Hart | Der dunkle Fluss | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 384 Seiten

Hart Der dunkle Fluss

Roman

E-Book, Deutsch, 384 Seiten

ISBN: 978-3-641-02800-8
Verlag: C. Bertelsmann
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)



Ausgezeichnet mit dem Edgar Allan Poe Award
Es ist fünf Jahre her, dass Adam Chase in New York ein neues Leben anfing. Er hatte damals South Carolina verlassen, nachdem er von einer Mordanklage freigesprochen worden war. Nun bittet sein alter Freund Danny ihn um Hilfe, und Adam fährt zurück. Doch der Freund ist verschwunden und in der Heimatstadt schlagen ihm Argwohn und Hass entgegen. Als Danny tot aufgefunden wird, fällt der Verdacht gleich wieder auf Adam. Aber es ist nicht nur dieser neue Mord, der Adam aufwühlt. Er muss sich der Vergangenheit stellen und es gibt dunkle Familiengeheimnisse. John Hart erkundet mit großer Intensität, wie weit Menschen gehen können, wenn es um Geld geht und um Rache.


John Hart, geboren 1965 in North Carolina, arbeitete als Rechtsanwalt, bevor er sich seinen Traum erfüllte und seinen ersten Roman schrieb - »Der König der Lügen«. Es folgten »Der dunkle Fluss« und 'Das letzte Kind', die beide mit dem renommierten Edgar-Allan-Poe-Award ausgezeichnet wurden. John Hart lebt mit seiner Frau und seinen beiden Töchtern in Rowan County, North Carolina.
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EINS Der Fluss ist meine früheste Erinnerung. Von der Vorderveranda am Haus meines Vaters, das auf einer kleinen Anhöhe steht, schaut man auf ihn hinunter, und ich habe Bilder, gelblich verblasst, von meinen ersten Tagen auf dieser Veranda. Ich habe in den Armen meiner Mutter geschlafen, wenn sie dort im Schaukelstuhl saß, ich habe im Staub gespielt, wenn mein Vater angelte, und ich weiß noch jetzt, wie der Fluss aussah: das langsame Kreisen des lehmroten Wassers, die schwarzen Strudel unter abgebrochenen Böschungen, die Geheimnisse, die er dem harten, rosafarbenen Granit von Rowan County zuraunte. Alles, was mich geformt hat, geschah in der Nähe dieses Flusses. Als ich meine Mutter verlor, konnte ich ihn sehen, und als ich mich verliebte, geschah es an seinem Ufer. Ich konnte ihn riechen, als mein Vater mich aus dem Haus warf. Er war Teil meiner Seele, und ich dachte, ich hätte ihn verloren. Aber alles kann sich ändern, sagte ich mir. Fehler können ausgebügelt werden, Unrecht lässt sich in Ordnung bringen. Das hat mich nach Hause gebracht. Hoffnung. Und Zorn. Ich war sechsunddreißig Stunden wach gewesen und hatte zehn davon am Steuer gesessen. Rastlose Wochen, schlaflose Nächte, und der Entschluss schlich sich in meinen Kopf wie ein Dieb. Ich hatte nie vorgehabt, nach North Carolina zurückzukehren – ich hatte es begraben -, aber unversehens lagen meine Hände auf dem Lenkrad, und Manhattan versank wie eine Insel hinter mir im Norden. Ich trug einen sieben Tage alten Bart und seit drei Tagen dieselbe Jeans und war angespannt von einer Nervosität, die an Schmerz grenzte, aber jeder hier würde mich unfehlbar erkennen. Nur das bedeutete »zu Hause«, im Guten wie im Schlechten. Mein Fuß ging vom Gas, als ich an den Fluss kam. Die Sonne hing noch tief über den Bäumen, doch ich spürte, wie sie aufging, ihr hartes, heißes Drängen. Auf der anderen Seite der Brücke hielt ich an und stieg aus; ich stand auf dem zermahlenen Schotter und schaute hinunter auf den Yadkin River. Er kam aus den Bergen und floss durch beide Carolinas. Acht Meilen weit von hier berührte er den nördlichen Rand der Red Water Farm, deren Land seit 1789 