Grimmer | Psychodynamische Gesprächskompetenzen in der Psychotherapie | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 184 Seiten

Grimmer Psychodynamische Gesprächskompetenzen in der Psychotherapie

Kommunikation und Interaktion

E-Book, Deutsch, 184 Seiten

ISBN: 978-3-17-024977-6
Verlag: Kohlhammer
Format: PDF
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Die meisten Psychotherapieverfahren und Beratungen finden in Form von Gesprächen statt. Dafür werden spezifische Kompetenzen benötigt, denn jede Intervention muss in Gesprächshandeln übersetzt werden. Der Prozess konstituiert sich über sprachliche und nichtsprachliche Kommunikation. Was eine gelingende psychodynamische Gesprächssteuerung ausmacht, wie sich eine neutrale Haltung kommunikativ realisieren lässt, wie es zu einer stabilen und kooperativen Gesprächssituation kommt und wann zu Störungen und Irritationen derselben, wird in diesem Buch anhand von zahlreichen Ausschnitten aus Erstgesprächen erläutert.
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Weitere Infos & Material


1;Deckblatt;1
2;Titelseite;4
3;Impressum;5
4;Inhalt;6
5;1 Einleitung;10
5.1;1.1 Psychotherapie als Gespräch;10
5.2;1.2 Psychodynamik und Kommunikation im Erstgespräch;11
5.3;1.3 Kompetenzen in der psychodynamischen Psychotherapie;14
5.4;1.4 Gesprächskompetenzen in psychodynamischen Erstgesprächen;18
5.5;1.5 Aufbau des Buchs;22
6;2 Psychodynamische Erstgespräche;25
6.1;2.1 Psychodynamische Psychotherapie;25
6.2;2.2 Das psychodynamische Erstgespräch;26
7;3 Gesprächsanalyse psychodynamischer Psychotherapie;31
7.1;3.1 Ethnomethodologische Konversations- und Gesprächsanalyse;31
7.2;3.2 Konversations- und gesprächsanalytische Untersuchungen von Psychotherapien;34
7.3;3.3 Konversations- und gesprächsanalytische Untersuchungen von psychodynamischen Psychotherapien;37
7.3.1;3.3.1 Nutzen der Gesprächsanalyse für das Verständnis psychodynamischer Therapien;37
7.3.2;3.3.2 Konversations- und Gesprächsanalysen von psychodynamischen Therapien: ein Überblick;45
8;4 Therapeutische Gesprächskompetenzen in Erstgesprächen;48
8.1;4.1 Gesprächssteuerung – Kontrolle – Dominanz: Machtverhältnisse zu Beginn psychodynamischer Erstgespräche;50
8.1.1;4.1.1 Metaphorik der Macht in psychoanalytischen Behandlungstheorien;50
8.1.2;4.1.2 Die Psychoanalyse als Gegenstand einer Machtkritik;51
8.1.3;4.1.3 Strukturelle Ungleichheiten in psychodynamischen Psychotherapien aus gesprächsanalytischer Sicht;52
8.1.4;4.1.4 Therapeutische Gesprächssteuerung in Erstgesprächen;55
8.1.5;4.1.5 Steuerungs- und Einflussmöglichkeiten von Patienten in Erstgesprächen;63
8.1.6;4.1.6 Kompetente Gesprächssteuerung im Erstgespräch;68
8.2;4.2 Abstinenz und Neutralität: Die therapeutische Haltung in psychodynamischen Erstgesprächen;70
8.2.1;4.2.1 Abstinenz und Neutralität in der Behandlungstheorie;70
