Hassel / Schiller | Der Fall Hartz IV | Buch | 978-3-593-39336-0 | sack.de

Buch, Deutsch, 348 Seiten, Format (B × H): 144 mm x 219 mm, Gewicht: 432 g

Hassel / Schiller

Der Fall Hartz IV

Wie es zur Agenda 2010 kam und wie es weitergeht

Buch, Deutsch, 348 Seiten, Format (B × H): 144 mm x 219 mm, Gewicht: 432 g

ISBN: 978-3-593-39336-0
Verlag: Campus Verlag GmbH


2010 feiert Hartz IV seinen fünften Geburtstag. Die fast täglichen Debatten zeigen, dass das "Herzstück" der Agenda 2010 die Bundesrepublik grundlegender verändert hat als jede andere Reform der letzten Jahrzehnte. Basierend auf Gesprächen mit damaligen Akteuren untersuchen Anke Hassel und Christof Schiller die Hintergründe der Hartz-Reformen: Wer waren die zentralen Entscheidungsträger? Wurde der Reformstau überwunden und ist das deutsche Regierungssystem heute besser in der Lage, auf die derzeitigen Herausforderungen zu reagieren? Dieses Buch liefert erstmals eine lückenlose Analyse der Entscheidungsprozesse, die zu Hartz IV geführt haben, und gibt einen Ausblick auf die aktuellen Herausforderungen der Arbeitsmarktpolitik. Die Autoren räumen mit gängigen Vorurteilen über die rot-grünen Reformen auf und zeichnen ein kenntnisreiches Bild der wirtschaftlichen und politischen Zusammenhänge in der deutschen Politik. Sie kommen zu dem Schluss, dass die Hartz-IV-Reform, obgleich extrem, durchaus typisch für Reformpolitik in Deutschland ist und dass durch das Zusammenspiel von Föderalismus, Parteienwettbewerb und Sozialpartnern auch in Zukunft ähnliche Maßnahmen zu erwarten sind.
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Inhalt

Vorwort 9

Kapitel 1
Einleitung 13

Kapitel 2
Hartz IV: Eine Bestandsaufnahme 26
Die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe 27
Armut auf Rezept? 34
Institutioneller Wandel in der Sozialpolitik 43
Rückwirkungen auf das deutsche Parteiensystem 50

Kapitel 3
Das Ende der Vollbeschäftigung 55
Wohlfahrt ohne Arbeit 56
Die Stilllegung des Arbeitsmarktes 59
Die Frühverrentung 63
Die aktive Arbeitsmarktpolitik 65
Effekte der Stilllegung auf die Kommunen 68
Die Politik des Verschiebebahnhofs 70
Kontinuität nach der Wiedervereinigung 77

Kapitel 4
Der Beginn der Reformdebatte 84
Der Schock der deutschen Einheit 85
Erste Schritte in Richtung Strukturreform 93
Das erste Bündnis für Arbeit 98
Die Reform der Arbeitslosen- und Sozialhilfe 100
Das Arbeitsförderungsreformgesetz 102
Die Verschiebepolitik Mitte der neunziger Jahre 106

Kapitel 5
Die Transformation der Deutschland AG 109
Sozialverträglicher Arbeitsplatzabbau 112
Betriebliche Bündnisse für Arbeit 117
Von der Frühverrentung zur Altersteilzeit 120
Konfliktunfähigkeit und verbaler Radikalismus der Arbeitgeber 123
Zerrissene Gewerkschaften 127

Kapitel 6
Umbruch im Parteienwettbewerb 135
Neue Dynamik im Parteienwettbewerb 137
Sozialdemokratische Dilemmata 143
Die Einkapselung traditioneller Arbeitnehmerpolitik 148
Der Machtkampf der Enkel und die Führungsschwäche der SPD 151
Das Scheitern des Dritten Wegs im Kanzleramt 157
Der schwierige Weg in die Neue Mitte 159

Kapitel 7
Der Fiskalföderalismus 162
Die Struktur des Fiskalföderalismus in Deutschland 163
Die neuen Bundesländer 168
Die Haushaltskrise der westdeutschen Städte und Kommunen 172

Kapitel 8
Der Weg zur Reform 184
Die Idee bekommt erste Konturen 185
Zögern im Arbeitsministerium 196
Die Benchmarking-Studie im Bündnis für Arbeit 200
Die Stunde der Reformer 210
Die Hartz-Kommission 217

Kapitel 9
Die Konzeption der Reform 229
Konzeptionelle Anleihen bei der Sozialhilfe 233
Wer trägt die Verantwortung für die Langzeitarbeitslosen? 242
Die Regierung prescht vor - Schröders Agenda 2010 248
Parlamentarier auf verlassenem Posten 253

Kapitel 10
Die Entscheidung 264
Der Konflikt mit den Gewerkschaften 265
Die Vertrauensfrage: Schröder gegen die eigene Partei 270
Die Gesetzesberatung im Bundestag 274
Der Vermittlungsausschuss 276
Vermittlungsausschuss Nr. 2: Das kommunale Optionsgesetz 283
Hartz IV als Antwort auf die kommunale Finanzkrise 286

Kapitel 11
Wie es weitergeht 291
Hartz IV- eine typisch deutsche Reform 293
Baustelle Arbeitsmarkt 304
Wie wird es weitergehen? 311
Baustelle Reformpolitik 315