meiner Familie gehörte. Noch eine Meile weiter, und er floss am Haus meines Vaters vorbei. Seit fünf Jahren hatten wir nicht miteinander gesprochen, mein Vater und ich. Aber das war nicht meine Schuld. Ich ging mit einem Bier hinunter an die Böschung und blieb am Ufer stehen. Müll lag auf dem glatten Schlamm, der sich unter der morschen Brücke erstreckte. Weiden beugten sich über das Wasser, und ich sah, dass Milchflaschen an den tief hängenden Ästen festgebunden waren und in der Strömung schwammen. Angelhaken würden daran hängen, dicht über dem schlammigen Grund, und eine Flasche lag ziemlich tief im Wasser. Ich beobachtete ihre Bewegungen und riss die Bierdose auf. Die Flasche sank tiefer und drehte sich gegen die Strömung. Sie bewegte sich flussaufwärts und zog eine V-förmige Welle hinter sich her. Der Ast zuckte, und die Milchflasche blieb hängen, weißes Plastik, rotfleckig vom Wasser. Ich schloss die Augen und dachte an die Menschen, die ich hatte verlassen müssen. Nach so vielen Jahren sollte man erwarten, dass ihre Gesichter verblassen, ihre Stimmen verhallen würden, aber so war es nicht. Die Erinnerung stieg herauf, ungeschminkt und frisch, und ich konnte sie nicht verleugnen. Nicht mehr. Als ich vom Fuße der Brücke die Böschung hinaufstieg, sah ich oben einen Jungen mit einem staubigen Fahrrad. Er hatte einen Fuß auf den Boden gestellt und lächelte zaghaft. Er war vielleicht zehn Jahre alt und trug eine verwaschene Jeans und hohe Segeltuchturnschuhe. An einem verknoteten Strick an seiner Schulter hing ein Eimer. Neben ihm sah mein großes deutsches Auto aus wie ein Raumschiff aus einer anderen Welt. »Morgen«, sagte ich. »Ja, Sir.« Er nickte, ohne abzusteigen. »Flaschenfischen?« Ich deutet hinunter zu den Weiden. »Hab gestern zwei gefangen«, sagte er. »Da unten sind aber drei Flaschen.« Er schüttelte den Kopf. »Eine gehört meinem Daddy. Die zählt nicht.« »An der mittleren hängt was ziemlich Großes.« Er strahlte, und ich wusste, das war seine Flasche, nicht die seines alten Herrn. »Brauchst du Hilfe?«, fragte ich. »Nein, Sir.« Ich hatte als Junge selbst ein paar Welse aus dem Fluss gezogen, und nach dem unerbittlichen Zug an der mittleren Flasche zu urteilen, hatte er möglicherweise ein Monster erwischt, ein schwarzhäutiges, schlammfressendes Biest, das an die zwanzig Pfund wiegen mochte. »Der Eimer wird nicht groß genug sein«, sagte ich. »Ich nehme ihn hier aus.« Seine Hand wanderte stolz zu dem schmalen Messer an seinem Gürtel. Es hatte einen fleckigen Holzgriff mit hellen Nieten aus gebürstetem Metall. Die Scheide war aus schwarzem Leder; weiße Risse ließen erkennen, dass er sie nicht überall gründlich eingefettet hatte. Er berührte kurz den Griff, und ich spürte seinen Eifer. »Na schön. Dann viel Glück.« Ich ging im weiten Bogen um ihn herum, und er blieb auf seinem Rad sitzen, bis ich den Wagen aufgeschlossen hatte und eingestiegen war. Sein Blick ging von mir zum Fluss hinunter, und sein Grinsen wurde breiter, als er den Eimer von der Schulter nahm und das dünne Bein hinten über das Rad schwang. Ich fuhr zurück auf die Straße und suchte ihn noch einmal im Rückspiegel: einen staubigen Jungen in einer sanftgelben Welt. Fast konnte ich mich daran erinnern, was für ein Gefühl das war.  
