Gopnik | Warhol - | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 1232 Seiten

Gopnik Warhol -

Ein Leben als Kunst - Die Biografie

E-Book, Deutsch, 1232 Seiten

ISBN: 978-3-641-26672-1
Verlag: C.Bertelsmann
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Die definitive Biographie
Andy Warhol ist der bekannteste Künstler der Pop-Art. Seine knallbunten Bildserien von Suppendosen, Bananen oder Hollywood-Stars wie Marilyn Monroe sind bis heute stilprägend, die Gemeinde aus Musen, Celebritys, Drag Queens und Intellektuellen, mit denen er sich in seiner New Yorker »Factory« umgab, ist legendär. In seiner monumentalen Biografie taucht Blake Gopnik tief in das Leben dieser ebenso radikalen wie rätselhaften Kunstfigur ein. Eindrucksvoll zeigt er, wie Warhol nicht nur in seinem Werk die Trennung zwischen Kunst und Leben auflöste und dadurch die Kunstwelt ebenso nachhaltig faszinierte wie revolutionierte. Eine akribisch recherchierte und umfassende Biographie einer der schillerndsten Gestalten des 20. Jahrhunderts. Mit zahlreichen Abbildungen.

Blake Gopnik, Jahrgang 1963, zählt zu den führenden Kunstkritikern Nordamerikas. Nach seiner Promotion in Kunstgeschichte in Oxford schrieb er für »Newsweek« über Bildende Kunst und Design, bei der »Washington Post« und der kanadischen »Globe and Mail« war er Ressortleiter für Kunst. 2015 war er Fellow am Leon Levy Center for Biography an der City University of New York, 2017 dann Cullman Center Fellow in residence an der New York Public Library. Er schreibt regelmäßig in der »New York Times«.
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1 1928–1934 GEBURT | PITTSBURGH | DIE KARPATO-RUTHENEN | KIRCHE UND GLAUBE »Der schrecklichste Ort, wo ich je im Leben war« Andy Warhol – genauer: Andrew Warhola – wurde am 6. August 1928, an einem mäßig heißen Sommertag mit bedecktem Himmel, in einer düsteren kleinen Wohnung in der Orr Street im Stadtteil Soho von Pittsburgh geboren. Andys ältester Bruder Paul, sechs Jahre zuvor im gleichen Zimmer zur Welt gekommen, erzählte später, er hätte die Schreie seiner Mutter gehört, »und dann sagte jemand, ›Es ist halb sechs‹«, wobei offenblieb, ob dabei vom frühen Morgen oder vom späten Nachmittag die Rede war. Je nachdem, wem Sie mehr Glauben schenken wollen, war entweder ein Arzt oder eine Hebamme bei der Geburt dabei. Warhols Vater, ebenfalls Andrew mit Namen (geboren als Andrej oder Andrii), war slawischer Herkunft und wurde erst wenige Monate vor der Geburt seines gleichnamigen Sohnes offiziell Amerikaner. Andrej war Arbeiter wie so viele tausend andere, die im Stahlwerk Jones and Laughlin ihren Lebensunterhalt verdienten, ein paar Schritte den Hügel hinab, am Ufer des vergifteten Monongahela River. Hier arbeitete er, bevor er ins Baugeschäft wechselte und für eine Firma, die sich auf das »Umziehen« ganzer Gebäude auf Rollen spezialisiert hatte, kreuz und quer durchs Land zog. Es heißt, er hätte die »leichtere« und sesshaftere Arbeit im Stahlwerk vorgezogen, aber irgendwie schaffte er das nicht. Auch wenn er nur 1,68 Meter groß war, wog er doch 84 Kilo und hatte auffallend muskulöse Arme. Kurz nach Warhols Geburt wurde Andrej – der ebenfalls »Andy« gerufen wurde und mit diesem Namen sogar sein Testament unterschrieb – die Gallenblase entfernt, eine Operation, die nach Angaben seines Sohnes Paul nicht ganz erfolgreich verlief. Sechs Jahrzehnte später sollte praktisch die gleiche Operation Andy junior das Leben kosten. Die schreiende junge Mutter hieß Julia. Sie war 36 Jahre alt, Hausfrau und Immigrantin, die so gut wie kein Englisch sprach und einen Ehemann und drei Söhne zu versorgen hatte: Der mittlere der drei Jungen hieß John und war drei Jahre älter als Andy. Mehrere Wochen am Stück, bisweilen sogar Monate, lebte ihr Mann auf Baustellen in diversen Bundesstaaten. Ein Foto aus dem Jahr 1930 zeigt ihn und sein Arbeitsteam in Indianapolis, wie sie ein 12 000 