Guth | Meine Frau, ihr Mann und ich | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 320 Seiten

Guth Meine Frau, ihr Mann und ich

E-Book, Deutsch, 320 Seiten

ISBN: 978-3-359-50045-2
Verlag: Eulenspiegel Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Jan hat eigentlich alles, was man sich im Leben wünschen kann: Er ist Musiker, glücklich verheiratet und hat zwei wundervolle Töchter. Gut, in seinem Job ist man oft unterwegs und kommt auch mal spät nach Hause, viel Zeit für private Abenteuer mit der Frau bleibt da nicht, aber das ist ja ganz normal. Findet er. Bis er seine Heike beim Seitensprung erwischt und die sich zum Selbstfindungs-Trip auf eine Insel absetzt. Noch ehe er den Schock verdaut hat, sieht sich Jan mit den Tücken des Single-Lebens als Alleinerziehender konfrontiert. Aber welche der neuen Frauenbekanntschaften hat wirklich Zukunft? Und wer steckt hinter dem mysteriösen Trickbetrüger, der auf einer Dating-Plattform sein Unwesen treibt? Martin Guths turbulenter Debütroman überzeugt durch eine prickelnde Mischung aus Spannung und Humor.
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She works hard for the money Endlich Pause. Hastig verließen wir die Bühne des Hotels Steigenberger Frankfurter Hof. Einmal mehr hatten wir schmatzenden Bankern einen »Dinnermusik-Block« mit all den Billy Joels, Elton Johns und Frank Sinatras dieser Welt zu ihrem edlen Hauptgang serviert. Immerhin hatten wir nun den ödesten Part unseres Jobs hinter uns. Entsprechend gut gelaunt stürzten wir uns in der Garderobe auf unser Band-Catering, das zwar ansprechend aussah, mengenmäßig aber so schwachbrüstig daherkam wie eine rumänische Bodenturnerin. Unter einer schicken Haube langweilten sich jeweils vier kleine Gnocchi neben einem Miniaturstück Wildschweinbraten an einem Hauch von blanchiertem Wurzelgemüse. »Erst wenn die letzte Crème brûlée abgefackelt, die letzte Auster geschlürft, das letzte Huhn geperlt und der letzten Gänseleber das Maul gestopft ist, werdet ihr merken, dass man von einem Michelin-Stern nicht satt wird«, schrieb Mark, unser Gitarrist, an diesem Abend ins Gästebuch des Hotels. Nachdem ich mich so richtig hungrig gegessen hatte, musste ich erst mal eine rauchen. Ich lief den kleinen Flur in Richtung Personaleingang hinunter und schob mir eine Kippe anzündfertig in den Mund. Plötzlich hörte ich ein Geräusch. Aus der angelehnten Tür des Stuhllagers quietschte es in einer rhythmischen Gleichmäßigkeit, die unseren Schlagzeuger Oli begeistert hätte. Dazu gesellte sich ein dumpfes Stöhnen, gepaart mit einigen schrillen »Jas« und »Ohs«. Gepaart … Ich benutze nicht von ungefähr dieses Wort, denn mir war schnell klar, was da im Stuhllager vor sich ging. Vorsichtig schob ich mich durch den schmalen Türspalt und sah, wie es links hinten in der Ecke zwei Menschen derart heftig im Stehen trieben, dass die Stuhltürme, an denen sie lehnten, bedrohlich schwankten. Lautlos machte ich einen kleinen Schritt nach vorne, um noch besser sehen zu können. Nee, oder? Das war doch Dr. Juncker, der künftige Vorstandschef der HESSENBANK. Vor gut einer Stunde hatte er drüben im großen Saal noch einen Multimedia-Vortrag über die vielschichtige Neuausrichtung der wichtigsten Bank Hessens gehalten. Überall lagen Broschüren aus, die ihn als toughen Geschäftsmann, aber auch als treusorgenden Familienvater neben aufgesetzt lächelnder Frau und gequält grinsenden Kindern zeigten. Aber es gab keinen Zweifel, es war tatsächlich Mr. Finanzstrahlemann, der gerade in einem schäbigen Lagerraum seine schneidige Power-Point-Assistentin schnörkellos