhaupt gebaut werden soll, ist ein mühsamer Weg: Auf Investorenseite, Nutzerseite, Betreiberseite muss eine Vielzahl von Gremien mit unterschiedlichsten Interessen eingebunden werden, was eine professionelle, prozessgesteuerte Bedarfsplanung1 je nach Projektgröße unerlässlich macht. Der Planungsprozess zerfällt in eine Vielzahl von Sonderfachkompetenzen, deren Anzahl aufgrund der wachsenden technischen und juristischen Anforderungen ­stetig wächst. Der Bauprozess selbst ist in der Regel von kaskadenartigen Nachunternehmer-, Nach-Nachunternehmer- und Nach-Nach-Nachunternehmer-Verhältnissen geprägt. Die Besonderheit des Bauens gegenüber den meisten anderen Herstellungsprozessen besteht darin, dass nicht der Hauptproduzent in seinem Werk Materialien und Zulieferer-Teile mit eigenen Maschinen und eigenem Personal im eigenen Hause verarbeitet, sondern eine große Anzahl Beteiligter an einem fremden Produktionsort, nämlich der Baustelle, tätig wird. Während bei der industriellen Fertigung ein Unternehmen über Abläufe, Qualitätskontrollen, Sicherheitsstandards, Vertragsbedingungen, Vertragspartner usw. entscheidet, treffen auf der Baustelle eine Vielzahl unterschiedlicher Kompetenzen mit unterschiedlicher Unternehmensführung, Struktur, Sicherheitsanforderungen und Organisation in unterschiedlichsten Vertragsverhältnissen aufeinander. Die Beteiligten, die aufeinander angewiesen und voneinander abhängig sind, haben, auch schon im Planungsprozess, in der Regel kein Vertragsverhältnis miteinander, sodass im Verhältnis der Beteiligten zueinander auch keine Verpflichtungen oder Ansprüche bestehen, geschweige denn, dass sie sich einander im Rahmen strategischer Überlegungen verpflichtet fühlen müssen, etwa der Kundenbindung, der Kulanz, dem Aufbau langfristiger Geschäftsverbindungen. Eine Kernschwierigkeit besteht ferner darin, dass derjenige, der den Herstellungsprozess veranlasst, der Bauherr, selbst nur einen sehr geringen Anteil an dessen Umsetzung innehat, er vielmehr die erforderlichen Planungs- und Bauleistungen einkaufen muss, und oftmals von Genehmigungen und Entscheidungen Dritter abhängig ist. Und schließlich hat der Bauherr, jedenfalls nicht immer und nicht in allen Bereichen, im Gegensatz zu sonstigen Herstellern, keine überlegene Fachkenntnis seines Produktes „Bauwerk“, kann Anforderungen an „Zulieferer“ kaum selbst formulieren oder deren Einhaltung überprüfen. Eine Vielzahl öffentlich-rechtlicher Vorschriften, zivilrechtlicher Normen, technischer Regelwerke, Vertragsbedingungen (VOB/B) und höchstrichterlicher Urteile tragen dieser Situation Rechnung, indem Weisungs-, Steuerungs-, Leitungs-, Prüfungs-, Überwachungs- und Koordinationsaufgaben für die Werkunternehmer kreiert werden, um das Zusammenführen aller erforderlichen Leistungen sicherzustellen und zu kanalisieren. In diesen Aufgabenkatalog wird der Bauherr – meist im Rahmen von werkvertraglichen Obliegenheiten – durchaus miteingebunden. Gemäß § 650q Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 650r BGB ist er verpflichtet, über Planungsziele zu entscheiden und diese vertraglich festzulegen bzw. seinen Bedarf selbst zu planen.2 Gemäß § 4 Abs. 1 VOB/B bzw. § 642 BGB ist der Bauherr den Bauunternehmern gegenüber verpflichtet, das Zusammenwirken der Beteiligten zu regeln und somit die Bauabläufe zu koordinieren. Der Bauherr selbst wird durch die Baustellenverordnung, die an sich Arbeitsschutzrecht ist und sich an die Arbeitgeber der einzelnen Gewerke wendet, wie ein Arbeitgeber behandelt, indem er das Zusammenwirken der unterschiedlichen Unternehmen zu koordinieren, hierfür einen Sicherheits- und Gesundheitsschutzkoordinator zu bestellen hat und somit für die Sicherheit auf der Baustelle verantwortlich ist. Er muss darüber hinaus einen verantwortlichen Bauleiter im Sinne der Landesbauordnungen beauftragen, der dafür Sorge trägt, dass die Bauleistungen gemäß den Vorgaben des öffentlichen Rechtes erfolgen. Der Architekt hat gemäß den Leistungsbildern der HOAI, die in der Praxis fast durchweg vereinbart werden, in fast allen Leistungsphasen neben der eigentlichen Planungsleistung Koordinationsaufgaben, nämlich die Pflicht, den Planungs-, Vergabe- und Bauprozess zu ordnen, Aufgaben anderen Beteiligten zuzuweisen und Leistungen zusammenzuführen. Die Sonderfachleute wirken daran mit. Bei dieser Koordinierungsverpflichtung handelt es sich größtenteils um die Delegation an sich bestehender Bauherrenpflichten jedenfalls gegenüber den Bauunternehmern (vgl. § 4 Abs. 1 Nr. 1 VOB/B beim VOB/B-Bauvertrag). Ob eine entsprechende Koordinationsverpflichtung des Bauherrn den Planungsbeteiligten gegenüber besteht, ist umstritten bzw. hängt vom Einzelfall ab.3 Der Bauunternehmer hat vor allem seine eigene Bauleistung zu organisieren und koordinieren, insbesondere