Tonnen schweres Gebäude verlegten, das noch bewohnt war. Julia war eine Art Witwe auf Zeit – solange mit der Arbeit alles gut ging. Im Zuge der Großen Depression im Jahr 1929 war Andrej zeitweise ohne Job, und Julia arbeitete als Putzfrau und verkaufte die Produkte ihres handwerklichen Geschicks von Haustür zu Haustür. Warhol erzählte einmal, die Suppe der Familie wäre keineswegs von Campbell’s gewesen. Sie bestand vielmehr aus Wasser, Salz, Pfeffer und Ketchup – Marke Heinz, versteht sich, immerhin ein Vorzeigeprodukt aus Pittsburgh und hergestellt von einem Familienbetrieb, der später zu einem Förderer des Künstlers werden sollte. Die Wohnung in der Orr Street bestand aus zwei Zimmern im ersten Stock eines winzigen Holzreihenhauses. Die Wände waren »einfache Holzplanken, die das Stockwerk quer abtrennten – genau genommen eher schlichte Latten, noch nicht einmal Planken«, erinnerte sich ein Nachbar. Warmwasser gab es nicht, ein Plumpsklo fand sich außerhalb des Hauses – in der Welt der Warholas keine nennenswerte Schmach, aber im Winter gewiss kein Vergnügen. Kurz zuvor hatte ein Reformer aus Pittsburgh in einer Studie über den Stadtteil Soho seine Verachtung für die »unhygienischen Höhlen« geäußert, sie seien »Brutstätten von Seuchen ohne Anschluss ans Kanalnetz, nur darauf wartend, Krankheiten zu verbreiten und die Gesundheit der Anwohner in der Umgebung zu gefährden«, beklagte er und nannte die Häuser in der Gegend »regelrechte Feuerfallen«. Eine im Jahr 1922, dem Geburtsjahr von Paul Warhola, veröffentlichte Stadtgeschichte beschrieb die Wohnungen des Viertels als »alt und wenig attraktiv … bewohnt von eingewanderten Stahlarbeitern und ihren Familien«. In den zwei Jahren nach Warhols Geburt waren die Warholas zweimal umgezogen. Am Ende landeten sie ein Stück weiter die Straße runter und ein wenig weiter oben auf der Statusleiter, in einer Vierzimmerwohnung mit Kanonenofen, einer verzinkten Sitzbadewanne und einer Toilette, zwar ohne Anschluss an die Kanalisation, aber immerhin innerhalb der Wohnung gelegen. Die drei Jungen schliefen in einem Bett, »aber du kamst dir nicht arm vor deshalb, schließlich lebten alle anderen genauso«, erinnerte sich John Warhola. Sie teilten sich dieses Haus in der Beelen Street mit einer weiteren Familie und bezahlten 18 Dollar pro Monat für diesen Luxus, etwa ein Viertel des monatlichen Einkommens. Das Pittsburgh, in dem Andy Warhol aufwuchs, war nicht bloß eine typische amerikanische Arbeiterstadt. Es war vielmehr der Archetyp für dieses Leben und die dazugehörigen Sorgen und Nöte. 1914 stellte eine Wohltätigkeitsorganisation namens Russell Sage Foundation eine Veröffentlichung mit dem Titel The Pittsburgh Survey fertig. In sechs dicken Bänden lieferte sie das allererste Beispiel für eine systematische Stadtsoziologie. Der Survey erlangte weltweite Berühmtheit und machte auch die Stadt bekannt, die als potenziellen Standort des industriellen Fortschritts, aber auch als Ort ganz konkreter Not galt. H. L. Mencken drückte es in einem Essay gar nicht lange vor Warhols Geburt so aus: »Hier gab es unermesslichen, schier unvorstellbaren Reichtum – und es gab menschliche Behausungen, die so abscheulich waren, dass selbst streunende Katzen einen großen Bogen darum machen würden.« Aus Pittsburgh zu kommen und zur Arbeiterklasse zu gehören, war ein eindeutig »markantes« Merkmal – ähnlich wie wenn man aus Los Angeles kommt und beim Film tätig ist. Während seines gesamten Erwachsenenlebens tat Warhol mehr, um diese ihm anhaftenden Wurzeln loszuwerden oder zu verschleiern, als dass er sie genutzt oder näher erforscht hätte. 