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E-Book

E-Book, Deutsch, Band 11, 317 Seiten

Reihe: Kinsey Millhone

Grafton Frau in der Nacht

{K wie Killer}

E-Book, Deutsch, Band 11, 317 Seiten

Reihe: Kinsey Millhone

ISBN: 978-3-95530-432-4
Verlag: Edel Elements - ein Verlag der Edel Verlagsgruppe
Format: EPUB
Kopierschutz: Kein



Eine der berühmtesten und erfolgreichsten Krimiserien der Welt – "Sue Grafton wird von Thriller zu Thriller immer noch besser!" (Die Welt)
Als Lorna Kepler, eine ebenso schöne wie eigenwillige Frau, tot aufgefunden wird, ist ihr Körper bereits so stark verwest, dass die Todesumstände nicht mehr eindeutig zu klären sind. Und so legt die Polizei den Fall bald zu den Akten. Lornas Mutter aber kann sich nicht damit abfinden. Sie ist überzeugt, dass ihre Tochter ermordet wurde und der Mörder frei herumläuft. Daher beauftragt sie die Privatdetektivin Kinsey Millhone, sich des Falles anzunehmen. Bald stellt sich heraus, dass Lorna mit Pornoaufnahmen erpresst wurde. Auf meist nächtlichen Streifzügen durch die Stadt spürt Kinsey jetzt alle Leute auf, mit denen Lorna Kontakt hatte; einen befreundeten »all night deejay«, eine Prostituierte, der sie manchmal aushalf, einen Pornofilmproduzenten, Verwandte, ihren Vermieter. Dabei wird der Kreis der Verdächtigen immer größer, und Kinsey fühlt sich selbst stärker und stärker bedroht von dem Mörder ohne Gesicht, der einfach nicht zu greifen ist. Doch erst als zwei weitere Morde geschehen, findet Kinsey die richtige Spur.
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1
Juristisch wird Mord definiert als die »vorsätzliche Tötung eines Menschen durch einen anderen«. Manchmal wird die Formulierung »aus niedrigen Beweggründen« hinzugefügt, um dadurch Mord von den zahlreichen anderen Gelegenheiten zu unterscheiden, bei denen Menschen sich gegenseitig umbringen – wobei einem als erstes Kriege und Hinrichtungen einfallen. Die »niedrigen Beweggründe« aus dem Gesetzbuch meinen nicht unbedingt Haß oder auch nur Böswilligkeit, sondern beziehen sich auf den bewußten Wunsch, einem anderen gravierende Verletzungen zuzufügen oder seinen Tod zu verursachen. Meist ist Mord eine intime, private Angelegenheit, da die meisten Mordopfer von nahen Verwandten, Freunden oder Bekannten umgebracht werden. Grund genug, Distanz zu wahren, wenn Sie mich fragen. In Santa Teresa, Kalifornien, werden ungefähr fünfundachtzig Prozent aller Mordfälle aufgeklärt, was bedeutet, daß der Täter identifiziert und verhaftet wird und ein Gericht über seine Schuld oder Unschuld entscheidet. Die Opfer ungelöster Mordfälle stelle ich mir als widerspenstige Tote vor: Menschen, die sich in einem eigentümlichen Schwebezustand befinden, irgendwo zwischen Leben und Tod, ruhelos, unzufrieden und voller Sehnsucht nach Erlösung. Es ist eine wunderliche Vorstellung für jemanden, der im allgemeinen nicht zu Hirngespinsten neigt, aber ich denke mir, daß diese Seelen in einer beklemmenden Beziehung zu jenen stehen, die sie umgebracht haben. Ich habe mit Beamten vom Morddezernat gesprochen, die von ähnlichen Phantasien heimgesucht wurden, gehetzt von bestimmten Opfern, die noch unter uns zu weilen scheinen und hartnäckig an ihrem Wunsch nach Vergeltung festhalten. In dem Dämmerbereich, wo Wachen in Schlafen übergeht, in diesem bleiernen Moment, kurz bevor der Geist aus seinem bewußten Zustand sinkt, kann ich sie manchmal murmeln hören. Sie betrauern sich selbst. Sie singen das Wiegenlied der Ermordeten. Sie flüstern die Namen ihrer Angreifer, dieser Männer und Frauen, die nach wie vor frei herumlaufen, unerkannt, unbehelligt, ungestraft, reuelos. In solchen Nächten schlafe ich nicht gut. Ich liege wach, lausche, in der Hoffnung, eine Silbe, einen Satz aufzuschnappen, und strenge mich an, in dieser Liste von Verschwörern den Namen eines Mörders herauszuhören. Der Mord an Lorna Kepler hat mich jedenfalls in dieser Form bedrängt, obwohl ich die wahren Umstände ihres Todes erst Monate später herausfand. Es war Mitte Februar an einem Sonntag, und ich