Ich hatte eine Meile zurückgelegt, bevor die Sonne ihren Großangriff begann. Für meine versengten Augen war das zu viel, und ich setzte eine dunkle Brille auf. In New York hatte ich gelernt, was harter Stein, Enge und graue Schatten waren. Hier war alles so offen. So üppig. Ein Wort tastete sich in meinen Hinterkopf. Strotzend. So strotzend grün. Irgendwie hatte ich es vergessen, und das war in so vieler Hinsicht falsch, dass es mir ganz flau wurde. Ich bog ein paarmal ab, und die Straßen wurden immer schmaler. Mein Fuß trat das Gaspedal durch, und als ich den nördlichen Rand der Farm meines Vaters erreichte, fuhr ich viel zu schnell, mindestens siebzig Meilen. Ich konnte nicht anders. Das Land war narbig von Emotionen, von Liebe, Verlust und einem stillen, zersetzenden Schmerz. Die Einfahrt rauschte an mir vorbei, ein offenes Tor und eine lange Zufahrt durch welliges, grünes Land. Die Tachonadel berührte die Achtzig, und all das Schlimme brach über mich herein, sodass ich den Rest kaum noch sehen konnte. Das Gute. Die Jahre, bevor alles auseinanderbrach. Fünfzehn Minuten später kam die Stadtgrenze von Salisbury; ich bremste und fuhr im Schritttempo weiter, während ich eine Baseballmütze aufsetzte, um mein Gesicht noch besser zu verbergen. Ich wusste, dass die Faszination, die dieser Ort in mir auslöste, morbide war. Aber er war mein Zuhause gewesen, und ich hatte ihn geliebt; also fuhr ich durch die Stadt, um sie mir anzusehen. Sie wirkte immer noch historisch und reich, immer noch klein und südstaatlich, und ich fragte mich, ob sie mich noch schmecken konnte, nachdem sie mich vor so vielen Jahren ausgespuckt hatte. Ich fuhr an dem renovierten Bahnhof vorbei, an den alten Villen, voller Geld bis unters Dach, und ich wandte das Gesicht ab von den Männern auf den vertrauten Bänken und den Frauen in den bunten Kleidern. An einer Ampel hielt ich an und beobachtete die Anwälte, die mit großen Aktenkoffern breite Treppen hinaufstiegen, und dann bog ich links ab und hielt vor dem Gericht an. Ich konnte mich an die Augen jedes einzelnen Geschworenen erinnern, und unter meinen Fingern fühlte ich die Maserung des Tisches, an dem ich drei lange Wochen gesessen hatte. Wenn ich die Augen schloss, spürte ich noch jetzt das Gedränge der Leute auf der Treppe vor dem Gerichtsgebäude; ihre wütenden Blicke und das helle Blitzen ihrer Zähne trafen mich wie ein beinahe körperlicher Schlag. Nicht schuldig. Diese Worte hatten Wut entfesselt. Ich sah mich ein letztes Mal um. Es war alles da und alles falsch, und ich konnte den Groll nicht leugnen, der in mir brannte. Meine Finger gruben sich ins Lenkrad, der Tag kippte, und der Zorn schwoll in meiner Brust, bis ich dachte, ich müsste daran ersticken. Ich rollte südwärts die Main Street hinunter und dann nach Westen. Fünf Meilen hinter der Stadt fand ich das Faithful Motel. Es überraschte nicht, dass es in meiner Abwesenheit seinen Abstieg in den Verfall fortgesetzt hatte. Vor zwanzig Jahren hatte das Geschäft gebrummt, aber der Verkehr war zum Erliegen gekommen, als Kirchen-Mommys und Pfarrer dem Drive-in-Pornokino auf der anderen Straßenseite einen Pflock durch das Herz getrieben hatten. Jetzt war es eine Absteige, eine lange Reihe verwitterter Türen: Stunden- und Wochenmieter und Wanderarbeiter, die zu viert in ein Zimmer gestopft wurden. Ich kannte den Mann, dessen Vater es führte: Danny Faith. Er war mein Freund...


Hart, John
John Hart, geboren 1965 in North Carolina, arbeitete als Rechtsanwalt, bevor er sich seinen Traum erfüllte und seinen ersten Roman schrieb – »Der König der Lügen«. Es folgten »Der dunkle Fluss« und "Das letzte Kind", die beide mit dem renommierten Edgar-Allan-Poe-Award ausgezeichnet wurden. John Hart lebt mit seiner Frau und seinen beiden Töchtern in Rowan County, North Carolina.


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