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E-Book

E-Book, Deutsch, 344 Seiten

Guerrero Alpha

E-Book, Deutsch, 344 Seiten

ISBN: 978-3-99065-001-1
Verlag: Edition Atelier
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Erik Jäger ist ein blendender Selbstdarsteller, ein Meister der Manipulation, der Menschen emotionslos danach beurteilt, ob sie ihm nützlich sein könnten oder nicht. Sowohl seine Beziehungen als auch seine Karriere in der Politik baut er erfolgreich auf Täuschungen, Intrigen und Erpressung auf. Obwohl er selbst keinen politischen Standpunkt hat, reizt ihn das Spiel mit der Macht. Alles scheint ihm leicht von der Hand zu gehen, die Pokernächte mit seinen Förderern, der Familienbesuch mit der Freundin ... bis ihm die Tochter seines Chefs unvermittelt in die Quere kommt.
Marion Guerrero präsentiert einen Alptraum der Oberflächlichkeiten und verpasst dem männlichen Dominanz- und Alphadenken eine gekonnte Ohrfeige
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II
Maras Flugzeug hatte Verspätung. Ich überlegte, ob ich ihr Blumen kaufen sollte, oder Schokolade oder irgendein Kuscheltier (ich musste grinsen beim Gedanken, ihr eine Stoffkatze zu schenken), aber dann entschied ich mich dagegen. Wenn ich ihr wie ein verliebter Dackel den Hof machte, glaubte sie am Ende, ich würde ihr das Skype-Fiasko durchgehen lassen. Die Schiebetür öffnete sich, und Mara kam heraus; irgendein Typ redete auf sie ein, er war groß und verkrampft jugendlich gestylt, aber seine Stoppelglatze täuschte nicht über seinen Haarausfall hinweg. Ein Poser. Mara lachte; sie schaute ihn an mit ihrem intensiven Blick, der die Umgebung um dich herum ausblendet und dich in den Mittelpunkt des Raums schiebt, als wäre alles außerhalb deiner Silhouette weggephotoshopt. Sogar die Geräusche sind gedämpfter. So hatte sie früher mich angeschaut. Ich musste Mara am Arm festhalten, sonst wäre sie glatt an mir vorbeigerannt. Sie riss den Blick von Loverboy los, als würde sie ein Pflaster abziehen, und schaute mich erst überrascht, dann schuldbewusst und schließlich ärgerlich an. »Erik … du?« Ich begriff, dass ich meine Strategie ändern musste; jetzt hätte ich doch gerne Blumen dabei gehabt, um ihre Gewissensbisse zu füttern. Ihr Ärger war nur aufgesetzt, das wusste ich, aber er konnte mir trotzdem gefährlich werden. Bevor ich antworten konnte, fragte sie noch einmal: »Was zur Hölle machst du hier?« »Ich … ich wollte dich abholen«, sagte ich leise, aber sie ließ mich kaum ausreden: »Ich hab dir doch gesagt, dass ich das nicht will!« Loverboy schaute aufdringlich in die andere Richtung, seine Augenbrauen waren zusammengezogen. Er wusste anscheinend von mir, jedenfalls stellte er keine Fragen. Ich hätte dem Arschloch am liebsten die Nase zertrümmert. »Es tut mir leid«, sagte ich kleinlaut. »Ich weiß, du wolltest nicht … aber … es ist wegen Santino. Ich … ich muss dir was sagen.« Mara hatte die Katze Santino getauft, nach einem kanadischen Wrestler, dem das Vieh angeblich ähnlich sah. »Was ist mit ihm?« fragte sie, und die Sorge machte ihre Stimme etwas weicher. Loverboy verzog seine Pissfresse; er wurde anscheinend ungeduldig, wahrscheinlich führte sein fickriges Affenhirn meine Freundin gerade ins Schlafzimmer. Aber Mara achtete nicht auf ihn. »Ist Santino was passiert?