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E-Book

E-Book, Deutsch, 260 Seiten

Herger Wenn Affen von Affen lernen

Wie künstliche Intelligenz uns erst richtig zum Menschen macht

E-Book, Deutsch, 260 Seiten

ISBN: 978-3-86470-650-9
Verlag: Plassen Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Was ist Intelligenz im künstlichen und menschlichen Sinn? Können Maschinen Bewusstsein entwickeln und wie würden wir das erkennen? Sind Maschinen fähig, Empathie zu zeigen und zu fühlen?
Innovations-Guru Dr. Mario Herger gibt darauf Antworten. Er verdeutlicht die vielfältigen Chancen und positiven Auswirkungen von KI auf alle Aspekte des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens. Spannende Gespräche mit KI-Vordenkern und KI-Praktikern aus dem Silicon Valley vermitteln dem Leser wertvolle neue Erkenntnisse und Mindsets. Ein unentbehrlicher KI-Ratgeber für Gegenwart und Zukunft!
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Seit den 1950er-Jahren beobachten japanische Forscher auf der Insel Kojima eine kleine Kolonie von Makakenaffen. Die Arme und Beine der zwischen einem halben und dreiviertel Meter großen Makaken sind typischerweise in etwa gleich lang. Manche der insgesamt 23 Arten haben lange und andere gar keine Schwänze. Jeder von uns hat sicherlich schon einmal das entzückende Bild von in vulkanischen Quellen badenden Makaken gesehen, deren nasses Kopfhaar ganz strubbelig wegsteht. Kein Wunder, dass diese niedlichen Primaten unter Wissenschaftlern für Studien beliebt sind. Im Zuge ihrer Forschung begannen die Wissenschaftler, den Affen Süßkartoffeln zu essen zu geben. Nach einiger Zeit begann ein weibliches Jungtier, das die Forscher auf den Namen Imo getauft hatten, die Kartoffel vor dem Verzehr in Wasser zu tauchen, um den Sand abzuwaschen. Bei den älteren Affen war das nicht beobachtet worden. Sie hatten die Kartoffeln nur mit der Hand abgeputzt. Was mit diesem einen Jungtier begann, breitete sich langsam in der ganzen Kolonie aus. Mehr und mehr Makaken wuschen die Kartoffeln und nun erwachsene Jungtiere lehrten dieses Verhalten ihren eigenen Sprösslingen. Imo kam aber auf einen weiteren Trick. Sie wusch die Kartoffeln nicht nur mit Wasser, sondern mit Meerwasser. Nach jedem Biss in die Kartoffel wiederholte sie das Waschen und „salzte“ somit ihren Snack. Auch das wurde ihr von den anderen Affen abgeschaut und nachgemacht. Andere Primaten lernen ebenso voneinander neue Tricks. Gleich 39 verschiedene Verhaltensweisen, von Werkzeuggebrauch, Werbeverhalten bis zur Fellpflege, konnten von Jane Goodall und anderen Forschern bei einer groß angelegten Studie von Schimpansen beobachtet und identifiziert werden.1 Das Spannende hier ist, dass diese Verhaltensweisen isoliert in den einzelnen Gruppen entstanden waren. Westafrikanische Schimpansen sind bekannt für die Verwendung von dünnen und dicken Ästen, um Ameisen zu fressen. Zuerst bohren sie mit einem dickeren Ast ein Loch in einen Ameisenhügel, dann schieben sie einen Grashalm in das Loch und warten darauf, dass genug Ameisen sich darin verbeißen. Den Grashalm ziehen sie dann durch ihre Finger und verschlingen die Ameisen auf einmal. Bemerkenswert ist dabei, dass die Schimpansen nicht am Boden sitzen bleiben, sondern auf einem Ast hängend den Ameisenhaufen bearbeiten. Das verhindert, dass sie von den verständlicherweise erbosten Ameisen am Boden attackiert und gebissen werden. Auch die Länge der eingesetzten Stöckchen variiert, je