Literatur 318
Abbildungen und Tabellen 333
Abkürzung 334
Personenregister 337
Sachregister 341


Vorwort

Warum Hartz IV? Hartz IV ist eine der umstrittensten Reformen der Nachkriegszeit. Die Reform hat nicht nur einen Paradigmenwechsel in der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik herbeigeführt, sondern auch die deutsche Parteienlandschaft durcheinandergewirbelt. Sie hat die SPD Tausende von Mitgliedern und Millionen von Wählerstimmen gekostet. Sie widersprach den gängigen wissenschaftlichen Annahmen über die Stabilität und die Unreformierbarkeit des deutschen Sozialstaates. Und für die Kenner des deutschen Modells widerlegte sie fundamentale Annahmen über den Schutz der Qualifikationen deutscher Facharbeiter durch eine umfassende Arbeitslosenversicherung. Nach den traditionellen Analysen der Wissenschaft zum deutschen Sozialstaat hätte Hartz IV nicht passieren dürfen.
Dieser offensichtliche Widerspruch zwischen dem tradierten Verständnis der Experten über die Eckpfeiler deutscher Politik und der Realität der Jahre 2002 bis 2005 hat uns motiviert, dieses Buch zu schreiben. Für die Öffentlichkeit entfaltete sich das Drama einer der größten Sozialreformen Deutschlands seit den ersten Berichterstattungen über konkrete Schritte in Richtung Abschaffung der Arbeitslosenhilfe in einem Spiegel-Artikel Ende März 2002. Anstatt im Laufe der Zeit von den Mühlen deutscher Politik zermahlen zu werden, wurden die Reformvorschläge erst von der Hartz-Kommission aufgegriffen und dann in der Agenda 2010 prominent verankert. Nach der Wiederwahl der rot-grünen Bundesregierung im September 2002 betrieb der neue Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit die Umsetzung mit großem Nachdruck. Warum?
Diese Frage hat uns in den letzten Jahren nicht losgelassen. Sie wurde bestärkt durch einen Forschungs- und Arbeitsaufenthalt von Anke Hassel von April 2003 bis Mai 2004 in der Leitungs- und Planungsabteilung des damaligen Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit. Ursprünglich geplant als eine Analyse der Grenzen der Reformkapazität der deutschen Bundesregierung entwickelte sich der Aufenthalt zu einer teilnehmenden Beobachtung konkreter Reformpolitik. Als Beobachterin und Teil der Leitungsabteilung nahm sie an ministeriellen Arbeitssitzungen und Fraktionssitzungen zur Umsetzung der Reform teil. Das Ministerium arbeitete in dieser Zeit fieberhaft mit einem extrem straffen Zeitplan an einem hochkomplexen Gesetzentwurf. Im Land formierten sich Demonstrationen, Regionalparteitage der SPD wurden abgehalten, um die Zustimmung der Fraktion zu ermöglichen. Die Empörung der Gewerkschaften stieg. Innerhalb der Leitungsabteilung des Ministeriums wuchs die Angst vor dem drohenden Kollaps der Software der BA, verzögerten Auszahlungen und hochschnellenden Arbeitslosenzahlen. Die Frage des Warums jedoch stellte sich zu diesem Zeitpunkt bereits niemand mehr.
Mit einem Abstand von zwei Jahren beschlossen wir im Herbst 2006, dem Rätsel auf den Grund zu gehen. Die Finanzierung der Hans-Böckler-Stiftung erlaubte uns, im Rahmen eines Forschungsprojekts, eine detaillierte Analyse der Genese der Hartz IV-Reform durchzuführen. In den drei folgenden Jahren führten wir fast 50 zweistündige Interviews mit heute zumeist ehemaligen Ministern, Staatssekretären, Abteilungsleitern, Referatsleitern, Referenten, Verbandsvertretern und Abgeordneten.
Schrittweise näherten wir uns dabei dem Warum der Reform und stießen auf eine Reihe unerwarteter Ergebnisse. Das, was in diversen Landesarbeitsministerien zur Verbesserung der Kooperation zwischen Kommunen und Arbeitsämtern begann, verwandelte sich im Laufe der Zeit zu einem Projekt zur Rettung der westdeutschen Gemeinden vor dem bevorstehenden finanziellen Kollaps. Statt wie in der Vergangenheit Reformvorschläge im Zusammenspiel von Bund und Ländern zu zerlegen, wirkte im Fall Hartz IV die Dynamik des deutschen Exekutivföderalismus in die entgegengesetzte Richtung. Alle Beteiligten, Bund, Länder und Kommunen, versprachen sich durch die Zusammenlegung der Hilfeleistungen für Langzeitarbeitslose neue Finanzierungsquellen. Ein finanzieller Sachzwang, getragen von grundsätzlichen Überzeugungen der Notwendigkeit der Liberalisierung der Arbeitsmarktpolitik, erzeugte einen nicht mehr aufzuhaltenden Reformdruck.
Auf unserer Reise zu den Ursprüngen von Hartz IV haben wir mehr über Politik in Deutschland gelernt als jemals zu vor. Der Fall Hartz IV möchte diese Erkenntnisse über die Dynamik politischer Entscheidungsverfahren nun an ein größeres Publikum weitergeben.


Anke Hassel ist Professorin für Public Policy an der Hertie School of Governance und Senior Visiting Fellow an der London School of Economics. Christof Schiller ist Politik- und Verwaltungswissenschaftler und arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Hertie School of Governance.


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