« »Ich würde dir das lieber unter vier Augen –« »Scheiße, Erik, sag schon! Was ist los?« Ich seufzte und legte so viel Traurigkeit in meine Stimme, wie es mir möglich war. »Er ist weggerannt.« »Was?!« schrie Mara. »Weggerannt? Wie, weggerannt? Wohin? Wie ist das passiert?!« »Ich erzähl dir alles, aber können wir bitte erst mal nach Hause –« »Nein! Ich will sofort wissen, was passiert ist!« Mara atmete heftig. Loverboy starrte sie an; so hatte er Mara vermutlich noch nicht erlebt, und er wusste nicht, was er tun sollte. Er legte ihr eine Hand auf die Schulter, wie ein dämlicher Bär, aber sie merkte es gar nicht. Er räusperte sich. »Ähm … Mara … ich glaube, ich lass euch beide besser … ich ruf dich an, ja?« Mara nickte, ohne ihn anzuschauen, und er lief weg. Poser. »Erik, wie ist das passiert? Hast du die Tür offen gelassen? Ist er noch im Haus vielleicht? Hast du überall gesucht?« Ich schüttelte betreten den Kopf. »Er ist weg … es tut mir so leid, Bienchen …« Seit einem halben Jahr hatte ich sie nicht mehr so genannt. Seit dem Tod ihrer Immi, als sie begann, sich von mir zu distanzieren. Mara schaute mich an. Ihr Blick war ein Kaleidoskop aus Wut, Verzweiflung und Sehnsucht, Sehnsucht danach, von jemandem in den Arm genommen und geschaukelt zu werden, und Wut auf mich – und auf sich selber, weil sie sich nicht erlauben wollte, dass ich derjenige war, von dem sie getröstet wurde. Ich strich ihr vorsichtig über den Arm; sie wehrte sich nicht, und ich zog sie an mich und umarmte sie so fest ich konnte. Sie schluchzte an meiner Brust, nicht nur wegen der Katze, sondern wegen der ganzen vertrackten Situation mit uns beiden und der Kanzlei und wahrscheinlich auch mit Loverboy, und ich streichelte ihre Haare und murmelte dabei Warmes, Sinnloses, mein Magen war nicht mehr verkrampft, und es fühlte sich gut an. Wirklich gut. Mara verbrachte das Wochenende bei ihrer Mutter in Wiener Neustadt. Sie wollte nicht gleich zurück in die katerlose Wohnung, aber immerhin hatte sie nichts dagegen, dass ich ihren Koffer in unsere Wohnung brachte. Ein gutes Zeichen. Außerdem konnte ich in der Zwischenzeit die Wohnung gründlich putzen, um die letzten Geruchsreste loszuwerden. Ich dachte kurz darüber nach, was ich mit dem zerkratzten Parkett machen sollte, aber ein wenig Pflegeöl beseitigte die meisten Spuren. Über die tieferen Kratzer schob ich ein Couchbein. Ich bezweifelte, dass Mara Verdacht schöpfen würde. Spät am Sonntag kam Mara zurück. Ich hatte eine Flasche unseres Lieblingsweins gekauft und Kerzen angezündet. Mara stand auf gedämpftes Licht und Kuschelromantik. Sie läutete, statt selber aufzusperren, als käme sie nur zu Besuch. Ich öffnete die Tür, frisch geduscht und mit dem Parfum besprenkelt, das Mara mir von einer ihrer Dienstreisen mitgebracht hatte. Sie sah abgehetzt aus, die kleinen Fältchen um ihre Augen waren tiefer als noch vor zwei Tagen, und ihre Locken lagen flach und fettig auf ihrem Kopf. Ich umarmte sie. Sie ließ es geschehen. Es fühlte sich an, als würde ich eine Marionette im Arm halten. »Ich freu mich, dass du wieder da bist, Bienchen«, flüsterte ich. Mara hustete. Wir gingen ins Wohnzimmer, und ein fast animalischer Schmerz huschte über ihr Gesicht, als sie die Kerzen und die Weingläser sah. »Erik …« Mara seufzte auf eine Art, die ich noch nicht kannte, es klang fast wie ein Stöhnen. »Erik. Ich werd die nächsten Wochen in Wiener Neustadt bleiben. Ich bin nur hier, um mir ein paar Sachen zum Anziehen zu holen.