nachdem, mit welcher Art von Ameisen die Schimpansen es zu tun haben. Im Schnitt sind die Stöckchen 64 Zentimeter lang, aber bei schnelleren Ameisenarten muss schon mal ein 76 Zentimeter langer Ast herhalten.2 Diese Technik, um an Ameisen heranzukommen und sie zu verzehren, wird von Generation zu Generation weitergegeben. Das Wort „nachäffen“ kommt nicht von ungefähr. Affen lernen von Affen. Was aber geschieht, wenn Affen von Menschen unterrichtet werden? Das beobachteten wir zum ersten Mal dank Koko ab den 1970er-Jahren. Koko war ein westliches Flachlandgorillaweibchen, das am 4. Juli 1971 – dem amerikanischen Unabhängigkeitstag, der traditionell mit Feuerwerken gefeiert wird – unter dem japanischen Namen Hanabi-ko (deutsch: Feuerwerkskind) im Zoo von San Francisco geboren wurde. Einige Zeit darauf fragte die Stanford-Doktorandin und Psychologin Francine Patterson beim Zoo an, ob sie sich für ihre Studien zur Tierpsychologie Koko „ausleihen“ könne. Der Zoo stimmte nach einigem Zögern zu, nicht zuletzt, weil die Gorillakolonie unter einer Form von Ruhr gelitten hatte, die es erforderlich machte, das junge, bereits stark in Mitleidenschaft gezogene Gorillaweibchen zu isolieren. Somit begann ab 1972 eine 46-jährige Zusammenarbeit, in der Patterson Koko die amerikanische Variante der Zeichensprache beibrachte. Zusammen mit Wörtern, die Patterson dazu sprach, verfügte das Gorillaweibchen sehr bald über ein umfangreiches Vokabular. Die mehr als tausend Wörter der nun sogenannten Gorilla Sign Language, die Koko nach vielen Jahren verstand, gaben einen Einblick in ihre kognitiven Leistungen, ihren Charakter und unter anderem auch in ihren Humor. Dieser zeigte sich immer wieder. So sprang sie einmal in ein im Wohnwagen montiertes Waschbecken und riss es dank ihres Körpergewichts aus der Verankerung. Als sie daraufhin von den Forschern zur Rede gestellt wurde, zeigte sie in Zeichensprache „Kate war schlimm!“ und meinte damit die Forschungsassistentin, die bei dem Ereignis dabei gewesen war. Ein andermal stahl sie einen roten Wachsmalstift, auf dem sie herumzukauen begann. Als Patterson sie zur Rede stellte, nahm sie den Wachsmalstift, zeigte „Lippe“ und bewegte den Stift wie einen Lippenstift zuerst über ihre Ober- und dann über ihre Unterlippe. Sie erwies sich auch als sehr kreativ beim Erfinden neuer Wörter, indem sie ihr bekannte Bezeichnungen kombinierte. Eine Maske bezeichnete sie als „Augenhut“, eine Pinocchio-Puppe als „Elefantengesicht“. Auch schimpfen und fluchen konnte sie. „Vogel“ (die sie nicht mochte), „Nuss“ (Englisch „nut“, was sowohl „Nuss“ als auch so viel wie „verrückt“ bedeuten kann), „Toilette“ und „schmutzig“ zählten dabei zu ihren bevorzugten Schimpfwörtern. Tatsächlich schuf sie sich ein reichhaltiges Vokabular, um jemanden zu beleidigen. Mehr als zwei Dutzend Wortkombinationen hatte sie sich angeeignet, um unterschiedliche Personen, Tiere oder Dinge zu beschimpfen. Bei einer Dokumentation zu Vögeln zeigte sie auf sich, dass sie ein Vogel sei. Auf das ungläubige Gesicht der Forscherin reagierend, deutete sie, dass auch die Forscherin ein Vogel sei. Bis sie es nicht mehr aushielt und sich als „Koko (der) Vogelclown“ zu erkennen gab.3 Koko, für die Patterson die Gorilla Foundation zum Schutz von Primaten gegründet hatte und die von dem Wohnwagen auf einem Parkplatz der Stanford University nach einigen Jahren in ein eigenes Gelände in Woodside umziehen konnte (deren Niederlassung sich bis heute