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E-Book

E-Book, Deutsch, 294 Seiten

Göstemeyer Amulett

Roman aus dem Ambergau

E-Book, Deutsch, 294 Seiten

ISBN: 978-3-7583-3933-2
Verlag: Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



"Amulett" ist der einzige je geschriebene Roman, der ausschließlich im Ambergau spielt, einer Landschaft am westlichen Rand des Harzes.
Zu Beginn der christlichen Zeitenrechnung leben dort Cherusker. Ihr Häuptling Hadebrand hat nach der Varusschlacht am Teutoburger Wald zwei der wenigen überlebenden Römer mitgenommen, die auf seinem Hof als Sklaven arbeiten. Zu einem der Männer geht seine Tochter Alrun eine Beziehung ein. Die Seherin des Stammes, die davon ahnt, gibt ihr zum Schutz ein Amulett. Es ist aus Silber gefertigt, welches sie im Harz gefunden hatte. Das Amulett wandert durch die Zeiten. Es wird vererbt, geht verloren und wird wieder aufgespürt. Legenden und historische Ereignisse säumen seinen Weg. Den Menschen, die es tragen, bringt es Glück, kann aber auch Unglück bringen. Schließlich wird es der Erde zurückgegeben, der es entstammt.
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DREI FREUNDE
Ambergau, Dienstag, 29. Dezember 1903 Der Dienstag nach dem Weihnachtsfest war ein sehr kalter Tag. Früh hatte der Winter diesmal eingesetzt, schon seit Wochen bestand Dauerfrost, der nur einmal kurz durch Tauwetter unterbrochen wurde, wie es kurz vor Weihnachten häufig geschah. Der Ambergau, eine Landschaft im Gebiet des Vorharzes, hatte sich mit einer festen Schneeschicht bedeckt und der das Tal durcheilende Fluss, die Nette, zeigte sich von einer gebändigten Seite, denn sie war an vielen Stellen zugefroren. Eine bleiche winterliche Morgensonne warf ihr milchiges Licht auf das Land, als sich drei Knaben aus der Kleinstadt Bockenem, dem Hauptort des Ambergaues, mit ihren Rodelschlitten auf den Weg machten. Sie hatten vor, zum Dahlumer Knick, einer Anhöhe südwestlich des Ortes, zu ziehen und die neuen Schlitten auszuprobieren, die sie zu Weihnachten als Geschenk bekommen hatten. Die drei Freunde, ungefähr im gleichen Alter zwischen elf und zwölf Jahren, kannten sich seit ihrer frühesten Kindheit und verbrachten häufig ihre Freizeit miteinander, so auch jetzt in den Weihnachtsferien. Wilhelm Kreikenbaum, der älteste, stammte aus einem Geschäftshaushalt; sein Vater war ein wohlhabender Kaufmann und besaß einen Eisen- und Haushaltswarenladen in der Königstraße. Als Wilhelm vor einer Woche im Laden ein großes, in braunes Packpapier gewickeltes Paket entdeckte, auf dem als Absender stand: „August Stukenbrok, Einbeck“, war er sich fast sicher, dass es den Schlitten enthielt, den er sich zu Weihnachten gewünscht hatte. Er wurde nicht enttäuscht: unter dem Weihnachtsbaum stand ein funkelnagelneuer zweisitziger Schlitten, braun lackiert, mit Eisenkufen. Mit ihm konnte Konrad Bode nicht mithalten. Sein Vater, ein Zimmermann, hatte ihm zwar auch einen Schlitten geschenkt, dieser war aber selbst gebaut und zudem einsitzig. Walter Brinkmann, dessen Vater als Arbeiter in der Bockenemer Turmuhrenfabrik arbeitete und eine Familie mit fünf Kindern ernähren musste, hatte als Geschenk nur ein Taschenmesser erhalten, das er aber dennoch voller Stolz in seiner Hosentasche trug. Die drei Freunde überquerten die Nette und bogen am neuen „Restaurant zum Stadtpark“ nach links in Richtung Königsdahlum ab, einen Ort, den die Bewohner des Ambergaues immer noch „Dahlum“ nannten, auch wenn er seit vielen