« So etwas hatte ich schon erwartet, als ich sie an der Tür klingeln hörte. Ich nickte. »Okay … verstehe. Wie bist du denn von Wiener Neustadt hergekommen? Hat deine Mutter dich hergeführt? Wartet sie im Auto?« Mara schüttelte den Kopf. »Nein, ich hab den Zug genommen.« Meine innere Anspannung ließ etwas nach. »Na, jetzt setz dich erst einmal kurz hin«, sagte ich. »Hast du überhaupt schon was gegessen?« »Nein, ich ess dann was zu Hau… in Wiener Neustadt.« Ich schaute auf die Uhr. »Aber da bist du doch frühestens um Mitternacht«, sagte ich. »Ich hab mir vorher einen Gemüsestrudel gemacht, der ist noch warm.« Mara schüttelte den Kopf. »Ich will gleich wieder los, ich hol mir nur mein Zeug.« Sie wollte ins Schlafzimmer gehen, aber ich hielt sie am Arm fest: »Mara. Jetzt wart doch mal. Du bist ja total erschöpft. Iss doch was! Du brichst mir ja auf dem Weg zum Bahnhof zusammen.« Maras Unterlippe fing an zu zittern. »Erik, bitte. Mach’s nicht noch schwieriger. Ich will das hinter mich bringen. Bitte.« Ich ließ sie los, aber sie machte keine Anstalten, ins Schlafzimmer zu gehen. »Ich mach dir einen Vorschlag«, sagte ich. »Du isst jetzt einmal den Gemüsestrudel und trinkst ein Glas Wein, und ich hol deinen Koffer. Und dann bring ich dich zum Bahnhof. So musst du den Koffer nicht selber schleppen. Okay?« Maras Blick wanderte über den Wohnzimmertisch und die Bilder an der Wand, als würde sie die vertrauten Gegenstände streicheln, und ich wusste, dass ich auf dem richtigen Weg war. »Ich hol den Strudel, gut? Setz dich hin, nimm dir einen Wein.« Ich gab ihr keine Zeit für eine Antwort. Als ich mit einem Teller aus der Küche zurückkam, saß sie steif am äußersten Ende der Couch, die Arme verschränkt und die Knie zusammengepresst, als wollte sie so wenig Fläche wie möglich einnehmen. Ihre Augen waren rot. Ich stellte den Teller vor sie hin, schenkte ihr Wein ein und setzte mich neben sie. Sie bewegte sich nicht. Wir sagten beide eine Zeit lang nichts, und sie trank einen Schluck. Der unberührte Gemüsestrudel dampfte unangebracht fröhlich vor sich hin. Vorsichtig legte ich meine Hand auf eines ihrer verkrampften Knie. »Die Wohnung war leer, ohne Santino … und ohne dich«, sagte ich. Eine erstaunlich schwere Träne...


Marion Guerrero, geb. 1980 in Wien. Aufgewachsen in Bogotá, Albany (New York), Wien und in einem kleinen bayerischen Dorf. Studium der Rechtswissenschaften in Wien, New York und Florenz, Aufenthalte in Berkeley und Tel Aviv. Fulbright-Stipendiatin. Arbeitete u.a. für die Columbia University Law School (New York), den Israelischen Verfassungsgerichtshof (Jerusalem), die Universität Wien und das österreichische Frauenministerium. Journalistische und wissenschaftliche Publikationen. Schreibt auch Theaterstücke, Kurzgeschichten und Prosa.


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