Helleberg | Vogelfrei - oder Die heimliche Königstochter - Ein historischer Roman | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 492 Seiten

Helleberg Vogelfrei - oder Die heimliche Königstochter - Ein historischer Roman

E-Book, Deutsch, 492 Seiten

ISBN: 978-87-26-35034-0
Verlag: Saga Egmont
Format: EPUB
Kopierschutz: Kein



Spannender historischer Roman um Liebe und Leben im mittelalterlichen Schweden!
Schweden im 13. Jahrhundert: Jofrid, die uneheliche Tochter von König Magnusson, wächst bei ihrer Mutter und ihrem Ziehvater auf. Nach einer unglücklichen Liebe zu einem Priester, wird Jofrid zur Heirat mit einem Großbauern gezwungen. Die junge Frau beugt sich ihrem Schicksal – bis sie Jahre später auf den Ritter Sten Alogottsson trifft. Zwischen beiden entflammt eine leidenschaftliche Liebe, die sich über alle Tabus der rauhen schwedischen Gesellschaft des 13. Jahrhunderts hinwegsetzt...
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Bjärka – Aspanäs – Stockholm – Rydbo
1292–1322 Sten war sechs Jahre alt, und sein Vater sollte wieder Abschied nehmen von Bjärka, wo er einige Monate bei seinen Kindern gewohnt hatte. Der Vater war ja zumeist nur ein paarmal im Jahr zu Hause; aber die Mutter war immer zur Stelle, krank und übelriechend, auf steifen Beinen herumstaksend, in ihrer merkwürdigen Sprache schimpfend, Ohrfeigen nach allen Seiten austeilend. Heute war Sten von der Mutter und der kleinen Schwester weggelaufen, hatte sich in dem kleinen Steinhaus, wo Alva wohnte, versteckt. Sie war nicht da, aber alles duftete nach ihr. Er kletterte auf die rotgemalte Kleidertruhe und stieß die kleine Holzklappe von der runden Fensterluke weg, so daß der Frühlingswind und der Geruch von Gras und Fäulnis aus dem Wallgraben sein Gesicht traf und er den engen, gepflasterten Platz zwischen den Häusern sehen konnte. Die Pferde standen in einer Reihe, gestriegelt und gesattelt. Sie waren ungeduldig und zerrten an den Zügeln, so daß die kleinen Jungen Schwierigkeiten hatten, sie zurückzuhalten – der große, schwere, schwarze Hengst seines Vaters wurde zuletzt vorgezogen, drei Männer hingen in seinen Zügeln, um ihn zu halten. Wenn der es sich in den Kopf setzte, konnte es diesem Hengst einfallen, schwupp! in eine Mauer zu rennen, und keiner wußte, ob die Mauer oder der Hengst den Zusammenprall besser überstehen würde. Der Sattel war zu einem richtigen kleinen Turm aufgebaut, der den Reiter auf dem Sitz fest umschließen würde. Solch ein Sattel war Stens größter Traum und Wunsch, aber bis jetzt durfte er noch nicht einmal allein reiten; wenn sie zur Kirche sollten, lief ein Mann nebenher und zog sein Pferd an der Kandare, als sei er eine alte Dame. Unter dem blanken, abgenutzten Leder des Sattels lag die schwarze Seidendecke, aufgeschnitten zu feinen Zungen und sternförmigen Löchern, bestickt mit Goldfäden. Auf der Decke prangte mehrfach der Greifkopf mit einem Federbusch aus Pfauenfedern, das war sein Wappen und das seines Vaters, das Symbol für die Welt, die er kannte, und für die Sippe, zu der er gehörte. Nie zuvor war das Pferd so fein geschmückt gewesen wie heute. Der Schwanz war zu einer Spitze geflochten, die Mähne kurz wie ein Kamm geschnitten, und das Zaumzeug war mit einer breiten, juwelenbesetzten Stahlplatte versehen worden, die die Stirn des Tieres gegen Hiebe und Schläge schützen sollte. Sten wußte – von Fremden, nicht vom Vater selbst –, daß die prachtvolle Ausrüstung eine Geschichte hatte, die den Onkel Folke betraf, der Landesverräter gewesen und gehängt worden war und dessen Namen man in Anwesenheit