die Verhältnisse zu seinen Nachunternehmern zu klären. Der Projekterfolg hängt maßgeblich von der Leistungsfähigkeit gut organisierter und koordinierter Bauunternehmen ab. Sei es, dass sie als Generalunternehmer agieren und über ein Netzwerk zuverlässiger Nachunternehmer verfügen, sei es, dass der mit einem Einzellos beauftragte Unternehmer sein Gewerk beherrscht. Daneben haben sich in den vergangenen Jahrzehnten eine Reihe von Berufsbildern herauskristallisiert, gemäß denen ausschließlich Projektsteuerungs-, Projektmanagement-, Projektcontrolling-Aufgaben wahrgenommen werden, ohne dass auch Planungs- oder Bauleistungen zu erbringen wären. Des Weiteren bestehen für praktisch jeden am Bau Beteiligten umfangreiche Prüfungspflichten und -rechte in Bezug auf die Leistungen Dritter. Der Bauunternehmer muss die ihm zur Verfügung gestellten Pläne, Leistungsbeschreibungen, Leistungsverzeichnisse usw. prüfen und Mängel, die ihm aufgrund seiner Fachkunde auffallen müssen, rügen, § 4 Abs. 3 VOB/B. Der Bauherr seinerseits ist – jedenfalls im VOB/B-Bauvertrag – berechtigt, nicht verpflichtet, die Werk- und Montagepläne zu prüfen, § 4 Abs. 1 Nr. 2 VOB/B, und beauftragt hiermit typischerweise den Architekten und die Sonderfachleute im Rahmen der Leistungsphase 5. Überhaupt ist der Bauherr gemäß der genannten Norm berechtigt, auch vor Abnahme die Bauleistung zu überwachen, womit er in der Regel ebenfalls den Objektplaner und die Sonderfachleute im Rahmen der Leistungsphase 8 betraut. Die Prüfung und Überwachung der Bauleistung ist eine ihrer zentralen Aufgaben im Bauprojekt. Außerdem, das ist ständige Rechtsprechung, muss der Architekt die Sonderfachleistung im Rahmen des Zumutbaren und unter Beachtung seiner Fachkenntnis prüfen. Für die Sonderfachleute wird das zwar nicht programmatisch, im Einzelfall aber auch angenommen.4 Der bauleitende Architekt ist zur Prüfung der Ausführungspläne ebenfalls verpflichtet und Überprüfungspflichten hat auch der Projektsteuerer im Rahmen des gängigen AHO-Leistungsbildes. Das Bedürfnis der Planprüfung ist in der Praxis teilweise so groß, dass über die genannten Verpflichtungen hinaus originäre Planprüfungsaufträge erteilt werden, gemäß derer der Prüfer die erstellten Pläne auf Fehler, nicht nur auf offensichtliche oder im Rahmen der Plausibilität erkennbare, kontrollieren muss. Sogar Leistungsbilder für Generalplanungsverträge sehen neben der Erstellung von Plänen oftmals als eigenständiges Leistungsbild die Planprüfung vor, die durch einen separat zu beauftragenden Nachplaner zu erbringen ist. Die wichtigsten und tief greifenden Leitungs-, Prüfungs- und somit generellen Koordinierungspflichten im Projekt hat somit der Objektplaner, beim Gebäude der Architekt. In allen Planungsleistungsphasen muss er außer der Erstellung der eigenen Pläne die anderen Beteiligten koordinieren und deren Leistungen in die eigenen Pläne integrieren. In der Ausschreibungs- und Bauphase erstreckt sich die Koordinationspflicht zusätzlich auf die Bauunternehmer. Die Terminplanung sowie deren Fortschreibung ist Teil dieser Koordinationsverpflichtung. Diese Zuordnung von Leistungen des Zusammenführens und Abstimmens zum Aufgabenkatalog des Objektplaners entspricht der Tradition, sodass die überwiegende Einschätzung, dass die Festschreibung dieser Koordinationspflichten im Leistungsbild des Architekten in der HOAI 2013 deklaratorischen Charakter hatte,5 wohl zutreffend ist. Die Architektenschaft leidet hingegen unter immer größer werdenden Anforderungen, die Bauherren, in letzter Konsequenz aber vor allem die Gerichte, in Bezug auf die Prüfung und Überwachung der Leistung Dritter stellen. Das gilt zunächst für die Pflicht zur Prüfung der Sonderfachleistung. Zwar knüpft die Rechtsprechung die Pflicht, Mängel der Sonderfachleistung zu beanstanden, an die vom Architekten zu erwartenden Kenntnisse und die Zumutbarkeit,6 de facto wird eine Pflichtverletzung aber häufig bejaht. Allein die Tatsache, dass sich die Sonderfachkompetenzen exponentiell schnell entwickeln, ist aber wohl Indiz dafür, dass die entsprechenden Kompetenzen nicht zur gängigen Fachkunde des Architekten gehören. In den letzten Jahren ist die Notwendigkeit etwa der Einschaltung eines Sonderfachmanns für barrierefreies Bauen, für Holz-Hybridbauweise, für die Gebäudeabdichtung, für die Entwässerung außerhalb der Gebäudekubatur, für die Erlangung einer Zertifizierung, usw. hinzugetreten. Das OLG Hamm7 hatte darüber zu entscheiden, ob der Architekt einen Objektüberwachungsfehler begangen hat, weil er das Zusammenstecken der Rohre für eine Lüftungsleitung nicht überwacht hat. Der Sachverständige sah hierin eine...


Dr. Barbara Gay ist Fachanwältin für Bau- und Architektenrecht.


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