Jahren diesen Namen nicht mehr trug. Nach einiger Zeit kamen sie an einem Teich vorbei, dem „Negenborn“, der deswegen so hieß, weil er angeblich von neun Quellen gespeist wurde. Sie blieben einen Moment stehen. Wilhelm blickte nach rechts, auf eine Reihe vereister Äcker, die von einem zugefrorenen Bach, dem „Sütter“, begrenzt wurden. „Hier stand vor langer Zeit ein großes Dorf mit dem Namen Hachum“, erinnerte er. „Heute kann man nichts mehr davon erkennen, ich weiß darüber nur von meinen Eltern. Angeblich soll es manchmal nachts dort spuken, so hören manchmal die Leute aus Dahlum die Glocken der abgerissenen Kirche läuten.“ Die Jungen zogen weiter und wendeten sich am Ortseingang von Dahlum in die westliche Richtung, um die Bergränder des Tales zu erreichen. Zu ihrer Linken lag der Pfalzberg, auf dem früher einmal eine Pfalz der sächsischen Könige und Kaiser gestanden hatte, doch auch von dieser war nichts mehr zu erkennen, auf seinem Gipfel reckten lediglich einige Eichen und Buchen ihre kahlen Äste in den Winterhimmel. Sie durchschritten schließlich unter Mühen die Felder des Dorfes auf einem weitgehend zugeschneiten Feldweg; zur Linken sprangen plötzlich zwei Hasen auf, die den Jägern wohl vordem entronnen waren und es damit geschafft hatten, nicht als Festtagsbraten auf dem Tisch der Bockenemer zu enden. Nun nahm die Sonne und damit die Wärme zu, doch es entwickelte sich gleichzeitig ein leichter Wind, der die Freunde zwang, die Kragen ihrer Wolljacken hochzuschlagen. Ein einsamer Bussard auf einem Apfelbaum schaute ihnen zu, wie sie längs des Weges kamen. Erst im letzten Augenblick flog er auf, als wolle er seine Energie sparen, die er kaum noch aufladen konnte, denn die Mäuse, nach denen er zu jagen trachtete, hatten ihre Gänge tief unter dem Schnee gegraben, für ihn unerreichbar. Noch etwa eine halbe Stunde, und sie erreichten ihr Ziel, eine Anhöhe, von der aus sie ihre Schlitten über Wald- und Feldwege in das Tal starten konnten. Wilhelm und Walter saßen auf dem komfortablen Zweisitzer der Firma Stukenbrok, während Konrad den Ehrgeiz hatte, es ihnen mit dem selbstgebauten Schlitten seines Vaters gleich zu tun. Und das gelang ihm auch: unter Geschrei und Gejohle überholte er seine Freunde, stieß sie von ihrem Sitz und wälzte sich mit ihnen im Schnee. Mehrmals zogen sie ihre Schlitten wieder nach oben und freuten sich über die Geschwindigkeit, die sie ihnen entlocken konnten, wenn sie zu Tal glitten. Der von den Stangenhölzern stäubende Schnee schüttete sich direkt in ihre Gesichter und verlieh ihnen eine Farbe wie ein roter Schneewittchenapfel, doch sie nahmen dies nicht wahr und spürten es auch nicht als Kälteschmerz, in ihrer ganzen Freude und Kindlichkeit. Am Mittag saßen sie zusammen unter dem Dach einer Hütte, welche die Holzfäller gebaut hatten, und verzehrten ihre Wurstbrote, die sie von zuhause mitgenommen hatten – traditionell belegt mit sehr fetter Wurst, wie sie im Ambergau üblicherweise im Winter zubereitet wurde. Walter schlug etwas vor: „Lasst uns doch noch einmal zum Dillsgraben gehen, vielleicht ist er jetzt zugefroren und wir können morgen noch einmal wiederkommen, um auf ihm zu schlittern.