Güntürkün | Biologische Psychologie | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 15, 287 Seiten

Reihe: Bachelorstudium Psychologie

Güntürkün Biologische Psychologie

E-Book, Deutsch, Band 15, 287 Seiten

Reihe: Bachelorstudium Psychologie

ISBN: 978-3-8409-2941-0
Verlag: Hogrefe Verlag
Format: PDF
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)



Alle unsere Wahrnehmungen, Gedanken, Gefühle, Erinnerungen und Handlungen werden von unserem Gehirn gesteuert. Dieses Lehrbuch vermittelt die biologischen Grundlagen, die für das Verständnis dieser psychologischen Prozesse eine wichtige Rolle spielen. Hierzu gehören der Aufbau und die Funktionsweise von Neuronen, Nervenzellen und Synapsen. Weitere Kapitel gehen den folgenden Fragen nach: Wie werden unsere Sinneseindrücke im Gehirn repräsentiert? Welche Strukturen sind an unseren Denkprozessen beteiligt und wie entsteht die Ordnung der Gedanken? Wie verändert Lernen das Gehirn?
Darüber hinaus wird erläutert, wo und wie Emotionen verarbeitet werden und wie sie unser Verhalten beeinflussen, wie Hunger und Durst entstehen und wie es zu Suchtverhalten kommen kann. Ein abschließendes Kapitel geht auf geschlechtsspezifische biologische Einflüsse ein. Die Inhalte des Buches werden anhand von Kurzgeschichten, Grafiken und Kästen veranschaulicht. Klassische und aktuelle wissenschaftliche Studien ergänzen die Darstellungen und zahlreiche Übungen regen dazu an, das Gelernte zu reflektieren.
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Zielgruppe


Studierende und Lehrende im Bachelor-Studiengang „Psychologie“ und mit Nebenfach „Psychologie“ sowie Studierende und Lehrende von Nachbardisziplinen der Psychologie.


Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


1;Inhaltsverzeichnis und Vorwort;7
2;Kapitel 1: Neurone und Gliazellen;13
2.1;1.1Nervenzellen;16
2.2;1.2Gliazellen;25
2.3;Zusammenfassung;27
2.4;Fragen;28
3;Kapitel 2: Die Funktionsmechanismen von Nervenzellen;29
3.1;2.1Die Entstehung des neuronalen Signals;32
3.2;2.2Das Aktionspotenzial;39
3.3;Zusammenfassung;48
3.4;Fragen;49
4;Kapitel 3: Synapsen und Neurotransmitter;51
4.1;3.1Die Übertragung an der Synapse;53
4.2;3.2Das postsynaptische Potenzial;59
4.3;3.3Neurotransmitter;61
4.4;Zusammenfassung;71
4.5;Fragen;72
5;Kapitel 4: Neuroanatomie;73
5.1;4.1 Die Terminologie der Ortsbeschreibungen im Gehirn;76
5.2;4.2Die Hirnhäute;79
5.3;4.3Prosencephalon;81
5.4;4.4Mesencephalon;90
5.5;4.5Rhombencephalon;91
5.6;Zusammenfassung;92
5.7;Fragen;93
6;Kapitel 5: Der sensomotorische Schaltkreis;95
6.1;5.1Die sensorische Landkarte;97
6.2;5.2Die verzerrte Landkarte unserer Sinne;101
6.3;5.3Jenseits der primären sensorischen Landkarte;106
6.4;5.4 Der sensorische Thalamus: Das „Tor zum Bewusstsein“;114
6.5;Zusammenfassung;117
6.6;Fragen;118
7;Kapitel 6: Die Ordnung des Denkens;119
7.1;6.1 Die Makroebene des Gehirns: Die Topografie des Denkens;121
7.2;6.2 Die Mikroebene des Gehirns: Die fragile Welt der Zellensembles;126
7.3;Zusammenfassung;137
7.4;Fragen;138
8;Kapitel 7: Gedächtnissysteme: Arbeitsgedächtnis und deklaratives Gedächtnis;139
8.1;7.1Das Arbeitsgedächtnis;143
8.2;7.2Die Rolle des Hippocampus;146
8.3;7.3Die Entstehung des deklarativen Langzeit­gedächtnisses;149
8.4;7.4Die Rolle der NMDA-Rezeptoren;152
8.5;7.5Ungelöste Fragen;155
8.6;7.6Der Abruf aus dem Gedächtnisspeicher;158
8.7;Zusammenfassung;160
8.8;Fragen;160
9;Kapitel 8: Gedächtnissysteme: Nicht deklaratives Gedächtnis;161
9.1;8.1 Prozedurales Gedächtnis;163
9.2;8.2Bahnung;173
9.3;8.3Klassische Konditionierung;175
9.4;Zusammenfassung;179
9.5;Fragen;180
10;Kapitel 9: Emotionen;181
10.1;9.1Die Evolution des emotionalen Gehirns;183
10.2;9.2Die Anatomie der Amygdala;186
10.3;9.3Regulation von aggressivem Verhalten;189
10.4;9.4Regulation von Furchtverhalten;191
10.5;Zusammenfassung;201
10.6;Fragen;202
11;Kapitel 10: Sucht;203
11.1;10.1Erstkonsum;206
11.2;10.2Gewöhnung;211
11.3;10.3Abstinenz;216
11.4;Zusammenfassung;218
11.5;Fragen;219
12;Kapitel 11: Hunger und Durst;221
12.1;11.1Hunger;222
12.2;11.2Durst;232
12.3;Zusammenfassung;237
12.4;Fragen;237
13;Kapitel 12: Geschlecht;239
13.1;12.1Das genetische Geschlecht;242
13.2;12.2Das körperliche Geschlecht;245
13.3;12.3Das neuronale Geschlecht;248
13.4;12.4Das kognitive Geschlecht;251
13.5;Zusammenfassung;256
13.6;Fragen;257
14;Anhang;259
14.1;Literatur;261
14.2;Glossar;277
15;Sachregister;285