gegen die Stuhltürme fusionierte. Die Geräusche wurden lauter, es war ohren- und augenscheinlich, dass der außereheliche Stuhllagerakt auf das Ende zuging. Ein Finale furioso. Mr. Focus-Money gab alles. Sein Chart erreichte den Break-even, die Schlussperformance war beachtlich. Ohne nachzudenken zündete ich mir die Kippe an, um auf den Punkt genau einen genüsslichen »Zug danach« nehmen zu können. Dann der Crash. Auf dem Weg zum Tageshöchstwert erinnerte sich das karrieregeile Fondsluder an ihren mittelhessischen Zumba-Kurs und begann, wie wild mit den Armen zu rudern. She works hard for the money hätte Donna Summer die Szenerie nicht treffender untermalen können. Der Blue-Chip der HESSENBANK war indes bereits unüberhörbar bei der Gewinnmitnahme. Ich schloss die Augen, inhalierte einen Zug bis tief unter die Milz und blies ihn dann genüsslich in Richtung Zimmerdecke. Als ich die Augen öffnete, starrte ich in ein kleines rotes Lämpchen inmitten eines runden Kästchens. O nein! Panisch und dennoch lautlos versuchte ich, die Wolke wieder einzusaugen. Vergeblich. Sie war unaufhaltsam auf dem Weg in Richtung Rauchmelder. »Scheiße«, rutschte es mir raus. Leider etwas zu laut. Der ertappte Banker schnellte mit einem Ruck zu mir herum. Unsere Blicke trafen sich für einen kurzen, aber intensiven Moment. Seine Gesichtszüge wirkten entrückt, irgendwie alienartig. Sehen wir Männer eigentlich alle so scheiße aus, wenn wir … naja, Sie wissen schon, im Cashflow sind? Das abrupte Umdrehen des kommenden Vorstandschefs hatte fatale Folgen, denn er zog die über mehrere Gliedmaßen mit ihm verbundene Fonds-Fackel derart ruckartig mit sich, dass sie die drei ineinander verkeilten Stuhltürme mit sich riss, die auf das halbnackte Pärchen einstürzten und es unter sich begruben. Einen Moment lang war es mucksmäuschenstill. Ich stand da wie vom Donner gerührt und von James Bond geschüttelt. Angewurzelt, absolut regungslos und leer. Plötzlich ein ohrenbetäubender Lärm. Der Rauchmelder hatte angeschlagen und sirente um sein Leben. Endlich war wieder genug Blut in meinem Kopf, dass ich einen Gedanken fassen konnte: nix wie weg hier. Aber es war schon zu spät, ich stand tropfnass im Regen. Die Brandschutzsicherheitstechnik im Steigenberger ist wirklich großartig. Falls Sie mal dort sein sollten, seien Sie unbesorgt. Hier kann nie und nimmer ein nennenswerter Brand entstehen. Nicht bei den Wassermassen, die sich nach einem klitzekleinen Zug an einer Zigarette von der Decke eines popligen Stuhllagers ergießen. Ich löste mich aus meiner Starre und huschte triefend nass durch den Flur zurück zur Garderobe. Oli kaute noch an einem letzten Gnocchi, und Mike hatte ein Stück Weißbrot sowie die HESSENBANK-Broschüre in der Hand. Beide starrten mich fassungslos an. »Ich war die ganze Zeit bei euch, okay?«, rief ich ihnen hektisch entgegen. »Was bitte?«, fragte Oli und verschluckte sich dabei fast. »Ich … ich … war bei euch, in der Garderobe, ja?«, stammelte ich panisch und hatte schon eine kleine Wasserlache unter mich getropft. Niemand reagierte. Einer schaute verstört zum anderen. Dann endlich hörte ich Mike sagen: »Mann, Jungs, guckt ihr denn keinen ›Tatort‹? Er war bei uns. Er war die ganze Zeit bei uns.« Eindringlich schaute er die anderen an, ehe er mir zulächelte. »Natürlich. Wo sollst du denn auch sonst gewesen sein?