arbeitete noch spät und ordnete tugendhaft die Belege meiner Ausgaben und Einnahmen für die Steuererklärung. Ich fand, daß es an der Zeit war, meine Angelegenheiten wie eine Erwachsene zu regeln, anstatt alles in eine Schuhschachtel zu stopfen und sie im letzten Moment meinem Steuerberater vorbeizubringen. Dieser Griesgram! Jedes Jahr bellt der Mann mich an, und dann muß ich schwören, mich zu bessern, ein Versprechen, das ich ernst nehme, bis es wieder Zeit für die Steuer ist und ich feststelle, daß meine Finanzen ein komplettes Chaos sind. Ich saß an meinem Schreibtisch in der Anwaltskanzlei, wo ich ein Büro gemietet habe. Nach kalifornischen Maßstäben war es eine kalte Nacht; die Außentemperatur lag nämlich bei zehn Grad. Ich war allein in den Räumen, umfangen von einem warmen, schläfrig machenden Lichtschein, während die anderen Büros dunkel und still dalagen. Ich hatte gerade Kaffee aufgesetzt, um der Schlafsucht entgegenzuwirken, die mich bei Geldangelegenheiten befällt. Ich legte den Kopf auf die Schreibtischplatte und lauschte dem beruhigenden Gurgeln des Wassers, das durch die Kaffeemaschine lief. Nicht einmal der Duft des Mokkas reichte aus, um meine müden Geister in Schwung zu bringen. Noch fünf Minuten, und ich wäre weggedämmert, hätte sabbernd auf meinem Ordner gelegen und auf meiner rechten Wange hätten sich tintige Wortfetzen in Spiegelschrift abgebildet. Ich hörte ein Klopfen am Seiteneingang, hob den Kopf und spitzte wie ein Wachhund ein Ohr in die entsprechende Richtung. Es war schon fast zehn Uhr, und ich erwartete keine Besucher. Trotzdem erhob ich mich, verließ den Schreibtisch und ging auf den Flur hinaus. Ich legte den Kopf an die Seitentür, die in die Vorhalle führte. Das Klopfen wiederholte sich, diesmal wesentlich lauter. »Ja?« sagte ich. Eine erstickte, weibliche Stimme antwortete. »Ist da Millhone Investigations?« »Wir haben geschlossen.« »Was?« »Moment, bitte.« Ich legte die Kette vor die Tür, öffnete sie einen Spalt weit und sah zu ihr hinaus. Sie war weit in den Vierzigern und trug modische Western-Kleidung: Stiefel, ausgebleichte Jeans und ein grobes Wollhemd. Dazu hatte sie sich mit so viel schwerem Silber- und Türkisschmuck behängt, daß man fürchtete, sie würde gleich damit rasseln. Das dunkle Haar reichte ihr fast bis zur Taille, und sie trug es offen, leicht gekräuselt und rostrot gefärbt. »Entschuldigen Sie die Störung, aber unten steht, hier oben gäbe es einen Privatdetektiv. Ist er vielleicht noch da?« »Ah. Na ja, mehr oder weniger«, sagte ich, »aber momentan sind eigentlich keine offiziellen Bürostunden. Könnten Sie eventuell morgen wiederkommen? Ich würde mich glücklich schätzen, Ihnen einen Termin zu geben, nachdem ich im Kalender nachgeschaut habe.« »Sind Sie seine Sekretärin?« Ihr gebräuntes Gesicht bildete ein unregelmäßiges Oval, rechts und links ihrer Nase zogen sich zwei scharfe Falten nach unten, und vier Falten zeichneten sich zwischen ihren Augen ab, wo sie die Brauen fast restlos weggezupft und mit Schwarz nachgezogen hatte. Für den Lidstrich hatte sie den gleichen spitzen Stift benutzt, während sie – soweit ich sehen konnte – sonst kein Make-up trug. Ich versuchte, nicht verärgert zu klingen, da der Irrtum häufiger vorkommt. »Ich bin der Detektiv«, sagte ich. »Millhone Investigations. Mein Name ist Kinsey Millhone. Haben Sie mir Ihren genannt?« »Nein, Entschuldigung, habe ich nicht. Ich heiße Janice Kepler. Sie müssen mich für völlig beschränkt halten.« Na ja, nicht völlig, dachte ich. Sie streckte mir die Hand entgegen und merkte dann, daß der Türspalt nicht breit genug war, um Kontakt aufzunehmen. Sie zog die Hand zurück. »Ich wäre nie auf die Idee gekommen, daß Sie eine Frau sein könnten. Ich habe das Schild unten im Treppenhaus schon öfter gesehen. Einmal die Woche besuche ich eine Selbsthilfegruppe ein Stockwerk tiefer. Ich habe mir schon länger überlegt vorbeizukommen, aber ich schätze, ich habe mich einfach nicht getraut. Als ich heute abend rausging, sah ich vom Parkplatz aus, daß Licht brannte. Ich hoffe, es macht Ihnen nichts aus. Ich bin auch auf dem Weg in die Arbeit und habe sowieso nicht viel Zeit.