|11|Kapitel 1
Neurone und Gliazellen
|12|Die Fahrt nach Stockholm kam Camillo Golgi vor wie eine Ewigkeit. Nun bekam er also den Nobelpreis. Welch ungeheure Ehre und Befriedigung für die Jahrzehnte harter Arbeit. Aber er musste sich den Preis mit jemand anderem teilen und dieser andere war ausgerechnet Santiago Ramón y Cajal. Wie er ihn hasste! Er wusste, dass er ihm unterlegen war; jeder wusste es. Es war schwer mit einem Mann zu konkurrieren, der sowohl genial als auch auf fast unmenschliche Art und Weise fleißig war. Das Schlimmste aber war, dass er selbst diesem Konkurrenten die Methode für seine Forschungen geliefert hatte. 1872, als 29-Jähriger, hatte Camillo Golgi aus Geldnot den Posten eines Arztes in einer kleinen Klinik mit psychiatrischen Patienten angenommen. Er war fest davon überzeugt, dass seine Patienten keine Krankheit der Seele hatten, sondern eine Erkrankung des Gehirns. Um dies zu beweisen, wollte er das Gehirn erforschen, aber das war sehr schwierig, denn das Gehirn war eine graue homogene Masse. Golgi wollte darin Strukturen identifizieren, aber der Klinikleitung war Forschung egal. Erst nach langem Bitten stellte man Golgi eine winzige Küche als Labor zur Verfügung. Dort entwickelte er histologische Methoden für die Hirnfärbung. Eines Morgens nahm er ein kleines Stück Gehirn aus einem Gefäß, das über Tage in Wechselbäder aus Kaliumdichromat, Osmium und Silbernitrat getaucht worden war. Unter der Lupe erkannte er, dass kleine Pünktchen das Präparat überzogen. Die Betrachtung eines dünnen Hirnschnittes unter dem Mikroskop tauchte ihn plötzlich in eine neue Welt, die er zeitlebens nie wieder verlassen sollte: Der Schnitt war durchsichtig geworden, aber einige wenige Zellen waren in all ihren Details zu sehen. Camillo Golgi wurde zum ersten Menschen, der Zugang zu den Bausteinen des Gehirns bekam. Die nach Camillo Golgi benannte Golgi-Methode wurde zum Standard der Hirnforschung. Mit ihr erkannte Golgi, dass es zwei Arten von Zellen im Gehirn gab: Neurone und Gliazellen. Erstere waren für die Denkprozesse verantwortlich, letztere hatten stützende und versorgende Funktionen. Einige Jahre nach der Veröffentlichung der Golgi-Färbetechnik fing auch ein junger spanischer Anatom namens Cajal an, diese Methode zu verwenden und brachte sie zur Perfektion. Cajal erkannte, dass Neurone lange, Dendriten genannte Fortsätze besitzen, mit denen sie Informationen von anderen Nervenzellen aufnehmen. Neurone gaben Informationen über Axone weiter, die teilweise über lange Strecken zu entfernten Hirnstrukturen reichten, ähnlich den Telegrafenkabeln, die Europa durchzogen. Cajal formulierte mithilfe von Golgi-Färbungen die Neuronendoktrin, nach der die Funktion des Gehirns auf der Wechselwirkung von spezialisierten Neuronentypen beruht. Die Doktrin besagte auch, dass Nervenzellen neurale Netzwerke bildeten, aber in diesen Netzwerken nach wie vor als individuelle Zellen existierten. Veränderungen des Denkens gin|13|gen demnach mit Veränderungen der Kontaktstellen zwischen den Neuronen dieses Netzwerkes einher. Cajal stellte die Hypothese auf, dass verschiedene mentale Funktionen an unterscheidbaren Stellen des Gehirns lokalisiert waren, und dass in diesen Hirnarealen die Neurone so verschaltet waren, dass ihr lokales Netzwerk genau diese mentale Funktion erzeugte. Camillo Golgi dagegen behauptete, dass im Gehirn die Neurone zu einem Nervennetz verschmelzen, dass Dendriten nur eine Ernährungsfunktion haben und dass es keinerlei Lokalisation von Funktionen im Gehirn gibt. Camillo Golgi hatte diese wunderbare Färbemethode entwickelt. Er hatte so viele weitere wichtige Beiträge geleistet. Aber immer, wenn es um große Theorien ging, irrte er. Und so fuhr er also nach Stockholm und hielt dort am 11. Dezember 1906 eine peinliche Feierrede, in der er im Beisein von Santiago Ramón y Cajal alles verteidigte, woran er selbst kaum noch glaubte. Tabelle 1: Das Gehirn des Menschen in Zahlen (nach Blinkov & Glezer, 1968; Pakkenberg & Gundersen, 1997; Azevedo et al., 2009) Durchschnittliches Gewicht 1,5?kg Anzahl der Nervenzellen 86 Milliarden (86?