1949, Warhol war gerade erst in New York angekommen, bat ihn der Redakteur einer Zeitschrift um einen knappen biografischen Überblick. Warhol gab ihm so gut wie nichts: »Mein Leben füllt noch nicht einmal eine Postkarte. Ich wurde 1928 in Pittsburgh geboren, in einem Stahlwerk, wie alle dort«, schrieb er und räumte damit ein Klischee aus dem Weg, das auf ihn gar nicht zutraf – schließlich arbeitete sein Vater in Wirklichkeit ganz woanders auf dem Bau. Dennoch war dies ein Höhepunkt der Selbstoffenbarung. Nachdem er es in New York endgültig geschafft hatte, wurde Warhols eigene Erzählung noch vager: Er wurde 1929 geboren, vielleicht auch ’30 oder gar erst ’33 – selbst gegenüber seinem Arzt log er über sein Alter – mal im schicken Philadelphia oder in Newport, Rhode Island, mal im bescheidenen Forest City oder in McKeesport, Pennsylvania. In den 38 Jahren, die er in New York lebte, kam Warhol nicht mehr als eine Handvoll mal zurück in seine Heimatstadt, über die er einmal sagte, sie sei »der schrecklichste Ort, wo ich je im Leben war«; einmal erinnerte er sich mit einem Kommilitonen aus dem College, dass der Smog schlimm genug gewesen sei, um ein weißes Hemd bis zum Abend schwarz werden zu lassen. »Ich erzähle nicht gern etwas über meine Vergangenheit, und außerdem erfinde ich sie jedes Mal neu, wenn ich gefragt werde«, gestand Warhol einmal – mehr oder weniger – in einem Interview, bei dem seine Worte aus dem Zusammenhang gerissen und bisweilen schlicht erfunden worden waren. 1965 hatte er dem Who’s Who erzählt, er wäre in Cleveland geboren und Kind der adligen – und gänzlich fiktionalen – »von Warhols«. Zwei Jahre später warf ein Warhol-Forscher hilflos die Arme in die Höhe: »Allgemein wird angenommen, er wurde irgendwann zwischen dem 27. Juli und dem 17. August geboren – und er sei irgendwo zwischen 39 und 47 Jahre alt.« Die Verwirrung währte bis in die 1990er. Warhols Pop-Art wird mitunter als Feier seiner bescheidenen Herkunft beschrieben – viele der anderen bedeutenden Vertreter der Pop-Art entstammten eher der Mittelschicht –, allerdings geht es dabei genauso um den Aufstieg aus diesen ärmlichen Verhältnissen. In seiner Kindheit gab es tatsächlich weder Thunfischkonserven aus dem Supermarkt noch Campbell’s Dosensuppen oder all die anderen schicken Markenartikel der Eisenhower-Ära, die Warhol später in seiner Kunst zelebrierte – vor dem Zweiten Weltkrieg waren diese Produkte noch der Elite vorbehalten. (Erst ab Anfang der 1960er, als Warhol mit diesen Marken spielte, begann die Werbung, auch die Arbeiterklasse zu locken.) Eine Nachbarin der Warholas aus den 1930ern, die auch 2015 noch im Heim ihrer Kindheit wohnte, konnte sich an keine Nahrungsmittel in Dosen in der Küche ihrer Mutter erinnern, wenngleich ihre Familie relativ wohlhabend war. »Konserve« bedeutete, wie sie sagte, dass man das Gemüse in Gläsern einweckte. Julia kochte selbst mit schlichten, von Andrej handgefertigten Utensilien, und als sich die Warholas etwas mehr leisten konnten als verdünntes Ketchup, gab es die typische Kost der Einwanderer. Eine Suppe aus selbst angebauten Tomaten, Kohlrabi und Rettich, oder, wie sich einer der Brüder erinnerte, aus dem Lieblingshuhn vom Hinterhof. Die Familie machte ihre eigene »Kolbasi«-Wurst, anstatt beim Metzger zu kaufen. Selbst als Warhols Karriere in New York anlief, bot Julia den Besuchern noch immer selbstgemachte...


Held, Ursula
Ursula Held, geboren 1972, studierte Literaturübersetzung in Düsseldorf und Nantes. Heute lebt sie mit ihrer Familie in Berlin. Seit vielen Jahren übersetzt sie Sachbücher und Literatur für Jugendlich aus dem Englischen und Französischen.

Gopnik, Blake
Blake Gopnik, Jahrgang 1963, zählt zu den führenden Kunstkritikern Nordamerikas. Nach seiner Promotion in Kunstgeschichte in Oxford schrieb er für »Newsweek« über Bildende Kunst und Design, bei der »Washington Post« und der kanadischen »Globe and Mail« war er Ressortleiter für Kunst. 2015 war er Fellow am Leon Levy Center for Biography an der City University of New York, 2017 dann Cullman Center Fellow in residence an der New York Public Library. Er schreibt regelmäßig in der »New York Times«.


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