8.2.2;4.2.2 Abstinenz und Neutralität als innere Haltung oder als Gesprächsverhalten?;72
8.2.3;4.2.3 Neutralität und therapeutische Gesprächskompetenz;74
8.2.4;4.2.4 Wie Patienten die therapeutische Neutralität im Erstgespräch auf die Probe stellen: wertende Beziehungsschilderungen;75
8.2.5;4.2.5 Wie lösen Therapeuten diese Gesprächsaufgaben? – Varianten analytischer Neutralität;81
8.2.6;4.2.6 Was zeichnet eine kompetente Handhabung der Neutralitätsregel aus?;96
8.3;4.3 Das Arbeitsbündnis aus gesprächsanalytischer Sicht: Kooperation in psychodynamischen Erstgesprächen;98
8.3.1;4.3.1 Arbeitsbündnis und Psychotherapieforschung;98
8.3.2;4.3.2 Kooperation und Kompetenz;99
8.3.3;4.3.3 Themenwechsel und Kooperation im psychodynamischen Erstgespräch;100
8.3.4;4.3.5 Kooperative Gesprächsaktivitäten von Therapeuten;104
8.3.5;4.3.6 Therapeutische Kooperationskompetenz;108
8.4;4.4 Irritationen und Störungen: Verständigungskrisen in psychodynamischen Erstgesprächen;111
8.4.1;4.4.1 Unterschiedliche Annahmen über Gesprächsaufgaben und direkte Fragen;112
8.4.2;4.4.2 Verständigungskrisen;116
8.4.3;4.4.3 Patienten unter Druck: Irritationen aufgrund der ungewohnten Verpflichtung zur differenzierten Beziehungsschilderung;120
8.4.4;4.4.4 Gravierende Störungen in Erstgesprächen;124
8.4.5;4.4.5 Verständigungskrisen, Irritationen, Störungen – Therapeutische Gesprächskompetenzen zur Krisenbewältigung;126
8.4.6;4.4.6 Mikrokrisen als »Now-Moments« der Begegnung in der therapeutischen Beziehung;128
8.5;4.5 Nichtsprachliches Verhalten in psychodynamischen Erstgesprächen;129
8.5.1;4.5.1 Nichtsprachliches Handeln als therapiegefährdendes Ausdrucksverhalten;129
8.5.2;4.5.2 Nichtsprachliches Verhalten, Interaktionssteuerung und Beziehungsregulierung;131
8.5.3;4.5.3 Gesprächsanalytische Untersuchung nichtsprachlichen Verhaltens;132
8.5.4;4.5.4 Das Blickverhalten bei der Eröffnung psychodynamischer Erstgespräche;134
8.5.5;4.5.5 Nichtsprachliche therapeutische Gesprächskompetenz;135
9;5 Psychodynamische Gesprächskompetenzen;140
9.1;5.1 Psychodynamische Gesprächskompetenzen für die Praxis;140
9.1.1;5.1.1 Gesprächssteuerung und Einflussmöglichkeiten;141
9.1.2;5.1.2 Therapeutische Haltung und Neutralität;143
9.1.3;5.1.3 Arbeitsbündnis und Kooperation;144
9.1.4;5.1.4. Störungen und ihre Bewältigung;145
9.1.5;5.1.5 Nichtsprachliches Verhalten;147
9.1.6;5.1.6 Psychodynamische Gesprächskompetenzen für die Praxis – ein Fazit;149
9.2;5.2 Psychoanalyse und Gesprächsanalyse;151
9.2.1;5.2.1 Kommunikation und Intention;153
9.2.2;5.2.2 Das psychodynamische Erstgespräch als kommunikatives Projekt;155
9.3;5.3 Kompetenzforschung und Gesprächsanalyse;158
9.3.1;5.3.1 Allgemeine Gesprächskompetenz;159
9.3.2;5.3.2 Spezifische Gesprächskompetenz;161
9.4;5.4 Psychotherapie als soziale Praxis;162
10;Literaturverzeichnis;168
11;Anhang: Transkriptionsregeln;179
12;Register;182