des Vaters nicht aussprechen durfte. Aus der Gesindestube liefen die Knechte herbei – redend, lachend und lärmend, und zwei verfolgten einander bis hinter die Pferde und rangelten. Es war ein merkwürdiges Leben: erwachsen zu sein und selbst bestimmen zu können, was man tat. Die Sonne war hinter den Wolkenbergen hervorgekommen, es blitzte und glitzerte überall in der Nässe. Der Lärm und die Unruhe, die Erwartungen und die vielen schallenden Stimmen schlugen gegen die Hauswände wie Wellen an die Küste. Zum Schluß kam sein Vater, aber nicht vom Steinturm her, wo seine Frau wohnte. Er trug lange, schwarze Lederkleidung mit kleinen, blinkenden Silberplättchen, wie Fischschuppen. Zwei Männer hingen auf der anderen Seite des Pferdes am Steigbügel, als er sich hinaufschwang; er wollte das kleine, dreistufige Treppchen nicht benutzen, das war für ältere Menschen gedacht. Als er sicher auf dem Pferderücken saß, ließ er sich den Helm reichen, den er am Kragen der Brünne befestigte, und das Schwert Bitar, dessen Griff er küßte, bevor er es in die Scheide steckte, die am Sattel vor seinem linken Knie angebracht war. Sten stand immer noch in Alvas Steinhaus und lugte angestrengt durch das kleine Guckloch hinaus. Jeder der Gegenstände, die sein Vater nun auf dem Pferd entgegennahm, unterstrich die Trennung. Am Ende konnte er seinen Vater nur noch am Greifkopf und an den Farben erkennen. Die Kleider der Gefolgsleute, die Fahnen, die Pferdeschabracken, die Schilde und die Wimpel auf den Lanzen – alles glänzte schwarz und golden. Als der Vater den Helm schloß, schien es Sten, als sei er damit endgültig in eine andere Welt eingetreten. Jetzt blieb nichts mehr von ihm übrig als der stechende Raubtierblick durch den schmalen Spalt im Stahl. Dieses furchteinflößende Wesen in Eisen und Leder war der Mann, der sich über seine Fragen lustig zu machen pflegte, der ihn unter den Armen kitzelte, bis er vor krampfartigem Lachen zusammenbrach, der ihn auf den Boden trug, wenn er schlafen sollte, der ihm geholfen hatte, die schönsten Welpen aus einem Wurf auszuwählen. Es gab keinen Zusammenhang zwischen den beiden; dennoch war es ein und dieselbe Person. Als er sah, wie der Vater dem großen, schnaubenden Tier die Sporen in die Seiten stieß und Kurs auf die Brücke nahm, während das Gefolge ihm in einer grauen Staubwolke folgte, empfand Sten auch Stolz. Er wunderte sich nicht, daß der Vater davongeritten war, ohne von ihnen Abschied zu nehmen – so ging es ja immer vor sich, und seiner Mutter hätte es kaum gefallen, daß man sie aufsuchte, ohne vorher um Erlaubnis gebeten zu haben. Es gab nicht viel Zärtlichkeit zwischen ihnen. Er kannte ja keine anderen Menschen – und er war überzeugt, daß alle Mütter in der ganzen christlichen Welt wie Elisabeth Kyren waren, Holsteinerinnen, die gebrochen schwedisch sprachen, nach Fisch rochen, krank und mürrisch waren, Blut husteten, furchterregende Wutanfälle bekamen und auf alle und alles einschlugen. Der Vater – er kam immer ohne Vorwarnung, wie Schneeschauer, die über den Hof zogen. Wenn er zu Hause war, zankte er sich mit seiner Frau über unbegreiflich unwichtige Themen, von denen Sten nicht begriff, warum erwachsene Menschen dafür ihre Zeit vergeudeten. So verging Jahr für Jahr, bis Sten neun war – eine Nacht, in der er das Bett mit der kleinen Schwester teilen mußte, an sich eine furchtbare Schmach, aber es war Winter, also lag Alva zwischen ihnen wie ein Wall aus weichem Fleisch und wärmte sie beide. Er war aufgewacht, weil er fror. Es zog von der offenen Tür – er glaubte, nicht richtig zu sehen, aber