« »Maximal in der Garderobendusche«, frotzelte Oli, als ich mir mein nasses Hemd auszog. Knapp zwei Stunden später überquerte ich das Bad Homburger Kreuz in Richtung Norden. Es war gerade einmal 21.30 Uhr. Ich war schlappe drei bis vier Stunden früher dran als geplant. In dem ganzen Trubel hatte ich völlig vergessen, Heike anzurufen. Eventuell würde sie ja noch mit dem Abendessen auf mich warten. Dazu ein schönes Glas Rotwein und später vielleicht ein kleines Joint Venture im Schlafzimmer. Das Beste an diesem Abend war, dass mir heute der vierte Showblock erspart blieb. Den hasse ich noch mehr als den ersten. Es ist nämlich völlig egal, ob man in einem »Gasthof mit Fremdenzimmer« für eine Vogelsberger Landmaschinenfirma spielt oder in einem Nobelhotel vor Wirtschaftsgurus. Am Ende des Abends kommen sowohl Lagerarbeiter als auch Topmanager auf einen zugetorkelt und wünschen sich den »Holzmichl« oder »was von der geilen Helene Fischer«. Die A5 war fast leer, die Ausfahrt Friedberg und die Raststätte Wetterau flogen an mir vorbei. Ich konnte mich nicht erinnern, mit der Broadway Connection schon einmal so früh Feierabend gehabt zu haben. Aber gut, es waren ja auch außergewöhnliche Umstände. Und das just an dem Abend, der um ein Haar bereits im Vorfeld geplatzt wäre. Joey, unser etatmäßiger Drummer, hatte sich am Morgen krankgemeldet. Schon wieder. Letztens erst die Grippe, dann ein Todesfall, jetzt ein Hexenschuss. Dabei war er der Jüngste von uns und ein absolutes Fitness-Ass. Früher war Joey nie krank gewesen, aber in den letzten drei Monaten häuften sich seine Ausfälle. Martha hatte mit Gerri sogar einen dritten Schlagzeuger rekrutiert, der nun immer öfter aushalf, wenn Oli, unser zweiter Drummer, in Sachen Comedy unterwegs war. »Kennst du nicht noch jemanden? Bitte! Lass mich jetzt nicht hängen«, hatte mich Martha an diesem Morgen angefleht. »Gerri spielt mit den Sgt. Pepper’s.« »Was ist mit Kai oder …«, schlug ich vor, doch Martha fuhr mir nervös in die Parade. »Kai, Magnus und Harry hab ich schon durch, die spielen auch alle.« Martha war unsere Agentin. So eine Mischung aus Mutter Beimer und Maggie Thatcher. Sie nannte sich Kulturmanagerin und betrieb den größten Musikerpool der Region. Damit bestückte sie drei bis vier Galashowbands, machte das Booking und vermittelte meist gut bezahlte Auftritte im Rhein-Main-Gebiet, manchmal auch darüber hinaus. Zur Basisbesetzung der Broadway Connection gehörten Schlagzeuger Joey, Band-Küken und selbsternannter Womanizer. Er war ein sehr guter Drummer, aber menschlich gesehen machte er mir zu sehr auf dicke Hose. Die Bassgitarre zupfte in der Regel sein bester Freund Mike, inoffizieller Bandleader und Notenwart. Als passionierter Computerfreak war er es, der uns vor einem Jahr überredete, von antiquierten Notenständern auf moderne Technik umzurüsten. Nun hatte jeder von uns an seinem Mikroständer eine Halterung mit iPad, darauf gespeichert alle relevanten Songsheets und Setlisten. Hinzu kam Gitarrist Mark, Gymnasiallehrer mit einer offiziellen halben Stelle und einer inoffiziellen Viertel-Beziehung zu einem Mann. Dieses Viertel resultierte daraus, dass sowohl er als auch sein Liebster jeweils halbgeoutet waren. Die Stelle als Keyboarder teilte ich mir mit Kalli, den ich daher am wenigsten kannte. Ich wusste von ihm nur, dass...


Martin Guth, geboren 1970 in Butzbach, studierte Germanistik, Medien und Soziologie an der JLU in Gießen. Er schreibt seit 1994 gemeinsam mit seinem Partner Dietrich Faber (Duo "FaberhaftGuth") und seit 2013 als Solokabarettist Programme für etablierte Kabarettbühnen Deutschlands und der Schweiz. Guth wurde u. a. mit dem Kölner Comedy Cup, dem Stuttgarter Besen und der St. Ingberter Pfanne ausgezeichnet. Er ist Vater von zwei Töchtern.


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