×?109) Anzahl der Nervenzellen im Cortex 16 Milliarden (16?×?109) Anzahl der Nervenzellen im Kleinhirn 69 Milliarden (69?×?109) Anzahl der Synapsen 1 Billiarde (1?×?1015) Anzahl corticaler Neurone pro mm3 14.000 Axonlänge pro mm3 4?km Dendritenlänge pro mm3 400?m Oberfläche aller Neuronen 25.000?m2 (4 Fußballfelder) Das Gehirn des Menschen ist ein gewaltiges Organ, das aus mehr als einer Billion Zellen besteht (vgl. Tab. 1). Die zwei wichtigsten Zelltypen sind die Nervenzellen (auch Neurone genannt) und die Gliazellen. Das menschliche Gehirn besitzt etwa 86 Milliarden (86?×?109) Nervenzellen. Die Anzahl der Gliazellen ist ungefähr genauso hoch. Beide Zelltypen kommen sowohl im Zentralnervensystem (ZNS; umfasst das Gehirn und das Rückenmark) als auch im peripheren Nervensystem vor |14|(PNS; umfasst das Nervensystem außerhalb des ZNS, das im gesamten Körper inkl. der Eingeweide liegt). Sowohl Neurone als auch Gliazellen sind spezialisierte Formen von normalen Körperzellen und enthalten deshalb all die Merkmale, die auch alle anderen Zellen unseres Körpers besitzen. Allerdings besitzen Neurone und Gliazellen darüber hinaus einige Eigenschaften, die einzigartig und nur für ihre Funktionen innerhalb des Nervensystems notwendig sind. Diese Eigenschaften werden im Folgenden erläutert. 1.1 Nervenzellen
Abbildung 1: Darstellung von Nervenzellen (aus Ris, 1899) Anmerkungen: Jede Nervenzelle sieht anders aus und trotzdem sind sie alle gleich aufgebaut. Dies wird deutlich, wenn man sich diese Darstellung eines Teils des Vogelgehirns anschaut, die mit der Golgi-Methode erstellt wurde. Der aus dünnen Strichen gebildete dunkle Streifen am oberen Rand besteht aus Tausenden von Axonen von Neuronen der Retina, die an der Oberfläche des Gehirns entlanglaufen. An einem bestimmten Punkt knicken diese Axone vertikal nach unten ab und teilen sich in Dutzende Terminalien auf. Bei (1) sind viele dieser unterschiedlichen Axonterminalien dargestellt. Bei (2) sieht man Neurone, die sich mit ihren Dendriten horizontal ausbreiten. Die Nervenzelle bei (3) bildet mit ihren nach oben reichenden Dendriten eine buschige Schicht, während ihr Axon (Pfeil) nach unten zieht. Bei (4) ist ein Bipolarneuron abgebildet, dessen dendritische Verzweigungen sowohl nach oben als auch nach unten auswachsen. Nervenzellen leisten die Informationsverarbeitung und Informationsweitergabe unseres Gehirns. Abhängig von ihrer genauen Funktion und der Lokalisation im Gehirn können sie sehr unterschiedlich...


Prof. Dr. Onur Güntürkün, geb. 1958. 1975–1980 Studium der Psychologie in Bochum. 1984 Promotion. 1984–1987 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Ruhr-Universität Bochum in der Arbeitseinheit Tierpsychologie. 1987–1988 Post-Doktorand in Paris und San Diego. 1988–1991 Wissenschaftlicher Assistent an der Universität Konstanz. 1991 Habilitation. 1992–1993 Hochschuldozent an der Universität Konstanz. Seit 1993 Professor für Biopsychologie an der Fakultät für Psychologie, Ruhr-Universität Bochum. Seit 1996 verschiedene Forschungsaufenthalte im Ausland als Gastwissenschaftler.


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