noch dort befindet), war nicht der einzige Primat, mit dem Sprach- und Intelligenzforschungen betrieben wurden. Schon vor Koko konnte ein weiblicher Schimpanse namens Washoe ein paar Dutzend Zeichen zur Kommunikation verwenden. Und Koko hatte später noch das Gorillamännchen Mike als Gefährten, der sich aber als weniger lernbegierig als Koko und als eher schweigsam erwies.4 Interessanterweise zeigte sich Koko auch gern von ihrer widerspenstigen Seite. Wenn ihr eine Aufgabe als zu langweilig erschien, tat sie das genaue Gegenteil oder alberte herum. Bei einer Gelegenheit zerbrach sie Plastiklöffel und wollte damit nicht aufhören. Erst auf die bewusste Aufforderung, die Löffel zu zerbrechen, tat sie das Gegenteil und hörte damit auf. Oder als die Forscherin sie aufforderte, das ihr bestens bekannte Handzeichen für „trinken“ (eine Faust mit ausgestrecktem Daumen, die an den Mund geführt wird) zu zeigen, sah sie ihr in die Augen, formte die Faust mit ausgestrecktem Daumen und führte sie – an das Ohr.5 Kokos Spracherwerbsfähigkeiten ungeachtet haben Gorillas nicht die Bestrebung, Menschen werden zu wollen, genauso wenig wie wir Gorillas werden wollen. Koko blieb, was sie war, vielleicht sogar mehr, als sie es ohne den Erwerb von Zeichensprache gewesen wäre. Auch der niederländische Primatenforscher Frans de Waal erforscht sein vielen Jahren Schimpansen, Bonobos und andere Affengattungen. Er studiert deren Charakter und die Dynamiken der Affenkolonien. In seinem Buch „Mama’s Last Hug“ schildert er unter anderem die Interaktion eines im Sterben liegenden greisen Schimpansenweibchens mit einem gleichfalls hochbetagten Forscher, der jahrzehntelang mit ihr gearbeitet hatte. Dabei zeigten die Gesten der Schimpansin – ihr freudiges Grinsen, als sie ihn erkannte, und das besänftigende Klopfen auf seinen Nacken, als wolle sie ihm sagen: „Sei nicht besorgt, meine Zeit ist gekommen“ –, wie vertraut und berührend diese Interspezieskommunikation sein kann. Wie auch immer man zu diesen Studien stehen mag – immerhin wurde Koko in eine künstliche, von Menschen geschaffene Welt hineingeboren und lebte vor allem mit Menschen, nie aber länger in einer Gruppe unter ihresgleichen: Sie geben einen faszinierenden Einblick in die kognitive Welt unserer Artverwandten, die einiges zum Verständnis von Primaten und der Achtung vor ihnen beigetragen haben. Es verwundert deshalb nicht die weltweite Trauer, als Koko am 19. Juni 2018 im Alter von 47 Jahren im Schlaf sanft verschied.6 Bei der Forschung mit Primaten und anderen Tiergattungen, die zu neuen Erkenntnissen zu Sprache oder Werkzeuggebrauch führt, ist eine Reaktion immer vorhersehbar: Viele Forscher und Menschen fühlen sich in ihrem Menschsein bedroht. Was als für Menschen einzigartig gesehen wird, wie eben der Gebrauch von Sprache, Intelligenz, Bewusstsein, Wissen oder die Verwendung von Werkzeugen, kann gemäß diesen Kritikern nicht auch Tieren (oder in späterer Folge Maschinen) zugeschrieben werden....


Dr. Mario Herger ist der CEO von Enterprise Garage Consultancy und lebt seit 2001 im Silicon Valley. Der langjährige SAP-Entwicklungsleiter und -Innovationsstratege berät Unternehmen, wie sie den innovativen Entrepreneur-Geist aus dem Silicon Valley auf ihre Organisationen übertragen können. 2013 gründete er das Austrian Innovation Center Silicon Valley, das europäische Unternehmen mit dem Silicon Valley verbindet und vernetzt.


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