« »Was für eine Arbeit?« fragte ich ausweichend. »Schichtleiterin in Frankie’s Coffee Shop oben in der State Street. Von elf bis sieben, was es ganz schön schwierig macht, tagsüber Termine einzuhalten. Ich gehe meistens um acht Uhr morgens ins Bett und stehe erst am Spätnachmittag wieder auf. Aber wenn ich Ihnen mein Problem nur schildern dürfte, wäre es mir schon eine große Erleichterung. Wenn sich dann herausstellt, daß Sie so etwas nicht machen, können Sie mir vielleicht jemand anderen empfehlen. Ich kann wirklich Hilfe brauchen, aber ich weiß nicht, an wen ich mich wenden soll. Daß Sie eine Frau sind, könnte es leichter machen.« Die nachgezogenen Augenbrauen hoben sich zu zwei flehentlichen Bögen. Ich zögerte. Selbsthilfegruppe, dachte ich. Alkohol? Drogen? Süchtiger Partner? Wenn die Frau eine Schraube locker hatte, wollte ich es lieber gleich wissen. Der Flur hinter ihr war leer und wirkte unter dem Deckenlicht stumpf und gelblich. Lonnie Kingmans Anwaltskanzlei nimmt die gesamte zweite Etage ein – abgesehen von den beiden öffentlichen Toiletten, auf denen M beziehungsweise F steht. Es war nicht auszuschließen, daß ein paar Verbündete der Sorte M im Waschraum lauerten, die auf ein Zeichen von ihr hervorspringen und mich überfallen würden. Aus welchem Grund konnte ich mir allerdings nicht vorstellen. Sämtliches Geld, das ich besaß, mußte ich sowieso den Haien vom Finanzamt überlassen. »Sekunde, bitte«, sagte ich. Ich schloß die Tür, ließ die Kette aus ihrer Verankerung gleiten und machte die Tür wieder auf, damit ich sie hereinlassen konnte. Zögernd ging sie an mir vorbei, im Arm eine knisternde braune Papiertüte. Ihr Parfüm roch nach Moschus, und der Duft erinnerte mich an Sattelseife und Sägemehl. Sie schien sich nicht recht wohl in ihrer Haut zu fühlen, und ihr Verhalten war eine nervöse Mischung aus Besorgnis und Verlegenheit. Die braune Papiertüte enthielt offenbar irgendwelche Papiere. »Das war in meinem Auto. Ich möchte nicht, daß Sie denken, ich trüge es ständig mit mir herum.« »Hier herein«, sagte ich. Die Frau folgte mir dicht auf den Fersen ins Büro. Ich wies auf einen Stuhl und sah ihr zu, wie sie sich setzte und die Papiertüte auf den Fußboden stellte. Dann zog ich mir selbst einen Stuhl heran. Ich fürchtete, wenn wir auf verschiedenen Seiten meines Schreibtisches säßen, würde sie studieren, was ich von der Steuer absetzen konnte, und das ging sie nichts an. Ich bin selbst Meisterin im Verkehrtrumlesen und zögere selten, mich in Dinge einzumischen, die mich nichts angehen. »Was für eine Selbsthilfegruppe?« fragte ich. »Für Eltern, deren Kinder umgebracht worden sind. Meine Tochter starb im vergangenen April. Lorna Kepler. Man hat sie in ihrer Hütte drüben bei der Mission gefunden.« »Ah ja«, sagte ich. »Ich erinnere mich. Aber soviel ich weiß, gab...


Sue Taylor Grafton, geb. 24. April 1940 in Louisville, Kentucky. Sie ist die Tochter des Kriminalschriftstellers C.W. Grafton. Sie studierte englische Literatur an der Universität von Louisville. Seit 1962 lebt sie in Kalifornien. Sie arbeitete zuerst in der Aufnahme im St. Johns Hospital in Santa Monica als Kassierin und Kliniksekretärin, sowie in weiteren Stellen im Cottage Hospital in Santa Barbara. Sie schrieb einige Fernsehfilme, wie z.B. Walking Through the Fire, für den sie den Christopher Award, 1979, erhielt, bevor sie mit ihrer Serie über die Privatdetektivin Kinsey Millhone begann, für die sie zahlreiche Preise erhielt. Gleich dreimal bekam sie den Shamus Award für die beste PI-Novel des Jahres (B is for Burglar, G is for Gumshoe, K is for Killer) und ebenfalls dreimal den Anthony Award als bester Roman des Jahres (B is for Burglar, C is for Corpse, G is for Gumshoe). Sie ist Präsidentin des Verbandes "Mystery Writers of America". Ihre Romane wurden in 28 Ländern und 26 Sprachen veröffentlicht, unter anderem in Estland, Bulgarien und Indonesien.


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