seine Mutter war gekommen, mit dem Fehmantel über dem graugelben, schmutzigen Hemd, und das Haar in zwei filzigen, dünnen Zöpfen über der Schulter hängend. Sten hatte fast schon geglaubt, daß sie im Bett ihres Steinhauses festgewachsen sein mußte, so lange war sie schon nicht mehr draußen gewesen. Aber jetzt trat sie ans Bett und sah auf ihn hinab. Er schloß die Augen und tat, als schlafe er tief – es wäre zu peinlich, ihr zu zeigen, daß er hellwach war und ihre Anwesenheit wahrgenommen hatte. Er merkte, daß sie sich niederbeugte, sich auf die Bettkante setzte. Jetzt gab sie einen gequälten Laut von sich, als habe sie wieder Schmerzen. Er öffnete die Augen zu einem schmalen Spalt, immer noch voller Angst, sich zu verraten. Sie zog den Mantel um sich zusammen und beugte sich noch tiefer über ihn. Ihr Mund und Atem rochen wie Wasser, in dem Fisch abgespült worden war, ein scharfer Gestank, der sich wie Nebel über sein Gesicht legte. Sie strich mit der rauhen Hand über sein Gesicht, der Daumen glitt hart über sein empfindliches Augenlid. Nicht eine Liebkosung wie vom Vater oder von Alva, sondern seltsam unbeholfen und unangenehm. Erst als sie sich erhob, schnell und eifrig, als hätte jemand nach ihr gerufen, öffnete er die Augen vollständig und sah ihr nach. Warum schlich Elisabeth mitten in der Nacht zu ihm, hatte sie das schon vorher getan, ohne daß er aufgewacht war? Könnte es etwas mit den Kindern zu tun haben, die Alva bekam? Er versuchte, seine Beobachtungen zu einem Gesamtbild zu ordnen, das Herz hämmerte ihm in der Brust – natürlich würde sie zurückkommen, und dann würde er nicht so tun, als schlafe er, sondern ihr beide Arme um den Hals legen, auch wenn sie eklig stank, und sie bitten, sich zu ihm zu legen und Geschichten zu erzählen, wie Alva es immer tat. Aber sie ging hinaus und ließ die Tür hinter sich offen. Der Schnee leuchtete im Mondschein. Es sah aus, als trete seine Mutter in eine andere Welt ein, blau und durchscheinend. Um besser sehen zu können, setzte er sich auf – im gleichen Augenblick fiel seine Mutter vornüber und erhob sich nicht wieder. Eine Ewigkeit wartete er voller Angst, starrte hinaus auf ihre undeutliche, liegende Gestalt, während er nachdachte, was zu tun sei. Endlich hüpfte er furchtsam aus dem Bett, und obwohl er so sehr fror, daß er Gänsehaut bekam, rannte er zur Tür hinaus ohne einen Fetzen Zeug am Leib, glitt im Schnee aus und winselte vor Schmerz, weil die Nachtkälte in der Haut ätzte und biß. Elisabeth lag mit dem Gesicht auf dem Boden und die Arme von sich gebreitet. Er konnte nicht im Schnee niederknien, sondern sprang um sie herum, in tiefer Not, wie ein kleines Tier winselnd. Er hatte noch nie einen toten Menschen gesehen, aber er wußte, was hier vor ihm lag. Ein gliederloser, seelenloser Körper mit einem halboffenen Mund, Zunge und Zähne von Blut verschmiert, die eine Hand verkehrt unter sich gebogen. Die Eiseskälte raubte ihm fast die Besinnung, als Alva in der Tür auftauchte, mit dem Mantel seiner Mutter um die Schultern und einem brennenden Holzscheit in der Hand. Sie lief zur Gefallenen und drehte sie mit harten, zielbewußten Händen um,...


Maria Helleberg, geboren 1956, ist in ihrem Heimatland Dänemark als Königin der historischen Romane bekannt. Sie studierte Dänisch und Theaterwissenschaften und veröffentlicht seit 1986 Romane, Kinderbücher, Reiseliteratur und Theaterstücke. Ihre Werke, für die sie etliche Auszeichnungen und Stipendien erhalten hat, wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt.


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