2          Psychodynamische Erstgespräche
2.1       Psychodynamische Psychotherapie
Psychodynamische Psychotherapie ist heute der auch international gebräuchliche Oberbegriff für die aktuellen Weiterentwicklungen der von Sigmund Freud begründeten Psychoanalyse (Beutel et al., 2010; Shedler, 2011, S. 265), die im klinischen Kontext als Persönlichkeits-, Krankheits- und Behandlungstheorie charakterisierbar ist. Bei diesen Verfahren geht es um die Bearbeitung von unbewussten Konflikten und strukturellen Störungen der Persönlichkeitsentwicklung in einer therapeutischen Beziehung, unter besonderer Berücksichtigung von Übertragung und Gegenübertragung. Sie verfügen über ein elaboriertes, sich in stetem Wandel befindliches Theoriegebäude zur menschlichen Entwicklung sowie zur Entstehung und Behandlung von psychischen Erkrankungen. Seit ihrem Entstehen vor über 100 Jahren sind innerhalb der Psychoanalyse eine Vielzahl von Theorien und behandlungstechnischen Modellen konzipiert worden, die aufgrund klinischer Erfahrungen und empirischer Forschungsergebnisse weiterentwickelt oder widerlegt worden sind (Neukom, Grimmer & Merk, 2011). Die Psychoanalyse hat sich neben der sozialrechtlichen Differenzierung inzwischen in eine Vielzahl unterschiedlichster Behandlungsformen und Terminologien verästelt (Beutel et al., 2010). Dies hat teilweise zu einer regelrechten Sprachverwirrung geführt. Die Unterschiede zwischen Bezeichnungen wie »psychoanalytische« oder »psychoanalytisch orientierte Psychotherapie«, »psychodynamische« oder »psychodynamisch orientierte Psychotherapie«, »Psychoanalyse« und »Tiefenpsychologie« sind kaum mehr nachzuvollziehen.3 Der Wissenschaftliche Beirat Psychotherapie (WBP, 2005a, 2005b), der in Deutschland die Wissenschaftlichkeit und Wirksamkeitsnachweise psychotherapeutischer Verfahren beurteilt, kommt zum Schluss, dass es keine wissenschaftliche Grundlage für die Unterscheidung in verschiedene psychoanalytische Verfahren gibt. Er schlägt deshalb vor, nur noch den Begriff »Psychodynamische Psychotherapie« für alle psychoanalytischen Behandlungsverfahren zu verwenden und definiert ihn folgendermaßen: »Die Psychodynamische Psychotherapie (PP) gründet auf der Psychoanalyse und ihren Weiterentwicklungen. Die Behandlungsprinzipien der PP bestehen in einer Bearbeitung lebensgeschichtlich begründeter unbewusster Konflikte und krankheitswertiger psychischer Störungen in einer therapeutischen Beziehung unter besonderer Berücksichtigung von Übertragung, Gegenübertragung und Widerstand. Dabei wird je nach Verfahren stärker im Hier und Jetzt oder im Dort und Damals gearbeitet, die Stundeninhalte sind je nach Verfahren strukturierter (Technik: Fokussierung) oder unstrukturierter (Technik: freie Assoziation) und der Therapeut greift jeweils auf eine stärker aktive oder eher zurückhaltende Interventionstechnik zurück. « (WBP, 2005b) In Deutschland werden zwischen 50 und 65 Prozent aller Behandlungen in der ambulanten Praxis mit diesen Verfahren durchgeführt; im stationären Bereich dürfte der Anteil ähnlich hoch sein (Beutel et al., 2010; WBP, 2005a; Brandl et al., 2004). In der Schweiz lag der Anteil der analytischen Verfahren im Bereich Psychotherapie im Jahr 2007 bei 44 Prozent und damit deutlich höher als der jeder anderen Therapiemethode (Schweizer, Camenzind & Schuler, 2007). Diese Verhältnisse zeigen, dass den psychoanalytisch orientierten Behandlungsverfahren eine hohe Versorgungsrelevanz zukommt. Für die Psychodynamische Psychotherapie existieren inzwischen eine Vielzahl an Wirksamkeitsnachweisen (zur Übersicht über vorhandene Metaanalysen siehe: Shedler, 2011; Beutel et al. 2010; Leichsenring & Rabung, 2008). Nach Auswertung der vorliegenden Studien kam der Wissenschaftliche Beirat Psychotherapie bereits 2005 zum Schluss, dass der Nachweis der Wirksamkeit Psychodynamischer Psychotherapie für alle Anwendungsbereiche nach ICD-10 mit Ausnahme der Demenzen festgestellt werden kann (WBP, 2005a). 2.2       Das psychodynamische Erstgespräch