“ Die beiden anderen stimmten zu. Alle standen auf, packten ein und zogen talwärts zum Horenstieg, einem steilen Weg, welcher von der Dahlumer Feldmark zum Ossenberg führte. Als es wieder aufwärts ging, schleppten sie die Schlitten hinauf. Die Anstrengung durchglühte ihre Gesichter, ohnehin schon gerötet, doch dies machte ihnen nichts aus. Nach einiger Zeit erreichten sie die Kuppe des Berges und erblickten die Dillsburg, ein Sommerhaus und Jagdsitz eines Bockenemer Fabrikanten, welcher Turmuhren herstellte und weltweit vertrieb. Das Hauptgebäude, die „Villa“, ähnelte einem winzigen Schlösschen und wurde gekrönt von einem Turm mit Uhr, der freundlich in die Gegend schaute. Um dieses herum scharten sich einige niedrige Nebengebäude, alles begrenzte ein weitläufiger, schneebepelzter Zaun. Eisschichten und weißer, rieselnder Schneestaub bedeckten die Gebäude, denn die Dillsburg wurde nur von Frühjahr bis Herbst bewohnt; zum Winter kamen Bedienstete, die die Möbel mit weißen Tüchern überzogen und die Türen der Gebäude mit schweren Eisenschlössern sicherten. Doch zu dieser Stunde erschien die Dillsburg als ein weißer Palast, glitzernd und mit Eiskristallen überzogen. Neben der Dillsburg lag der Dillsgraben, der ihr den Namen gegeben hatte. Die Freunde gingen auf ihn zu und verhielten an seinem Rand. Auch sie, die ihn kannten, wurden immer wieder von seinem Anblick überwältigt. Kein länglicher Graben lag auf dem Gipfel des Berges, wie man dem Namen nach erwarten würde, sondern ein riesiges kreisrundes Loch, ein Krater, weit mehr als hundert Schritt im Durchmesser. Der Dillsgraben war ein tiefer Erdeinsturz aus uralter Zeit, unter ihm musste sich einst ein geheimnisvoller Hohlraum befunden haben. Auf dem Kratergrund erblickte man einen ebenfalls kreisrunden See, der sich nun mit Eis bedeckt hatte. Offensichtlich wurde er von einer Quelle gespeist, deren Eiskaskaden in den See hineinragten. Doch von beunruhigender Steilheit waren die Ränder des Trichters, die man mit Büschen und Stangenhölzern von Buchen und Eichen bepflanzt hatte. Ein einziger kleiner Weg, bei dem man jedoch einen Fuß vor den anderen setzen musste, führte an den Rand des Sees und wurde fast nur von den Anglern begangen. Die Jungen versuchten, den Anfang des Weges auszumachen, was schwierig war, denn der Schnee hatte ihn völlig zugedeckt. Doch Walter Brinkmann meinte, ihn gefunden zu haben und winkte seinen Freunden. Diese ließen die Schlitten stehen und wagten sich in den Trichter hinein. Langsam tasteten sie sich den Weg hinab und umklammerten mit den Händen die Zweige der Büsche und Bäume, wenn es möglich war, Meter für Meter gewinnend. So dauerte es seine Zeit, bis sie den See erreichten. Das Eis auf dem See sah nicht gut aus. Es fanden sich zwar keine offenen Stellen, doch mehrere blasse Kreisflächen durchsetzten es und gaben ihm eine uneinheitliche Struktur. „Das Eis sieht so aus, als hätte sich unter der ersten Schicht der Wasserspiegel abgesenkt“, bemerkte Wilhelm. „Viel zu gefährlich, um auf ihm zu schlittern. Wir sollten auch nicht die Ränder betreten, denn das Wasser wird sofort tief.“ Einen Moment setzten sich die Freunde, bis sie schließlich wahrnahmen, dass es dunkler wurde. Vor die Sonne hatten sich plötzlich graue Wolken geschoben, der Wind nahm jetzt ständig zu. „Lasst uns sofort wieder nach oben gehen, bevor das Wetter schlecht wird“, mahnte Konrad und stieg den Weg hinauf. Nach drei Schritten rutschte er aus und fiel. Sein Körper...


Göstemeyer, Albrecht
Der Autor, geboren 1945, ist ehemalger Zahnarzt. Im Privatleben spielte er fünfzig Jahre lang Piano und Saxophon in einer Jazzband. Seit 2008 schreibt er, anfangs historisch, später belletristisch in Form von Romanen, Kurzgeschichten und Reisebeschreibungen.


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