Etwa seit Mitte des letzten Jahrhunderts interessieren sich Psychoanalytiker für Erstgespräche – oft auch als Erstinterviews bezeichnet – als eigenständigen Untersuchungsbereich. Die zunehmende Faszination dieses Themas hängt auch damit zusammen, dass die Komplexität der Prozesse und Themen zu Beginn einer Therapie noch überschaubar ist. Freud (1913, S. 454) hat dies in seinem Text zur Einleitung der Behandlung so beschrieben: »Wer das edle Schachspiel aus Büchern erlernen will, der wird bald erfahren, dass nur die Eröffnung und Endspiele eine erschöpfende systematische Darstellung gestatten, während die unübersehbare Mannigfaltigkeit der nach der Eröffnung beginnenden Spiele sich einer solchen versagt. […] Ähnlichen Einschränkungen unterliegen wohl die Regeln, die man für die Ausübung der psychoanalytischen Behandlung geben kann«. Ein weiterer Grund für die Faszination besteht darin, dass sich, so die gängige Meinung, in der ersten Begegnung bereits in verdichteter Form die unbewusste Konflikt- und Persönlichkeitsdynamik des Patienten partiell inszeniert, die im späteren Verlauf der Behandlung durchgearbeitet wird, das Erstgespräch also als pars pro toto des analytischen Prozesses zu verstehen ist (Eckstaedt, 1995; Laimböck, 2000; Wegner, 2000). Aus Sicht der Psychotherapieforschung gibt es zudem Hinweise darauf, dass sich aufgrund der Beziehungsaufnahme und gelingenden oder misslingenden Zusammenarbeit in den ersten Sitzungen schon auf das spätere Therapieergebnis schließen lässt (Strupp, 1996). Freud (1913) selber hat dem ersten Gespräch noch nicht diese Bedeutung zugeschrieben und sich ihm in seinen behandlungstechnischen Schriften nirgendwo ausführlich gewidmet. Er pflegte einen Analysanden zunächst für einige Wochen in Probebehandlung zu nehmen, um die für ihn zentrale Frage der Analysierbarkeit – also der grundsätzlichen Indikation für das psychoanalytische Behandlungsverfahren – abzuklären. Er äußerte sich in diesem Zusammenhang skeptisch gegenüber den damals üblichen ärztlichen Explorationsgesprächen oder strukturierten Interviews zur Anamneseerhebung, denn »noch solange fortgesetzte Unterhaltungen und Ausfragungen in der Sprechstunde« könnten die Probebehandlung nicht ersetzen (Freud, 1913, S. 455). Es sei vielmehr gleichgültig, mit welchem Thema man die Behandlung beginne, in jedem Fall aber solle man den Patienten frei erzählen lassen und ihm den Anfangspunkt überlassen. Dabei solle er sich an der psychoanalytischen Grundregel orientieren und frei assoziierend alles mitteilen, was immer ihm in den Sinn komme, ohne eine selbstkritische Vorauswahl zu treffen und etwas zu filtern oder zu zensieren (Freud, 1913, S. 468). Dieses Vorgehen hat er in der Krankengeschichte »Katharina« (Freud, 1895) beiläufig an einer Alltagsbegegnung erstmals dokumentiert, was eine neuartige Form des Erstgesprächs darstellte, verglichen mit den damals üblichen, strukturierten Frage-Antwort-Explorationen. Bis in die fünfziger Jahre des letzten Jahrhunderts hinein blieben nach Freud auch in der psychoanalytischen oder der Psychoanalyse nahestehenden Literatur zunächst Konzeptionen von Erstinterviews bestimmend, die sich mehr oder weniger an strukturierten psychiatrischen Interviews orientierten und eine tiefenpsychologische Anamneseerhebung anstrebten (Mertens, 2000; Wegner, 2000). Gill, Newman und Redlich (1954, zitiert nach Mertens, 2000, S. 237) verstanden das Erstgespräch erstmals als eigenständige, von der späteren Behandlung abgetrennte Untersuchungseinheit und stellten die Interaktion zwischen Therapeut und Patient in den Mittelpunkt, wodurch neben der Diagnostik und der Indikation nun verstärkt die therapeutische Beziehung ins Zentrum des Erstgesprächs rückte. In ähnlicher Weise konzentrierten sich auch Balint und Balint (1961) in dem von ihnen entwickelten diagnostischen Interview auf die Beziehung zwischen Therapeut und Patient im Hier und Jetzt. Die bis heute am meisten rezipierte und in der analytischen Behandlungstheorie tradierte Konzeption eines genuin psychodynamischen Erstgesprächs geht auf Argelander (1970) zurück. Er unterscheidet drei verschiedene Informationsebenen, die es zu erheben gelte, wobei »die Zuverlässigkeit des gewonnenen Persönlichkeitsbildes und seiner psychischen Störung mit der Integration der Informationen aus allen drei Quellen wächst« (ebenda, S. 15): 1.  Objektive Informationen beinhalten Daten und Erlebnisse aus der Lebensgeschichte des Patienten, die Krankheitssymptome, die Dauer ihres Bestehens, Angaben zu Erlebnissen mit Familienangehörigen und Ähnliches. 2.  Die...


PD Dr. phil. Bernhard Grimmer ist Privatdozent für Klinische Psychologie an der Universität Zürich und leitet die Psychotherapiestation für junge Erwachsene in der Klinik Münsterlingen/Schweiz.


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